T 0805/16 (Gewinnung von Öl aus Pflanzensamen/AB Enzymes GmbH) of 12.3.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T080516.20190312
Datum der Entscheidung: 12 März 2019
Aktenzeichen: T 0805/16
Anmeldenummer: 07856386.3
IPC-Klasse: C11B 1/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VERBESSERTES VERFAHREN ZUR GEWINNUNG VON ÖL AUS PFLANZENSAMEN
Name des Anmelders: AB Enzymes GmbH
Name des Einsprechenden: Novozymes A/S
Kammer: 3.3.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 52(1)
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 83
European Patent Convention Art 84
European Patent Convention Art 123(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(4)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(3)
Schlagwörter: Spät eingereichter neuer Hauptantrag - zulässig (ja) - eingereicht kurz vor der mündlichen Verhandlung aber in Reaktion auf die Mitteilung der Kammer
Änderungen - Erweiterung über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinaus (nein)
Änderungen - Klarheit (ja)
Änderungen - Hauptantrag
Ausreichende Offenbarung - Hauptantrag (ja)
Neuheit - Hauptantrag (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 1481/05
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Einsprechenden (Beschwerdeführerin) richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. 2 118 247 in geändertem Umfang, gemäß dem mit Schreiben vom 26. Oktober 2015 eingereichten Hilfsantrag 1 (Hauptantrag im Beschwerdeverfahren).

II. In ihrer Beschwerdegründung erhob die Beschwerdeführerin folgende Einwände gegen den aufrechterhaltenen Anspruch 1: fehlende Basis in den ursprünglich eingereichten Unterlagen, mangelnde Klarheit und Ausführbarkeit, fehlende Neuheit gegenüber D1 (ES 2 046 135) und mangelnde erfinderische Tätigkeit gegenüber D1 und D5 (Dominguez et al., Food Chemistry, vol. 54, Seiten 223-231 (1995)).

III. Nach Erhalt der vorläufigen Meinung der Kammer reichte die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) mit Schreiben vom 11. Februar 2019 einen Hilfsantrag ein und beantragte, diesen in das Verfahren zuzulassen.

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag hat folgenden Wortlaut (Änderungen gegenüber dem erteilten Anspruch 1, welcher dem ursprünglich eingereichten Anspruch 1 entspricht, von der Kammer kenntlich gemacht):

"1. Verfahren zur Gewinnung von Öl aus Pflanzensamen, dadurch gekennzeichnet, dass man

a) eine wässrige, ein oder mehrere cellulolytische und/oder lipolytische und/oder pektinolytische und/oder proteolytische Enzym(e) und/oder Phytase enthaltende Lösung direkt auf das trockene Saatgut aufsprüht,

b) das so erhaltene Saatgut ohne weitere Inkubationsperiode und ohne weitere Wasserzugabe direkt in an sich bekannter Weise einer ein- oder mehrstufigen Pressung, gegebenenfalls in Kopplung mit einer Extraktion, zuführt, und

c) das Öl in an sich bekannter Weise gewinnt und gegebenenfalls weiterverarbeitet, wobei das durch das Aufsprühen der Enzymlösung aufgebrachte Wasser den natürlichen Wassergehalt der Saaten (4-8% (w/w)) um 0,1 bis 2% (w/w) bezogen auf die Masse des Saatguts erhöht."

IV. Während der mündlichen Verhandlung, die am 12. März 2019 statt fand, nahm die Beschwerdegegnerin den Hauptantrag zurück und ersetzte diesen durch den Hilfsantrag (im Folgenden: "neuer Hauptantrag").

V. Am Ende der mündlichen Verhandlung war die Antragslage wie folgt:

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.

Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Grundlage des neuen Hauptantrags, eingereicht als "Hilfsantrag" mit Schreiben vom 11. Februar 2019.

Entscheidungsgründe

1. Zulassung ins Verfahren des neuen Hauptantrags

1.1 Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, dass die späte Einreichung dieses Antrags ungerechtfertigt sei, weil die (im damaligen Anspruch 1) fehlende quantitative Definition des natürlichen Wassergehaltes immer streitig gewesen sei. Darüber hinaus sei der neue Hauptantrag nicht "prima facie" zulässig, auf Grund der Unklarheit des darin in Klammern definierten Wassergehaltes.

1.2 Die Kammer ist hierzu anderer Meinung. Der neue Hauptantrag wurde zwar erst einen Monat vor der mündlichen Verhandlung eingereicht, jedoch stellt dieser eindeutig eine Reaktion auf den in der Mitteilung der Kammer erhobenen Einwand unter Artikel 123(2) EPÜ dar. Dieser Einwand wurde zwar schon früher von der Einsprechenden erhoben, jedoch gab die Einspruchsabteilung zu erkennen, dass er keinen Erfolg hat. Somit hatte die Patentinhaberin keinen zwingenden Anlass diesen Antrag früher einzureichen. Auf die in der Mitteilung der Kammer erhobenen Bedenken, hat die Beschwerdegegnerin sodann unverzüglich reagiert.

1.3 Im Übrigen war die unterbliebene mengenmäßige Definition des natürlichen Wassergehalts der Saaten immer streitig, weshalb dessen Hinzufügung in den Anspruch 1 weder überraschend ist noch eine Verlegung der Verhandlung notwendig macht.

1.4 Daher entschied die Kammer in Ausübung ihres Ermessens (Artikel 13 (1), (3) VOBK) den neuen Hauptantrag in das Verfahren zuzulassen.

2. Änderungen

2.1 Das Merkmal "wobei das durch das Aufsprühen der Enzymlösung aufgebrachte Wasser den natürlichen Wassergehalt der Saaten (4-8% (w/w)) um 0,1 bis 2%

(w/w) bezogen auf die Masse des Saatguts erhöht" ergibt sich wortwörtlich aus der Passage auf Seite 6, Zeilen 15-18, und zwar im Rahmen eines Verfahrens wie im Anspruch 1 definiert.

2.2 In der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin vorgetragen, dass nicht alle auf Seite 6 der ursprüngliche Beschreibung offenbarten Merkmale, insbesondere die aufzusprühende Menge an Enzymlösung von 1000 ppm, in der jetzt beanspruchten Ausführungsform aufgenommen worden sei, sodass der geltende Anspruch 1 den Erfordernissen des Artikels 123(2) EPÜ nicht entspreche.

2.3 Dem ist nicht zu zustimmen, weil die auf Seite 6 zitierte Passage wie folgt lautet: "Die typische Menge an aufgetragener Enzymlösung liegt in der Größenordnung von 1.000 ppm bezogen auf das Gewicht der Ölsaat.", und somit ist ersichtlich, dass hier eine allgemeine Größenordnung und nicht ein präziser Wert offenbart wird. Außerdem wird die an Enzymen einzusetzende Menge an anderen Stellen der ursprünglich Unterlagen, z.B. auf Seite 8, Zeilen 1-6, wie folgt offenbart: "Bezogen auf die vorliegenden Enzym Produkte betragen die Dosagen in der Regel zwischen 100 und 20.000 ppm (w/w), bevorzugter zwischen 200 und 15.000 ppm (w/w), noch bevorzugter zwischen 500 und 10.000 ppm (w/w)."

Somit muss das auf Seite 6, Zeilen 14-15 ursprünglich offenbarte Merkmal nicht in den Anspruch 1 hinzugefügt werden. Infolgedessen erfüllt der vorliegende Anspruch 1 die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ.

3. Klarheit

3.1 Nach Meinung der Beschwerdeführerin sei der neue Anspruch 1 nicht klar, insbesondere im Hinblick auf das nun in Klammern gesetzte Merkmal "den natürlichen Wassergehalt der Saaten (4-8%(w/w))", weil daraus nicht eindeutig ersichtlich sei, ob der in Klammern gesetzte Wassergehalt ein einschränkendes, oder ein optionales Merkmal darstellt. Hierzu hat sich die Beschwerdeführerin auf die Entscheidung T 1481/05 (Gründe, 3.2 bis 3.5) bezogen, wonach die Verwendung von in Klammern gesetzten Merkmalen zu Mehrdeutigkeit führe und somit unzulässig sei.

3.2 Die Kammer ist bezüglich dieses während der mündlichen Verhandlung erörterten Einwands anderer Ansicht. Die geltend gemachte Entscheidung T 1481/05 betrifft einen Anspruch, der zwei durch in Klammern gesetzte Merkmale "(By pulse milk flow it is meant the milk flow from a teat during a single suction phase of the milking process)" bzw. "(By suction phase it is meant the time during which the teat is exposed to a vacuum during the previously mentioned pulse milk flow)" enthält. Die Klammerzusätze sollen somit die Merkmale "pulse milk flow" bzw. "suction phase" definieren.

3.3 Im vorliegenden Fall wird indes nicht das Merkmal "natürlichen Wassergehalt der Saaten" definiert, sondern der Wassergehalt wird quantifiziert. Somit betrifft die obengenannte Entscheidung einen anderen Sachverhalt und ist daher auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar.

Aus dem zitierten Stand der Technik ist übrigens ersichtlich, dass die Verwendung von in Klammern gesetzten Merkmalen auf dem vorliegenden Gebiet üblich ist, um die vorstehenden Merkmale zu quantifizieren und somit einzuschränken. Dies zeigen zum Beispiel:

- D1 auf Seite 4 : "A solution of Enzymes in distilled water is used, since it is not intended to modify the pH of the system but to work with the natural seed value (6.4-6.6)",

- D2 (Dominguez et al., Food Research International, vol. 28, S. 537-545 (1996) auf Seite 537: "Its application would require additional steps of incubation at intermediate moisture (15-40%) ...", oder

- D5 auf Seite 224: "For this purpose the treatment was carried out either prior to (at 15-20% moisture) or simultaneously with the hexane extraction (under 12% moisture)."

Dementsprechend bedeutet auch im vorliegenden Fall die in Klammern gesetzte Menge (4-8% (w/w)) eine Einschränkung des Anspruchs.

3.4 Bezüglich der weiteren im schriftlichen Verfahren erhobenen Einwände im Hinblick auf Artikel 84 EPÜ sieht die Kammer keinen Grund, von ihrer vorläufigen Meinung abzuweichen, nämlich:

3.4.1 Das Merkmal "trockene Saatgut" stellt für den Fachmann, das ins Verfahren eingesetzte Ausgangsmaterial dar, welches in vorhandener trockener (also ohne Vorbehandlung mit Wasser, in gelagerter) Form eingesetzt wird.

3.4.2 Das Merkmal "ohne weitere Inkubationsperiode und ohne weitere Wasserzugabe" bezieht sich auf die Vorgehensweise in der Stufe der Enzymreaktion und definiert, dass für das beanspruchte Verfahren weder eine weitere Inkubation mit einer Enzymlösung noch zusätzliches Wasser (in Bezug auf das Wasser der verwendeten Enzymlösung) notwendig ist.

3.4.3 Bezüglich der für die Bestimmung des Wassergehaltes fehlenden Meßmethode, hat die Beschwerdeführerin werder bestritten, dass zumindest eine bekannte Methode allgemein verwendbar ist, nämlich die Karl Fisher Methode, die sogar die genaueste Bestimmung des Wassergehaltes ermöglicht, noch dass andere Meßmethoden bekannt sind (z.B. die Ofentrocknung, d.h. Wiegen der Probe vor und nach dem Trocknen im Ofen bei einer bestimmten Temperatur).

Dass die genaue und allgemein verwendbare Karl Fisher Methode zeitaufwendig und nicht kostengünstig ist, spielt jedoch keine Rolle für die Klarheit im Sinne von Artikel 84 EPÜ. Außerdem weiß der Fachmann dass er mit dieser Methode die Richtigkeit der Werte aus anderen Methoden verifizieren kann.

Die geltend gemachte Entgegenhaltung D12 (Tilmann M.A.A. et al, Sci. Agric., Vol. 53 (1996)), beweist zwar dass es bei den Messmethoden unterschiedliche Messergebnisse gibt, jedoch bestätigt D12 auch, dass die Karl Fisher Methode die genauste ist.

3.5 Zusammenfassend kann die Kammer keine Unklarheit bei dem geltenden Anspruch 1 feststellen, somit sind die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ erfüllt.

4. Ausführbarkeit der Erfindung

4.1 Die Beschwerdeführerin hat eingewendet, dass der Fachmann nicht wisse, wie die Erfindung im gesamten Umfang auszuführen ist, und zwar aufgrund des Merkmals "wobei das durch das Aufsprühen der Enzymlösung aufgebrachte Wasser erhöht den natürlichen Wassergehalt der Saaten (4-8% (w/w)) nur um ca. 0,1 bis max.

2% (w/w) bezogen auf die Masse des Saatguts", wofür keine Meßmethode offenbart worden sei. Es existierten zwar verschiedene Meßmethoden, welche aber nicht zu gleichen Ergebnissen führten.

4.2 Wie oben ausgeführt, hat die Beschwerdeführerin nicht bestritten, dass der Fachmann zumindest einen allgemeinen Weg kennt, um den Wassergehalt genau zu bestimmen, nämlich die Karl Fisher Methode. Somit ist die angebliche Unausführbarkeit nicht in plausibler Weise dargelegt worden, und die Kammer sieht daher keinen Grund, insoweit von der angefochtenen Entscheidung abzuweichen.

5. Neuheit

5.1 Der Einwand der fehlenden Neuheit gegenüber D1 stützt sich lediglich auf die Annahme, dass die neu hinzugefügten Merkmale unklar, also nicht zu berücksichtigen seien.

5.2 Diese Annahme teilt die Kammer nicht, nicht nur weil Anspruch 1 klar ist, sondern auch weil aus der Offenbarung von D1 kein Verfahren ersichtlich ist, bei dem vor der Pressung (siehe Beispiel 2, Seite 9, erster Absatz) weder eine Inkubation (in D1 dauert sie von 2.5 bis 7.5 Stunden) noch eine (darauf folgende) Trocknung stattfindet.

Somit wird zumindest das Merkmal b) ("... das so erhaltene Saatgut ohne weitere Inkubationsperiode und ohne weitere Wasserzugabe direkt in ... einer ... Pressung ...") in D1 nicht offenbart.

5.3 Folglich ist das beanspruchte Verfahren gegenüber dem von D1 neu. Die Kammer sieht daher keine Veranlassung, von der angefochtenen Entscheidung bezüglich der Neuheit gegenüber D1 abzuweichen.

6. Erfinderische Tätigkeit

Das Streitpatent (Absatz [0001]) betrifft ein verbessertes Verfahren zur Gewinnung von Öl, bei dem trockene Ölsaaten mit Enzymen aufgesprüht werden, ohne dabei den Feuchtigkeitsgehalt der Ölsaaten signifikant zu erhöhen und wonach die Ölsaaten anschließend sofort gepresst werden.

Gemäß den Absätzen [0012] und [0013] seien die bekannten Verfahren sehr zeitaufwendig und energieintensiv, insbesondere um den für die Enzymreaktion erforderlichen hohen Wassergehalt vor den Press- oder Extraktionsschritten zu verringern. Auch der für die Inkubation zur Verfügung zu stellende Platz sei sehr groß, wenn man den hohen durchschnittlichen Tagesdurchsatz einer Ölmühle zu Grunde lege.

6.1 Der nächstliegende Stand der Technik

Während im schriftlichen Verfahren D1 als nächstliegender Stand der Technik angeführt wurde, hat sich die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer auf eine der Ausführungsformen von D5 bezogen. Es stellt sich somit die Frage, welche dieser Entgegenhaltungen den nächstliegenden Stand der Technik darstellt.

6.1.1 D5 betrifft die Extraktion von Öl aus Sojabohnen mit organischem Lösungsmittel (Hexan) und Enzymen, wobei das Saatgut zunächst zerkleinert wird. Gemäß D5 (Seite 224, "Enzymatic treatment"), kann die enzymatische Behandlung gleichzeitig oder vor der Extraktion mit dem Lösungsmittel erfolgen, wobei die vorzeitige Behandlung zur einer größeren Menge an Öl führt (siehe Abstrakt).

Gemäß D5 kann die gleichzeitige Behandlung nur unter dem für die Extraktion notwendigen Wassergehalt von weniger als 11,5% erfolgen (siehe Seite 224, Rechte Spalte, erster vollständiger Absatz, erster Satz), wobei die gleichzeitige enzymatische Behandlung die Verlangsamung der Extraktion erfordert, und zwar für die Länge der für die enzymatische Aktion notwendigen Verweilzeit, die in D5 mit mindestens 2 Stunden angegeben wird (Seite 224, zweiter Spalte, dritte Zeile; Seite 227, rechte Spalte, erster Absatz, erster Satz).

Die nach D5 weitere Variante der vorzeitigen Behandlung mit Enzymen umfasst das Aufsprühen der Enzymlösung auf die Saaten, wobei der Wassergehalt der Saaten auf 15-20% erhöht wird. Die danach folgende enzymatische Behandlung (Inkubation) wird auf 50°C für 3 Stunden ausgeführt.

D5 offenbart jedoch in keiner der zwei Varianten ein Pressen der Saaten.

6.1.2 D1' (Englische Übersetzung von D1) beschreibt ein Verfahren zur Extraktion von Öl aus Saaten mit reduzierter Presszeit und erhöhtem Durchsatz (siehe Seite 3, vorletzter Absatz), wobei die Enzymlösung auf die Saaten aufgetragen wird, bis zu einem Wassergehalt von 20 bis 40%, die so behandelten Saaten für 2,5 bis 7,5 Stunden auf 45-55°C einer Inkubation unterzogen und dann getrocknet und gepresst werden (D1', Seite 5, erster Absatz). Eine Extraktion des im Presskuchen vorhandenen Restöls wird erst danach mit Lösungsmittel ausgeführt.

6.1.3 Da für das Verfahren nach dem vorliegenden Anspruch 1 die Pressung ein notwendiger Schritt ist, und da D1 dem gleichen technischen Gebiet gehört sowie ähnliche Ziele verfolgt (D1': Seite 3 der Übersetzung, vierter, fünfter und siebter Absätze) und dessen Verfahren eine große Anzahl an gemeinsamen Merkmalen aufweist (siehe unten), sieht die Kammer keine Veranlassung von der Wahl des Dokuments D1 als nächstliegendem Stand zu nehmen, abzuweichen.

Die Kammer erachtet insbesondere die Ausführungsform gemäß Beispiel 2 aus D1 (siehe insbesondere den ersten Absatz der Seite 9 der D1'), als geeigneten Ausgangspunkt für die Prüfung des Naheliegens der Lösung nach Artikel 56 EPÜ.

6.2 Die technische Aufgabe

In ihrer Erwiderung hat die Beschwerdegegnerin vorgetragen, dass die gegenüber D1 zu lösende Aufgabe darin bestehe, ein Verfahren für die Gewinnung von Öl aus Saaten bereitzustellen, welches nicht nur weniger zeit- und energieaufwendig ist, sondern auch zu Ölen führe, welche einen kleineren Phosphatidgehalt aufweisen.

6.3 Die Lösung

Gemäß geltendem Anspruch 1 wird die dargelegte Aufgabe dadurch gelöst, dass das erhaltene Saatgut ohne weitere Inkubationsperiode und ohne weitere Wasserzugabe direkt in an sich bekannter Weise einer ein- oder mehrstufigen Pressung zugeführt und durch Aufsprühen der Enzymlösung den natürlichen Wassergehalt der Saaten (4-8%(w/w)) um 0,1 bis 2% (w/w) bezogen auf die Masse des Saatguts erhöht wird.

6.4 Erfolg der Lösung gegenüber D1

6.4.1 In den Beispielen 1 und 2 des Streitpatents wird gezeigt, dass die mit der Enzymlösung aufgesprühten Saaten direkt der Pressung unterzogen werden, womit auch die Presszeit reduziert wird. Obwohl die Beispiele keinen Vergleich mit dem Verfahren nach D1 betreffen, ergibt sich daraus, dass das beanspruchte Verfahren gegenüber dem von D1 (Beispiel 2), vor der Pressung, weder eine Inkubation (in D1 dauert sie 2,5 bis 7,5 Stunden) noch eine Trocknung (in D1 muss getrocknet werden, damit die Saaten einen Wassergehalt von 4-6% erreichen) aufweist. Daraus kann geschlossen werden, dass das beanspruchte Verfahren weniger Zeit- und Energieaufwand erfordert, also insoweit günstiger als das Verfahren von D1 ist.

6.4.2 Die von der Beschwerdegegnerin geltend gemachte weitere Wirkung auf den Phosphatidgehalt kann hingegen nicht anerkannt werden, weil Beispiel 2 des Streitpatents mit Verfahren verglichen wird, die entweder keine Enzyme oder nur Wasser (siehe Tabelle 1) verwenden, also nicht ein Verfahren gemäß D1. Außerdem ist aus Beispiel 2 ersichtlich, dass die Reduzierung des Phosphatidgehaltes auch von anderen Verfahrensmaßnahmen abhängt (wie z.B. die Düsenöffnung), welche im Anspruch 1 nicht definiert werden.

6.5 Tatsächlich gelöste Aufgabe gegenüber D1

Nach Ansicht der Kammer besteht die tatsächlich gelöste technische Aufgabe ausgehend aus D1 somit in der Bereitstellung eines weniger zeit- und energieaufwendigen Verfahrens zur enzymatischen Gewinnung von Öl aus Pflanzensaaten.

6.6 Naheliegen der Lösung

6.6.1 Es bleibt zu untersuchen ob, ausgehend von D1, Beispiel 2, es für den mit der technischen Aufgabe befassten Fachmann naheliegend war, den in D1 veranschaulichten Wassergehalt von 25-35% zu reduzieren, sowie auf die in D1 notwendige Trocknung zu verzichten, also das darin veranschaulichte Verfahren derart abzuwandeln, dass sich dabei das im erteilten Anspruch 1 definierte Verfahren in naheliegender Weise ergibt.

6.6.2 Die Beschwerdeführerin bezieht sich hierzu auf die Offenbarung von D2 (Seite 544, letzter Absatz) bzw. D5 (Spalte 2 auf Seite 224).

6.6.3 Diese Fundstelle in D2 offenbart jedoch, dass die besten Ergebnisse der enzymatischen Behandlung von Saaten mit einem Wassergehalt von 20% erhalten werden, also fast das Doppelte, verglichen mit dem Ziel des Streitpatents von höchstens 10%.

6.6.4 In D5 betrifft die geltend gemachte rechte/zweite Spalte der Seite 224 entweder

- eine gleichzeitige enzymatische Behandlung und Extraktion mit Lösungsmitteln (darin wird unter anderem offenbart, dass der Wassergehalt vor der Extraktion weniger als 11,5% sein soll - erster vollständiger Absatz, erster Satz), oder

- eine vorzeitige enzymatische Behandlung, wobei ein Wassergehalt von 10% durch Trocknung nach einer Inkubation von 3 Stunden auf 50°C vor der Extraktion erreicht wird (Spalte 2, letzter Absatz, erste zwei Sätze), wobei

keine dieser Ausführungsformen eine Pressung aufweist.

6.6.5 Für die Kammer ist daher schon nicht ersichtlich, dass der Fachmann ausgehend aus Beispiel 2 von D1 in den zitierten Stellen von D2 oder D5, ohne rückschauende Betrachtung, irgendeine Veranlassung findet, das bekannte Verfahren von D1 in Richtung des beanspruchten Verfahrens umzuwandeln.

Daher hat das beanspruchte Verfahren des vorliegenden Anspruchs 1 (und daher auch das gemäß der abhängigen Ansprüche 2 bis 10) nicht nahegelegen. Somit entspricht der Gegenstand des neuen Hauptantrags auch den Erfordernissen des Artikels 56 EPÜ.

7. Die Einwände der Beschwerdeführerin stehen somit der Aufrechterhaltung des Streitpatents in geänderter Fassung nach dem neuen Hauptantrag nicht entgegen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent in geändertem Umfang auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 10 des neuen Hauptantrags, eingereicht als "Hilfsantrag" mit Schreiben vom 11. Februar 2019,

und einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.

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