European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2019:T110616.20190430 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 30 April 2019 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1106/16 | ||||||||
Anmeldenummer: | 08759161.6 | ||||||||
IPC-Klasse: | A61F 13/02 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | WUNDVERBAND | ||||||||
Name des Anmelders: | Paul Hartmann AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Schmitt-Nilson, Gerhard, /Waibel, Stefan | ||||||||
Kammer: | 3.2.06 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (nein) Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag 1b(14:20) (nein) Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag 2b(16:13) (ja) Änderungen - neuer Hilfsantrag 1 Änderungen - unzulässige Erweiterung (ja) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Beschwerdeführer (Einsprechenden) richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der der Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 2 160 166 zurückgewiesen wurde.
II. Sie beantragten die Aufhebung der Entscheidung und den Widerruf des Patents. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde, sowie hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents gemäß einem der Hilfsanträge 1 bis 4.
III. Folgende Dokumente sind für diese Entscheidung relevant:
D3 EP 1 462 075 A1
D4 EP 0 594 034 B1
D5 GB 2 425 487 A
IV. Im Anschluss an ihre Ladung zur mündlichen Verhandlung hat die Kammer eine Mitteilung versandt, in der sie ihre vorläufige Meinung zum Ausdruck brachte, wonach der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit zu beruhen scheine.
V. Mit Schreiben vom 29. März 2019 reichte die Beschwerdegegnerin Hilfsanträge 2a und 4a ein.
VI. Am 30. April 2019 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt, in deren Verlauf die Beschwerdegegnerin die zuvor eingereichten Hilfsanträge zurücknahm und geänderte Hilfsanträge 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b, 3, 3a, 3b, 1b(14:20), 2b(14:20) und 2b(16:13h) einreichte.
Am Ende der mündlichen Verhandlung lagen folgende Anträge der Beteiligten vor:
Die Beschwerdeführer beantragten die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 2 160 166.
Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde (Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt; Hauptantrag) und hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents gemäß einem der neuen Hilfsanträge 1, 1b(14:20) oder 2b(16.13h).
VII. Anspruch 1 des Hauptantrags lautet:
"Wundverband umfassend ein aktiviertes oder vor der Wundbehandlung zu aktivierendes Wundkissen (1) zur Wundbehandlung im feuchten Milieu mit einem flächigen Trägermaterial (2), das das Wundkissen (1) zumindest bereichsweise überragt, wobei das Trägermaterial (2) auf einer wundzugewandten Seite zumindest bereichsweise mit einer Kleberschicht (3) versehen ist zum Fixieren des Wundverbandes an einem Träger, wobei die Klebeschicht (3) ein oder mehrere druckempfindliche Silikonhaftkleber als Kleber umfasst und insbesondere aus druckempfindlichen Silikonhaftklebern besteht, dadurch gekennzeichnet, dass das Trägermaterial (2) nicht vollflächig ausgebildet ist."
Anspruch 1 des neuen Hilfsantrags 1 unterscheidet sich vom Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass folgende Merkmale am Ende des Anspruchs hinzugefügt wurden:
"und das Wundkissen ein nicht-wundverklebendes Wundkissen ist und eine Hülle aus einem Gestrick, Gewirk oder Gewebe umfasst, die in eine oder mehrere Richtungen gedreht oder verformt werden kann, ohne dass sie sich von selbst wieder zusammenzieht oder ausrichtet."
Anspruch 1 des neuen Hilfsantrags 1b(14:20) unterscheidet sich vom Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass folgende Merkmale am Ende des Anspruchs hinzugefügt wurden:
"und das Wundkissen ein nicht-wundverklebendes Wundkissen ist, das eine Hülle aus einem nicht-wundverklebenden Polymermaterial umfasst, und diese Hülle aus einem nicht wund-verklebenden Gestrick, Gewirk oder Gewebe besteht, die in eine oder mehrere Richtungen gedehnt oder verformt werden kann, ohne dass sie sich von selbst wieder zusammenzieht oder ausrichtet."
Der Wortlaut des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2b(16:13h) ist am Ende der Entscheidung beigefügt.
VIII. Die Beschwerdeführer hatten im Wesentlichen folgendes vorgetragen:
Hauptantrag - erfinderische Tätigkeit
Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
D3 sei der nächstliegende Stand der Technik und offenbare alle Merkmale des Anspruchs 1 bis auf das Merkmal, dass das Trägermaterial (2) nicht vollflächig ausgebildet ist.
Die wundzugewandte Seite des Trägermaterials (Abdeckteil 3) ist zum Fixieren des Wundverbandes an einem Träger mit einer Klebeschicht 22 "versehen", da das Verb "versehen" nicht voraussetze, dass die Klebeschicht direkt auf das Trägermaterial aufgebracht sein müsse.
Absatz [0020] der D3 offenbare, dass die Klebeschicht 22 "unter Fingerdruck" auf der Haut befestigt werden könne und aus einem Klebstoff auf der Basis von Silikon sei. Somit sei die Klebeschicht 22 von D3 auch ein druckempfindlicher Silikonhaftkleber und entspreche der Klebeschicht des Anspruchs 1.
Wie Absatz [0032] des angefochtenen Patents erkläre, führe die Nicht-Vollflächigkeit der Abdeckung zu einer erhöhten Durchlässigkeit für Wasserdampf. Somit sei die objektive Aufgabe, die Wasserdampfdurchlässigkeit zu verbessern.
Der Fachmann würde, ausgehend von D3, D5 in Betracht ziehen. Der Absatz [0014] der D3 weise schon darauf hin, dass die Wasserdampfdurchlässigkeit für den Fachmann wichtig sei und nach Bedarf angepasst werde. Der Absatz [0002] der D5 sei ebenfalls ein Beweis für den Fachmann, dass diskontinuierliche Flächen die Wasserdampfdurchlässigkeit erhöhten.
D5 lehre dem Fachmann sowohl die Deckschicht als auch die Klebstoffschicht diskontinuierlich zu gestalten, um die Wasserdampfdurchlässigkeit zu erhöhen, wie aus den Absätzen [0012] bis [0014] und aus den Ansprüchen 3 und 4 ersichtlich sei. Absatz [0013] lehre dem Fachmann, dass bei gleichbleibenden Klebstoffschichten ("same pattern", "same adhesive") die Deckschicht angepasst werden könne, um die Wasserdampfdurchlässigkeit nach Bedarf des Fachmanns zu ändern.
Neuer Hilfsantrag 1
Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei nicht ursprünglich offenbart.
Absatz [0015] (entsprechend Seite 5, Zeilen 4-27 der ursprünglich eingereichten Beschreibung) offenbare eine spezifischere Hülle mit weiteren Merkmalen, die nicht in den Anspruch 1 übernommen worden seien.
Die weiteren Merkmale der Hülle aus dieser Textstelle, wie z.B. dass die Hülle nicht wundverklebend sei, seien untrennbar mit den beanspruchten Merkmalen verknüpft.
Hilfsantrag 1b(14:20)
Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
D3 offenbare nicht die hinzugefügte Merkmalsgruppe, wonach "das Wundkissen ein nicht-wundverklebendes Wundkissen ist, das eine Hülle aus einem nicht-wundverklebenden Polymermaterial umfasst, und diese Hülle aus einem nicht-wundverklebenden Gestrick, Gewirk oder Gewebe besteht, die in eine oder mehrere Richtungen gedehnt oder verformt werden kann, ohne dass sie sich von selbst wieder zusammenzieht oder ausrichtet"[in der Folge auch kurz als Merkmalsgruppe "Hülle besteht aus einem nicht wund-verklebenden Gestrick, Gewirk oder Gewebe" bezeichnet].
Dieses hinzugefügte Merkmal ermögliche eine bessere Verformung und Dehnung von der Hülle. Es gebe somit keine Wechselwirkung zwischen den Unterscheidungsmerkmalen, die somit zu verschiedenen Teilaufgaben führten.
Die objektive Teilaufgabe der hinzugefügten Merkmalsgruppe sei demnach, eine bessere Anpassbarkeit an die Haut oder Wunde zu schaffen.
D4 offenbare in Spalte 2, Zeilen 2 bis 9, den gesuchten Effekt und in Spalte 4, Zeilen 22-23, das fehlende Merkmal.
Für den Fachmann wäre es somit naheliegend, das Wundkissen von D4 in dem Wundverband von D3 einzusetzen.
Hilfsantrag 2b(16:13h)
Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
D3 offenbare nicht das hinzugefügte Merkmal "der Rahmen überdeckt zumindest in Teilbereichen die wundzugewandte Seite des Wundkissens".
Die beanspruchte Überdeckung sei jedoch für den Fachmann eine naheliegende Modifikation angesichts des Absatzes [0012] von D3.
IX. Die Beschwerdegegnerin hat im Wesentlichen vorgetragen:
Hauptantrag - erfinderische Tätigkeit
D3 offenbare keine Klebeschicht mit den Merkmalen des Anspruchs 1. Das Trägermaterial müsse mit der beanspruchten Klebeschicht versehen sein, d.h. direkt und unmittelbar am Trägermaterial angebracht sein. Wie aus den Absätzen [0022] und [0023] der D3 ersichtlich sei, bildeten die Klettverschlüsse 21 und 22 keinen Rahmen, der zusammen mit dem Trägermaterial als eine einzige Einheit angesehen werden könnte. Somit sei das Trägermaterial nicht mit der Klebeschicht 22 versehen.
D3 offenbare auch nicht, dass die Klebeschicht 22 aus Silikonhaftklebern bestehe.
Die Beschwerdegegnerin sei mit der Formulierung der technischen Aufgabe der Beschwerdeführer einverstanden (die Wasserdampfdurchlässigkeit zu verbessern).
Der Fachmann würde D5 nicht in Betracht ziehen und mit D3 kombinieren. Der Absatz [0014] der D3 gebe dem Fachmann schon einen Hinweis auf drei Möglichkeiten, um die Aufgabe zu lösen. Der Fachmann würde demnach nicht nach weiteren Lösungen (z.B. in D5) suchen.
D5 befasse sich nicht mit aktivierten oder vor der Wundbehandlung zu aktivierenden Wundkissen (also vor der Applikation getränkten oder befeuchteten Wundkissen), sondern mit Wundkissen, in denen exzessive Feuchtigkeit verhindert werden soll. Somit bilde D5 keine passende Offenbarung, die mit D3 kombiniert werden könne.
Absätze [0012] bis [0014] der D5 offenbarten zwar ein nicht-vollflächiges Trägermaterial (mit "voids") aber auch dass ein vollflächiges Trägermaterial bevorzugt sei. Die nicht-vollflächige Variante sei nur in Unterverbänden einsetzbar, damit keine Flüssigkeiten austreten können.
Die allgemeine Lehre der D5 sei die Klebebeschichtung diskontinuierlich zu gestalten und nicht die Flächigkeit des Trägermaterials zu ändern. Somit würde der Fachmann ausgehend von D3 entweder D5 gar nicht heranziehen oder lediglich die Klebstoffschicht gemäß der Lehre von D5 ändern und somit aber nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen.
Neuer Hilfsantrag 1
Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei ursprünglich offenbart.
Es gebe keinen kausalen Zusammenhang zwischen den beanspruchten Merkmalen und den übrigen Merkmalen der ursprünglich offenbarten Hülle auf Seite 5, Zeilen 4-27 (Absatz [0015] der Patentschrift), wie z.B. dem Merkmal "Hülle aus einem nicht-wundverklebenden Polymermaterial". Die Anpassbarkeit an die Oberfläche der zu behandelnden Haut oder Wunde werde nicht von dem Material der Hülle, sondern nur vom beanspruchten Merkmal "Hülle aus Gestrick, Gewirk oder Gewebe" beeinflusst. Somit müsse das Merkmal "Hülle aus einem nicht-wundverklebenden Polymermaterial" dem Anspruch nicht hinzugefügt werden.
Hilfsantrag 1b(14:20)
Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Die Nicht-Vollflächigkeit des Trägermaterials schaffe auch eine erhöhte Flexibilität und trage zu einer besseren Anpassbarkeit an die Haut/Wunde bei. Es gebe somit eine funktionelle Wechselwirkung zwischen den Unterscheidungsmerkmalen, die zu einer gemeinsamen Aufgabe führe.
D4 offenbare auch nicht die hinzugefügten Unterscheidungsmerkmale. D4 offenbare lediglich eine nicht-wundverklebende Hülle und nicht ein nicht-wundverklebendes Wundkissen. Zudem sei die Hülle in D4 ein Gestrick auf Polypropylen-Basis, das andere Materialien umfassen könne, und somit entspreche sie nicht der beanspruchten Hülle, die ausschließlich aus Polymermaterial bestehe.
Hilfsantrag 2b(16:13h)
Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit.
D3 offenbare nicht das Merkmal "der Rahmen überdeckt zumindest in Teilbereichen die wundzugewandte Seite des Wundkissens".
Die objektive Aufgabe sei, weniger Fläche und mehr Abstand zwischen Wundkissen und Wunde zu schaffen, damit ein Verkleben mit der Wunde weiter verhindert werde.
Es gebe in dem vorhandenen Stand der Technik keinen Hinweis, den Rahmen über das Wundkissen zu erstrecken.
Entscheidungsgründe
1. Hauptantrag - erfinderische Tätigkeit
1.1 Für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit vom Gegenstand des Anspruchs 1 gingen die Beschwerdeführer von dem Wundverband in der D3 als nächstliegendem Stand der Technik aus.
1.2 Es ist unstreitig zwischen den Parteien, dass D3 einen Wundverband (Wundverband 1) offenbart, umfassend ein aktiviertes oder vor der Wundbehandlung zu aktivierendes Wundkissen (Wundauflage 33) zur Wundbehandlung im feuchten Milieu ("feuchten und nassen Wundauflagen", siehe Absatz [0001]) mit einem flächigen Trägermaterial (Deckschicht 32), "das das Wundkissen [...] zumindest bereichsweise überragt" (siehe Figur 2b).
1.3 Bestritten wird von der Beschwerdegegnerin aber, dass die folgenden Merkmale in D3 offenbart sind:
- dass das Trägermaterial auf einer wundzugewandten Seite zumindest bereichsweise mit einer Kleberschicht versehen ist zum Fixieren des Wundverbandes an einem Träger, wobei
- die Klebeschicht ein oder mehrere druckempfindliche Silikonhaftkleber als Kleber umfasst und insbesondere aus druckempfindlichen Silikonhaftklebern besteht.
1.4 Beide Merkmale sind in D3 offenbart. Der Ausdruck "das Trägermaterial [ist] mit einer Kleberschicht zum Fixieren des Wundverbandes an einem Träger versehen" setzt nicht eine unmittelbare Verbindung zwischen Trägermaterial und Kleberschicht voraus. Diese Auslegung ist im Einklang mit der Offenbarung des Patents. Wie aus den Ausführungsbeispielen der Figuren 6, 7 und 8 des angefochtenen Patents ersichtlich ist, erfüllt nicht zwangsläufig die direkt am Trägermaterial angebrachte Klebeschicht die Funktion des Fixierens an dem Träger. In diesen Ausführungsbeispielen erfolgt das Fixieren am Träger durch die Klebeschicht 10 (siehe Absätze [0040], [0042] und [0043]).
Somit fixiert die Klebstoffschicht 22 in D3 den Wundverband 1 an einem Träger 6 im Sinne des Patents. Diese Klebstoffschicht befindet sich außerdem auf einer wundzugewandten Seite des Befestigungsteils 2.
Der Absatz [0020] von D3 offenbart, dass die Klebstoffschicht 22 aus Silikon besteht und unter Fingerdruck auf der Haut befestigt werden kann. Da diese Klebstoffschicht 22 unter Fingerdruck eine Adhäsion zur Haut des Trägers ausbildet und Silikon als Basismaterial aufweist, entspricht sie dem beanspruchten "Silikonhaftkleber" auf dem Trägermaterial. Die Beschwerdegegnerin hat, nach entsprechender Frage der Kammer während der mündlichen Verhandlung, keine weiteren Klebstoffe mit diesen Eigenschaften nennen können.
D3 offenbart somit die bestrittenen Merkmale.
1.5 Es ist unstreitig zwischen den Parteien, dass D3 das Merkmal des kennzeichnenden Teils, wonach "das Trägermaterial (2) nicht vollflächig ausgebildet ist", nicht offenbart. Die Kammer sieht auch keinen Grund, dies zu bezweifeln.
1.6 Es ist auch unstreitig zwischen den Parteien, dass von der im Absatz [0032] des Streitpatents angegebenen technischen Aufgabe ausgegangen werden kann, nämlich dass die Wasserdampfdurchlässigkeit durch die Nicht-Vollflächigkeit des Trägermaterials im Bereich des Wundkissens verbessert wird.
1.7 Entgegen dem Argument der Beschwerdegegnerin würde der Fachmann (um die oben gestellte Aufgabe zu lösen) D5 in Betracht ziehen.
Absatz [0014] der D3 offenbart zwar drei Möglichkeiten, um die Wasserdampfdurchlässigkeit zu regulieren, dieser Absatz würde aber (anders als von der Beschwerdegegnerin angenommen) den Fachmann nicht davon abhalten, nach weiteren Lösungen zu suchen. Im Gegenteil zeigt Absatz [0014] der D3, dass dem Fachmann bewusst ist, dass die Wasserdampfdurchlässigkeit ein wichtiger Faktor ist und bei Bedarf geändert werden muss.
Es gibt auch keinen Grund für den Fachmann, D5 außer acht zu lassen. D5 offenbart zwar Wundverbände im Allgemeinen und keine spezifischen Wundverbände mit feuchten/aktivierten Wundauflagen (wie in D3), aber die Feuchtigkeitsregulierung erfolgt durch dieselben Mechanismen in Wundverbänden mit feuchten und mit trockenen Wundauflagen.
1.8 Es war unstreitig zwischen den Parteien, dass Absatz [0012] der D5 ein nicht vollflächiges Trägermaterial offenbart ("discontinuous surface [...] voids"). Die Kammer ist auch dieser Auffassung. Absatz [0012] offenbart, dass diskontinuierliche Trägermaterialien in Unterverbänden angewendet worden sind ("have been utilized"). Streitig war zwischen den Parteien, ob sich D5 auch allgemein mit diskontinuierlichen Wundverbänden befasst und nicht nur in Zusammenhang mit Unterverbänden.
D5 befasst sich mit Wundverbänden im Allgemeinen (siehe z.B. Absatz [0001]). Absatz [0002] der D5 offenbart, dass Wundverbände ("wound dressings") mit diskontinuierlichen Trägermaterialen bekannt sind. Somit ist es eindeutig, dass die diskontinuierlichen Trägermaterialien in D5 nicht ausschließlich in Unterverbänden angewendet werden.
1.9 D5 beschreibt zwei Möglichkeiten, die Wasserdampfdurchlässigkeit anzupassen. Die Absätze [0002] ("problems of excessive occlusivity have been avoided in the past by preparing dressings of discontinuous surfaces") und [0013] ("additional benefit of the continuous or discontinuous dressing substrate is found in the ability to fine-tune the Moisture Vapor Transmission Rate") offenbaren, wie diskontinuierliche Trägermaterialien die Wasserdampfdurchlässigkeit verbessern. Zudem offenbart Absatz [0014] als zweite Möglichkeit, dass diskontinuierliche statt kontinuierliche Klebstoffschichten ebenfalls die Wasserdampfdurchlässigkeit erhöhen.
Wie die Beschwerdegegnerin vorgetragen hat, wird in D5 die Möglichkeit einer "diskontinuierlichen Klebstoffschicht" als neu gegenüber dem Stand der Technik betrachtet. D5 schlägt aber nicht vor, diskontinuierliche Trägermaterialien durch diskontinuierliche Klebstoffschichten zu ersetzen, sondern beide miteinander zu kombinieren (siehe z.B. Absatz [0002] "also discontinuous" sowie Absatz [0012] "the prepared dressing may be a continuous surface or a discontinuous surface" oder Absatz [0013] "the additional benefit of continuous or discontinuous dressing substrate"). Insbesondere offenbart Absatz [0013], dass bei gleichbleibenden Klebstoffschichten ("same pattern", "same adhesive") eine Änderung der Deckschicht die Wasserdampfdurchlässigkeit nach Bedarf ändert.
Der Fachmann entnimmt somit aus der D5, dass diskontinuierliche Trägermaterialien allein die Wasserdampfdurchlässigkeit verbessern können, und würde (entgegen dem Argument der Beschwerdegegnerin) nicht als einzige Möglichkeit aus D5 entnehmen, die Klebstoffschicht diskontinuierlich zu machen. Demnach würde der Fachmann den Wundverband bzw. die Deckschicht aus D3 mit einem diskontinuierlichen Material versehen, um die gestellte Aufgabe zu lösen, und ohne erfinderische Tätigkeit zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen.
1.10 Der Gegenstand des Anspruchs 1 ergibt sich somit in naheliegender Weise aus D3 in Kombination mit der Lehre der D5 und beruht daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ sind deshalb nicht erfüllt und der Hauptantrag ist somit nicht gewährbar.
2. Neuer Hilfsantrag 1
2.1 Im geänderten Anspruch 1 des neuen Hilfsantrags 1 wurden die Merkmale des ursprünglich eingereichten Anspruchs 12 (entsprechend dem erteilten Anspruch 11) und der Ausdruck "die in eine oder mehrere Richtungen gedehnt oder verformt werden kann, ohne dass sie sich von selbst wieder zusammenzieht oder ausrichtet" eingefügt.
2.2 Als Grundlage für das Hinzufügen dieses Ausdrucks hatte die Beschwerdegegnerin die Ausführungen auf Seite 5, Zeilen 4 bis 27, der dem Streitpatent zugrundeliegenden Anmeldung angegeben.
2.3 Die Textstelle auf Seite 5 bildet die einzige eindeutige Offenbarung für eine Hülle und offenbart nicht nur eine Hülle bestehend aus einem nicht-wundverklebenden Gestrick, Gewirk oder Gewebe, sondern zum Beispiel auch dass die Hülle aus einem nicht-wundverklebenden Polymermaterial ist. Ungeachtet der Frage, ob die Hülle aus dieser Textstelle eine einzige Offenbarung mit den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 1, 3 und 12 bildet, gibt es für den Fachmann keine Offenbarung dafür, nur einen Teil von den Merkmalen der Hülle im Anspruch aufzunehmen.
Das Argument der Beschwerdegegnerin, dass es keinen kausalen Zusammenhang zwischen den beanspruchten Merkmalen und den übrigen Merkmalen der ursprünglich offenbarten Hülle gebe, wie z. B. dem Merkmal "Hülle aus einem nicht-wundverklebenden Polymermaterial", überzeugt die Kammer nicht. Es gibt eine funktionale und strukturelle Verbindung zwischen den beanspruchten und den übrigen Merkmalen der Hülle. Sowohl die textile Herstellungstechnik (Gestrick, Gewirk oder Gewebe) als auch das Material (nicht-wundverklebendes Polymermaterial) wirken auf die Anpassbarkeit an die Oberfläche (z. B. Flexibilität, Dehnung) der zu behandelnden Haut oder Wunde ein. Das Merkmal "Hülle aus einem nicht-wundverklebenden Polymermaterial" ist somit nicht überflüssig. Der beanspruchte Wundverband umfasst somit Merkmale einer Hülle, die nicht ohne weitere Merkmale aus der ursprünglichen Offenbarung unmittelbar und eindeutig ableitbar ist.
2.4 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des neuen Hilfsantrags 1 erfüllt somit nicht das Erfordernis des Artikels 123(2) EPÜ. Der neue Hilfsantrag 1 ist somit nicht gewährbar.
3. Hilfsantrag 1b(14:20)
3.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich vom Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrages durch die weitere hinzugefügte Merkmalsgruppe, wonach:
- "das Wundkissen ein nicht-wundverklebendes Wundkissen ist, das eine Hülle aus einem nicht-wundverklebenden Polymermaterial umfasst, und diese Hülle aus einem nicht-wundverklebenden Gestrick, Gewirk oder Gewebe besteht, die in eine oder mehrere Richtungen gedehnt oder verformt werden kann, ohne dass sie sich von selbst wieder zusammenzieht oder ausrichtet".
Es ist unstreitig zwischen den Parteien, dass diese Merkmalsgruppe nicht in D3 offenbart wird. Die Kammer sieht auch keinen Grund, dies zu bezweifeln.
3.2 Das Merkmal, wonach "das Trägermaterial nicht vollflächig ausgebildet ist", ermöglicht einen besseren Kontakt nach außen mit der Umgebung und somit eine bessere Wasserdampfsdurchlässigkeit (siehe Punkt1.6 oben). Im Gegensatz dazu erzielt die Merkmalsgruppe "diese Hülle aus einem nicht wund-verklebenden Gestrick, Gewirk oder Gewebe besteht" eine bessere Verformbarkeit und Dehnbarkeit der Hülle sowie eine Nicht-Verklebung mit der Haut oder Wunde. Es gibt somit keine funktionelle Wechselwirkung zwischen dem Merkmal, wonach "das Trägermaterial nicht vollflächig ausgebildet ist", und der Merkmalsgruppe, wonach "diese Hülle aus einem nicht-wundverklebenden Gestrick, Gewirk oder Gewebe besteht". Folglich lösen diese beiden Unterscheidungsmerkmalen (d.h. Merkmal und Merkmalsgruppe) separate Teilaufgaben.
3.3 Dem Argument der Beschwerdegegnerin, dass die Nicht-Vollflächigkeit des Trägermaterials eine erhöhte Flexibilität erschaffe und somit auch zu einer besseren Anpassbarkeit an die Haut/Wunde beitrage, kann die Kammer nicht beipflichten. Es ist nicht beansprucht, wie sich diese Nicht-Vollflächigkeit darstellen soll. Ohne das Ausmaß und/oder die Lage der Diskontinuitäten beim Trägermaterial zu definieren, ist der Einfluss von einer solchen Nicht-Vollflächigkeit auf die Anpassbarkeit an die Haut/Wunde unbestimmt. Absatz [0034] des Patents erklärt sogar, dass die Nicht-Vollflächigkeit das Trägermaterial instabiler machen kann und dadurch die Applikationsfähigkeit ändert.
Somit kommt die Kammer zum Schluss, dass die aus der hinzugefügten Merkmalsgruppe hergeleitete technische Teilaufgabe ist, die Anpassbarkeit der Hülle bzw. des Wundkissens an die Oberfläche der zu behandelnden Haut oder Wunde zu verbessern. Die erste Teilaufgabe wurde schon unter den Punkten 1.6 bis 1.10 oben abgehandelt.
3.4 D4 betrifft Wundverbände in einem feuchten Milieu (siehe Spalte 1, Zeilen 5-11, "Wunden in einem feuchten Milieu"), die der Fachmann daher auf der Suche nach einer Lösung zur gestellten Aufgabe berücksichtigen würde.
3.5 Dem Argument der Beschwerdegegnerin entgegen, offenbaren Spalte 2, Zeilen 41-43 ("Kompresse [...] nicht mit der Wunde verklebt") und Spalte 6, Zeilen 12-14 ("Wunde [...] verklebt nicht mit der Kompresse"), ein nicht-wundverklebendes Wundkissen. Die Kompresse in D4 besteht aus einem Quellkörper, der von einer Hülle umgeben ist. Diese nicht-wundverklebende Kompresse entspricht somit dem beanspruchten Wundkissen.
D4 offenbart auch eine ein nicht-wundverklebendes Polymermaterial umfassende Hülle, die aus einem Gestrick besteht (siehe Spalte 4, Zeilen 22-23, "Gestrick auf Polypropylen Basis"). Entgegen dem Argument der Beschwerdegegnerin ist eine Hülle "auf Polypropylen Basis" eine Hülle "aus Polymermaterial". In diesem Kontext schließt keiner der beiden Ausdrücke aus, dass die Hülle aus weiteren Materialien besteht.
Es folgt auch aus Spalte 2, Zeilen 3 bis 27, dass eine solche Hülle in eine oder mehrere Richtungen gedehnt oder verformt werden kann, ohne dass sie sich von selbst wieder zusammenzieht oder ausrichtet ("nicht elastisch dehnbar"). Die hinzugefügte Merkmalsgruppe ist somit in D4 offenbart.
3.6 D4 (Spalte 2, Zeilen 2 bis 9) offenbart auch, dass die Kompresse aus D4 den gesuchten Effekt erzielt ("die Kompresse plastisch verformbar ist [...] und sich auch dem Wundprofil tiefer Wunden gut anpasst").
Der Fachmann auf der Suche nach einer Hülle mit verbesserter Anpassbarkeit an die zu behandelnde Haut oder Wunde würde somit den Effekt erkennen und das Wundkissen aus D4 in einem Wundverband gemäß D3 einsetzen und zum Gegenstand des Anspruchs 1 in naheliegender Weise gelangen.
3.7 Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ sind nicht erfüllt und der Antrag ist daher nicht gewährbar.
4. Hilfsantrag 2b(16:13h)
4.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich vom Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1b(14:20) durch die folgenden hinzugefügten Merkmale:
- wobei auf der wundzugewandten Seite des Trägermaterials (2) ein Rahmen (8) aufgebracht ist und
- das Trägermaterial (2) über den Rahmen (8) an einem Träger festlegbar ist,
- wobei der Rahmen (8) zumindest in Teilbereichen die wundzugewandte Seite des Wundkissens (1) überdeckt.
D3, Absätze [0010] und [0011] sowie Figuren 1a, 1b und 2b, offenbaren ein Befestigungsteil 2, das auf der wundzugewandten Seite der Deckschicht 32 aufgebracht ist. Die Deckschicht 32 ist auch über das Befestigungsteil 2 (durch die Klebstoffschicht 22 des Befestigungsteils 2) an einem Träger festlegbar. Das Befestigungsteil 2 entspricht somit einem Rahmen mit den ersten zwei obengenannten Merkmalen.
4.2 Es ist unstreitig zwischen den Parteien, dass das dritte hinzugefügte Merkmal
- "wobei der Rahmen zumindest in Teilbereichen die wundzugewandte Seite des Wundkissens überdeckt"
nicht in D3 offenbart ist. Die Kammer sieht auch keinen Grund, dies zu bezweifeln.
4.3 Die Anbringung eines Rahmens auf diese Weise ermöglicht, einen Abstand zwischen Wundkissen und Träger zu schaffen. Wie auch der Absatz [0040] der Patentschrift erklärt, kann dadurch "ein Verkleben mit einer Wunde und damit eine Zerstörung der sich neu bildenden Hautzellen weiter verhindert werden". Es gibt somit eine funktionelle Zusammenwirkung dieses Merkmals mit dem Effekt von der obigen Merkmalsgruppe, die auch eine Nicht-Verklebung erzielt (siehe oben, Punkt 3.2).
Die objektiv zu lösende Teilaufgabe ist somit, ein an die Oberfläche der zu behandelnden Haut oder Wunde angepasstes Wundkissen zu schaffen, das ein Verkleben mit einer Wunde weiter verhindert.
4.4 Das Argument der Beschwerdeführer, dass die beanspruchte Überdeckung angesichts des Absatzes [0012] der D3 für den Fachmann eine naheliegende Modifikation sei, überzeugt die Kammer nicht. Absatz [0012] offenbart lediglich, dass für das "einfache Aufbringen des Wundverbands auf die Haut" die Deckschicht und die Wundauflage vorzugsweise fest verbunden sein sollen. Dieser Absatz befasst sich mit den Verbindungsmöglichkeiten zwischen Deckschicht und Wundauflage, die das Befestigungsteil nicht einbeziehen. Dieser Absatz gibt demnach dem Fachmann keinen Hinweis, die wundzugewandte Seite des Wundkissens mit dem Rahmen zu überdecken. Darüber hinaus ist darin kein Hinweis auf diesbezügliche allgemeine Kenntnisse des Fachmanns zu finden. Da die Beschwerdeführer keine weiteren Argumente vorgebracht haben und die Kammer selbst keine weiteren Hinweise auf eine derartige Überdeckung erkennen kann, ist eine solche Überdeckung weder als naheliegende Modifikation noch als Teil des allgemeinen Fachwissens anzusehen.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht somit auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).
4.5 Einwände unter Artikel 123 (2) EPÜ und Artikel 84 EPÜ im Hinblick auf die Ansprüche des Hilfsantrags 2b(16:13h) wurden nicht vorgebracht, noch sind solche für die Kammer erkennbar.
5. Wegen den im Anspruch 1 vorgenommenen Änderungen erachtet die Kammer es als sachdienlich, die Angelegenheit zur Anpassung der Beschreibung sowie eventuell der Figuren an die jetzt vorliegenden Ansprüche an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen (Artikel 111 (1) EPÜ).
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent mit den Ansprüchen des Hilfsantrags 2b(16.13h) und einer noch anzupassenden Beschreibung sowie Figuren aufrechtzuerhalten.