T 0842/16 () of 10.12.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T084216.20181210
Datum der Entscheidung: 10 Dezember 2018
Aktenzeichen: T 0842/16
Anmeldenummer: 02804565.6
IPC-Klasse: E04G 13/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: SÄULENSCHALUNG
Name des Anmelders: Max Frank GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
European Patent Convention Art 52(1)
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 84
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention 1973 Art 111(1)
Schlagwörter: Zurückverweisung an die erste Instanz - (nein)
Änderungen der Anmeldung
Änderungen - zulässig (ja)
Patentansprüche - Klarheit
Patentansprüche - Hauptantrag (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die europäische Patentanmeldung Nr. 02 804 565.6 (im Folgenden: Anmeldung) betrifft eine Säulenschalung zur Verwendung im Betonbau.

II. Die Prüfungsabteilung hat die Anmeldung gemäß Artikel 97 (2) EPÜ wegen mangelnder Stützung durch die Beschreibung (Artikel 84 EPÜ 1973) sowie mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Artikel 52 (1) EPÜ in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ 1973) zurückgewiesen. Die Entscheidung erging ohne mündliche Verhandlung nach Aktenlage durch Verweis auf frühere Bescheide vom 14. Oktober 2015 und 11. Mai 2015.

III. Die Anmelderin (im Folgenden: Beschwerdeführerin) hat Beschwerde gegen diese Zurückweisungsentscheidung erhoben.

IV. Die Kammer beraumte mit Mitteilung vom 16. April 2018 Termin zu mündlichen Verhandlung am 10. Januar 2019. In der als Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) teilte die Kammer ihre vorläufige Einschätzung der Beschwerde mit. Insbesondere erhob die Kammer erstmals einen Einwand unter Artikel 123 (2) EPÜ sowie neue Einwände unter Artikel 84 EPÜ 1973.

V. Mit Schriftsatz vom 8. Mai 2018 nahm die Beschwerdeführerin die mit der Beschwerdebegründung gestellten Haupt- und Hilfsanträge I bis III zurück und beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Basis des mit diesem Schriftsatz als Hauptantrag eingereichten Anspruchssatzes, sowie den mit diesem Schriftsatz eingereichten geänderten Beschreibungsseiten zu erteilen.

VI. Anspruchssatz gemäß Hauptantrag

Anspruch 1 lautet folgendermaßen (die Änderung am ursprünglichen Anspruch 1 sind wie folgt kenntlich gemacht: gestrichene Passagen erscheinen im Text als durchgestrichen und neue Passagen erscheinen im Fettdruck; Nummerierung der Merkmale durch die Kammer hinzugefügt):

a) Säulenschalung zur Verwendung im Betonbau

b) bestehend aus einem die Schalung bildenden Flächengebilde (1), wobei das Flächengebilde (1) zu einem Rohrstück biegbar ist, und wenigstens einem Verbindungsprofil,

c) wobei das wenigstens eine Verbindungsprofil zur formschlüssigen Verbindung zweier einander gegenüberliegender Kanten (3, 3') des Flächengebildes (1) nach dem Biegen des Flächengebildes und somit zur Bildung [deleted: eines] des Rohrstücks vorgesehen ist,

[deleted: dadurch gekennzeichnet, dass]

d) wobei das Rohrstück einen Durchmesser von 100 mm bis 2000 mm aufweist,

e) wobei wenigstens die dem Flächengebilde (1) zugewandte Oberfläche (4, 4') des Verbindungsprofils eine im Wesentlichen konstante Krümmung aufweist, [deleted: wobei] und die Krümmung im Wesentlichen der Krümmung des Rohrstücks entspricht,

f) wobei das Flächengebilde (1) aus einem faserverstärkten Kunststoff besteht und

g) das Flächengebilde (1) eine Dicke von 1,4 bis 2,5 mm aufweist.

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 15 betreffen besondere Ausführungsformen der in Anspruch 1 definierten Säulenschalung.

VII. Entgegenhaltungen

Im internationalen Recherchenbericht wurden folgende Entgegenhaltungen genannt:

D1: DE 296 09 259 U1;

D2: US 3,682,434 A;

D3: FR 2 665 721 A1;

D4: DE 94 00 582 U1; und

D5: US 5,255,888 A.

Zusätzlich wurden im Prüfungsverfahren folgende Entgegenhaltungen eingeführt:

D6: DE 295 21 347 U1;

D7: DE 297 01 512 U1;

D8: FR 2 660 351 A1;

D9: US 3,956,437 A; und

D10: DE 31 21 418 A1.

VIII. Das schriftsätzliche Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:

Anspruch 1 basiere auf Anspruch 1 gemäß dem mit der Beschwerdebegründung gestellten Hauptantrag. Das Merkmal "oder aus einem elastischen Carbon-verstärkten Kunststoff" sei aus dem Anspruch 1 gestrichen worden. Die Merkmale, dass "das Flächengebilde zu einem Rohrstück biegbar ist" und "das wenigstens eine Verbindungsprofil zur formschlüssigen Verbindung zweier einander gegenüberliegender Kanten des Flächengebildes nach dem Biegen des Flächengebildes und somit zur Bildung des Rohrstücks vorgesehen ist" seien in den Anspruch 1 aufgenommen worden. Die entsprechende Offenbarung finde sich auf Seite 2, Zeile 35, Seite 3, Zeilen 11 und 12, Seite 3, Zeilen 18 und 19, Seite 3, Zeile 31, Seite 4, Zeilen 13 und 14 der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen.

D1 stelle den nächstliegenden Stand der Technik dar, da es sich um das einzige Dokument handle, aus dem eine aus einem zylinderförmigen Rohrstück gebildete Säulenschalung hervorgehe, welche keine äußeren, über die Zylinderoberfläche hinausragenden Fortsätze aufweise.

Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheide sich von der in D1 offenbarten Säulenschalung, die aus einem formbeständigen Rohrstück und Verbindungsprofilen bestehe, unter anderem durch die Merkmale f) und g). Das Flächengebilde könne im flachen Zustand transportiert und gelagert werden. Mit den Merkmalen f) und g) werde gewährleistet, dass das Flächengebilde ausreichend elastisch sei, um aus seiner flächigen Gestalt zu einem Rohrstück gebogen werden zu können, und außerdem nach dem Einfüllen des Betons ausreichend formstabil bleibe.

Ausgehend von D1 liege die objektiv zu lösende Aufgabe also darin, eine Säulenschalung zu schaffen, die platzsparend transportiert und gelagert werden könne und gleichzeitig genügend Formstabilität besitze, um dem Druck des eingefüllten Betons Stand zu halten.

Weder Dl noch der weitere zitierte Stand der Technik biete einen Hinweis für eine Weiterentwicklung der Lehre von Dl in Richtung auf die beanspruchte Lösung dieser Aufgabe. Die aus dem Stand der Technik bekannten Säulenschalungen mit formstabilen Rohrstücken wiesen den Nachteil eines großen Volumens auf und bereiteten dadurch insbesondere beim Transport Probleme, die sich in hohen Kosten niederschlügen. Der zum Ausfüllen mit Beton vorgesehene Innenraum der Säulenschalung müsse nämlich als Totvolumen mittransportiert werden.

Demnach beruhe der Gegenstand von Anspruch 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit ausgehend von D1.

Sollte der Fachmann dennoch von D8 als nächstliegendem Stand der Technik ausgehen, würde der beanspruchte Gegenstand ebenfalls auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen.

Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheide sich von der in D8 offenbarten Säulenschalung mit einem formbeständigen Rohrstück unter anderem durch die Merkmale c), d) und g).

Ausgehend von D8 lasse sich die objektiv zu lösende Aufgabe somit ebenso formulieren wie ausgehend von D1.

Der entgegengehaltene Stand der Technik biete keine Anregung für die beanspruchte Lösung dieser Aufgabe. Insbesondere helfe das von der Prüfungsabteilung zitierte Dokument D9 dem Fachmann in keiner Weise weiter. In Spalte 5, Zeilen 36 bis 39 von D9 werde gelehrt, dass das dort offenbarte Flächengebilde eine Dicke aufweisen müsse, die eine ausreichende Flexibilität sicherstelle, und dass durch eine Mehrzahl an Wicklungen des Flächengebildes eine genügende Festigkeit bewirkt werde, damit die Schalung dem Betondruck standhalten könne. Gemäß Spalte 2, Zeilen 19 und 28 bestehe eine Schalung gemäß D9 aus mindestens zwei Wicklungen des Flächengebildes. Im dargestellten Ausführungsbeispiel würden drei Wicklungen eingesetzt (Spalte 5, Zeilen 32 und 33). Lege man die von der Prüfungsabteilung zitierte Dicke des Flächengebildes von 0,050 inch zugrunde, so erhalte man für die Schalung gemäß D9 eine Mindestdicke von 0,1 inch, d. h. 2,54 mm, welche außerhalb des im Merkmal g) angegebenen Bereichs für die Dicke des Flächengebildes liege.

Entscheidungsgründe

1. Zulassung des Hauptantrags zum Verfahren

1.1 Nach Artikel 13 (1) VOBK steht es im Ermessen der Kammer, den nach Einreichung der Beschwerdebegründung gestellte Hauptantrag der Beschwerdeführerin zuzulassen und zu berücksichtigen.

1.2 Im vorliegenden Fall ist die Stellung dieses Antrags als sachdienliche Reaktion auf folgende - erstmalig in der Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK erhobenen - Einwände der Kammer anzusehen:

- dass die Änderungen in Anspruch 1 des mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hauptantrags gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstoßen; und

- dass Anspruch 1 die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ 1973 nicht erfüllt, weil er nicht die wesentlichen Merkmale der Erfindung wiedergibt (Artikel 84 Satz 1 EPÜ 1973 in Verbindung mit Regel 43 (1) und (3) EPÜ) und von der Beschreibung unzureichend gestützt ist (Artikel 84 Satz 2 EPÜ 1973).

1.3 Außerdem hat die Kammer bei ihrer Ermessensentscheidung berücksichtigt, dass sich der neue Anspruch 1 von Anspruch 1 des mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hauptantrags lediglich dadurch unterscheidet, dass das Merkmal, wonach das Flächengebilde "aus einem elastischen Carbon-verstärkten Kunststoff" besteht, gestrichen wurde und dass die Beschränkungen aufgenommen wurden, wonach das Flächengebilde "zu einem Rohrstück biegbar ist" und das Verbindungsprofil zur formschlüssigen Verbindung zweier einander gegenüberliegenden Kanten des Flächengebildes "nach dem Biegen des Flächengebildes" und somit zur Bildung "des Rohrstücks" vorgesehen ist. Diese Änderungen führen keinen neuen Streitstoff ein, dessen Behandlung der Kammer nicht zugemutet werden könnte.

1.4 Aus diesem Grund lässt die Kammer den neuen Hauptantrag in das Verfahren zu.

2. Zwar hat die Prüfungsabteilung den neuen Hauptantrag in der angefochtenen Entscheidung nicht behandelt. Die Kammer sieht sich aber dennoch in der Lage, die Gewährbarkeit dieses Antrags, insbesondere die Patentfähigkeit von Anspruch 1 anhand des entgegengehaltenen Stands der Technik abschließend zu beurteilen. Die Kammer hält es mithin für sachdienlich und sinnvoll, insbesondere im Hinblick auf die gebotene Verfahrensökonomie und die bisherige lange Verfahrensdauer, von dem ihr in Artikel 111 (1) EPÜ 1973 eingeräumten Ermessen Gebrauch zu machen und diese Fragen selbst zu prüfen.

3. Artikel 123 (2) EPÜ

3.1 Anspruch 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 in der ursprünglich eingereichten Fassung - abgesehen von Anpassungen der Satzstruktur - darin, dass folgende Beschränkungen aufgenommen worden sind:

1) dass das Flächengebilde "zu einem Rohrstück biegbar

ist" (vgl. Merkmal b)) und das Verbindungsprofil

zur formschlüssigen Verbindung zweier einander

gegenüberliegender Kanten des Flächengebildes "nach

dem Biegen des Flächengebildes" und somit zur

Bildung "des" Rohrstücks vorgesehen ist

(Merkmal c));

2) dass das Rohrstück "einen Durchmesser von 100 mm

bis 2000 mm aufweist" (Merkmal d));

3) dass das Flächengebilde "aus einem faserverstärkten

Kunststoff besteht" (Merkmal f)); und

4) dass das Flächengebilde "eine Dicke von 1,4 bis

2,5 mm aufweist" (Merkmal g)).

3.2 Die Kammer teilt die Meinung der Beschwerdeführerin, dass diese Änderungen sich jeweils aus der technischen Lehre in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen (siehe veröffentlichte Fassung WO 03/050365 A1) direkt und eindeutig ableiten lassen.

3.2.1 Im Hinblick auf die erste Beschränkung geht aus der Beschreibung wie ursprünglich eingereicht klar hervor, dass die hinzugefügten Merkmale zur Erzielung der technischen Wirkung erforderlich sind, mit der die der Anmeldung zugrunde liegende technische Aufgabe gelöst wird (siehe Seite 2, Zeile 35; Seite 3, Zeilen 11 und 12, Zeilen 18 und 19 und Zeile 31; Seite 4, Zeile 13; siehe die Aufgabe auf Seite 2, Absatz 3).

3.2.2 Die zweite Beschränkung basiert auf der Lehre auf Seite 5, Zeile 11 der Beschreibung wie ursprünglich eingereicht.

3.2.3 Die dritte Beschränkung ist durch die Lehre im Anspruch 4 (1. Teilsatz) und auf Seite 4, Zeilen 26 und 27 der Beschreibung wie ursprünglich eingereicht gestützt.

3.2.4 Die vierte Beschränkung ist durch die ursprüngliche Lehre im Anspruch 6 (1. Teilsatz) und auf Seite 4, Zeile 34 der Beschreibung wie ursprünglich eingereicht gestützt.

3.3 Die abhängigen Ansprüche 2 bis 15 basieren auf den Ansprüchen 2, 4 (2. Teilsatz), 6 (2. Teilsatz) und 7 bis 18 wie ursprünglich eingereicht.

3.4 Die in den Ansprüchen vorgenommenen Änderungen erfüllen also die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ.

4. Artikel 84 EPÜ 1973

4.1 Der Gegenstand der geänderten Ansprüche ist klar und deutlich definiert und durch die Beschreibung gestützt. Die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ sind mithin erfüllt.

4.2 Im Bescheid vom 14. Oktober 2015 hat die Prüfungsabteilung ausgeführt, dass die Ausführungsformen der Figuren 1 und 2 nicht von Anspruch 1 abgedeckt seien, weil dort - entgegen Merkmal c) von Anspruch 1 - die Verbindungsprofile, nicht aber die Kanten, formschlüssig miteinander verbunden seien.

4.3 Dieser Einwand überzeugt die Kammer nicht, denn in den Figuren 1 und 2 sind die Kanten 3 und 3' mittelbar über die zwei Verbindungsprofile 2 und 2' formschlüssig miteinander verbunden (siehe Seite 5, Zeilen 7 und 8; siehe auch Seite 4, Absatz 1).

5. Neuheit und erfinderische Tätigkeit

5.1 Der Gegenstand von Anspruch 1 ist neu (Artikel 52 (1) EPÜ in Verbindung mit Artikel 54 (1) und (2) EPÜ 1973), nachdem die Merkmalskombination dieses Anspruchs dem vorliegenden Stand der Technik nicht entnehmbar ist. Im Übrigen ist die Neuheit des beanspruchten Gegenstandes durch die Prüfungsabteilung in der angefochtenen Entscheidung nicht mehr in Frage gestellt worden.

5.2 Die Kammer teilt die Auffassung der Beschwerdeführerin, dass D1 einen geeigneten Ausgangspunkt zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit bildet.

5.3 D1 offenbart eine Säulenschalung zur Verwendung im Betonbau, bestehend aus einem die Schalung bildenden formbeständigen Rohrstück (1), das entlang der Längsachse (L) wenigstens einmal geteilt ist, und lösbaren Verbindungsmitteln (5, 6), um die Schalung im Bereich dieser Trenn- bzw. Teilungslinie zusammenzuhalten. Um eine einfache Entschalung zu gewährleisten, wird vorgeschlagen, die Säulenschalung aus einem Kunststoff zu fertigen, der beim Entfernen der Schalung kurzzeitig aufgebogen werden kann. In Figur 2 der Dl ist ein Verbindungsprofil (6) gezeigt, dessen dem Rohrstück zugewandte Schenkel (7') eine im Wesentlichen konstante Krümmung aufweist, welche im Wesentlichen der Krümmung des Rohrstücks entspricht.

5.4 Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheidet sich von dieser Säulenschalung also dadurch,

b) dass sie aus einem die Schalung bildenden, zu einem Rohrstück biegbaren Flächengebilde und wenigstens einem Verbindungsprofil besteht,

c) das zur formschlüssigen Verbindung zweier einander gegenüberliegender Kanten des Flächengebildes nach dem Biegen des Flächengebildes und somit zur Bildung des Rohrstücks vorgesehen ist,

d) wobei das Rohrstück einen Durchmesser von 100 mm bis 2000 mm aufweist und

f) wobei das Flächengebilde aus einem faserverstärkten Kunststoff besteht und

g) eine Dicke von 1,4 bis 2,5 mm aufweist.

5.5 Dank der Merkmale b) und c) kann das Flächengebilde vor dem Biegen zu einem Rohrstück im flächigen Zustand problemlos in großen Stückzahlen platzsparend transportiert und gelagert werden. Durch die Merkmale f) und g) wird gewährleistet, dass das Flächengebilde ausreichend elastisch ist, um problemlos zu einem Rohrstück gebogen werden zu können, und zudem eine ausreichende Festigkeit aufweist, um dem Druck des eingefüllten Betons Stand zu halten (Seite 2, Absatz 4 bis Seite 3, Absatz 3 der Beschreibung wie ursprünglich eingereicht).

5.6 Ausgehend von D1 kann die objektiv zu lösende Aufgabe mithin darin gesehen werden, die Säulenschalung so weiterzuentwickeln, dass sie platzsparend transportiert und gelagert werden kann und zudem ausreichend formstabil im Hinblick auf ihre spätere Verwendung bleibt (Seite 2, Absatz 3 der Beschreibung wie ursprünglich eingereicht).

5.7 Der mit dieser Aufgabe befasste Fachmann wird unter Berücksichtigung des entgegengehaltenen Stands der Technik und seinen allgemeinen Fachkenntnissen nicht in naheliegender Weise zur beanspruchten Lösung gelangen.

5.8 D9 offenbart zwar ein zu einem Rohrstück biegbares Flächengebilde in Form einer Folie (1) aus biegeelastischem, glasfaserverstärktem Kunststoff zur Bildung einer Säulenschalung, die platzsparend transportiert und gelagert werden kann und zudem ausreichend formstabil ist (Spalte 3, Zeilen 54 bis 58; Spalte 5, Zeilen 42 bis 44). D9 führt jedoch von der beanspruchten Lösung weg, denn es offenbart keine formschlüssige Verbindung gegenüberliegender Kanten der gebogenen Folie mittels Profilen, entgegen Merkmale b) und c). So wird die dort offenbarte Folie mindestens zweimal aufgewickelt, um eine genügende Standfestigkeit und eine ausreichende Formbeständigkeit nach Einfüllen des Betons zu gewährleisten (Spalte 2, Zeilen 19 und 28; Spalte 5, Zeilen 28 bis 44; Anspruch 1), und danach mittels Spannbändern (31; 71) zusammengehalten. Auch führt D9 nicht zu Merkmal g) ("Dicke von 1,4 bis 2,5 mm"). Eine Foliendicke von 0,05 inch ist dort nur für eine Folie aus ABS erwähnt, die nicht glasfaserverstärkt ist (Spalte 4, Zeile 8). Davon abgesehen wird die Folie mindestens zweimal aufgewickelt, und dies ergibt für die Schalung eine Gesamtdicke von mindestens 0,1 inch, die größer als 2,5 mm ist.

5.9 D10 offenbart eine Schalung zum Erstellen von gekrümmten Baukörpern aus Beton, insbesondere Säulen, bestehend aus krümmbaren Schalungselementen (1) aus biegeelastischem Werkstoff und Verbindungsmittel (2) für die mit einsinniger Krümmung zusammengesetzten Schalungselemente. Bevorzugt bestehen die Schalungselemente aus dünnwandigen Kunststoffplatten. In Figur 1 von D10 ist gezeigt, wie ein einziges Schalungselement 1 in eine zylindrische Form mit durch die Abmessungen des zu erstellenden Baukörpers vorgegebenem Durchmesser gewickelt und mittels den gewickelten Schalungszylinder ringartig umgebender Bänder 2 zusammengehalten wird. In Figur 3 von D10 ist eine abgewandelte Ausführungsform gezeigt, bei der das Schalungselement 1 außenseitig befestigte T- bzw. L-förmige Aussteifungsprofile 3 aufweist, in gleichmäßiger Verteilung auf seinen Umfang und im Bereich seiner Ränder, und der gewickelte Schalungszylinder mittels eines C-förmigen Klammerprofils 7 zusammengehalten wird, das die Aussteifungsprofile 3 im Bereich der überlappenden Ränder 6 des Schalungselements übergreift (Figur 5). Damit D10 führt von der beanspruchten Lösung, insbesondere Merkmale c) und e), weg.

5.10 Die Kammer hat sich davon überzeugt, dass auch keine der anderen im Prüfungsverfahren entgegengehaltenen Druckschriften die Bereitstellung einer anspruchsgemäßen Säulenschalung anzuregen vermag.

5.11 In den Bescheiden vom 14. Oktober 2015 und 11. Mai 2015 hat die Prüfungsabteilung ausgeführt, dass der Gegenstand von Anspruch 1 sich von D8 durch die Merkmale d) und g) unterscheide, und dass diese Merkmale jeweils im Hinblick auf das allgemeine Fachwissen naheliegend seien.

5.12 Dieser Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit ausgehend von D8 als nächstliegendem Stand der Technik überzeugt aus folgenden Gründen nicht.

5.12.1 D8 offenbart eine Säulenschalung zur Verwendung im Betonbau, bestehend aus einem Schalungselement (1) in Form eines entlang seiner Längsachse geteilten Rohrstücks sowie einem klammerartigen Schließelement (3, 3', 7), das zwei gegenüberliegenden Lippen (2, 2') des Rohrstücks im Bereich der Trennlinie zusammenhält. Zur Herstellung des Schalungselements wird glasfaserverstärktes Harz auf eine Form (10) aufgetragen, wobei an der Form (10) eine Trennschicht (11) angebracht ist. Das Schließelement wird zu einem Zeitpunkt an dem Schalungselement angebracht, zu dem das Harz noch nicht ausgehärtet ist. Nach dem Aushärten wird das Schließelement entfernt, wodurch die Lippen (2, 2') ausgebildet werden. Bei Verwendung des Schalungselements wird das Schließelement dann passgenau zum Verbinden der Lippen eingesetzt.

5.12.2 Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheidet sich von dieser Säulenschalung nicht nur durch die von der Prüfungsabteilung genannten Merkmale d) und g), sondern auch durch die Merkmale b), c) und e). Das in D8 offenbarte Schalungselement ist nach dem Aushärten des Harzes und dem Entfernen des Schließelements formbeständig und kann kurzzeitig aufgebogen werden, ähnlich wie in D1. Es stellt aber kein Flächengebilde dar, das zu einem Rohrstück biegbar ist (Merkmal b)). In Figur 2 von D8 ist zwar gezeigt, dass die Lippen 2 und 2' des vorgefertigten Schalungselements über Verbindungsprofile 3 und 3' formschlüssig miteinander verbunden sind. Diese Verbindungsprofile sind jedoch nicht dazu vorgesehen, die Kanten eines Flächengebildes nach seinem Biegen zu verbinden und mithin die Bildung des Rohrstücks zu bewirken (Merkmal c)). Die Kammer ist auch nicht davon überzeugt, dass der Schenkel 14 der dargestellten Verbindungsprofile 3 und 3' eine konstante Krümmung aufweist, die der Krümmung des Rohrstücks entspricht (Merkmal e)), wie die Prüfungsabteilung gemeint hat.

5.12.3 Dank der Unterscheidungsmerkmale b), c), d), e) und g) wird eine Säulenschalung erhalten, die platzsparend transportiert und gelagert werden kann und zudem ausreichend formstabil im Hinblick auf ihre spätere Verwendung ist. Die objektiv gegenüber D8 gelöste Aufgabe ist also die gleiche wie die oben gegenüber D1 formulierte (siehe Punkt 5.6).

5.12.4 Aus den oben genannten Gründen folgt, dass ausgehend von D8 die beanspruchte Lösung dem Fachmann durch den entgegengehaltenen Stand der Technik nicht nahegelegt wird.

5.13 Im Bescheid vom 14. Oktober 2015 hat die Prüfungsabteilung desweiteren ausgeführt, dass der Gegenstand von Anspruch 1 sich von D10 durch die Merkmale d), f) und g) unterscheide, und dass diese Merkmale jeweils im Hinblick auf das allgemeine Fachwissen naheliegend seien.

5.14 Auch dieser Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit ausgehend von D10 als nächstliegendem Stand der Technik überzeugt aus folgenden Gründen nicht.

5.14.1 Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheidet sich von der in D10 offenbarten Säulenschalung nicht nur durch die von der Prüfungsabteilung genannten Merkmale d), f) und g), sondern auch durch die Merkmale c) und e), wie bereits vorstehend unter Punkt 5.9 festgestellt.

5.14.2 Dank der Unterscheidungsmerkmale c) und e) wird ermöglicht, dass die zwei einander gegenüberliegenden Kanten des Flächengebildes nach dem Biegen des Flächengebildes formschlüssig verbunden werden und somit das Flächengebilde ohne Aufwickeln eine kreisrunde Gestalt annimmt.

5.14.3 Selbst wenn diese Merkmale zumindest teilweise in D1 offenbart sind, und zwar in Verbindung mit einem formbeständigen Rohrstück, ist es für den Fachmann nicht naheliegend, die Kanten des in Figur 3 von D10 dargestellten gekrümmten Schalungselements auf die in D1 offenbarte Art und Weise zu verriegeln. Insbesondere ist es nicht naheliegend, auf das Aufwickeln des in D10 offenbarten Schalungselements und die Überlappung 6 seiner Ränder zu verzichten, denn das würde heißen, gegen die Lehre von D10 zu handeln. Dort ist nämlich offenbart, dass das Schalungselement zur Anpassung an den Durchmesser des herzustellenden Baukörpers mehr oder weniger gewickelt wird, wobei die über den Umfang des Schalungselements verteilt angeordneten T- bzw. L-förmigen Aussteifungsprofile 3 Arretierungs-möglichkeiten für verschiedene Durchmesser bieten (siehe Seite 6, Absatz 2).

5.15 Der Gegenstand von Anspruch 1 beruht somit auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 52 (1) EPÜ und Artikel 56 EPÜ 1973).

6. Anspruch 1 ist einteilig abgefasst, entgegen Regel 43 (1) a) und b) EPÜ. Dies ist im vorliegenden Fall insofern gerechtfertigt, als von Seiten der Prüfungsabteilung im Laufe des Prüfungsverfahrens vier verschiedene Druckschriften (Dl, D6, D8 und D10) als nächstkommender Stand der Technik bezeichnet wurden (vgl. Punkt VIII oben) und eine Trennung des beanspruchten Gegenstands gegenüber diesen Dokumenten nicht zweckdienlich ist, da sie zu einem schwer nachvollziehbaren Anspruchswortlaut führen würde. Im Übrigen ist der Stand der Technik nach D1 bzw. D6 in der Beschreibung gewürdigt.

7. Die Kammer hat sich vergewissert, dass die Änderungen in der Beschreibung letztere lediglich an die geänderten Ansprüche anpassen.

8. Die Kammer kommt deshalb zu dem Schluss, dass die Unterlagen gemäß Hauptantrag den Erfordernissen des EPÜ genügen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Prüfungsabteilung zurückverwiesen mit der Anordnung, ein Patent mit folgender Fassung zu erteilen:

- Ansprüche 1 bis 15 gemäß Hauptantrag, eingereicht mit Schriftsatz vom 8. Mai 2018;

- Beschreibungsseiten 1 bis 8 gemäß Hauptantrag, eingereicht mit Schriftsatz vom 8. Mai 2018; und

- Figuren 1 und 2, wie ursprünglich eingereicht.

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