European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2019:T089716.20190618 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 18 Juni 2019 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0897/16 | ||||||||
Anmeldenummer: | 03001477.3 | ||||||||
IPC-Klasse: | B23B 51/02 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Bohrwerkzeug | ||||||||
Name des Anmelders: | HAKOS Präzisionswerkzeuge Hakenjos GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | PTG Präzisions-Technik HmbH | ||||||||
Kammer: | 3.2.08 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit Erfinderische Tätigkeit |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Mit der am 17. Februar 2016 zur Post gegebenen Entscheidung hat die Einspruchsabteilung das europäische Patent Nr. 1 382 410 widerrufen.
Im Hinblick auf den Hauptantrag war die Einspruchsabteilung der Auffassung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht neu gegenüber einer geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung sei.
II. Gegen diese Entscheidung hat die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt.
III. Eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer fand am 18. Juni 2019 statt.
Die Beschwerdeführerin beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent auf der Basis des Hauptantrags oder eines der Hilfsanträge 1, 1a, 1b, 2-4, eingereicht mit der Beschwerdebegründung vom 14. Juni 2016 aufrechtzuerhalten.
Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende 1), welche - wie mit Schreiben vom 21. Mai 2019 angekündigt - an der mündliche Verhandlung nicht teilnahm, hatte im schriftlichen Verfahren beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Die ehemalige Einsprechende 2 hatte mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2016 den Einspruch zurückgenommen.
IV. Ansprüche 1 und 13 gemäß dem Hauptantrag (der dem der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Hauptantrag entspricht) lauten wie folgt:
"1. Bohrwerkzeug (1), hergerichtet zum Lösen und Aufbohren geschweißter oder gelöteter Verbindungselemente an Blechen, umfassend einen Schaft (3) mit einem ersten Ende (5) und einem zweiten Ende (7), wobei zumindest eines der Enden einen Bohrkopf (8, 81, 82) mit Spannuten (10) aufweist und das Bohrwerkzeug einen Zentrierkegel (11) aufweist, der aus einer Fläche, die durch Rotation des Bohrwerkzeugs um seine Schaftachse (2) von Hauptschneidkanten (91) beschrieben wird, hervorragt und wobei die Hauptschneidkanten (91) der Schneiden des Bohrkopfes (8, 81, 82) zumindest abschnittsweise hinterschliffen sind,
dadurch gekennzeichnet, dass
der Bohrkopf zumindest drei Schneiden (9) und der Zentrierkegel (11) zumindest drei Schneidkanten (93) aufweist und die Schneidkanten (93) des Zentrierkegels (11) zumindest abschnittsweise positiv hinterschliffen sind und dass die Spannuten (10) nach Art eines Spiralbohrers verlaufen."
"13. Verwendung eines Bohrwerkzeugs, insbesondere eines Bohrwerkzeugs nach einem der vorstehenden Ansprüche mit einem Schaft (3) mit einem ersten Ende (5) und einem zweiten Ende (7), wobei zumindest eines der Enden einen Bohrkopf (8, 81, 82) mit Spannuten (10) aufweist und das Bohrwerkzeug einen Zentrierkegel (11) aufweist, der aus einer Fläche, die durch Rotation des Bohrwerkzeugs um seine Schaftachse (2) von den Schneidkanten (91) beschrieben wird, hervorragt und wobei der Bohrkopf zumindest drei Schneiden (9) und einen Zentrierkegel (11) aufweist und die Hauptschneidkanten (91) der zumindest drei Schneiden des Bohrkopfes (8, 81, 82) zumindest abschnittsweise hinterschliffen sind, die Fläche, die durch Rotation des Bohrwerkzeugs um seine Schaftachse (2) von den Schneidkanten (91) beschrieben wird, eine im wesentlichen ebene Fläche umfaßt der Zentrierkegel (11) zumindest drei Schneidkanten (93) aufweist und die Schneidkanten (93) des Zentrierkegels (11) zumindest abschnittsweise positiv hinterschliffen sind und bei welchem die Spannuten (10) nach Art eines Spiralbohrers verlaufen zum Lösen und Aufbohren geschweißter oder gelöteter Verbindungselemente an Blechen."
V. Folgende Entgegenhaltungen haben für die vorliegende Entscheidung eine Rolle gespielt:
A9 und A10: Technische Zeichnungen der Firma Gühring beide mit Datum 24. Oktober 2000.
VI. Die Beschwerdeführerin argumentierte im Wesentlichen wie folgt:
Die geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung sei nicht nachgewiesen worden. Auf jedem Fall weise der angeblich vorbenutzte Bohrer, der in A9 und A10 gezeigt sei, nicht alle Merkmale des Anspruchs 1 gemäß dem Hauptantrag auf.
Aus den Zeichnungen ergebe sich nicht, dass der Zentrierkegel eine Schneidfunktion habe oder dass seine Kanten positiv hinterschliffen seien. Somit offenbarten A9 und A10 keine Schneidkanten des Zentrierkegels und insbesondere keine Schneidkanten, die zumindest abschnittsweise positiv hinterschliffen seien.
Aus diesem Grund sei der Bohrer der A9 und A10 auch nicht zum Lösen und Aufbohren geschweißter oder gelöteter Verbindungselemente an Blechen geeignet, weil dieses das punktuelle Bohren von spröden Werkstoffen und somit eine Schneidfunktion an der Spitze des Bohrers erfordere.
Es sei auch für den Fachmann nicht naheliegend gewesen, das Bohrwerkzeug der A9 und A10, welches angesichts seiner Länge zum Bohren von Vollmaterial geeignet sei, gemäß dem Anspruch 1 des Hauptantrags zu ändern.
Folglich sei das Patent auf der Basis des Hauptantrags aufrechtzuerhalten.
VII. Die Beschwerdegegnerin argumentierte im Wesentlichen wie folgt:
Die von der Einspruchsabteilung in ihrer Entscheidung berücksichtigte offenkundige Vorbenutzung sei hinreichend nachgewiesen worden.
Der Gegenstand des Streitpatents sei kein "Schweißpunktbohrer", so dass eine erforderliche Eignung des Bohrers zum Ausbohren von Schweißpunkten nicht relevant sei. In Bezug auf den bei dem offenkundig vorbenutzten Bohrwerkzeug vorhandenen Zentrierkegel wurde auf die angefochtene Entscheidung verwiesen.
Entscheidungsgründe
1. Geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung
1.1 Die von der Einspruchsabteilung in ihrer Entscheidung berücksichtigte Vorbenutzung betrifft das in den Zeichnungen A9 und A10 gezeichnete Bohrwerkzeug.
Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern muss sich der beanspruchte Gegenstand "unmittelbar und eindeutig aus dem Stand der Technik ergeben", damit auf fehlende Neuheit geschlossen werden kann (siehe Rechtssprechung der Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts, 8. Auflage 2016, I.C.4.1).
Im vorliegender Fall ist es unstreitig, dass der im A9 und A10 gezeigte Bohrer folgende Merkmalen umfasst:
Einen Schaft mit einem ersten Ende und einem zweiten Ende, wobei zumindest eines der Enden einen Bohrkopf mit Spannuten aufweist und das Bohrwerkzeug einen Zentrierkegel aufweist, der aus einer Fläche, die durch Rotation des Bohrwerkzeugs um seine Schaftachse von Hauptschneidkanten beschrieben wird, hervorragt und wobei die Hauptschneidkanten der Schneiden des Bohrkopfes zumindest abschnittsweise hinterschliffen sind, wobei der Bohrkopf drei Schneiden aufweist und wobei die Spannuten nach Art eines Spiralbohrers verlaufen.
Wie aus der Stirnansicht (Ansicht X der A10) zu entnehmen ist, beginnt der Zentrierkegel an der Stelle, an welcher eine Linie als Teilsektor senkrecht auf die Hauptschneidkante trifft (in der nachfolgend eingefügten Figur mit P gekennzeichnet).
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Wie in der angefochtenen Entscheidung festegestellt wurde, sind auch drei Ausspitzungen in der Form eines abgerundeten "V" zu erkennen. Die Hauptschneidkante läuft somit radial vom äußeren Rand des Bohrers senkrecht auf die Bohrerachse bis zum Punkt P. Ab diesem Punkt läuft die Kante auf dem Zentrierkegel unter einem Winkel von 45° weiter auf die Bohrerachse zu, so dass sich ein Spitzenwinkel der Zentrierspitze von 90° ergibt. Aus der Zeichnungen ist aber nicht herleitbar, ob die Kanten des Zentrierkegels zum Schneiden vorgesehen oder geeignet sind.
Ebenso wenig ergibt es sich aus der Zeichnungen, ob sie zumindest abschnittsweise positiv hinterschliffen sind. In der Tat könnten die Kanten des Zentrierkegels, wenn keine Schneidfunktion dafür vorgesehen ist, sehr wohl nicht positiv hinterschliffen sein.
Folglich offenbaren A9 und A10 nicht, dass der Zentrierkegel zumindest drei Schneidkanten aufweist und dass die Schneidkanten des Zentrierkegels zumindest abschnittsweise positiv hinterschliffen sind.
Es ist richtig, dass kein "Schweißpunktbohrer" im vorliegenden Anspruch 1 erwähnt wird. Allerdings ist vom Anspruchswortlaut explizit erfordert, dass das Bohrwerkzeug "hergerichtet zum Lösen und Aufbohren geschweißter oder gelöteter Verbindungselemente an Blechen" ist. Diese Funktion involviert das punktuelle Bohren von spröden Werkstoffen, das eine Schneidfunktion der Spitze des Bohrers erfordert. Eine derartige Schneidfunktion ist wie oben erklärt aus A9 und A10 nicht herleitbar. Deshalb unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 vom Bohrer der A9 und A10 auch durch dieses Merkmal.
Folglich weist das in A9 und A10 gezeigte Bohrwerkzeug nicht alle Merkmale des Anspruchs 1 auf.
1.2 Es war für den Fachmann auch nicht naheliegend, das Bohrwerkzeug der A9 und A10 gemäß dem Anspruch 1 zu ändern.
Ohne in Kenntnis der vorliegenden Erfindung gewesen zu sein, hatte der Fachmann nämlich keinen Grund den Bohrer der A9 und A10, welcher angesichts seiner Länge zum Bohren von Vollmaterial geeignet ist, mit zumindest abschnittsweise positiv hinterschliffenen Schneidkanten des Zentrierkegels vorzusehen, um das Lösen und Aufbohren geschweißter oder gelöteter Verbindungselemente an Blechen zu ermöglichen.
1.3 Folglich können Neuheit und erfinderische Tätigkeit des Gegenstands von Anspruch 1 im Hinblick auf den Bohrer der A9 und A10 nicht verneint werden.
Aus denselben Gründen trifft dieses auch für den Gegenstand des Anspruchs 13 zu.
Die Frage, ob der Bohrer der A9 und A10 tatsächlich vor dem Prioritätsdatum des Streitpatents offenkundig vorbenutzt wurde, kann daher dahingestellt bleiben, da diese geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung bereits aufgrund ihrer technischen Merkmale der Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage des Hauptantrags nicht entgegensteht.
2. Andere Gründe, die dieser Aufrechterhaltung entgegenstehen könnten, sind weder im Beschwerdeverfahren vorgebracht worden noch für die Kammer ersichtlich.
Folglich ist das Patent auf der Grundlage des Hauptantrags aufrechtzuerhalten. Die Hilfsanträge sind deshalb für diese Entscheidung nicht relevant.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent mit folgender Fassung aufrechtzuerhalten:
- Ansprüche 1-13 des Hauptantrags, eingereicht mit Schreiben vom 14. Juni 2016
- Spalten 1-8 der Patentschrift
- Figuren 1-4 der Patentschrift.