European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2021:T111116.20210429 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 29 April 2021 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1111/16 | ||||||||
Anmeldenummer: | 00993868.9 | ||||||||
IPC-Klasse: | C23C 16/26 C23C 16/02 H01J 37/32 C23C 14/35 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
Download und weitere Informationen: |
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Bezeichnung der Anmeldung: | DLC-SCHICHTSYSTEM SOWIE VERFAHREN ZUR HERSTELLUNG EINES DERARTIGEN SCHICHTSYSTEMS | ||||||||
Name des Anmelders: | Oerlikon Surface Solutions AG, Trübbach | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e.V. Hauzer Techno-Coating B.V. IHI Ionbond AG |
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Kammer: | 3.2.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Zulässigkeit der Beschwerde - Beschwerde hinreichend begründet (ja) Änderung des Beschwerdevorbringens - Hauptantrag Änderung des Beschwerdevorbringens - Eignung der Änderung zur Lösung der aufgeworfenen Fragen (nein) Änderung des Beschwerdevorbringens - Hilfsantrag Änderung des Beschwerdevorbringens - Eignung der Änderung zur Lösung der aufgeworfenen Fragen (ja) Patentansprüche - Klarheit Patentansprüche - Hilfsantrag (ja) Ausreichende Offenbarung - (ja) Änderungen - Erweiterung über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinaus (nein) Neuheit - Hilfsantrag (ja) Spät eingereichtes Dokument - Rechtfertigung für späte Vorlage (nein) Rügepflicht - Einwand zurückgewiesen Zurückverweisung - besondere Gründe für Zurückverweisung Zurückverweisung - (ja) Rückzahlung der Beschwerdegebühr - (nein) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Das europäische Patent EP 1 272 683 B1 (im Folgenden: das Patent) betrifft ein DLC-Schichtsystem für den Verschleißschutz und Korrosionsschutz, eine Vorrichtung sowie ein Verfahren für seine Herstellung.
Gegen das erteilte Patent wurden drei Einsprüche eingelegt, die auf die Gründe der Artikel 100 a), b) und c) EPÜ gestützt waren.
II. Die Einspruchsabteilung hat entschieden, das Patent zu widerrufen.
III. Gegen diese Entscheidung hat die Patentinhaberin (die Beschwerdeführerin) Beschwerde eingelegt und das Patent zunächst ausschließlich mit einem mit der Beschwerdebegründung eingereichten geänderten Hauptantrag verteidigt.
IV. Stand der Technik
Die folgenden Dokumente des Einspruchsverfahrens sind für diese Entscheidung wesentlich:
D1: DE 198 26 259 A1;
D3: René A. Haefer, "Oberflächen- und Dünnschicht-
Technologie, Teil 1, Beschichtungen von
Oberflächen", Springer Verlag, Berlin 1987,
Seiten 1 bis 3, 72 bis 89, 94 bis 143, 168 bis
175;
D6: US 5,712,000;
D11: A. Grill, "Diamond -like carbon: state of the
art", Diamond and Related Materials 8, 1999,
Seiten 428 bis 434;
D12: Y. Lifshitz, "Diamond -like carbon - present
status", Diamond and Related Materials 8, 1999,
Seiten 1659 bis 1676;
D13: M. Grischke et al.: "Application-oriented
modifications of deposition processes for
diamond-like-carbon-based coatings", Surface and
Coatings Technology 74-75 (1995),
Seiten 739-745;
D20: T. Krumpiegl, "Vermeidung von Schmierstoffen in
Gelenklagern durch PVD-Beschichtungen",
Abschlußbericht, BMBF, Förderkennzeichen:
13N6220, Juni 1997, Seiten 1 bis 96
D47: A. Grill, "Tribology of diamondlike carbon and
related materials: un updated review", Surface
and Coatings Technology, 94 - 95, 1997,
Seiten 507 bis 513;
D51: X. Chen et al.: "Influence of individual Cr-C
layer thickness on structural and tribological properties of multilayered Cr-C/a-C:Cr thin films", Surface and Coatings Technology, 204 (2010), Seiten 3319 bis 3325.
D59: US 6,066,399.
V. In der als Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung gemäß Artikel 15(1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK 2007) vom 12. Juli 2019 teilte die Beschwerdekammer den Verfahrensbeteiligten ihre vorläufige Einschätzung des der Beschwerde zugrunde liegenden Sachverhalts mit. Dabei wies sie unter anderem darauf hin, dass sie zwar die Beschwerde entgegen der Auffassung der Bechwerdegegnerinnen für zulässig halte, dass aber die Änderungen in den Ansprüchen 1 und 2 des mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hauptantrags nicht die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ und der Regel 80 EPÜ erfüllten. Ferner wies sie darauf hin, dass gegebenenfalls mit einer Zurückverweisung der Sache an die Einspruchsabteilung zu rechnen sei.
VI. Mit Schreiben vom 21. Februar 2020 reichte die Beschwerdeführerin in Reaktion auf die Mitteilung der Kammer einen neuen Hauptantrag sowie außerdem Hilfsanträge I bis XI ein.
VII. Mit Schreiben vom 6. März 2020 bzw. 9. April 2020 ergänzten die Beschwerdegegnerinnen 1 und 2 jeweils ihre Vorbringen in Bezug auf die neu eingereichten Anträge der Beschwerdeführerin. Unter anderem stellte die Beschwerdegegnerin 1 die Neuheit des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag VI in Hinblick auf die Offenbarung in den Dokumenten D3 und D6 in Frage.
VIII. Aufgrund der Corona-Pandemie wurde der für den 12. Mai 2020 anberaumte Termin zur mündlichen Verhandlung aufgehoben.
IX. In der als Anlage zur erneuten Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten weiteren Mitteilung gemäß Artikel 15(1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK 2020) vom 15. Mai 2020 teilte die Kammer den Verfahrensbeteiligten ihre vorläufige Einschätzung zu den weiteren streitigen Punkten mit. Dabei wies sie erneut darauf hin, dass mit einer Zurückverweisung der Sache an die Einspruchsabteilung zu rechnen sei.
X. Mit Schreiben vom 10. August 2020 teilte die Beschwerdegegnerin 3 mit, dass sie an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen werde.
XI. Mit Schreiben vom 11. März 2021 ergänzte die Beschwerdegegnerin 1 ihr Vorbringen zur Zulässigkeit der Anträge der Beschwerdeführerin und zur Frage der Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung.
XII. Die mündliche Verhandlung fand am 29. April 2021 wie angekündigt in Abwesenheit der Beschwerdegegnerin 3 gemäß Artikel 15(3) VOBK 2020 und Regel 115(2) EPÜ und ohne Einwand seitens der Verfahrensbeteiligten als Videokonferenz statt.
Während der Verhandlung änderte die Beschwerdeführerin die Reihenfolge ihrer mit Schreiben vom 21. Februar 2020 eingereichten Hilfsantrage I bis XI dahin, dass Hilfsantrag VI als Hilfsantrag 0 gestellt wurde. Die übrigen Hilfsanträge wurden in unveränderter Reihenfolge aufrechterhalten.
XIII. Die Beschwerdegegnerin 2 erhob während der mündlichen Verhandlung eine Rüge nach Regel 106 EPÜ wegen der Nichtzulassung der Dokumente D13 und D51 im Rahmen eines Neuheitsangriffs. Die Kammer hat die Rüge zurückgewiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten zum Ablauf der mündlichen Verhandlung wird auf die Niederschrift verwiesen.
XIV. Am Ende der mündlichen Verhandlung bestand folgende Antragslage:
Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in eingeschränktem Umfang auf der Grundlage des Hauptantrags oder des Hilfsantrags 0 oder der Hilfsanträge I bis V oder VII bis XI, alle eingereicht mit dem Schreiben vom 21. Februar 2020, aufrechtzuerhalten. Außerdem beantragte sie, die Beschwerdegebühr zu erstatten. Einwände zur Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung erhob sie nicht.
Die Beschwerdegegnerinnen 1 bis 3 beantragten, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen oder als unbegründet zurückzuweisen.
Die Beschwerdegegnerin 1 beantragt die Sache nicht an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen.
XV. Wortlaut der in dieser Entscheidung diskutierten Ansprüche (Änderungen im Vergleich zur erteilten Fassung durch Fettdruck hervorgehoben)
Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:
"Schichtsystem für den Verschleißschutz, Korrosionsschutz[deleted: icht] und zur Verbesserung der Gleiteigenschaften und dergleichen auf einem Substrat mit einer Haftschicht zur Anordnung auf einem Substrat, einer Übergangsschicht zur Anordnung auf der Haftschicht, und einer DLC- [deleted: oder Diamants]Schicht,
dadurch gekennzeichnet, dass
auf der DLC- [deleted: oder Diamants]Schicht eine Gleitschicht angeordnet ist, deren chemische Zusammensetzung sich von der DLC- [deleted: oder Diamants]Schicht unterscheidet, wobei der Anteil der sp**(2)-Bindungen bzw. das sp**(2)/sp**(3)-Verhältnis in der Gleitschicht grösser ist als in der DLC-Schicht, wobei die DLC-Schicht eine Dicke von 0,5 µm bis 20 µm aufweist, wobei die Haftschicht mindestens ein Element aus der Gruppe der Elemente der IV., V. und VI. Nebengruppe sowie Si umfasst und die Übergangsschicht im wesentlichen Kohlenstoff und mindestens ein Element aus der Gruppe der Elemente, die die Haftschicht bilden, umfasst."
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 0 lautet:
"Schichtsystem für den Verschleißschutz, Korrosionsschutz[deleted: icht] und zur Verbesserung der Gleiteigenschaften und dergleichen auf einem Substrat mit einer Haftschicht zur Anordnung auf einem Substrat, einer Übergangsschicht zur Anordnung auf der Haftschicht, und einer DLC- [deleted: oder Diamants]Schicht,
dadurch gekennzeichnet, dass
auf der DLC- [deleted: oder Diamants]Schicht eine Gleitschicht angeordnet ist, deren chemische Zusammensetzung sich von der DLC- [deleted: oder Diamants]Schicht unterscheidet, wobei der Anteil der sp**(2)-Bindungen bzw. das sp**(2)/sp**(3)-Verhältnis in der Gleitschicht grösser ist als in der DLC-Schicht, wobei die DLC-Schicht eine Dicke von 0,5 µm bis 20 µm aufweist, wobei die Haftschicht aus den Elementen Cr oder Ti besteht und die Übergangsschicht im wesentlichen Kohlenstoff und mindestens ein Element aus der Gruppe der Elemente, die die Haftschicht bilden, umfasst."
Anspruch 16 gemäß Hilfsantrag 0 lautet:
"Verfahren zur Herstellung eines Schichtsystems, insbesondere nach einem der Ansprüche 1 bis 15[deleted: 6], auf einem Substrat, dadurch gekennzeichnet, dass das Verfahren folgende Prozesschritte umfasst:
a) Einbringen des Substrates in eine Vakuumkammer und Abpumpen bis ein Vakuum mit einem Druck von weniger als 10**(-3) mbar, vorzugsweise 10**(-5) mbar erreicht ist.
b) Reinigen der Substratoberfläche
c) plasmagestütztes Aufdampfen der Haftschicht auf das Substrat
d) Aufbringen der Übergangsschicht auf die Haftschicht durch gleichzeitiges plasmagestütztes Aufdampfen der Haftschichtkomponenten und Abscheiden von Kohlenstoff aus der Gasphase
e) Aufbringen der DLC- [deleted: oder Diamants]Schicht auf die Übergangsschicht durch plasmagestütztes Abscheiden von Kohlenstoff aus der Gasphase,
f) Aufbringen der Gleitschicht auf die DLC- [deleted: oder Diamants]Schicht durch Abscheiden von Kohlenstoff aus der Gasphase,
wobei zumindest während der Verfahrensschritte c), d), e) und f) am Substrat eine Substratbiasspannung angelegt und zumindest während der Verfahrensschritte d) und e) und bevorzugt auch bei f) das Plasma durch ein Magnetfeld stabilisiert wird."
Anspruch 24 gemäß Hilfsantrag 0
"Vorrichtung zur Beschichtung eines oder mehrerer Substrate, insbesondere zur Durchführung des Beschichtungsverfahrens nach einem der Ansprüche 16[deleted: 7] bis 23[deleted: 4], mit einer Vakuumkammer (1) mit einem Pumpsystem (9) zur Erzeugung eines Vakuums in der Vakuumkammer (1), Substrathalterungen (3) zur Aufnahme der zu beschichtenden Substrate, mindestens einer Gasversorgungseinheit (8) zum Zudosieren von Prozessgas, mindestens einer Verdampfer-Vorrichtung (14) zur Bereitstellung von Beschichtungsmaterial zum Aufdampfen, einer Lichtbogenerzeugungseinrichtung (10, 143) zum Zünden eines Gleichspannungsniedervoltbogens, einer Vorrichtung (16) zur Erzeugung einer Substratbiasspannung, und mit mindestens einer oder mehreren Magnetfelderzeugungseinrichtungen (17) zur Ausbildung eines magnetischen Fernfeldes, wobei die Vorrichtung zur Erzeugung einer Substratbiasspannung so gestaltet ist, dass sie Mittel zum kontinuierlichen oder schrittweisen Verändern der Substratbiasspannung bezüglich des Vorzeichnens und/oder der Größe der angelegten Substratbiasspannung und Mittel zum Betreiben mit einer bipolaren oder unipolaren Frequenz, vorzugsweise in einem Mittelfrequenzbereich, aufweist, wobei die Magnetfelderzeugungseinrichtung zur Ausbildung eines magnetischen Fernfelds zumindest zwei elektromagnetische Spulen umfasst, dadurch gekennzeichnet, dass die elektromagnetischen Spulen jeweils eine von zwei gegenüberliegend angeordneten Magnetronvorrichtungen seitlich umschließen, wobei die Polungen der gegenüberliegenden Magnetronmagnetsysteme definiert und so ausgerichtet sind, dass dem Nordpol des einen Systems ein Südpol des anderen Systems gegenüber steht und gleichzeitig die jeweils zugeordneten Spulen so an eine Stromquelle angeschlossen sind, dass sich die Felder der Magnetspulen zu einem geschlossenen Magnetfeld ergänzen und die Polung der Außenpole der Magnetronmagnetsysteme und der Magnetspulen gleichsinnig sind."
XVI. Das schriftsätzliche und mündliche Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:
a) Zulässigkeit der Beschwerde
Entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin sei die Beschwerde zulässig. Der entsprechenden Ansicht der Kammer in der Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK 2020 sei nichts hinzuzufügen.
b) Zulassung des Hauptantrags
Die Einreichung des Hauptantrags nach Erhalt des ersten Ladungszusatzes stelle eine Reaktion auf die Anmerkungen der Kammer im Anhang der ersten Ladung zur mündlichen Verhandlung dar. Der Gegenstand des Anspruchs 1 definiere in Hinblick auf die Zusammensetzung der Haftschicht zweifelsfrei, dass diese mindestens ein Element aus der Gruppe umfasse, die aus den Elementen der IV., V. und VI. Nebengruppe und Si gebildet werde. Die von den Beschwerdegegnerinnen vorgebrachten Einwände stellten nicht in Frage, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 klar und prima facie gewährbar sei.
c) Zulassung des Hilfsantrags 0 (früherer Hilfsantrag VI)
Die Einreichung des Hilfsantrags VI (jetzt Hilfsantrag 0) nach Erhalt des Ladungszusatzes stelle ebenfalls eine Reaktion auf die Anmerkungen der Kammer im Anhang der ersten Ladung zur mündlichen Verhandlung dar. Zudem räume Hilfsantrag 0 die in Bezug auf den Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag vorgebrachten Einwände aus, da der als unklar erachtete Wortlaut nicht mehr vorhanden sei.
Die von den Beschwerdegegnerinnen vorgebrachten weiteren Einwände stellten nicht in Frage, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 prima facie gewährbar sei.
d) Artikel 123(2) EPÜ - Hilfsantrag 0
Die Anmeldung wie ursprünglich eingereicht offenbare auf Seite 5 direkt und unmittelbar, dass die Haftschicht des DLC-Schichtsystems aus Ti und Cr bestehen könne. Die übrigen auf Seite 5 genannten Merkmale seien entweder in Anspruch 1 unmittelbar bzw. implizit genannt oder nur als optionale Merkmale offenbart. Eine zusätzliche Gleitschicht werde auf Seite 7, letzter Absatz offenbart. Die Änderungen in Anspruch 1 stellten daher keine Zwischenverallgemeinerung dar.
e) Klarheit - Hilfsantrag 0
Die Ausdrücke "die Haftschicht aus den Elementen Cr oder Ti besteht" und "die Übergangsschicht im wesentlichen Kohlenstoff und mindestens ein Element aus der Gruppe der Elemente, die die Haftschicht bilden, umfasst" seien im Gesamtzusammenhang des Anspruchs 1 für einen Fachmann klar. Die Verwendung der Konjunktion "oder" verdeutliche einem Fachmann unzweideutig, dass die Haftschicht Cr oder Ti enthalte, auch wenn in diesem Zusammenhang der Plural "Elementen" eingesetzt werde. Ferner sei es für einen Fachmann ohne weiteres erkennbar, dass sich der Begriff "im wesentlichen" in Anspruch 1 im Kontext von Übergangsschichten auf Kohlenstoff und das weitere Element beziehe.
f) Ausführbarkeit - Hilfsantrag 0
Das Argument, dass sich ein in D59 beschriebenes Schichtsystem mit einer Schichtdicke von deutlich weniger als 1 µm, nämlich 250 nm, nicht notwendigerweise für den Verschleißschutz eigne, sei ausschließlich in Bezug und im spezifischen Zusammenhang mit der Nicht-Neuheitsschädlichkeit der D59 vorgebracht worden. Dieses Argument stelle, anders als die Beschwerdegegnerinnen meinten, kein Eingeständnis dar, dass der beanspruchte Gegenstand gemäß Anspruch 1 nicht in seiner gesamten Breite ausführbar sei.
g) Neuheit - Hilfsantrag 0
Keines der von den Beschwerdegegnerinnen zitierten Dokumente D1, D3, D6 und D20 offenbare ein vierschichtiges Schichtsystem gemäß Anspruch 1. Ein derartiges System bilde sich auch nicht inhärent während des Einsatzes eines dreischichtigen Systems mit einer DLC-Schicht aus. Eine graphitische Schicht an oder auf der Oberfläche der DLC-Schicht stelle keine Gleitschicht im Sinne von Anspruch 1 dar. Zudem habe eine derartige graphitische Schicht die gleiche chemische Zusammensetzung wie die DLC-Schicht, entgegen den Anforderungen in Anspruch 1. Diesem Fachverständnis stehe auch nicht die Offenbarung in Absatz [0038] des Patents entgegen.
h) Zulassung der Dokumente D13 und D51 im Rahmen eines Neuheitsangriffs
Die Dokumente D13 und D51 seien seitens der Beschwerdegegnerinnen 1 und 2 erstmals im Rahmen eines komplexen Vorbringens zur mangelnden Neuheit von Anspruch 1 des damaligen Hilfsantrags VI (nun als Hilfsantrag 0 bezeichnet) im spätest möglichen Zeitpunkt im Beschwerdeverfahren, nämlich während der mündlichen Verhandlung, zitiert worden. Die Dokumente sollten daher im Beschwerdeverfahren für den Neuheitsangriff auf Anspruch 1 des Hilfsantrags 0 nicht berücksichtigt werden.
i) Rüge der Beschwerdegegnerin 2 nach Regel 106 EPÜ
Die Nichtzulassung der Dokumente D13 und D51 beruhe nicht auf einer fehlerhaften Verfahrensführung der Kammer.
j) Zurückverweisung
Es gebe keinerlei Grund, der einer Zurückverweisung der Sache an die Einspruchsabteilung zur weiteren Prüfung des Einspruchs entgegenstehe.
k) Rückzahlung der Beschwerdegebühr
Die Beschwerdeführerin habe im Rahmen des Einspruchsverfahrens nicht in fairer und angemessener Weise Gelegenheit bekommen, auf das späte Vorbringen des Dokuments D59 zu reagieren. Zudem sei die Begründung in Bezug auf die mangelnde Neuheit von Anspruch 1 des damaligen Hauptantrags gegenüber D20 in der angefochtenen Entscheidung mangelhaft und unvollständig. Die Einspruchsabteilung habe durch ihr Verhalten die Beschwerdeführerin dazu gezwungen, eine Beschwerde einzureichen. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr entspreche daher der Billigkeit.
XVII. Das entsprechende Vorbringen der Beschwerdegegnerinnen 1 bis 3 lässt sich folgendermaßen zusammenfassen:
a) Zulässikeit der Beschwerde
Durch die Einreichung eines neuen Hauptantrags mit der Beschwerdebegründung entstehe eine gänzlich neuer Gegenstand. Somit sei die Beschwerde nicht auf eine Überprüfung der angefochtenen Entscheidung gerichtet. Dies stelle einen Verstoß gegen Artikel 12(2) VOBK dar. Daher sei die Beschwerde in Übereinstimmung mit den Entscheidungen T2532/11 und T0240/04 unzulässig.
b) Zulassung des Hauptantrags
Die Änderungen in Anspruch 1 gemäß Hauptantrag, wonach "die Haftschicht mindestens ein Element aus der Gruppe der Elemente der IV., V. und VI. Nebengruppe sowie Si umfasst" führe zu einer Unklarheit in Hinblick auf den beanspruchten Gegenstand, da nicht klar sei, ob die Haftschicht neben einem Element der IV., V. und VI. Nebengruppe zusätzlich auch Si aufweisen müsse oder alternativ dazu Si aufweisen könne.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des verspätet nach Erhalt der Ladung eingereichten Hauptantrags sei daher prima facie nicht gewährbar und müsse im Beschwerdeverfahren unberücksichtigt bleiben.
c) Zulassung des Hilfsantrags 0
Eine Änderung des Beschwerdevorbringens in Form des Hilfsantrags 0 sei nicht durch den Verfahrensverlauf gerechtfertigt. Der Antrag nehme ein Merkmal aus der Beschreibung auf und verlasse somit den bisherigen Diskussionsrahmen, ohne dass stichhaltige Gründe für das verspätete Vorbringen angegeben worden wären.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des verspätet nach Erhalt der ersten Ladung eingereichten Anspruchssatzes sei im Übrigen prima facie nicht gewährbar (siehe untenstehende Punkte d) bis g)).
Hilfsantrag 0 solle daher im Beschwerdeverfahren unberücksichtigt bleiben.
d) Artikel 123(2) EPÜ - Hilfsantrag 0
Die Anmeldung wie ursprünglich eingereicht offenbare auf Seite 5 ein spezielles Schichtsystem aus drei Schichten. Eine gemäß Anspruch 1 erforderliche Gleitschicht werde in diesem Zusammenhang nicht beschrieben. Die auf Seite 5 genannten Merkmale seien zudem nicht alle in Anspruch 1 aufgenommen worden. Die Änderungen in Anspruch 1 würden daher eine Zwischenverallgemeinerung darstellen und über die Lehre der ursprünglich eingereichten Anmeldung hinausgehen.
e) Klarheit - Hilfsantrag 0
Die Ausdrücke "die Haftschicht aus den Elementen Cr oder Ti besteht" und "die Übergangsschicht im wesentlichen Kohlenstoff und mindestens ein Element aus der Gruppe der Elemente, die die Haftschicht bilden, umfasst" seien zweideutig und unklar. Die Verwendung der Konjunktion "oder" verdeutliche einem Fachmann zwar einerseits, dass die Haftschicht nur Cr oder Ti enthalte. Der verwendete Plural "Elementen" suggeriere aber dagegen, dass es sich um eine Mischung beider Elemente handeln müsse. Diese Interpretation werde zusätzlich durch die Formulierung "und mindestens ein Element aus der Gruppe der Elemente, die die Haftschicht bilden im weiteren beanstandeten Merkmal gestützt. Die Definition der Bestandteile der Haftschicht sei daher widersprüchlich. Es sei ferner unklar, worauf sich der Begriff "im wesentlichen" in Anspruch 1 beziehe, nämlich ob auf den Kohlenstoff als solches oder auf die Kombination aus Kohlenstoff und dem weiteren Element, aus dem die Haftschicht bestehe.
f) Ausführbarkeit - Hilfsantrag 0
Die Beschwerdeführerin habe in Bezug auf das in D59 beschriebene Schichtsystem selbst bestätigt, dass ein Schichtsystem mit einer Schichtdicke von weniger als 1 µm nicht für den Verschleißschutz gemäß Anspruch 1 geeignet sei. Anspruch 1, der eine Schichtdicke für die DLC-Schicht von nur 0,5 µm erlaube, sei daher nicht über seine ganze Breite ausführbar.
g) Neuheit - Hilfsantrag 0
Die Dokumente D1, D3, D6, D13 und D20 in Verbindung mit Dokument D51 offenbarten implizit ein vierschichtiges Schichtsystem gemäß Anspruch 1. Ein derartiges System bilde sich inhärent während des Einsatzes eines dreischichtigen Systems mit einer DLC-Schicht aus, siehe auch die gutachterlich angeführten Dokumente D11, D12 und D47. Eine graphitische Schicht an oder auf der Oberfläche der DLC-Schicht stelle eine Gleitschicht gemäß der Definition in Absatz [0038] des Patents dar. Verbindungen mit unterschiedlichen Bindungsverhältnissen seien unterschiedliche Stoffe und hätten daher auch - wie beansprucht - nicht die selbe chemische Zusammensetzung.
h) Zulassung der Dokumente D13 und D51
Der erstmalige Verweis auf die neuheitsschädlichen Dokumente D13 und D51 im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor der Kammer stelle eine Reaktion auf die Zulassung des Hilfsantrags 0 in das Verfahren zum selben späten Verfahrenszeitpunkt dar. Die Dokumente sollten daher aus Gründen der Fairness im Beschwerdeverfahren für die mangelnde Neuheit berücksichtigt werden. D13 zeige wie auch D1 und D3, dass ein vierschichtiges Schichtsystem gemäß Anspruch 1 aus dem Stand der Technik bekannt sei.
D51 belege gutachterlich, dass D20 einen Schichtaufbau gemäß Anspruch 1 offenbare.
i) Rüge der Beschwerdegegnerin 2 nach Regel 106 EPÜ
Die erfolgte Nichtzulassung der Dokumente D13 und D51 in das Verfahren beruhe auf einer unfairen Verfahrensführung der Kammer, weil sie die Beschwerdeführerin einseitig bevorzugt habe, und verletze zudem das rechtliche Gehör der Beschwerdegegnerin 2. Weder im EPÜ noch in der VOBK sei geregelt, bis wann Parteien auf neues Vorbringen der Beschwerdeführerin, welches nach Zustellung der Ladung und des Ladungszusatzes erfolgte, reagieren müssen. Eine Möglichkeit zur Reaktion auf die Zulassung des Hilfsantrags 0 sei im Sinne des Art. 6(1) Europäische Menschenrechtskonvention (EMKR) geboten.
j) Zurückverweisung
Artikel 11 VOBK 2020 erlaube eine Zurückverweisung der Sache an die Einspruchsabteilung lediglich nach einem Verfahrensfehler seitens der Einspruchsabteilung. Ein derartiger Fehler sei nicht erkennbar. Erwägungen hinsichtlich der prozeduralen Fairness verböten im vorliegenden Fall eine Zurückverweisung, da sie der Beschwerdeführerin die Möglichkeit eröffne, das Verfahren beliebig in die Länge zu ziehen.
Zudem sei eine Zurückverweisung in Anbetracht der bereits extrem langen Verfahrensdauer des Einspruchsverfahrens nicht angebracht.
k) Rückzahlung der Beschwerdegebühr
Die Beschwerdeführerin habe im Rahmen des Einspruchsverfahrens ausreichend Gelegenheit bekommen, auf das Vorbringen der Beschwerdegegnerinnen reagieren zu können. Die Beschwerdeführerin habe insbesondere im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung ausreichend Gelegenheit gehabt, neue Anträge einzureichen. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr entspreche daher nicht der Billigkeit.
Entscheidungsgründe
1. Zulässigkeit der Beschwerde
1.1 Die Beschwerdegegnerin 1 hat für ihre Auffassung, die Beschwerde sei unzulässig, angeführt, dass die Beschwerdeführerin mit der Beschwerdebegründung lediglich einen neuen Hauptantrag eingereicht habe, der sämtliche der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Anträge ersetzen sollte. Ein solches Vorgehen widerspreche dem Grundsatz, dass das Beschwerdeverfahren eine Überprüfung der angefochtenen Entscheidung ermöglichen solle, vgl. Art. 12(2) VOBK 2020, nicht aber die Möglichkeit, einen vollständig neuen Fall zu präsentieren. Die Beschwerdebegründung müsse sich vielmehr mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen und genau angeben, warum sie im Hinblick auf den dort zur Entscheidung gestellten Antrag unzutreffend sein soll. Dies habe die Beschwerdeführerin jedoch versäumt.
1.2 Es ist zutreffend, dass ein Beschwerdeführer nach Regel 99 (2) EPÜ in der Beschwerdebegründung darzulegen hat, aus welchen Gründen die angefochtene Entscheidung aufzuheben oder in welchem Umfang sie abzuändern ist und auf welche Tatsachen und Beweismittel er seine Beschwerde stützt. Diesem Erfordernis muss auch dann entsprochen werden, wenn die bisherigen Anträge mit der Beschwerdebegründung vollständig ersetzt werden. Ein derartiges Vorgehen wird von den Beschwerdekammern im Hinblick auf Artikel 108 Satz 3 EPÜ dann als ausreichend angesehen, wenn der Beschwerdeführer im Detail darlegt, warum er die geänderten Anspruchssätze für geeignet hält, den in der angefochtenen Entscheidung gerügten Mängeln der bisherigen Anträge abzuhelfen (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 9. Auflage, 2019, Kapitel V.A.2.6.5 c)).
Dies trifft auch im vorliegenden Fall zu. Die Beschwerdeführerin hat in der Beschwerdebegründung (vgl. dazu z.B. die Punkte 2.2.1 und 2.1.2 zur Neuheit über D20 bzw. D59) ausdrücklich angegeben, inwiefern die Änderungen gemäß dem mit der Beschwerdebegründung eingereichten neuen Hauptantrag dazu dienen sollten, die Einwände der Einspruchsabteilung betreffend die damaligen Anträge auszuräumen. Ob die betreffenden Begründungen jeweils durchgreifen, ist für die Frage der Zulässigkeit der Beschwerde nicht von Bedeutung.
Der vorliegende Fall unterscheidet sich dadurch klar von dem der seitens der Beschwerdegegnerin 1 zitierten Entscheidung T2532/11 zugrundeliegenden Sachverhalt. Denn im Gegensatz zu dort hat sich vorliegend die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerdebegründung an verschiedenen Stellen inhaltlich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandergesetzt.
Die von den Beschwerdegegnerinnen zitierte Entscheidung T240/04 ist hinsichtlich der Zulässigkeit der Beschwerde nicht einschlägig, da sie sich mit der Zulassung eines Hilfsantrags befasst, nicht jedoch mit der Zulässigkeit der Beschwerde selbst.
Entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin 1 steht auch die Beschwer der Beschwerdeführerin außer Frage. Denn letztere ist mit sämtlichen Anträgen im Einspruchsverfahren gescheitert. Allein dies genügt bereits zur Bejahung der formellen Beschwer.
1.3 Daher erfüllt die Beschwerde die Erfordernisse von Artikel 108 Satz 3 EPÜ und Regel 99(2) EPÜ.
2. Anwendbare Verfahrensordnung der Beschwerdekammern
2.1 Die Beschwerde ist vor dem Inkrafttreten der revidierten Fassung der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK 2020) am 1. Januar 2020 eingelegt worden. Diese ist für am Tag des Inkrafttretens bereits anhängige Beschwerden ebenso anwendbar wie für danach eingelegte Beschwerden (Artikel 25 (1) VOBK 2020).
2.2 Da die erste Ladung zur mündlichen Verhandlung am 12. Juli 2019 und damit vor dem Inkrafttreten der VOBK 2020 zugestellt wurde, war in der mündlichen Verhandlung am 29. April 2021 gemäß Artikel 25 (1) und (3) VOBK 2020 für Fragen der Änderung des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten Artikel 13 (1) und (3) VOBK 2020 anzuwenden, nicht aber Artikel 13 (2) VOBK 2020. Vielmehr gilt insofern weiterhin Artikel 13 VOBK 2007, vgl. Artikel 25 (3) Satz 2 VOBK 2020.
3. Zulassung des Hauptantrags
3.1 Der Hauptantrag wurde - zusammen mit weiteren Hilfsanträgen I bis XI - nach der ersten Ladung zur mündlichen Verhandlung eingereicht.
Nach Artikel 13 (1) VOBK 2007 steht es im Ermessen der Kammer, ob sie diesen neuen Hauptantrag im Verfahren berücksichtigt. Eines der dabei zu berücksichtigenden Kriterien ist, ob der neu eingereichte Antrag eine angemessene Reaktion auf den Ladungszusatz darstellt und Einwände angemessen ausräumt.
3.2 In den Punkten 4.1 und 5.3 des Ladungszusatzes vom 12. Juli 2019 hatte die Beschwerdekammer den Verfahrensbeteiligten mitgeteilt, dass die Änderungen in den Ansprüchen 1 und 2 des mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hauptantrags nicht die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ und der Regel 80 EPÜ erfüllen.
Der darauf neueingereichte Hauptantrag räumt diese Einwände aus. Der Hauptantrag stellt daher eine angemessene Reaktion der Beschwerdeführerin im Hinblick auf die geäußerten Bedenken und auch in Hinblick auf den Verfahrensstand und den Verfahrensablauf dar.
3.3 Zusätzlich zum Verfahrensstand und Verfahrensablauf ist allerdings im Rahmen der Ausübung des Ermessens über die Zulässigkeit eines neu eingereichten Antrags weiterhin zu berücksichtigen, ob dieser prima facie gewährbar ist.
Dies ist vorliegend nicht der Fall.
3.4 Die aus der Beschreibung des Patents eingefügte Formulierung "die Haftschicht mindestens ein Element aus der Gruppe der Elemente der IV., V. und VI. Nebengruppe sowie Si umfasst" definiert aus Sicht der Kammer zweifelsfrei, dass die Haftschicht zwingend ein Element aus einer der genannten Nebengruppen und zusätzlich ("sowie") Silizium aufweist.
Diese in Anspruch 1 definierte Ausführungsform, wonach die Haftschicht zwingend zwei Elemente aufweisen muss, widerspricht den weiterhin bevorzugten Ausführungsformen gemäß Absatz [0023] des Patents und den konkreten Ausführungsbeispielen, wonach die Haftschicht aus Cr (Chrom) oder Ti (Titan) besteht. Der hinzugefügte Ausdruck in Anspruch 1 lässt mithin Zweifel am beanspruchten Gegenstand entstehen.
Eine gemäß den Verfahrensbeteiligten zumindest ebenfalls mögliche Interpretation des Ausdrucks, nach der sich die Verknüpfung "sowie" nicht auf die Haftschicht, sondern auf die Elemente beziehen soll, entspricht nicht einer sprachüblichen Auslegung des Wortlauts des Anspruchs 1.
Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Verknüpfung "sowie" im Kontext von Anspruch 1 nicht nur im Sinne von "und zusätzlich" sondern auch von "oder" gelesen werden kann, belegt dies, dass der Wortlaut des Anspruchs hinsichtlich der Definition der Bestandteile der Haftschicht unklar ist und prima facie nicht die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ erfüllt.
3.5 Unter Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 13(1) VOBK 2007 lässt die Kammer den Hauptantrag daher nicht in das Verfahren zu.
4. Zulassung von Hilfsantrag 0
4.1 Hilfsantrag 0 wurde ebenfalls erst nach Zustellung der Ladung zur anberaumten ersten mündlichen Verhandlung in Form des Hilfsantrags VI eingereicht.
Nach Artikel 13 (1) VOBK 2007 steht es im Ermessen der Kammer, ob sie diesen neuen Antrag im Verfahren berücksichtigt.
4.2 Anspruch 1 des Hilfsantrags 0 beschränkt die Zusammensetzung der Haftschicht und definiert, dass diese aus Cr oder Ti bestehen muss. Wie von der Beschwerdeführerin überzeugend dargelegt ist Hilfsantrag 0 damit konvergent mit dem Hauptantrag und verlässt den bisherigen Diskussionsrahmen nicht. Zudem räumt dieser auch unmittelbar den im Beschwerdeverfahren erstmals erhobenen Einwand zur mangelnden Klarheit hinsichtlich der Formulierung "sowie Silizium" aus, da diese Formulierung in Anspruch 1 des Hilfsantrags 0 nicht mehr vorhanden ist.
Darüber hinaus adressiert die Einschränkung der möglichen Elemente für die Haftschicht die Vielzahl der Neuheitseinwände seitens der Beschwerdegegnerinnen und stellt daher eine adäquate Reaktion der Beschwerdeführerin auf das Vorbringen der Beschwerdegegnerinnen dar.
Weiterhin ist keiner der Einwände unter Artikel 123(2), 84, 83 und 54 EPÜ prima facie dazu geeignet, die Gewährbarkeit des Hilfsantrags 0 in Frage zu stellen, wie die folgenden Punkte 5 bis 8 dieser Entscheidung zeigen.
4.3 Unter Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 13(1) VOBK 2007 lässt die Kammer den Hilfsantrag 0 daher in das Verfahren zu.
5. Hilfsantrag 0 - Artikel 123(2) EPÜ
5.1 Anspruch 1 beruht im Wesentlichen auf einer Kombination der Ansprüche 1, 2 und 13 mit der Lehre auf Seite 5, Zeilen 12 bis 14 der ursprünglich eingereichten Anmeldung (es wird Bezug genommen auf die Offenlegungsschrift WO 01/79585 A1, im Folgenden: die Anmeldung). Die Merkmale in Anspruch 1 sind daher unstreitig als solches in der Anmeldung genannt. Allerdings stellen die Beschwerdegegnerinnen in Frage, dass die Kombination der Merkmale aus der Anmeldung auf Seite 5 ableitbar ist.
5.2 Seite 5 der Anmeldung beschreibt im Detail, wie das DLC-Schichtsystem ausgestaltet sein kann.
Auch wenn in Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 0 nicht alle Merkmale der Ausführungsform auf Seite 5 wortgleich wiedergegeben werden, so geht der geänderte Anspruchswortlaut gemäß Hilfsantrag 0 nicht über die entsprechende technische Lehre der ursprünglichen Anmeldung hinaus.
5.2.1 Anspruch 1 adressiert ein Schichtsystem, das auf ein Substrat mittels einer Haftschicht aufgebracht werden soll. Das Substrat selbst wird von Anspruch 1 nicht umfasst und darin auch nicht spezifiziert.
In dem Satz auf Seite 5, Zeilen 11 und 12 der Anmeldung wird durch den Ausdruck "Direkt auf dem Substrat befindet sich eine Haftschicht" verdeutlicht, dass das Schichtsystem mittels seiner Haftschicht auf das Substrat aufgebracht wird. Das Substrat wird auch auf Seite 5 nicht weiter definiert und kann daher jegliches unbeschichtete oder gegebenenfalls bereits beschichtete Werkstück sein.
Der geänderte Wortlaut des Anspruchs 1 ändert nichts an dieser technischen Lehre, da das Schichtsystem gemäß Anspruch 1 ebenfalls nur dazu geeignet sein muss, auf ein beliebiges, nicht spezifiziertes Substrat mittels der Haftschicht angeordnet zu werden.
5.3 Anspruch 1 definiert nicht, dass die Übergangsschicht auch unvermeidbare Verunreinigungen enthalten kann, wie dies auf Seite 5, Zeilen 22 bis 25 der Anmeldung beschrieben wird. Allerdings sind unvermeidbare Verunreinigung definitionsgemäß immer vorhanden, egal ob sie explizit genannt werden oder nicht. Das Weglassen der Nennung einer unvermeidbaren Tatsache ändert für einen Fachmann an der technischen Lehre nichts.
5.4 Auf Seite 5 der Anmeldung werden eine Vielzahl weiterer Merkmale beschrieben, die als bevorzugt gekennzeichnet sind ("bevorzugt", "vorzugsweise") bzw. die aufgrund des vorangehenden Wortlauts ("kann ...") optional einsetzbar sind.
Die Aufnahme des Merkmals in Bezug auf die Bestandteile der Haftschicht gemäß dem Ausführungsbeispiel auf Seite 5 ohne Berücksichtigung derartiger nicht-essentieller Merkmale stellt keine Zwischenverallgemeinerung der Lehre der Anmeldung dar.
5.5 Das auf Seite 5 beschriebene dreischichtige DLC-Schichtsystem wird gemäß Seite 7, letztem Absatz, in einem DLC-Gleitschichtsystem eingesetzt, das zudem eine Gleitschicht aufweist. Das in Anspruch 1 definierte 4-Schicht-System entspricht daher auch im Schichtaufbau der Lehre der ursprünglichen Anmeldung.
5.6 Die Änderungen in Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 0 erfüllen mithin die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ.
6. Hilfsantrag 0 - Artikel 84 EPÜ
6.1 Im Vergleich zur erteilten Fassung wurde in den Wortlaut von Anspruch 1 unter anderem hinzugefügt, dass die Übergangsschicht
"im wesentlichen Kohlenstoff und mindestens ein Element aus der Gruppe der Elemente, die die Haftschicht bilden, umfasst".
6.1.1 Dieser Ausdruck lässt theoretisch mehrere Interpretationen zu, nämlich dass die Übergangsschicht
- im wesentlichen Kohlenstoff (C > 50 %) und ferner
Element(e) der Haftschicht HE (HE <50%) oder
- im wesentlichen Kohlenstoff und Element(e) der
Haftschicht HE (C + HE > 50 %) sowie weitere
Elemente umfasst.
Auch wenn dem allgemeinen Sprachgebrauch folgend die Formulierung "im wesentlichen Kohlenstoff und mindestens ein Element..." isoliert und als solches betrachtet nicht erkennen lässt, worauf sich der Ausdruck "im wesentlichen" bezieht, richtet sich der Wortlaut des Anspruchs an einen Fachmann, der das Merkmal im technischen Zusammenhang interpretiert.
Die streitige Formulierung wird im Kontext der Definition der Übergangsschicht verwendet. Diese Übergangschicht liegt zwischen der darunterliegenden Haftschicht und der darüberliegenden DLC-Schicht aus Kohlenstoff. Dies impliziert im Kontext von Anspruch 1, dass diese Schicht die Elemente der beiden angrenzenden Schichten aufweist und somit einen Übergang bildet.
Im technischen Gesamtzusammenhang ist die Auslegung des Ausdrucks "im wesentlichen Kohlenstoff und mindestens ein Element..." in Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 0 somit klar und bezieht sich auf Kohlenstoff und das weitere Element.
6.1.2 Der Rückverweis auf "mindestens ein Element aus der Gruppe der Elemente, die die Haftschicht bilden" mag angesichts der Tatsache, dass die Haftschicht aufgrund der weiteren Änderungen nur aus Chrom (Cr) oder Titan (Ti) besteht, sprachlich umständlich sein. Allerdings ist die Formulierung nicht widersprüchlich und definiert klar, welche Elemente in der Übergangsschicht vorhanden sein müssen, nämlich Kohlenstoff und entweder Cr oder Ti.
6.2 Im Vergleich zur erteilten Fassung wurde in den Wortlaut von Anspruch 1 zudem hinzugefügt, dass
"die Haftschicht aus den Elementen Cr oder Ti besteht".
Dieser aus Absatz [0023] des Patents übernommene Ausdruck ist aufgrund der Verwendung des Plurals in "Elementen" sprachlich unsauber formuliert. Allerdings lässt der Ausdruck im Zusammenhang des Anspruchs 1 keinen ernsthaften Zweifel daran aufkommen, dass mit "oder" eine Alternative gemeint ist und daher die Haftschicht entweder aus Cr oder Ti besteht, und nicht aus einer Mischung der Elemente Cr und Ti.
6.3 Die Auslegung des Wortlauts des Anspruchs 1 ist für einen Fachmann daher klar. Der Hilfsantrag 0 erfüllt mithin die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ.
7. Hilfsantrag 0 - Artikel 83 EPÜ
7.1 Ein Einwand bezüglich mangelnder Offenbarung hat in der Regel nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn ernsthafte, durch nachprüfbare Fakten erhärtbare Zweifel an der Ausführbarkeit glaubhaft gemacht werden können (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, a.a.O., Kapitel II.C.9.). Derartige Fakten haben die Beschwerdegegnerinnen nicht vorgelegt.
7.2 Ihr Einwand beruht vielmehr auf einem Argument der Beschwerdeführerin gegen einen Neuheitseinwand ausgehend von Dokument D59.
D59 offenbart gemäß Spalte 1, Zeilen 10 bis 21 ein dünnes DLC-Schichtsystem für elektronische Geräte und Halbleiterelemente. Gemäß Beispiel 6 hat die darin beschriebene DLC-Schicht eine Dicke von bis zu 2500 Å (250nm, 0,25 µm).
7.3 Auf Seite 5 der Beschwerdebegründung hat die Beschwerdeführerin diesbezüglich argumentiert, dass ein derartiges DLC-Schichtsystem gemäß D59 für den Verschleißschutz und Korrosionsschutz im Sinne des Patents nicht geeignet sei, weil die Dicke des Schichtsystems in D59 deutlich weniger als 1 µm betrage.
Dieses Argument der Beschwerdeführerin stellt allerdings kein Zugeständnis dar, dass Schichtsysteme mit Schichtdicken von weniger als 1 µm grundsätzlich für die in Anspruch 1 angegebenen Verwendungszwecke ungeeignet sind. Die Gesamtschichtdicke wird in Anspruch 1 des Hilfsantrags 0 auch gar nicht definiert.
Insbesondere kann aus diesem Argument in Bezug auf Schichtsysteme, die hinsichtlich ihrer Dicke der DLC-Schicht vom beanspruchten Gegenstand ohnehin abgegrenzt sind, nicht unmittelbar abgeleitet werden, dass von Anspruch 1 mitumfasste Schichtsysteme mit einer 0,5 µm bis 1 µm dicken DLC-Schicht für die in Anspruch 1 angegebenen Verwendungszwecke grundsätzlich ungeeignet sind.
7.4 Die Argumentation der Beschwerdegegnerinnen in Bezug auf die Neuheitsdiskussion seitens der Beschwerdeführerin stellen daher die Ausführbarkeit der Erfindung gemäß Hilfsantrag 0 nicht in Frage.
Der Gegenstand des Hilfsantrags 0 erfüllt mithin die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ.
8. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 0 - Artikel 54 EPÜ
8.1 Neuheit in Hinblick auf D1
D1 offenbart in Beispiel 3 ein Multilagensystem aus alternierenden Schichten (siehe Spalte 11, Zeile 66 bis Spalte 12, Zeile 2 und Spalte 12, Zeilen 50 ff) von Metall und amorphem wasserstoffhaltigen Kohlenstoff (a-C:H). Unter Bezug auf Beispiel 1 kann als Metall Chrom (Cr) oder Titan (Ti) eingesetzt werden. Beispiel 3 der D1 offenbart allerdings nicht, dass das Multilagensystem eine Übergangsschicht und eine Gleitschicht aufweist. Auch zur Schichtdicke der a-C:H-Lage findet sich in Beispiel 3 keine Angabe.
Gemäß Spalte 9, Zeilen 63 bis Spalte 10, Zeile 3 der D1 entstehen bei einer bestimmten Verfahrensführung in der amorphen Kohlenstoffschicht Makropartikel aus Kohlenstoff und dienen darin als Schmierstoffdepot.
Dies entspricht allerdings nicht der Ausbildung einer eigenen Gleitschicht, sondern lehrt vielmehr, dass die Kohlenstoffschicht Gleitdepotpartikel aufweisen kann.
Gemäß den Ausführungen in Spalte 6, Zeilen 24 bis 35 der D1 können Gradientenschichten als Übergangsschichten eingesetzt werden. Weiterhin offenbart D1 in Spalte 7, Zeilen 21 bis 25, in Bezug auf die Figuren 1 und 2, dass die Schichtdicke der amorphen Kohlenstoffschicht 2,5 µm betragen kann. Eine unmittelbare Offenbarung dafür, dass diese in der Beschreibung allgemein genannten Merkmale auch von dem Schichtsystem des Beispiels 3 erfüllt werden, findet sich in D1 allerdings nicht.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich daher zumindest dadurch, dass das Schichtsystem eine Gleitschicht aufweist und die DLC-Schicht eine Dicke von 0,5 µm bis 20 µm aufweist. Die unter Bezugnahme auf die gutachterlich angeführten Dokumente D11, D12 und D47 aufgeworfene Frage, ob sich eine sehr dünne Übergangsschicht gegebenenfalls inhärent bei der Nacharbeitung der D1 ausbildet, kann daher dahingestellt bleiben.
8.2 Neuheit in Hinblick auf D3
D3, Kapitel 9.4.1, offenbart harte, amorphe Kohlenstoffschichten (a-C:H, DLC-Schicht). Gemäß Kapitel 9.4.2 haften entsprechende DLC-Schichten besser auf Übergangsschichten aus Metall und Kohlenstoff.
Als mögliche Metalle werden in Kapitel 9.4.2 Wolfram (W) und Tantal (Ta) genannt.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich zumindest dadurch von dieser Offenbarung in D3, dass die Haftschicht aus Ti oder Cr besteht.
8.3 Neuheit in Hinblick auf D6
D6 offenbart in Beispiel 6 und in Spalte 6, Zeilen 43 bis 63 ein Schichtsystem, das eine Haftschicht aus Silicium und eine diamantähnliche Kohlenstoffschicht aufweist.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich daher zumindest dadurch von der Offenbarung in D6, dass die Haftschicht aus Ti oder Cr besteht.
8.4 Neuheit in Hinblick auf D20
8.4.1 Beispiel 222 der D20 offenbart ein 4-Schichtsystem auf einem Substrat. Die Haftschicht besteht aus CrN, gefolgt von einer Übergangsschicht bestehend aus Cr, einer DLC-Schicht bestehend aus Kohlenstoff mit einer Schichtdicke von 5 bis 10 mym und einer Gleitschicht aus einer mit Chrom dotierten Kohlenstoffschicht.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich daher zumindest dadurch von dem Schichtaufbau gemäß Beispiel 222 in D20, dass die Haftschicht aus Ti oder Cr besteht. Die von den Beteiligten kontrovers diskutierte Frage, ob ein gegebenenfalls oberflächliches Eindringen von C-Atomen beim Aufbringen der DLC-Schicht auf die Chromschicht im Rahmen eines Sputterverfahrens eine Übergangsschicht gemäß Anspruch 1 auszubilden vermag, kann daher dahingestellt bleiben.
8.4.2 Das in Figur 11 der D20 beschriebene Beispiel zeigt ein Substrat, auf dem eine Haftschicht aus Ti, eine Übergangsschicht aus TiC und eine DLC-Schicht aufgebracht wird. Eine weitere Gleitschicht wird in Figur 11 nicht dargestellt.
Eine DLC-Schicht weist an ihrer porösen Oberfläche inhärent Fehlstellen auf und hat dort einen höheren Anteil von C-Atomen mit einer sp**(2)-Hybridisierung, siehe diesbezüglich z.B. die gutachterlich herangezogene D12 auf Seite 1668, rechte Spalte, letzter Absatz. Unabhängig von der Frage, ob diese Oberflächenlage der DLC-Schicht als eine eigene Gleitschicht angesehen werden kann, offenbart D20 daher nicht, dass die Oberflächenschicht eine andere chemische Zusammensetzung aufweist als die DLC-Schicht.
8.4.3 Diesbezüglich argumentierten die Beschwerdegegnerinnen in allgemeiner Bezugnahme auf das Chemielexikon Römpp, dass Stoffe mit unterschiedlichen Eigenschaften und Bindungsverhältnissen als Stoffe anzusehen seien, die chemisch unterschiedlich sind und damit eine unterschiedliche chemische Zusammensetzung aufweisen.
Diese Auslegung des Begriffs "chemische Zusammensetzung" entspricht aber nicht dem allgemein anerkannten Fachverständnis und wurde auch nicht anhand eines konkreten Eintrags aus dem Chemielexikon Römpp belegt.
Die chemische Zusammensetzung bezeichnet fachüblich, aus welchen Elementen eine Zusammensetzung besteht und in welchem Verhältnis diese Elemente zueinander vorliegen. Unterschiedliche chemische Verbindungen und Stoffe wie beispielsweise Graphit und Diamant können daher unterschiedliche Eigenschaften, aber die selbe chemische Zusammensetzung aufweisen, wie etwa im Falle von Graphit und Diamant, die beide aus reinem Kohlenstoff bestehen.
Das Argument der Beschwerdegegnerinnen, wonach eine sp**(2)-hybridisierte Oberflächenlage der DLC-Schicht eine Gleitschicht unterschiedlicher chemischer Zusammensetzung darstellt, überzeugt daher nicht.
8.4.4 Das fachübliche Verständnis des Begriffs "chemische Zusammensetzung" wird auch nicht von Absatz [0038] des Patents in Frage gestellt. Dort heißt es:
"Eine, insbesondere zur Anwendung auf oben beschriebene erfinderische DLC-Schichtsystem besonders geeignete, vorteilhafte Ausführungsform der reibmindernden Schicht besteht darin eine DLC-Struktur, ohne metallischem Zusatzelement, dafür aber mit zunehmendem Anteil an sp2-Bindungen, bevorzugt in graphitischer Schichtstruktur aufzubringen, womit die Härte der Deckschicht herabgesetzt, sowie die Gleit- und gegebenenfalls Einlaufeigenschaften verbessert werden."
Die Angabe eines vorteilhaften Aspekts der Gleitschicht, wonach diese einen höheren sp**(2)-Anteil aufweisen kann, bedeutet nicht zwangsläufig, dass dieser Aspekt den einzigen Unterschied zwischen der DLC-Schicht und der Gleitschicht darstellen muss. Das vorteilhafte Vorhandensein eines höheren sp**(2)-Anteils ist damit nicht mit der weiteren Maßgabe gleichzusetzen, dass sich die DLC-Schicht und die Gleitschicht hinsichtlich ihrer chemischen Zusammensetzung unterscheiden.
Auch wenn in diesem Satz des Absatzes [0038] des Patents weiterhin angegeben wird, dass kein metallisches Zusatzelement in der Gleitschicht eingesetzt wird, so lässt sich auch daraus nicht unmittelbar ableiten, dass der Begriff "chemische Zusammensetzung" im Rahmen des Patents fachunüblich auszulegen wäre. Ein Unterschied in der chemischen Zusammensetzung ist schließlich nicht nur durch den Zusatz von metallischen Elementen möglich, sondern auch durch nichtmetallische Elemente wie Silicium, das ein Halbmetall darstellt.
8.4.5 Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheidet sich folglich von dem Schichtsystem gemäß Figur 11 der D20 dadurch, dass auf der DLC-Schicht eine Gleitschicht aufgebracht ist, die eine andere chemische Zusammensetzung aufweist als die DLC-Schicht.
8.5 Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 0 neu gegenüber dem dafür zitierten Stand der Technik D1, D3, D6 und D20 ist und mithin die Erfordernisse des Artikels 54 EPÜ erfüllt.
9. Zulassung der Dokumente D13 und D51 im Rahmen eines Neuheitsangriffs
9.1 Während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer wurde im Rahmen der Diskussion der Neuheit von Hilfsantrag 0 erstmalig im Beschwerdeverfahren ein Angriff auf der Grundlage der Dokumente D13 und D51 geltend gemacht.
Dies stellt eine Änderung des Beschwerdevorbringens der Beschwerdegegnerinnen 1 und 2 dar. Nach Artikel 114 (2) EPÜ und Artikel 13 (1) und 13 (3) VOBK 2007 steht es im Ermessen der Kammer, diese neuen Dokumente zuzulassen und zu berücksichtigen.
Dabei hat sie unter anderem die Komplexität des neuen Vorbringens, den Stand des Verfahrens und die Frage, ob die Behandlung der durch die Änderung des Vorbringens aufgeworfenen Fragen für die anderen Beteiligten und die Kammer zumutbar ist, zu berücksichtigen.
9.2 Soweit die Beschwerdegegnerinnen insoweit zunächst meinten, schon das Gebot der prozessualen Gleichbehandlung verlange die Zulassung dieser Dokumente im Rahmen des Neuheitsangriffs, weil auch Hilfsantrag 0 erst in der mündlichen Verhandlung in das Verfahren zugelassen worden sei, führt dieser Einwand nicht zum Erfolg. Die Beschwerdeführerin hatte Hilfsantrag 0 (damals als Hilfsantrag VI bezeichnet) bereits am 21. Februar 2020, also mehr als ein Jahr vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer, eingereicht.
Der Verfahrensstand zum Zeitpunkt der Einreichung des Hilfsantrags war mithin noch längst nicht soweit fortgeschritten wie im Zeitpunkt der erstmaligen Einführung und Verwendung der Dokumente D13 und D51 für einen Neuheitsangriff während der mündlichen Verhandlung.
Die prozedurale Fairness verlangt, dass die Verfahrensbeteiligten grundsätzlich alle Tatsachen und Beweismittel zum frühestmöglichen Zeitpunkt vorzubringen haben, um nach Möglichkeit ein ausgewogenes und gut vorbereitetes Verfahren zu gewährleisten und um überraschenden Vorgehensweisen von vornherein entgegenzuwirken.
Die Beschwerdegegnerinnen 1 und 2 haben in ihren schriftlichen Eingaben vom 6. März 2020, 11. März 2021 bzw. 9. April 2020 bereits jeweils ihre Einwände zu den Hilfsanträgen I bis XI in Bezug auf die Vielzahl von eingereichten Dokumenten vorgebracht. Insbesondere führte die Beschwerdegegnerin 1 bereits einen Neuheitsangriff gegen den jetzigen Hilfsantrag 0 basierend auf den Dokumenten D3 und D6. Ein weiterer Neuheitsangriff auf der Grundlage von D13 und D51 wäre in diesem Rahmen weit vor der mündlichen Verhandlung ohne weiteres möglich gewesen. Mit der - im Ermessen der Beschwerdekammer liegenden - Zulassung von spät eingereichten (Hilfs-)Anträgen muss im Rahmen prozessualer Sorgfalt stets gerechnet werden. Demzufolge müssen Einwendungen hierzu derart zeitig vorgebracht werden, dass es den Beteiligten und der Kammer noch zugemutet werden kann, sie angemessen zu behandeln.
Es bestand hier kein anzuerkennender Grund, erst zum spätest möglichen Verfahrensstand behauptungsgemäß relevantere Dokumente im Rahmen eines neuen Einwands zur Neuheit erstmalig in der mündlichen Verhandlung des Beschwerdeverfahrens einzuführen und zu verwenden.
9.3 Zudem steht die technische Komplexität des Vorbringens in Bezug auf diese Dokumente der Zulassung in diesem späten Zeitpunkt des Verfahrens entgegen.
9.3.1 Bei D13 handelt es sich um einen wissenschaftlichen Artikel mit einer zu D1 und D6 ähnlichen Lehre. Eine unmittelbar erkennbare Relevanz für die Neuheit ist daher aus den für die Dokumente D1 und D6 angegebenen Gründen nicht erkennbar. Etwaig notwendige detaillierte Diskussionen in Hinblick auf den vermeintlich inhärenten und impliziten Offenbarungsgehalt hätten daher ein hohes Maß an Einarbeitung erfordert, das weder der Beschwerdeführerin noch der Kammer im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zuzumuten war.
9.3.2 Auch bei D51 handelt es sich um einen wissenschaftlichen Artikel über Cr-C/a-C:Cr-Filme. In Analogie zu den Ausführungen betreffend D13 ist eine unmittelbar erkennbare Relevanz des Dokuments als solches oder in Ergänzung zum Dokument D20 für die Neuheit nicht gegeben. Etwaig notwendige detaillierte Diskussionen in Hinblick auf den vermeintlich inhärenten und impliziten Offenbarungsgehalt hätten ebenso ein hohes Maß an Einarbeitung erfordert, das weder der Beschwerdeführerin noch der Kammer im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zuzumuten war.
9.4 Unter Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 13(1) und 13(3) VOBK 2007 lässt die Kammer die Dokumente D13 und D51 daher für die Frage der Neuheit des Anspruchs 1 von Hilfsantrag 0 unberücksichtigt.
10. Rüge der Beschwerdegegnerin 2 nach Regel 106 EPÜ über die Nichtzulassung der Dokumente D13 und D51
Die Beschwerdegegnerin 2 hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung schriftlich gerügt, dass die Nichtzulassung der Dokumente D13 und D51 ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletze und damit eine unfaire Bevorzugung der Beschwerdeführerin vorgenommen worden sei. Die Zulassung des Hilfsantrags VI (jetzt Hilfsantrag 0) erfordere es im Sinne einer fairen Prozessführung im Sinne des Artikel 6 (1) der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), dass auch die Beschwerdegegner hierauf neu vortragen dürfen. Das Abstellen der Kammer auf einen späten Verfahrenszeitpunkt erscheine unangemessen, da insoweit keine gesetzliche Regelung im EPÜ oder der VOBK vorhanden sei.
In der Verhandlung vor der Beschwerdekammer bestätigte die Beschwerdegegnerin 2, dass Einigkeit darüber besteht, dass
- D13 und D51 erstmals im Beschwerdeverfahren während
der mündlichen Verhandlung verwendet wurden,
- dass die Kammer ein Ermessen hatte, D13 und D51 in
das Verfahren für den Neuheitsangriff zuzulassen,
- dass die Beschwerdegegnerin 2 zu der Frage der
Zulassung von D13 und D51 gehört wurde.
Aus Sicht der Kammer ist nicht erkennbar, wie sich aus diesem unstreitigen Sachverhalt ableiten lässt, dass eine fehlerhafte Verfahrensführung oder fehlerhafte Ermessenausübung über die Nichtzulassung der Dokumente D13 und D51 für einen neuen Neuheitsangriff vorliegt, zumal die Zulassung des Neuheitsangriffs aufgrund dieser Dokumente mit den Verfahrensbeteiligten zuvor eingehend erörtert wurde.
Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nach Artikel 113(1) EPÜ ist diesbezüglich nicht erkennbar.
Soweit die Beschwerdegegnerin 2 eine Ungleichbehandlung der Beteiligten darin gesehen hat, dass zwar der spät eingereichte Hilfsantrag 0 in das Verfahren zugelassen wurde, nicht aber die zu einem weiteren Neuheitsangriff gegen dessen Anspruch 1 spät in das Verfahren eingeführten Dokumente D13 und D51, kann dem nicht gefolgt werden. Diese Auffassung berücksichtigt nicht hinreichend, dass das späte Einreichen des Hilfsantrags seiner Behandlung durch die Kammer und die Beteiligten nicht entgegenstand, wie die schriftliche Erwiderung auch der Beschwerdegegnerin 2 dazu deutlich zeigt, da er zwar spät, aber nicht unzumutbar spät eingereicht worden ist. Anderes galt jedoch für den wesentlich später eingereichten Neuheitsangriff unter Verwendung von D13 und D51, der über ein Jahr nach der Einreichung des dadurch angegriffenen Hilfsantrags erst in der mündliche Verhandlung vor der Kammer eingebracht wurde, wie oben bereits unter Punkt 9. erläutert.
Auch die Rüge der Beschwerdegegnerin 2, es gebe weder im EPÜ noch in den Verfahrensordnungen zeitliche Grenzen für das Einreichen neuer Dokumente, kann die Kammer nicht anerkennen. Die Notwendigkeit, im Rahmen der Ermessenausübung auf den Zeitpunkt des jeweiligen geänderten Beschwerdevorbringens abzustellen, ergibt sich entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin aus den zugrunde liegenden rechtlichen Regelungen. Der Beschwerdegegnerin 2 ist insoweit zwar beizupflichten, wenn sie darauf verweist, dass weder das EPÜ noch die VOBK eine absolute Zeitangabe darüber beinhalten, bis wann auf nach dem Ladungszusatz neu eingereichte Anträge zu reagieren ist. Dennoch enthalten die VOBK 2020 und auch bereits die VOBK 2007 in dieser Hinsicht Zeitkomponenten, denn sie nehmen in Artikel 13 jeweils in generell-abstrakter Weise die Frage der Zumutbarkeit und des Verfahrensstands in Bezug. Beide Begriffe sind jeweils einzelfallbezogen (auch) anhand zeitlicher Parameter auszulegen, wie es die Kammer im vorliegenden Fall getan hat, siehe obigen Punkt 9.2 und 9.3. Letztlich besteht für die Parteien ein Pflicht sich verfahrensfördernd zu verhalten. Dazu gehört es, Einwände so rechtzeitig wie möglich zu erheben. Dass eine Reaktion auf den damaligen Hilfsantrag durch Zitieren von im Einspruchsverfahren bereits genannten Dokumenten erst in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer im April 2021 möglich gewesen sein sollte, kann angesichts der bereits im März 2020 erfolgten Reaktion der Beschwerdegegnerin auf eben diesen Hilfsantrag ausgeschlossen werden.
Die Rüge nach Regel 106 EPÜ wurde daher von der Kammer zurückgewiesen.
11. Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung
Gemäß Artikel 111(1) EPÜ kann die Beschwerdekammer entweder im Rahmen der Zuständigkeit des Organs tätig werden, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, oder die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an dieses Organ zurückverweisen.
In der Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK 2007 vom 9. Juli 2019 wies die Kammer verfahrensleitend darauf hin, dass die Beurteilung der Neuheit der unabhängigen Ansprüche 16 (Verfahren) und 24 (Vorrichtung) sowie der erfinderischen Tätigkeit nicht Gegenstand der angefochtenen Entscheidung und im Rahmen des Einspruchsverfahrens nicht abschließend erfolgt ist.
Die Kammer stellte zudem fest, dass die Diskussion der Neuheit in Hinblick auf die Ansprüche 16 und 24 einen völlig anderen Gegenstand und andere Dokumente betrifft als die obige Diskussion der Neuheit von Anspruch 1. Insbesondere sind andere Merkmale streitig, wie beispielsweise die Ausbildung eines longitudinalen Magnetfelds anstelle der in Hinblick auf den Schichtaufbau wichtigen Punkte der chemischen Zusammensetzung der Schichten und ihrer inhärenten Eigenschaften.
Da das Beschwerdeverfahren in erster Linie der Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung dient, ist es gängige Praxis der Kammern, die Angelegenheit zurückzuverweisen, wenn wesentliche Fragen zur Patentierbarkeit des beanspruchten Gegenstands von der erstinstanzlichen Abteilung noch nicht geprüft und entschieden worden sind (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, a.a.O., Kapitel V.A.7.4).
Das Beschwerdeverfahren wurde daher unter Geltung der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern 2007 begonnen und auf den in der angefochtenen Entscheidung diskutierten Gegenstand fokussiert. Dieses Vorgehen entspricht dem auf Überprüfung gerichteten Zweck des verwaltungsgerichtlichen Einspruchsbeschwerde-verfahrens, der von der neuen Verfahrensordnung noch weiter in den Vordergrund gestellt wird (vgl. Artikel 12(2) VOBK 2020).
Diese gängige Praxis wird durch die neue Verfahrensordnung nicht ausgeschlossen. Gemäß Artikel 11 VOBK 2020 sind zwar besondere Gründe für eine Zurückverweisung erforderlich. Diese Gründe sind gemäß dem Wortlaut des Artikels 11 VOBK 2020 aber nicht darauf beschränkt, dass ein Verfahrensfehler seitens der Einspruchsabteilung vorliegt. Insbesondere kann auch berücksichtigt werden, ob die Kammer alle relevanten Fragen mit angemessenem Aufwand entscheiden kann (vgl. Tabelle zu den Änderungen der VOBK mit Erläuterungen, Artikel 11, vom 3. Juli 2019), was vorliegend nicht der Fall ist.
Auch wenn wie im vorliegenden Fall die Einsprüche gegen das Patent erst mehr als 8 Jahre nach Eingang der Einsprüche von der Einspruchsabteilung bearbeitet wurde und damit das Einspruchsverfahren unüblich lange dauerte, spricht dies nicht zwingend gegen die Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung zur weiteren Entscheidung.
Die Kammer vermag auch der Auffassung der Beschwerdegegnerin 1 nicht zu folgen, dass es sonst in der Hand der Beschwerdeführerin liege, das Verfahren beliebig zu verlängern. Dies ist weder unter der Geltung der alten noch der neuen Verfahrensordnung der Fall. Es handelt sich vielmehr um eine Ermessensentscheidung der Kammer unter Abwägung der hier diskutierten Argumente.
In Anbetracht der vorliegenden besonderen Gründe nach Artikel 11 VOBK 2020 ist eine Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung in diesem Fall daher gerechtfertigt.
12. Rückzahlung der Beschwerdegebühr
Gemäß Regel 103 (1) (a) EPÜ wird die Beschwerdegebühr unter anderem dann in voller Höhe erstattet, wenn der Beschwerde stattgegeben wird und die Rückzahlung wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels der Billigkeit entspricht.
12.1 Unabhängig von den Implikationen, die sich durch das im Rahmen des Einspruchsverfahrens verspätete Einreichen des von der Einspruchsabteilung als für die Neuheit relevant angesehenen Dokuments D59 ergeben, beruht die Begründung in der angefochtenen Entscheidung zur mangelnden Neuheit des Hauptantrags auch auf Dokument D20, das bereits von Anfang an Gegenstand des Einspruchsverfahrens war. Dieses Dokument wurde im Rahmen der Verhandlung vor der Einspruchsabteilung im Detail diskutiert, siehe Punkt 4 der Niederschrift.
Insbesondere belegt Punkt 4.3 der Niederschrift, dass auch die Argumente zum sp**(2)/sp**(3)-Verhältnis der Gleitschicht in dem Schichtsystem der D20 diskutiert wurden, auch wenn dies in der Begründung in Punkt 44 der angefochtenen Entscheidung nicht mehr aufgegriffen wurde.
Die Beschwerdeführerin kannte also alle Argumente in Bezug auf die mangelnde Neuheit gegenüber D20 und hatte ausreichend Gelegenheit diesem Einwand im Rahmen des Einspruchsverfahrens zu begegnen.
Die Notwendigkeit für das Einreichen einer Beschwerde beruht daher kausal nicht nur auf dem behaupteten Verfahrensfehler, der durch die Kombination der Zulassung und Berücksichtigung von D59 und der Nichtzulassung weiterer Anträge angeblich erfolgt sein soll.
12.2 Zudem wurde der mit der Beschwerdebegründung vorgelegte Hauptantrag nicht bereits im Rahmen des Einspruchsverfahrens vorgelegt. Dass dies auf einem Verfahrensfehler der Einspruchsabteilung beruhen sollte, hat die Beschwerdeführerin selbst nicht geltend gemacht. Zudem ergeht die in der Beschwerdeinstanz zu treffende Entscheidung auf der Basis neu im Beschwerdeverfahren vorgelegter Anträge, die weder der Entscheidung der Einspruchsabteilung zu Grunde lagen, noch mit der Beschwerdebegründung vorgelegt wurden.
12.3 Eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr entspricht daher nicht der Billigkeit (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, a.a.O., Kapitel V.A.9.7.1).
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird zur weiteren Entscheidung an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen.
3. Die Beschwerdegebühr wird nicht erstattet.