T 1017/16 () of 27.3.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T101716.20190327
Datum der Entscheidung: 27 März 2019
Aktenzeichen: T 1017/16
Anmeldenummer: 05797309.1
IPC-Klasse: B63H 21/17
B63B 35/73
A63B 35/12
B63C 11/46
H01M 10/50
H02K 9/22
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: ELEKTRISCHES MOTORWASSERFAHRZEUG MIT KUEHLUNG DURCH UMGEBUNGSWASSER
Name des Anmelders: CAYAGO TEC GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Zulassung in das Verfahren - Hauptantrag - nach Rücknahme erneut vorgelegt (NEIN)
Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0122/10
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Anmelderin richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung des Europäischen Patentamts, die am 10. Dezember 2015 zur Post gegeben wurde und mit der die europäische Patentanmeldung Nr. 05797309.1 aufgrund des Artikels 97 (2) EPÜ zurückgewiesen worden ist.

II. Die vorliegende Anmeldung beruht auf der PCT-Anmeldung WO2006/040078 A1 für die ein von der Internationalen Recherchebehörde ein schriftlichen Bescheid nach Regel 43bis.1 PCT erstellt wurde. Darin wird im Wesentlichen festgestellt, dass die Merkmalskombination des ursprünglich eingereichten Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, dass aber die Merkmalskombination des Anspruchs 11 weder bekannt noch aus dem recherchierten Stand der Technik nahegelegt ist und somit die Erfordernisse hinsichtlich Neuheit und erfinderischer Tätigkeit erfüllt sind.

III. Die Prüfungsabteilung des EPA hat in ihrer Zurückweisungsentscheidung festgestellt, dass der Gegenstand des jeweiligen Anspruch 6 des Hauptantrags bzw. des Hilfsantrags, vorgelegt im Verfahren vor der Prüfungsabteilung am 12. November 2014, nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

In einem Obiter Dictum teilt die Prüfungsabteilung in ihrer Entscheidung mit, dass auch der Gegenstand des Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag nicht erfinderisch ist.

IV. In einem Bescheid gemäß Artikel 15 (1) VOBK hat die Kammer der Anmelderin kundgetan, dass sie im Wesentlichen die Auffassung der Prüfungsabteilung teilt und dass die Beschwerde daher keine Aussicht auf Erfolg habe.

V. Am 27. März 2019 wurde vor der Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts mündlich verhandelt.

Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage der Ansprüche des Hauptantrags vom 12. November 2014 hilfsweise des Hilfsantrags, eingereicht während der mündlichen Verhandlung (in der Fassung von 16:30) zu erteilen.

VI. Anspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag, vorgelegt in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer lautet wie folgt:

Motorwasserfahrzeug mit einem Fahrzeugrumpf (10) auf dem ein Benutzer zumindest teilweise aufliegt oder sich aufstellt, mit einem im Fahrzeugrumpf (10) verlaufenden Strömungskanal (8) mit einer von einem Elektromotor (3) getriebenen Wasserschraube (2), wobei der Fahrzeugrumpf (10) den Elektromotor (3) und Batterien (5, 6) sowie ein Steuergerät (4) für den Elektromotor (3) und die Wasserschraube (2) enthält und diese zumindest bereichsweise im Strömungskanal (8) untergebracht sind, wobei der Elektromotor (3) als Innenläufermotor ausgebildet ist, wobei der Stator (21) des Elektromotors (3) mittels einer Wärmeleiteinheit (22) in einem wärmeführenden Kontakt mit einem Aufnahmegehäuse (3.5) des Elektromotors (3) steht, wobei das Aufnahmegehäuse (3.5) zumindest teilweise im Strömungskanal (8) angeordnet ist, wobei das Aufnahmegehäuse (3.5) zumindest teilweise in dem der Wärmeleiteinheit (22) zugeordneten Bereich aus wärmeleitfähigem Material besteht, wobei die Wärmeleiteinheit (22) als wärmeleitende Vergussmasse ausgebildet ist, die mit dem Aufnahmegehäuse (3.5) stoffschlüssig verbunden ist und wobei der Rotor (20) und der Stator (21) in dem gegenüber der Umgebung wasserdicht verschlossenen Aufnahmegehäuse (3) untergebracht sind, wobei eine Antriebswelle (3.1) über eine Dichtkassette (40) aus dem Aufnahmegehäuse (3.5) herausgeführt ist, wobei die Dichtkassette (40) die Antriebswelle (3.1) mittels wenigstens zwei Dichtringen (3.3) abdichtet und wobei die Dichtkassette (40) in Achsrichtung verstellbar der Antriebswelle (3.1) in unterschiedlichen Montagepositionen zuordenbar ist.

VII. Die Beschwerdeführerin brachte im Wesentlichen die folgenden Argumente vor:

Der in der mündlichen Verhandlung erneut vorgelegte Hauptantrag müsse wieder in das Verfahren zugelassen werden. Schließlich sei der Antrag bereits mit der Beschwerdebegründung in das Beschwerdeverfahren eingeführt worden und die Kammer habe sich bereits mit diesem Antrag auseinander setzen müssen. Insofern sei der verfahrenstechnische Aufwand, den Hauptantrag zu behandeln, nicht größer als vorher. Auch könnten seitens der Beschwerdeführerin nun weitere Argumente zur Stützung des erfinderischen Gegenstands vorgebracht werden. Dieser sei auf jeden Fall patentfähig.

Der Anspruch 1 des Hilfsantrags beruhe auf den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 1, 9 und 11. Auch dieser Gegenstand sei patentfähig gegenüber dem recherchierten Stand der Technik. Auch der Bescheid der Internationalen Behörde habe dies im PCT Verfahren schon festgestellt.

Entscheidungsgründe

1. Der Hauptantrag, vorgelegt mit der Beschwerdebegründung wird nicht wieder in das Verfahren zugelassen, Artikel 13 (1) VOBK.

1.1 Gemäß Artikel 13 (1) VOBK steht es im Ermessen der Kammer, Änderungen des Vorbringens eines Beteiligten nach Einreichung seiner Beschwerdebegründung oder Erwiderung zuzulassen und zu berücksichtigen. Bei der Ausübung des Ermessens werden insbesondere die Komplexität des neuen Vorbringens, der Stand des Verfahrens und die gebotene Verfahrensökonomie berücksichtigt.

1.2 Die Beschwerdeführerin hat mit der Beschwerdebegründung einen Hauptantrag und einen Hilfsantrag vorgelegt. Diese Anträge sind die Grundlage der Zurückweisungs-entscheidung der Prüfungsabteilung.

Die Prüfungsabteilung hat entschieden, dass der unabhängige Anspruch 6 des Hauptantrags nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Weiterhin hat sie in einem Obiter Dictum kundgetan, dass auch der unabhängige Anspruch 1 des Hauptantrags nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

Nach einem Bescheid der Kammer nach Artikel 15 (1) VOBK, der im Wesentlichen ausführt, dass die Kammer die Auffassungen der Prüfungsabteilung teilt, hat die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 30. Januar 2019 die mit der Beschwerdebegründung eingereichten Anträge zurückgenommen und einen neuen Hauptantrag und acht Hilfsanträge eingereicht.

Nach der Diskussion über die Zulässigkeit der neu vorgelegten Anträge nahm die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung alle Anträge zurück und beantragte in der Hauptsache, ein Patent auf Grundlage des Hauptantrags, wie mit der Beschwerdebegründung eingereicht, zu erteilen.

1.3 Gemäß der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern erlaubt es die gebotene Verfahrensökonomie gemäß Artikel 13 (1) VOBK nicht, einen Antrag wieder in das Verfahren zuzulassen, der von der Beschwerdeführerin aus freien Stücken zurückgenommen wurde, siehe dazu auch Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 8. Auflage, IV:E.4.3.3 c). Dies gilt laut Entscheidung T 122/10 auch dann, wenn der Antrag zunächst mit der Beschwerdebegründung vorgelegt wurde, und gemäß Artikel 12 (2) VOBK zunächst Teil des Beschwerdeverfahrens geworden ist.

Mit der Einreichung des neuen Hauptantrag und die Rücknahme der mit der Beschwerdebegründung eingereichten Anträge am 30. Januar 2019, ca. 2 Monate vor der geplanten mündlichen Verhandlung, hat die Beschwerdeführerin eine neue Grundlage für die mündliche Verhandlung geschaffen, für die sich die Kammer vorbereitet hat. Es sei an dieser Stelle insbesondere zu bemerken, dass Anspruch 6 des neuen Hauptantrag vom Anspruch 6 des früheren Hauptantrag sich durch die Streichung und Hinzufügung von Merkmalen unterscheidet. Mit der Wiedervorlage des früheren Hauptantrags hat daher die Beschwerdeführerin völlig neue Grundlage geschaffen, für die es nicht mehr zu erwarten war, dass die Kammer vorbereitet war. Hinzu kommt erschwerend, dass der wieder vorgelegte Hauptantrag offensichtliche und gravierende Mängel aufzuweisen scheint, nämlich die, die die Prüfungsabteilung in ihrer Entscheidung festgestellt hat.

Daher hält es die Kammer unter diesen Umständen für angezeigt, von ihrem Ermessen gemäß Artikel 13 (1) VOBK dahingehend Gebrauch zu machen, den wieder vorgelegte Hauptantrag nicht zuzulassen.

2. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag beruht auf den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 8, 9 und 11. Daher ist der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht unzulässig erweitert, Artikel 123 (2) EPÜ.

Weiterhin kann die Kammer keine Mängel an Klarheit erkennen, Artikel 84 EPÜ. Die Frage der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit wurde bereits im schriftlichen Bescheid der Internationalen Recherchebehörde (nach Regel 43bis.1 PCT) erörtert und festgestellt, dass die Merkmalskombination des ursprünglich eingereichten Anspruchs 11 weder bekannt ist noch aus dem recherchierten Stand der Technik nahegelegt ist und somit die Erfordernisse hinsichtlich Neuheit und erfinderischer Tätigkeit erfüllt.

Da die Merkmalskombination des Anspruchs 11 vollständig in den vorliegenden Anspruch 1 integriert wurde, gilt diese Feststellung auch für diesen.

Die Kammer hat keinen Anlass die Auffassung der Internationalen Recherchebehörde in Frage zu stellen. Insbesondere ist eine verstellbare Dichtkassette, die die Antriebswelle aus dem Aufnahmegehäuse herausführt im Stand der Technik weder offenbart noch nahegelegt.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent auf der Grundlage der Ansprüche des Hilfsantrags (Anlage 1 eingereicht um 16:30), eingereicht während der mündlichen Verhandlung, und einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.

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