T 0785/16 () of 23.4.2021

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2021:T078516.20210423
Datum der Entscheidung: 23 April 2021
Aktenzeichen: T 0785/16
Anmeldenummer: 09757301.8
IPC-Klasse: A61M 1/36
A61B 5/029
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VORRICHTUNG ZUR BESTIMMUNG DES BLUTVOLUMENS UND/ODER BLUTVOLUMENSTROMS UND VERFAHREN ZUM BETREIBEN DERSELBEN
Name des Anmelders: Edwards Lifesciences IPRM AG
Name des Einsprechenden: Pulsion Medical Systems SE
Kammer: 3.2.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 111(1)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(4)
Schlagwörter: Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Spät eingereichte Beweismittel - zugelassen (ja)
Beschwerdeentscheidung - Zurückverweisung an die erste Instanz (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 1177/04
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Einsprechende legte Beschwerde gegen die Zwischen-entscheidung der Einspruchsabteilung ein, wonach das Streitpatent EP 2 323 547 in der Fassung des ersten Hilfsantrags die Erfordernisse des EPÜ erfüllt.

II. Die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer fand am 23. April 2021 statt.

III. Die endgültigen Anträge der Parteien lauten wie folgt:

Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragt, die Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen, oder hilfsweise das Patent in geänderter Fassung auf der Grundlage eines der mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten Hilfsanträge 1 und 2 aufrechtzuerhalten.

IV. Die folgenden Dokumente sind für die vorliegende Entscheidung von Bedeutung:

D1: DE-A-4214068

D3: WO-A-02/053212

D4: US-A-2007/0175828

D6: US-A-2006/0211947

D7: US-A-3,888,239

D8: Obermayer A., "Physikalisch-technische Grundlagen

der Infusionstechnik - Teil 2", Medizintechnik

114(5), S. 185-190, 1994

D9: Wilson and Halsley, "An improved Thermal Dilution

Method for Measuring Jugular Venous Flow", Stroke,

Vol. 2, p. 128-138, March-April 1971

V. Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt:

"Vorrichtung (1) zur Bestimmung des Blutvolumens und/oder Blutvolumenstroms eines Kreislaufabschnitts, mit

- einem Flüssigkeitsspeicher (2) zur Bevorratung einer Messflüssigkeit (3),

- einem Injektionsmittel, insbesondere einem Katheter (11) oder einer Kanüle, zur Injektion der Messflüssigkeit (3) in den Blutkreislauf,

- mindestens einer zwischen dem Flüssigkeitsspeicher (2) und dem Injektionsmittel angeordneten ersten Pumpeinrichtung (5),

- Mitteln zur Bestimmung mindestens einer Eigenschaft der Messflüssigkeit (3) vor der Injektion in den Blutkreislauf,

- Mitteln zur Bestimmung der betreffenden Eigenschaft im Blutkreislauf stromab der Injektionsstelle und einer Auswerteeinrichtung zur Berechnung von Blutvolumen und/oder -volumenstrom in Abhängigkeit von den bestimmten Eigenschaften,

dadurch gekennzeichnet, dass die Messflüssigkeit (3) aus dem Flüssigkeitsspeicher (2) mittels der ersten Pumpeinrichtung (5) einer zweiten Pumpeinrichtung (9) und aus der zweiten Pumpeinrichtung (9) dem Blutkreislauf zuführbar ist."

VI. Anspruch 15 des Hauptantrags lautet wie folgt:

"Verfahren zum Betreiben der Vorrichtung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass

- der Volumenstrom (V1) der ersten Pumpeinrichtung (5) bestimmt und das Füllvolumen der zweiten Pumpeinrich-tung (9) festgelegt werden

- nachfolgend der Zeitpunkt berechnet wird, zu welchem die zweite Pumpeinrichtung (9) befüllt ist und

- in zeitlichem Abstand vor der Aktivierung der zweiten Pumpeinrichtung (9) ein Signal ausgegeben wird."

VII. Die Argumente der Beschwerdeführerin zu den für die Entscheidung relevanten Punkten lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Hauptantrag - Neuheit gegenüber D4

D4 offenbare eine Vorrichtung zur Bestimmung des Blut-volumens und/oder Blutvolumenstroms eines Kreislaufab-schnitts. Ein Flüssigkeitsspeicher zur Bevorratung einer Messflüssigkeit sei implizit offenbart. Aus diesem Flüssigkeitsspeicher könne Flüssigkeit mittels einer ersten Pumpe bewegt werden (Absatz [0033], Figuren 1 und 3).

Da die Systemgrenze der zweiten Pumpeinrichtung gemäß Anspruch 1 nicht näher abgegrenzt sei, könne das System der D4 zwischen arterieller Fistelnadel 3 und venöser Fistelnadel 4 einschließlich Hämodialysator 14 und dessen Pumpe als zweite Pumpeinrichtung im Sinne des Anspruchs angesehen werden. Die Injektionspumpe fördere die Messflüssigkeit in den von der Pumpe des Hämodialy-sators generierten Volumenstrom. Der Dialysator mit seinen Anschlussleitungen sei daher als Pumpeinrichtung zu betrachten, da die Messflüssigkeit nur durch die Pumpwirkung des extrakorporalen Kreislaufs durch das venöse Anschlussstück in den intrakorporalen Blutkreis-lauf gelange, dessen Blutvolumen und Blutvolumenstrom bestimmt werden solle.

Der Begriff "zweite Pumpeinrichtung" dürfe nicht enger ausgelegt werden, als es seiner allgemeinen Bedeutung entspreche und es aus dem Anspruchswortlaut hervorgehe. Es sei klar, dass die Messflüssigkeit in der D4 nur durch die Pumpwirkung der extrakorporalen Geräteanord-nung in den Kreislauf des Patienten gelange. Etwaige Einschränkungen bezüglich der Systemgrenzen der zweiten Pumpanordnung seien dem Anspruchswortlaut nicht zu entnehmen.

In der Figur 8 des Streitpatents sei trotz der Streichung des Worts "erfindungsgemäße" in Absatz [0060] eine Vorrichtung gemäß Anspruch 1 dargestellt. Analog zur D4 sei bei dieser Ausführung ebenfalls die Dialysemaschine 37 mit dem Schlauchabschnitt bis zur Kanüle 40 als zweite Pumpeinrichtung anzusehen, der abgezweigtes und gekühltes Patientenblut als Mess-flüssigkeit mittels der ersten Pumpeinrichtung 9 zugeführt werde. Daher sei die Sichtweise, den extra-korporalen Kreislauf als Pumpeinrichtung zu betrachten, auch vom Streitpatent gestützt.

Aus diesen Gründen sei der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht neu gegenüber der Druckschrift D4.

Hauptantrag - Neuheit gegenüber D3

Die Druckschrift D3 beschreibe ein Indikator-Ver-dünnungs-Verfahren, um den Blutfluss in einem trans-kutanen Gefäßzugang zu messen, wobei dem Blutkreislauf ein Volumen eines Indikators zugeführt werde (Seite 4, Zeilen 17 bis 19, Seite 5, Zeilen 3 bis 4, Beispiel 4).

Mit der auf Seite 28 beschriebenen und in Figur 4 gezeigten Versuchsanordnung könne der Bolus aus dem Tropfbeutel 30c über die Injektionspumpe 30d (die in Zeile 15 wohl versehentlich mit 30c bezeichnet sei) der zweiten Pumpeinrichtung 30b zugeführt werden (Schritt 7), und von dieser in den Blutkreislauf des Patienten gefördert werden.

Selbst wenn die Dialysatorpumpe 30b, wie im Schritt 4 beschrieben, abgeschaltet werde, könne der Bolus aus dem Tropfbeutel 30c von der ersten Pumpeinrichtung 30c zur Injektionspumpe 30f als zweiter Pumpeinrichtung und danach zum Blutkreislauf 20' des Patienten gefördert werden. Alternativ könne die Pumpeinrichtung 20f' als erste Pumpeinrichtung angesehen werden.

Mittel zum Bestimmen einer Eigenschaft der Messflüssig-keit vor der Injektion in den Blutkreislauf seien im-plizit offenbart.

Daher sei der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht neu gegenüber der Druckschrift D3.

Hauptantrag - Neuheit gegenüber D6

Analog zu D4 stelle das Leitungssystem von der arteriellen Kanüle 45 zur venösen Kanüle 43 mit der Pumpe 53 eine zweite Pumpeinrichtung dar, der aus der ersten Pumpeinrichtung, der Kolbenspritze 55, Mess-flüssigkeit zugeführt werde.

Die in Figur 4 dargestellte Kolbenspritze 55 könne bei der in Absatz [0043] erwähnten Alternative einer "steady state indicator dilution technique" als kon-tinuierlich arbeitende Pumpe ausgestaltet sein. Ein Flüssigkeitsspeicher müsse dann implizit vorhanden sein.

Daher sei der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht neu gegenüber der Druckschrift D6.

Zulassung der Druckschriften D7 und D8

Die Druckschrift D7 sei eingereicht worden als Reaktion auf die Feststellung der Einspruchsabteilung (Punkt 5.2 der Entscheidungsgründe), D1 alleine lege die Verwen-dung einer zweiten Pumpeinrichtung nicht nahe.

Der 1. Hilfsantrag, auf den sich der Einwand richte, sei erst kurz vor der mündlichen Verhandlung im Ein-spruchsverfahren eingereicht worden. Die Änderungen im Anspruch 1 dieses Antrags basierten nicht auf der Aufnahme der Merkmale eines Unteranspruchs sondern aus der Beschreibung und seien somit nicht bereits zu Beginn des Einspruchsverfahrens zu erwarten gewesen. Daher habe die D7 nicht schon damals eingereicht werden können.

Die D7 betreffe das gleiche Gebiet wie das Streitpatent und die D1, nämlich das wiederholte Injizieren kleiner Mengen einer Flüssigkeit, wobei das Auftreten von Luft-einschlüssen vermieden werden solle. Daher sei die D7 prima facie relevant.

Die Druckschrift D8 diene lediglich als Beweis des all-gemeinen Fachwissens. Sie sei eingereicht worden, weil in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsab-teilung über die Möglichkeit des Lufteinschlusses bei Infusionssystemen mit Tropfkammern diskutiert worden sei.

Somit seien beide Druckschriften ins Beschwerdeverfah-ren zuzulassen.

Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung

Eine Zurückverweisung an die erste Instanz liege im Er-messen der Kammer. Diese sei nicht verpflichtet, den Fall stets zurückzuverweisen, wenn im Beschwerdeverfah-ren neue Druckschriften zugelassen werden.

Das Beschwerdeverfahren würde sich auf eine reine Wie-derholung des erstinstanzlichen Verfahrens reduzieren, wenn bei jeder Einreichung eines neuen Dokuments eine Zurückverweisung drohen würde.

Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit ausgehend von D1

Die als Plattenkompressionseinrichtung ausgebildete erste Pumpeinrichtung mit nachfolgender Tropfkammer der D1 löse das Problem eventueller Lufteinschlüsse nicht zufriedenstellend. Dem Fachmann sei bekannt, dass das Leerlaufen einer Tropfkammer zu einer versehentlichen Luftinfusion führen kann (D8, Seite 186, Beispiel 3). Auch im Falle der Entleerung des Flüssigkeitsspeichers sei das Risiko einer Luftembolie erhöht, da über die Plattenkompressionseinrichtung Luft in das System gepumpt werde. Der Fachmann erkenne diese Nachteile der Vorrichtung der D1.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheide sich von der in der D1 offenbarten Vorrichtung darin, dass eine dem Flüssigkeitsspeicher nachgeordnete erste Pumpein-richtung vorhanden sei.

Die zu lösende Aufgabe bestehe darin, die Einleitung von Luft in das Gefäßsystem des Patienten weitgehend vollständig zu verhindern.

Es liege im Rahmen des Fachwissens des Fachmanns, die zweite Ausführungsform der D1 (Figur 4) so weiterzu-bilden, dass eine weitere Pumpeinrichtung zwischen dem Beutel und der Kolbenpumpe 31, 32 angeordnet werde, z.B. indem die Pumpeinrichtung 3 der ersten Ausfüh-rungsform (Figur 1) mit der Pumpeinrichtung der zweiten Ausführungsform kombiniert werde.

Daher liege dem Gegenstand des Anspruchs 1 keine erfinderische Tätigkeit zugrunde.

Auch in Zusammenschau mit der D7 sei der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht erfinderisch.

Die D7 offenbare ein Injektionssystem für ein Angio-graphieverfahren, bei dem einer zweiten Pumpeinrich-tung, nämlich der aus Zylinder 28, 30, 40, Federanord-nung 36, 38 und Kolben 44 bestehenden Kolbenpumpe, Messflüssigkeit aus einem Flüssigkeitsspeicher 4, 8 mittels einer ersten Pumpeinrichtung, der peristal-tischen Pumpe 32, 34 zugeführt werde (Figuren 1 und 2).

Aus der D7 lerne der Fachmann also, dass die Kolben-pumpe der D1 mittels einer peristaltischen Pumpe befüllt werden könne. Es liege dabei im Rahmen seines technischen Könnens, die beiden Pumpeinrichtungen auf-einander abzustimmen.

Ziel des in D7 offenbarten Systems sei es, die Ex-position an die Umgebungsluft (durch häufigen Spritzenwechsel bedingt) und damit die Injektion von Luft zu vermeiden (Spalte 2, Zeilen 44 bis 47 und Spalte 6, Zeilen 22 bis 24). Dies werde durch die Anordnung einer zweiten Pumpe, der peristaltischen Pumpe, in einem geschlossenen System erreicht.

Auch in der in D1 gezeigten Vorrichtung könne es beim gelegentlichen Austausch des Flüssigkeitsbeutels zum Eindringen von Luft in das System kommen. Außerdem werde in der D1 die Luftinjektion bereits als problema-tisch erkannt, durch die Anordnung der Plattenkom-pressionsanordnung aber noch nicht zufriedenstellend verhindert. Der Fachmann würde also die D7 heranziehen, um die Aufgabe zu lösen, das Eindringen von Luft noch zuverlässiger zu vermeiden.

Der Fachmann würde ohne erfinderisches Zutun die in D1 vorgesehene Kolbenpumpe durch eine vorgeschaltete Schlauchpumpe wie in der D7 ergänzen, um die genannte Aufgabe zu lösen.

Auch der Gegenstand des Anspruchs 15 sei nicht erfin-derisch gegenüber der D1 in Zusammenschau mit der D7. Bei der aus D7 bekannten Vorrichtung könne der Füll-zustand des Zylinders 40 visuell verfolgt werden. Es liege nahe, die bevorstehende Injektion nach der voll-ständigen Füllung des Pumpenzylinders zu signalisieren.

Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit ausgehend von D6

Zur Durchführung einer "steady state indicator dilution technique", wie in Absatz [0043] der D6 erwähnt, sei ein Flüssigkeitsspeicher unerlässlich. Aus der D9 gehe hervor, dass eine solche kontinuierliche Indikator-infusion zur Bestimmung von Herz-Kreislauf-Parametern bis ca. 1970 praktiziert wurde (Seite 136, Zeilen 11 bis 18). Es liege im Bereich des Fachwissens des Fachmanns, zur definierten Indikatorinfusion zwischen dem Flüssigkeitsspeicher (dem Spritzenkörper der D6) und dem Injektionsmittel eine erste Pumpeinrichtung anzuordnen, die die Messflüssigkeit der zweiten Pump-einrichtung 53 zur Weiterleitung in den Blutkreislauf zuführe.

Daher sei der Gegenstand des Anspruchs 1 auch gegenüber der D6 nicht erfinderisch.

VIII. Die Argumente der Beschwerdegegnerin zu den für die Entscheidung relevanten Punkten lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Hauptantrag - Neuheit gegenüber D4

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei neu gegenüber D4, da die Druckschrift D4 nicht das Merkmal des kennzeich-nenden Teils unmittelbar und eindeutig offenbare.

Der Kanal des venösen Anschlusses 2 könne nicht als Teil einer Pumpeinrichtung betrachtet werden. Aus dem Anspruchswortlaut sei klar, dass die Messflüssigkeit durch einen wesentlichen Teil der zweiten Pumpeinrich-tung hindurchfließen müsse. Dies sei in D4 nicht der Fall. Es sei nicht zulässig, die Systemgrenzen einer Pumpeinrichtung willkürlich auszudehnen, so dass das Anschlussstück 33 in D4 umfasst sei. Das Anschlussstück 33, in das die Messflüssigkeit injiziert werde (Absatz [0045]), sei nicht einmal Teil des Hämodialysators, sondern vielmehr eine eigene Einheit, die mit dem Hämo-dialysator verbunden sei (Absätze [0040] und [0041]).

Dass das Anschlussstück 33 eine separate Einheit sei und kein Teil einer Pumpeinrichtung, werde auch dadurch deutlich, dass im Falle der Abschaltung des Dialysators immer noch Messflüssigkeit in den Blutkreislauf des Patienten injiziert werden könne (Absatz [0032]).

Überdies gebe auch das Streitpatent keinen Hinweis darauf, dem Ausdruck Pumpeinrichtung eine von dem allgemeinen Verständnis abweichende Bedeutung zu geben. Insbesondere könne der in der Figur 8 gezeigte extrakorporale Kreislauf nicht als Pumpeinrichtung betrachtet werden. Die Ausführung der Figur 8 falle nicht unter den Anspruchswortlaut, wie auch aus der Änderung des Absatz [0060] der Beschreibung während des Einspruchsverfahrens zu entnehmen sei.

Hauptantrag - Neuheit gegenüber D3

Die Druckschrift D3 offenbare weder explizit noch implizit das Merkmal "Mittel zur Bestimmung mindestens einer Eigenschaft der Messflüssigkeit vor der Injektion in den Blutkreislauf".

Des weiteren offenbare die D3 nicht, dass Messflüssig-keit mittels der ersten Pumpeinrichtung einer zweiten Pumpeinrichtung und aus dieser dem Blutkreislauf zu-führbar sei. Bei dem auf Seite 28 beschriebenen Ablauf sei während der Injektion von Salzlösung aus dem Behäl-ter 30c in den Gefäßanschluss 12 (Schritt 7) die angeb-lich als zweite Pumpeinrichtung in Frage kommende Dialysatorpumpe 30b abgeschaltet und mitsamt dem Dialysator abgeklemmt (Schritt 4). Die Salzlösung könne also der Pumpe 30b nicht zugeführt werden.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei daher neu gegenüber der Druckschrift D3.

Hauptantrag - Neuheit gegenüber D6

Die in der Druckschrift D6 beschriebene Vorrichtung enthalte keinen Flüssigkeitsspeicher zur Bevorratung einer Messflüssigkeit. Daher könne die Kolbenspritze 55 auch nicht als erste Pumpeinrichtung angesehen werden.

Auch bei der in Absatz [0043] erwähnten "steady state indicator dilution technique" sei ein Flüssigkeits-speicher, aus dem Messflüssigkeit mittels einer strom-abwärts angeordneten Pumpe gefördert werde, nicht ein-deutig zu entnehmen.

Zudem offenbare die D6 nicht, dass die Messflüssigkeit mittels der ersten Pumpeinrichtung einer zweiten Pump-einrichtung und aus dieser dem Blutkreislauf zuführbar sei.

Daher sei der Gegenstand des Anspruchs 1 neu gegenüber der D6.

Zulassung der Druckschriften D7 und D8

Die Druckschriften D7 und D8 untermauerten nicht die bereits im Einspruchsverfahren vorgebrachten Argumente. Sie seien vielmehr benutzt worden, um einen neuen Ein-wand zur erfinderischen Tätigkeit zu erheben, der nicht als Reaktion auf einen Aspekt der Entscheidung der Ein-spruchsabteilung angesehen werden könne.

Die Druckschriften D7 und D8 sollten nicht ins Ver-fahren zugelassen werden. Sie hätten bereits im Ein-spruchsverfahren vorgelegt werden können. Daher habe die Kammer gemäß Artikel 12(4) VOBK 2007 ein Ermessen, sie nicht zuzulassen.

Die D7 betreffe das technische Gebiet der Angiographie, und damit ein Diagnoseverfahren, während es im Streit-patent um Thermodilution, also ein Überwachungsverfah-ren und damit ein anderes technisches Gebiet, gehe. Überdies löse die D7 ein technisches Problem, das in der D1 nicht existiere, nämlich die Vermeidung häufiger Spritzenwechsel. Sie schlage dazu ein geschlossenes System vor, das aber in der D1 bereits vorliege. Die D7 sei daher nicht prima facie relevant für die Frage der erfinderischen Tätigkeit.

Die D8 beziehe sich auf versehentliche Luftinfusion bei der Schwerkraftinfusion, bei der keine Pumpen zum Ein-satz kämen. Daher sei D8 auch nicht prima facie rele-vant für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit.

Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung

Die erfinderische Tätigkeit unter Berücksichtigung der Druckschriften D7 und D8 sei von der ersten Instanz nicht geprüft worden. Um dem Patentinhaber keine Rechtsinstanz vorzuenthalten, müsse der Fall an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen werden. Dies sei schon aus Fairnessgründen geboten, da es für die Ein-sprechende im Falle ihres Unterliegens noch die Mög-lichkeit des Nichtigkeitsverfahrens vor nationalen Gerichten gebe. Für die Patentinhaberin sei es dagegen nicht möglich, gegen einen Widerruf des Patents vorzu-gehen.

Hauptantrag - erfinderische Tätigkeit ausgehend von D1

Die Aufgabe, Luftblasen im Injektionssystem zu vermei-den, sei in D1 bereits zufriedenstellend gelöst, indem der Infusionsbeutel durch eine Kompressionseinrichtung zusammengedrückt werde (Spalte 4, Zeilen 3 bis 6). Die Annahme, dadurch könne nicht mit Sicherheit ausge-schlossen werden, dass sich im Injektat Luftblasen bilden, sei dem Streitpatent entnommen und basiere daher auf rückschauender Betrachtung.

Eine weitere Pumpe sei ein zusätzlicher Kostenfaktor und mache das System komplexer. Die D1 alleine könne dem Fachmann also keinen Hinweis darauf geben, die Kompressionseinrichtung durch eine weitere Pumpe zu ersetzen.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei also durch die D1 nicht nahegelegt.

Auch in der Zusammenschau mit der D7 beruhe der Gegen-stand des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätig-keit.

In der D7 gehe es darum, das Eindringen von Luft aus der Umgebung während der häufig erforderlichen Spritzenwechsel zu vermeiden, da dies zur Bildung von Blutgerinnseln führen könne (Spalte 2, Zeilen 38 bis 43). Dazu schlage die D7 ein geschlossenes System vor, wobei die Spritze aus einem Flüssigkeitsvorrat mittels einer Pumpe immer wieder aufgefüllt werden könne (Spalte 2, Zeilen 44 bis 66, und Spalte 6, Zeilen 22 bis 24).

Über die Vorteile dieser Pumpe im Hinblick auf die Vermeidung von Luftinjektion sei in der D7 nichts erwähnt. Insbesondere könne die D7 nicht dazu anregen, in der Vorrichtung der D1 eine zweite Pumpe zu ver-wenden, um zu verhindern, dass Luftblasen aus dem System zum Patienten gelangen. Dieses Problem sei in der D7 nämlich überhaupt nicht erwähnt.

Ausgehend von D1 würde der Fachmann nicht die D7 heran-ziehen, um in einem geschlossenen System das versehent-liche Injizieren von Luftblasen noch zuverlässiger zu verhindern.

Hauptantrag - erfinderische Tätigkeit ausgehend von D6

Es sei nicht ersichtlich, inwiefern der Fachmann durch die D6 in Zusammenschau mit der D9 motiviert werde, das in der D6 beschriebene System dahingehend zu ändern, dass eine erste Pumpe die Messflüssigkeit der Pumpe 53 zuführe und nicht dem extrakorporalen Blutkreislauf.

Daher sei der Gegenstand des Anspruchs 1 auch gegenüber D6 und D9 erfinderisch.

Entscheidungsgründe

1. Gegenstand der Erfindung

Gegenstand der Erfindung ist die Bestimmung des Blut-volumens und/oder Blutvolumenstroms eines Kreislaufab-schnitts, wie beispielsweise das Herzzeitvolumen eines Patienten. Hierzu wird typischerweise eine bestimmte Menge einer im Vergleich zur Körpertemperatur kühleren Messflüssigkeit in den Blutkreislauf injiziert, wodurch sich die Bluttemperatur stromab der Injektionsstelle im zeitlichen Verlauf ändert (Thermodilution). Aus dem Volumen der zugeführten Messflüssigkeit, den Tempera-turen des Injektats und des Blutes sowie dem Tempera-turverlauf im Blutstrom stromab der Injektionsstelle kann das Herzzeitvolumen bestimmt werden (Absatz [0004] des Patents).

Die Vorrichtung gemäß Anspruch 1 in der von der Ein-spruchsabteilung aufrecht erhaltenen Fassung umfasst dazu einen Flüssigkeitsspeicher für die Messflüssig-keit, ein Injektionsmittel (z.B. Katheter oder Kanüle) und zwei zwischen dem Flüssigkeitsspeicher und dem Injektionsmittel angeordnete Pumpeinrichtungen. Mittels der ersten Pumpeinrichtung (z.B. einer Infusionspumpe) wird die Messflüssigkeit der zweiten Pumpeinrichtung (z.B. einer mit einem pneumatischen Antrieb versehenen Spritzenpumpe) und aus dieser dem Blutkreislauf zuge-führt. Des weiteren befinden sich noch Mittel zur Be-stimmung einer Eigenschaft der Messflüssigkeit (z.B ein Temperatursensor) vor der Injektion in den Blutkreis-lauf (z.B. in einer Schlauchleitung zum Injektions-mittel). Zur erfindungsgemäßen Vorrichtung gehören noch weitere Mittel zur Bestimmung der Eigenschaft (z.B. ein weiterer Temperatursensor) im Blutkreislauf stromab der Injektionsstelle und eine Auswerteeinrichtung zur Berechnung von Blutvolumen und/oder -volumenstrom.

Durch die beanspruchte Anordnung von zwei Pumpen kann sichergestellt werden, dass im Infusionssystem kontinuierlich überatmosphärischer Druck herrscht und daher keine Luft in das System gelangt. Somit können Embolien vermieden werden.

Anspruch 15 bezieht sich auf ein Verfahren zum Betrei-ben der Vorrichtung.

2. Hauptantrag - Neuheit

2.1 D4

Die Druckschrift D4 offenbart eine Vorrichtung mit den Merkmalen des Oberbegriffs des Anspruchs 1. Messflüs-sigkeit wird aus einem nicht explizit gezeigten Flüssigkeitsspeicher von einer Infusionspumpe in den venösen Abschnitt 2 eines in einem extrakorporalen Blutkreislauf angeordneten Anschlussstücks 33 injiziert (Absatz [0033], Figuren 1 und 3). Von dort gelangt die Messflüssigkeit durch den venösen Gefäßzugang 4 in den Blutkreislauf 41 des Patienten.

Die D4 offenbart dabei nicht, dass die Messflüssigkeit mittels der Infusionspumpe einer zweiten Pumpeinrich-tung und aus dieser dem Blutkreislauf zuführbar ist.

Zwar zeigt die D4 eine weitere Pumpeinrichtung in Form einer Blutpumpe 35, die ein Teil eines im extrakorpo-ralen Blutkreislauf angeordneten Hämodialysators 14 ist (Absatz [0043] und Figur 3). Diese ist jedoch strom-aufwärts der Injektionsstelle im extrakorporalen Kreis-lauf angeordnet, so dass die Messflüssigkeit ihr nicht zugeführt werden kann.

Entgegen der Annahme der Beschwerdeführerin kann auch nicht der gesamte extrakorporale Kreislauf mitsamt des Anschlussstücks 33 als Pumpeinrichtung angesehen werden. Dies würde eine völlige Uminterpretation der Vorrichtung der D4 bedeuten, die nicht vom allgemeinen Verständnis des Begriffs Pumpeinrichtung als einer Maschine zum Fördern von Flüssigkeiten gedeckt wäre.

Die D4 gibt auch keinerlei Hinweise auf eine derartige Sichtweise. Das Anschlussstück 33, in dessen venösen Abschnitt 2 die Messflüssigkeit injiziert wird, wird stets als separate Einheit beschrieben, die mit dem Hämodialysator 14 verbunden ist (Absätze [0031] und [0041]). Die Messflüssigkeit gelangt dabei auch dann in das Blut des Patienten, wenn der Hämodialysator abgeschaltet ist (Absatz [0032]).

Auch im Streitpatent wird keine Ausführungsform be-schrieben, in der der gesamte extrakorporale Blutkreis-lauf als Pumpeinrichtung angesehen wird. Die Figur 8 zeigt eine Vorrichtung, die im Anspruch 22 der ur-sprünglich eingereichten Anmeldung definiert wird. Weder in diesem Anspruch noch in der Beschreibung dieser Ausführungsform in den Absätzen [0060] bis [0062] des Streitpatents ist die Rede davon, dass einer zweiten Pumpeinrichtung die Messflüssigkeit aus der ersten Pumpeinrichtung zugeführt wird. Es wird sogar im Gegenteil erwähnt, dass eine zweite Pumpeinrichtung (die nach Meinung der Beschwerdeführerin als erste Pumpeinrichtung anzusehende Pumpe 9) gar nicht erfor-derlich ist (Absatz [0062]). Die Ausführungsform der Figur 8 fällt also eindeutig nicht unter den Anspruchs-gegenstand, was auch von der Beschwerdegegnerin bestä-tigt wird. Dieses wurde auch durch die Streichung der Bezeichnung "erfindungsgemäß" im Absatz [0060] der Beschreibung im Laufe des Einspruchsverfahrens geklärt.

Aus diesen Gründen ist der Gegenstand des Anspruchs 1 neu gegenüber D4.

2.2 D3

Die Druckschrift D3 befasst sich mit der Messung des Blutflusses durch einen künstlichen Gefäßzugang. Auch hier wird ein Bolus einer Messflüssigkeit dem Blut-kreislauf zugeführt und aus der damit einhergehenden Änderung einer Bluteigenschaft (z.B. Temperatur) ein Blutparameter bestimmt.

Auf der Seite 28 ist unter Bezugnahme auf die Figur 4 eine Versuchsanordnung beschrieben, bei der ein Bolus Salzlösung aus einem Tropfbeutel 30c von einer Injek-tionspumpe zum Gefäßzugang gefördert wird (Schritt 7). (Obwohl diese Injektionspumpe in Zeile 15 mit dem Bezugszeichen 30c bezeichnet ist, kann es sich nur um die einzige vorher erwähnte Injektionspumpe 30f handeln.) Da die Dialysatorpumpe 30b während dieses Vorgangs abgeklemmt ist (Schritt 4), gibt es keine zweite Pumpeinrichtung, der die Salzlösung zugeführt wird, bevor sie zum Gefäßanschluss 12 gelangt.

Der Annahme der Beschwerdeführerin, bei der in Zeile 15 der Seite 28 genannten Injektionspumpe 30c handele es sich um eine weitere Pumpeinrichtung, deren richtiges Bezugszeichen wohl 30d sei, kann nicht zugestimmt werden. Es ist in der D3 außer der Injektionspumpe 30f keine weitere Injektionspumpe erwähnt. Mit dem Bezugszeichen 30d ist die arterielle Anschlussstelle für den Tropfbeutel gemeint (Seite 22, Zeile 23).

Auch kann die Pumpe 20f' nicht als erste Pumpeinrich-tung angesehen werden, da sie nicht zwischen dem Tropf-beutel und dem Injektionsmittel (dem Gefäßzugang 12) angeordnet ist.

Auch die Druckschrift D3 offenbart also nicht, dass die Messflüssigkeit aus dem Flüssigkeitsspeicher mittels der ersten Pumpeinrichtung einer zweiten Pumpeinrich-tung und aus der zweiten Pumpeinrichtung dem Blutkreis-lauf zuführbar ist. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist daher neu gegenüber D3.

2.3 D6

Die Druckschrift D6 offenbart ebenfalls eine Vorrich-tung zum Bestimmen des Blutvolumens (cardiac output) mittels des Verdünnungsprinzips. Wie schon bei D4 und D3 wird eine Messflüssigkeit (hier aus einer Spritze 55) in einen extrakorporalen Blutkreislauf injiziert (Absatz [0037], Figur 4).

Der Auffassung der Beschwerdeführerin, der komplette extrakorporale Blutkreislauf mit seiner Pumpe 53 könne als zweite Pumpeinrichtung angesehen werden, kann nicht gefolgt werden. Die Gründe dafür sind die gleichen, die bereits im Zusammenhang mit der Druckschrift D4 genannt wurden.

Außerdem offenbart die D6 nicht einen Flüssigkeits-speicher und eine flussabwärts davon angeordnete erste Pumpeinrichtung. Auch bei der in Absatz [0043] erwähn-ten "steady state indicator dilution technique" ist eine solche Anordnung nicht zwingend erforderlich, da es auch andere Möglichkeiten gibt, die Indikator-flüssigkeit kontinuierlich zuzuführen.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 wird also von der D6 nicht neuheitsschädlich vorweggenommen.

3. Zulassung der Druckschriften D7 und D8

Die Druckschriften D7 und D8 sind von der Beschwerde-führerin mit der Beschwerdebegründung eingereicht worden.

Sie zielen auf die Untermauerung der bereits in der ersten Instanz vorgebrachten Argumente der Beschwerde-führerin in Bezug auf die erfinderische Tätigkeit ab, was an sich als legitimes Verhalten einer unterlegenen Partei zu werten ist und keinen Verfahrensmissbrauch darstellt (siehe auch T 1177/04, Gründe 2.). Ihr Vor-bringen stellt vielmehr eine angemessene und alsbaldige Reaktion auf die Entscheidung der Einspruchsabteilung dar, in der unter Punkt 5.2 der Entscheidungsgründe zum ersten Mal festgestellt wird, dass es für den Fachmann, ausgehend von D1 alleine, nicht naheliegend war, eine zweite Pumpeinrichtung stromabwärts vorzusehen. Im erstinstanzlichen Verfahren hatte sich die Diskussion zwischen den Beteiligten und der Einspruchsabteilung vorwiegend auf das Fehlen der Neuheit konzentriert. Außerdem hatte die Einspruchsabteilung in ihrer vor-läufigen Meinung eine positive Stellungnahme über die Neuheit und dabei keine Stellungnahme über die erfin-derische Tätigkeit des angegriffenen Patents abgegeben. Daher hatte die Beschwerdeführerin aus Sicht der Kammer unter den gegebenen Umständen keine Veranlassung ge-habt, die Druckschriften D7 und D8 bereits im Ein-spruchsverfahren einzureichen.

Die Kammer hat daher entschieden ihr Ermessen unter Artikel 12(4) VOBK 2007 so auszuüben, dass die Druck-schriften D7 und D8 ins Beschwerdeverfahren zugelassen werden.

4. Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung

In Reaktion auf die Zulassung der Druckschriften D7 und D8 beantragte die Beschwerdegegnerin, die Angelegenheit an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen, in primis aus Fairnessgründen. Es wurde vorgetragen, dass es für die Patentinhaberin - im Gegensatz zur Einsprechenden - keine weitere Möglichkeit gebe, gegen einen Widerruf des Patents vorzugehen, weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene. Die Beschwerdeführerin hat dagegen argumentiert, dass das Beschwerdeverfahren sich auf eine reine Wiederholung des erstinstanzlichen Verfah-rens reduzieren würde, wenn bei jeder Einreichung eines neuen Dokuments eine Zurückverweisung drohen würde.

Artikel 111(1) Satz 2 EPÜ stellt es in das Ermessen der Kammer, bei ihrer Entscheidung über die Beschwerde ent-weder im Rahmen der Zuständigkeit des erstinstanzlichen Organs tätig zu werden oder die Angelegenheit an dieses Organ zurückzuverweisen.

Bei der Entscheidung über die Zurückverweisung werden von den Beschwerdekammern verschiedene Kriterien be-rücksichtigt, wie z.B. Gründe der Verfahrensökonomie, Einreichen neuer Tatsachen und Beweismittel, oder das Interesse der Parteien an einer Prüfung durch zwei In-stanzen. Eine wichtige Rolle spielen auch das Recht auf ein faires Verfahren und ob während des erstinstanz-lichen Verfahrens eine umfassende Beurteilung des Falls durchgeführt wurde oder nicht. Diese Kriterien müssen häufig gegeneinander abgewogen werden.

Ein Verfahrensbeteiligter hat also keinen absoluten Anspruch darauf, dass jede einzelne Frage von zwei Instanzen geprüft wird. Insbesondere ist die Kammer nicht grundsätzlich zur Zurückverweisung verpflichtet, wenn, wie im vorliegenden Fall, im Beschwerdeverfahren neue Druckschriften vorgelegt werden.

In diesem Fall wurden die Druckschriften D7 und D8 ins Beschwerdeverfahren zugelassen, inter alia, weil sie eine legitime Reaktion auf die Entscheidung der Ein-spruchsabteilung und keine erhebliche Änderung des rechtlichen und faktischen Rahmens des Falls darstell-ten, sondern hauptsächlich als Ergänzung zur Druck-schrift D1 anzusehen sind, die von der Einspruchs-abteilung bereits geprüft wurde. Aus den gleichen Gründen und unter Abwägung der Interessen der Beteilig-ten sieht die Kammer daher weder eine Notwendigkeit noch einen Mehrwert darin, die Angelegenheit zur Vermeidung eines Instanzverlusts an die Einspruchs-abteilung zurückzuverweisen.

Die Kammer hat daher entschieden, den vorliegenden Fall nicht zur Prüfung der erfinderischen Tätigkeit unter Berücksichtigung der Druckschriften D7 und D8 an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen.

5. Erfinderische Tätigkeit

5.1 D1 als nächstliegender Stand der Technik

Es ist unstrittig, dass die Druckschrift D1 eine Vorrichtung mit den Merkmalen des Oberbegriffs des Anspruchs 1 offenbart (Figur 4). Dabei kann der In-fusionsbeutel durch eine Kompressionseinrichtung zusam-mengedrückt werden, um durch den dabei erzeugten Über-druck ein Eindringen von Luft zu verhindern (Spalte 4, Zeilen 3 bis 6).

Davon ausgehend stellt sich die vorliegende Erfindung die Aufgabe, noch zuverlässiger zu verhindern, dass sich im Injektat Luftblasen bilden, was dazu führen würde, dass der Injektionsvorgang unterbrochen werden muss.

Diese Aufgabe wird dadurch gelöst, dass die Messflüs-sigkeit aus dem Flüssigkeitsspeicher mittels der ersten Pumpeinrichtung einer zweiten Pumpeinrichtung und aus der zweiten Pumpeinrichtung dem Blutkreislauf zuführ-bar ist.

Durch diese Anordnung wird bewirkt, dass die zweite Pumpe aktiv, d.h. mit Überdruck, befüllt wird. Gleich-zeitig verringert sich das Risiko, dass die zweite Pumpe Luft, z.B. aus der Tropfkammer, ansaugt, wenn ihre Saugleistung höher ist als der durch die Kompres-sion im Flüssigkeitsbeutel erzeugte Überdruck.

Entgegen der Annahme der Beschwerdeführerin kann der Fachmann der D1 nicht entnehmen, wie die Gefahr der Luftinjektion noch zuverlässiger als mit dem Zusammen-drücken des Infusionsbeutels vermieden werden kann. Das in der D8 erwähnte Leerlaufen der Tropfkammer wird in der Vorrichtung der D1 gerade durch den im Infusionsbeutel erzeugten Überdruck verhindert. Der Fachmann wäre also nicht veranlasst, anstelle der Kompressionseinrichtung und der Tropfkammer in der Ausführungsform der Figur 4 der D1 eine zusätzliche Pumpe zwischen dem Beutel und der Kolbenpumpe vorzu-sehen.

Auch in Zusammenschau mit der Druckschrift D7 beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die D7 befasst sich mit der Kontrastmittelinjektion bei Angiographieverfahren. Dabei ist es erforderlich, eine erhebliche Menge Kontrastmittel in kurzer Zeit zu in-jizieren. Das bedeutet, dass die üblicherweise genutz-ten, das Kontrastmittel enthaltenden Spritzen während einer Prozedur mehrmals manuell gewechselt werden müssen. Bei jedem Spritzenwechsel besteht die Gefahr, dass durch die eindringende Luft Blutgerinnsel ent-stehen (Spalte 2, Zeilen 38 bis 43).

In der D7 wird dieses Problem dadurch gelöst, dass ein Kontrastmittelvorrat vorgesehen wird, aus dem der Spritzenzylinder mittels einer Pumpe nach seiner Ent-leerung wieder befüllt werden kann (Spalte 2, Zeile 57 bis Spalte 3, Zeile 2). Dadurch liegt ein geschlossenes System vor, in das keine Luft aus der Umgebung ein-dringen und somit auch nicht zum Patienten gelangen kann (Spalte 6, Zeilen 22 bis 24).

In der D7 geht es also darum, das Eindringen von Umgebungsluft in das Injektionssystem zu verhindern, was durch ein geschlossenes System erreicht wird. In der D1 liegt aber bereits ein geschlossenes Injektions-system vor. Dass, wie von der Beschwerdeführerin ange-führt, auch der Infusionsbeutel gelegentlich gewechselt werden müsse und dabei Luft eindringen könne, wird in der D1 nicht thematisiert.

Es gibt in der D7 auch keinen Hinweis darauf, dass die Pumpe 32, 34 in irgendeiner Weise dazu beiträgt, die Injektion von Luft zu vermeiden. Die Pumpe hat ledig-lich den Zweck, den Spritzenkolben gegen die Rückstell-kraft der Feder zu befüllen, da dieser nicht aktiv die Flüssigkeit ansaugen kann. Der in der Vorrichtung der D1 mögliche Fall, dass die Kolbenpumpe Luft ansaugt, kann also in der Vorrichtung der D7 gar nicht auftre-ten.

Aus diesen Gründen hätte der Fachmann ausgehend von D1 keine Veranlassung, die Lehre der D7 heranzuziehen, um Luftinjektion noch zuverlässiger zu verhindern. Über-dies würde er der D7 nicht entnehmen, dass die Anord-nung einer zweiten Pumpeinrichtung diese Aufgabe löst.

5.2 D6 als nächstliegender Stand der Technik

Der Einwand der Beschwerdeführerin basiert auf der Annahme, dass das unterscheidende Merkmal lediglich das Fehlen einer Pumpenanordnung zwischen dem Flüssigkeits-speicher und dem Injektionsmittel ist. Diese Annahme ist aber nicht richtig, da D6 auch keine zweite Pump-einrichtung offenbart, der die Messflüssigkeit von der ersten Pumpe zugeführt wird. Insbesondere kann, wie bereits oben festgestellt, der extrakorporale Kreislauf als Ganzes nicht als Pumpeinrichtung angesehen werden. Eine zweite Pumpeinrichtung im Sinne des Anspruchs 1 wird auch durch die D6 nicht nahegelegt.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht also auch ausgehend von D6 auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Es spielt dabei keine Rolle, ob durch die in Absatz [0043] der D6 und in der D9 erwähnte Alternative einer "steady state indicator dilution technique" ein Flüssigkeitsspeicher und eine flussabwärts angeordnete erste Pumpe nahegelegt wird.

6. Der Anspruch 15 bezieht sich auf ein Verfahren zum Betreiben der Vorrichtung nach Anspruch 1. Sein Gegenstand ist daher ebenfalls sowohl neu als auch erfinderisch.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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