European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2019:T086516.20190522 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 22 Mai 2019 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0865/16 | ||||||||
Anmeldenummer: | 09772132.8 | ||||||||
IPC-Klasse: | D21H 21/40 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren zur Herstellung eines Sicherheitselements mit beidseitig aufgebrachter Beschichtung | ||||||||
Name des Anmelders: | Giesecke+Devrient Currency Technology GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Bundesdruckerei GmbH KBA-NotaSys SA Gemalto AG |
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Kammer: | 3.3.06 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit (Hauptantrag und Hilfsantrag) : nein | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerden der Einsprechenden 1 und 2 (im Folgenden: Beschwerdeführerinnen) richten sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, betreffend die Aufrechterhaltung des europäischen Patents
Nr 2 307 614 in geändertem Umfang auf der Grundlage der am 17. November 2015 als Hilfsantrag eingereichten Ansprüche.
Anspruch 1 der aufrechterhaltenen Fassung (Hauptantrag im Beschwerdeverfahren) hat folgenden Wortlaut:
"1. Verfahren zur Herstellung eines Sicherheitselements, das ein Substrat mit mindestens einer Öffnung aufweist, wobei das Sicherheitselement Teil eines Wertdokuments ist und die Öffnung durch Laserschnitt in das Substrat des Wertdokuments eingebracht ist, wobei die Öffnung einseitig mit einer zumindest teilweise lichtdurchlässigen Folie verschlossen wird und das Substrat im Bereich der zumindest teilweise lichtdurchlässigen Folie am Rand der Öffnung eine Verminderung seiner Dicke aufweist, die im Wesentlichen der Dicke der zumindest teilweise lichtdurchlässigen Folie entspricht, sodass die Oberfläche der zumindest teilweise lichtdurchlässigen Folie bündig mit der Oberfläche des Substrats abschließt, und jeweils eine zumindest teilweise lichtdurchlässige Beschichtung auf die Oberseite und die Unterseite des Substrates vollflächig aufgebracht wird, und wobei entweder die Beschichtung im Bereich der Öffnung mit erhöhtem Materialeintrag aufgebracht wird, so dass die Beschichtung die Öffnung vollständig auffüllt, oder die Öffnung vor dem Aufbringen der Beschichtung mit einer zumindest teilweise lichtdurchlässigen Füllung versehen wird, die die Öffnung vollständig auffüllt."
II. Mit ihren Beschwerdebegründungen haben die Beschwerdeführerinnen u.A. geltend gemacht, dass dieser beanspruchte Gegenstand ausgehend von dem Dokument D3 (WO 2005/116335), Figur 2 oder 3, als nächstliegendem Stand der Technik, die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ nicht erfülle. Dokumente D9 (WO 03/054297), D17 (WO 2006/119896) und D19 (WO 02/051638) wurden in diesem Zusammenhang auch zitiert.
III. Nach Erhalt der vorläufigen Meinung der Kammer hat die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) mit Schriftsatz vom 11. März 2019 eine geänderte Fassung der Beschreibung eingereicht.
IV. In der mündlichen Verhandlung vom 22. Mai 2019 wurde der Gegenstand des aufrechterhaltenen Patentanspruchs 1 im Hinblick auf die Voraussetzungen des Artikel 56 EPÜ ausgehend von D3 (Figur 2 oder 3) als nächstliegendem Stand der Technik erörtert.
V. Am Ende der Verhandlung lauteten die endgültigen Anträge der Parteien wie folgt:
Die Beschwerdeführerinnen beantragten, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise das Patent auf der Grundlage der Ansprüche 1-3 und Zeichnungen 1/2, 2/2 gemäß der Zwischenentscheidung im Einspruchsverfahren vom 08. Februar 2016 in Verbindung mit der mit Schreiben vom 11. März 2019 eingereichten Beschreibung (Spalte 1 bis 6) aufrechtzuerhalten.
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag ist mit dem Anspruch 1 gemäß Hauptantrag identisch.
Entscheidungsgründe
1. Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
1.1 Anspruch 1 betrifft ein Verfahren zur Herstellung eines Sicherheitselements, das Teil eines Wertdokuments ist, und ein Substrat mit mindestens einer Öffnung aufweist.
Das beanspruchte Verfahren ist durch folgende Merkmale gekennzeichnet:
a) die Öffnung ist durch Laserschnitt in das Substrat des Wertdokuments eingebracht,
b) die Öffnung wird einseitig mit einer zumindest teilweise lichtdurchlässigen Folie verschlossen,
c) das Substrat weist im Bereich der zumindest teilweise lichtdurchlässigen Folie am Rand der Öffnung eine Verminderung seiner Dicke auf, die im Wesentlichen der Dicke der zumindest teilweise lichtdurchlässigen Folie entspricht, sodass die Oberfläche der zumindest teilweise lichtdurchlässigen Folie bündig mit der Oberfläche des Substrats abschließt,
d) jeweils eine zumindest teilweise lichtdurchlässige Beschichtung wird auf der Oberseite und der Unterseite des Substrates vollflächig aufgebracht,
e) die Beschichtung wird im Bereich der Öffnung mit erhöhtem Materialeintrag aufgebracht, so dass sie die Öffnung vollständig auffüllt, oder
e') die Öffnung wird vor dem Aufbringen der Beschichtung mit einer zumindest teilweise lichtdurchlässigen Füllung versehen, die die Öffnung vollständig auffüllt.
1.2 Der Beschreibung des Streitpatents (Absätze [0003], [0005]) ist bezüglich Stand der Technik und Zielsetzung der Erfindung Folgendes zu entnehmen:
- Aus der D3 war ein Verfahren zur Herstellung eines Sicherheitspapiers für Wertdokumente bereits bekannt, bei dem das Sicherheitspapier mindestens ein Fenster aufweist, das zunächst einseitig durch eine transparente Abdecklage, insbesondere eine Folie oder Lackschicht, verschlossen und anschließend mit einer transparenten Füllung gefüllt wird;
- Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein gattungsgemäßes Sicherheitselement derart weiterzubilden, dass der Schutz gegenüber Fälschungen weiter erhöht wird.
1.3 In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer bestand Einigkeit zwischen den Parteien, dass das Dokument D3 und insbesondere die Ausführungsform gemäß Figur 3 ein geeigneter Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit sei. Die Kammer stimmt dem zu.
1.4 Wie bereits in der Kammermitteilung erörtert, wird durch das beanspruchte Verfahren kein erhöhter Fälschungsschutz gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik erzielt. Daher kann die zugrundeliegende technische Aufgabe nur als die Bereitstellung eines weiteren Verfahrens zur Herstellung eines Sicherheitselements für ein Wertdokument formuliert werden. Diese Aufgabe wird durch das Verfahren des Anspruchs 1 zweifelsfrei gelöst.
1.5 Die Ausführungsform gemäß Figur 3 der D3 (siehe unten), deren Herstellungsverfahren den nächstliegenden Stand der Technik darstellt, ist auf Seite 25, Zeile 15 bis Seite 26, Zeile 9 der Entgegenhaltung beschrieben.FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Figur 3 zeigt ein Sicherheitspapier für Wertdokumente im Schnitt, welches durch Vereinigen eines Basispapiers 1 mit einer ersten Öffnung 5 mit einer Papierlage 2 ohne Öffnung, und Ausstanzen der Öffnung 6 nach dem Vereinigen der beiden Papierlagen hergestellt wird. Die Öffnung 6 weist glatte Ränder auf und ist einseitig durch eine auflaminierte Abdecklage 3 abgedeckt, deren Abmessungen den Abmessungen der Vertiefung entsprechen, die durch den Bereich verringerter Dicke 8 der Papierlage 2 erzeugt wird. In die Öffnungen 5, 6 wird eine Füllung eingebracht und an der Seite des Basispapiers 1 weist die Oberfläche eine dünne Lackschicht 4 auf, die das Sicherheitspapier vollflächig bedeckt und schützt.
1.5.1 Da Anspruch 1 gemäß Hauptantrag auf die Herstellung eines Sicherheitselements, das Teil eines Wertdokuments ist und ein Substrat mit mindestens einer Öffnung aufweist, gerichtet ist, ist die Ausführungsform gemäß Figur 3 der D3, die zwei überlappende Öffnungen 5 und 6 aufweist, vom Gegenstand des Anspruchs 1 umfasst. Jedoch beziehen sich die Verfahrensschritte gemäß Anspruch 1 auf eine Öffnung. Im Folgenden wird die Öffnung 6 der Figur 3 als diese "eine Öffnung" im Sinne des beanspruchten Gegenstands bezeichnet.
Die Kammer kann daher der Beschwerdegegnerin nicht zustimmen, dass die Gesamtheit der Öffnungen 5 und 6 als die "eine Öffnung" im Sinne des Anspruchs 1 zu berücksichtigen sei.
1.5.2 Gemäß Figur 3 wird die Öffnung 6 einseitig mit einer auflaminierten Abdecklage 3, die eine zumindest teilweise lichtdurchlässige Folie ist (siehe Anspruch 5 und Seite 10, Zeilen 8 bis 10 des D3), verschlossen. Dies entspricht Schritt b) des vorliegenden Anspruchs 1.
1.5.3 Außerdem weist das Substrat (1 + 2) des Sicherheitselements gemäß Figur 3 im Bereich der zumindest teilweise lichtdurchlässigen Folie (Abdecklage 3) am Rand der Öffnung 6 einen Bereich mit verminderter Dicke 8 auf, die im Wesentlichen der Dicke der zumindest teilweise lichtdurchlässigen Abdeckfolie 3 entspricht, sodass die Oberfläche der zumindest teilweise lichtdurchlässigen Folie bündig mit der Oberfläche des Substrats abschließt (siehe auch Anspruch 3 des D3). Dies entspricht Schritt c) des vorliegenden Anspruchs 1.
1.5.4 Nach dem Verschluss mit der Abdecklage 3 und vor dem Aufbringen der Beschichtung 4, wird die Öffnung 6 der Figur 3 mit einer zumindest teilweise lichtdurchlässigen Füllung versehen, die die Öffnung vollständig auffüllt (siehe Ansprüche 1 und 2 sowie Seite 6, Zeile 1 bis Seite 8, Zeile 5 und Seite 9, Zeile 17 ff. und Seite 26, Zeilen 7 bis 9 des D3). Dies entspricht Schritt e') des vorliegenden Anspruchs 1.
1.5.5 Letztendlich wird auf der Oberseite des Substrats (1 + 2) des Sicherheitselements gemäß Figur 3 eine zumindest teilweise lichtdurchlässige Beschichtung 4 vollflächig aufgebracht. Somit ist auch Schritt d) des vorliegenden Anspruchs 1 teilweise in der Ausführungsform gemäß Figur 3 der D3 offenbart. Es ist daher, entgegen der Meinung der Beschwerdegegnerin, nicht notwendig, das Basispapier 1 wegzulassen, um eine oberste Beschichtung im Sinne des Anspruchs 1 zu erhalten.
1.5.6 Daher unterscheidet sich das Verfahren gemäß Anspruch 1 vom nächstliegenden Stand der Technik nur dadurch, dass
(i) die Öffnung 6 durch Laserschnitt eingebracht wird, (ii) eine zumindest teilweise lichtdurchlässige Beschichtung vollflächig auf der Unterseite des Substrats aufgebracht wird.
1.6 Es war daher zu entscheiden, ob es für den Fachmann, angesichts des Standes der Technik bzw. des allgemeinen Fachwissens naheliegend war, diese zwei Merkmale in das Herstellungsverfahren des nächstliegenden Stands der Technik (D3/Figur 3) zu integrieren, um die obige Aufgabe zu lösen.
1.6.1 Bezüglich Unterscheidungsmerkmal (i) ist zu bemerken, dass D3 bereits offenbart, dass Öffnungen mit glatten Rändern, wie die Öffnung 6 der Figur 3 durch Ausstanzen, wie in der Figur 3, oder durch Schneiden eingebracht werden können (siehe Seite 9, Zeilen 24 bis 27).
Zudem war das Laserschneiden von Öffnungen mit glatten Rändern in einem Wertdokument als Alternative zum Ausstanzen vom Stand der Technik bereits weitgehend bekannt (siehe zum Beispiel Dokument D9 (Seite 6, Zeilen 21-22) oder D17 (Seite 3, Zeilen 10-13 und 21-22). Das wird auch im erteilten Streitpatent anerkannt (Spalte 2, Zeilen 51-54).
Daher wäre es für den Fachmann ohne Erfinderisches zu tun naheliegend gewesen, die Öffnung 6 der Figur 3 durch Laserschnitt statt durch Ausstanzen einzubringen.
Dem stehen die Ausführungen der Beschwerdegegnerin, die sich auf die mit unregelmäßigen Rändern versehene Öffnung 5 in D3/Figur 3 beziehen, nicht entgegen.
1.6.2 Im Bezug auf das Unterscheidungsmerkmal (ii) stimmt die Kammer der angefochtenen Entscheidung (Punkt 7, letzter ganzer Absatz auf Seite 9 und erste zwei ganze Absätze auf Seite 10 der Entscheidung) zu, dass die Aufbringung einer vollflächigen Beschichtung auf beide Seiten des Substrats eines Wertdokuments dem Fachmann wohl bekannt war (siehe z.B. Dokument D19: Seite 8, Zeilen 20 bis 22), um es besser zu schützen, und somit keine erfinderische Tätigkeit begründen kann.
Zudem offenbart bereits Dokument D3 (Seite 26, Zeilen 5-7) in Zusammenhang mit der Figur 3, dass die Beschichtung 4 vollflächig auf die Oberseite des Substrats aufgebracht wird, um es zu schützen und (D3, Seite 23, Zeilen 10-12) dass durch eine Beschichtung eine Abstimmung von Bedruckbarkeit und Schmutz abweisenden Eigenschaften, d.h. einigen der im Streitpatent (Absatz [0023]) in Bezug auf die Beschichtung erwähnten Vorteile, erzielt wird.
Daher wäre es für den Fachmann auch naheliegend gewesen, in der Ausführungsform gemäß Figur 3 eine zusätzliche vollflächige Beschichtung auf der Unterseite des Substrats aufgrund der bekannten Schutzvorteile aufzubringen.
1.7 Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass es für den Fachmann, bei der Bereitstellung eines weiteren Verfahrens zur Herstellung eines Sicherheitselements für ein Wertdokument, naheliegend war, das Verfahren des nächstliegenden Stands der Technik durch die Schritte a) und d) zu verändern und zum Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag zu gelangen.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag beruht daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ). Der Hauptantrag ist daher zurückzuweisen.
2. Hilfsantrag
Da der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag identisch mit dem Anspruch 1 gemäß Hauptantrag ist, ist der Hilfsantrag aus den gleichen Gründen zurückzuweisen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.