T 0742/16 () of 28.6.2017

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2017:T074216.20170628
Datum der Entscheidung: 28 Juni 2017
Aktenzeichen: T 0742/16
Anmeldenummer: 10014369.2
IPC-Klasse: B60R 16/027
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Anordnung mit mindestens einem Wickelband zur Versorgung von elektrischen Bauelementen an einem drehbaren Bauteil
Name des Anmelders: Valeo Schalter und Sensoren GmbH
Name des Einsprechenden: Takata AG
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. 2325055 in geändertem Umfang, zur Post gegeben am 28. Januar 2016.

II. Die Einspruchsabteilung hat u.a. entschieden, dass der Gegenstand des Anspruchs 1, ausgehend von Dokument

EP 1 225 098 A1 (D2)

auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

Gegen diese Entscheidung hat die Einsprechende Beschwerde eingelegt.

III. Am 28. Juni 2017 wurde mündlich verhandelt.

Die Beschwerde­führerin/Einsprechende beantragte die Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Beschwerde­gegnerin/Patentinhaberin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

IV. Der Anspruchs 1 lautet wie folgt:

Anordnung mit mindestens einem Wickelband (1) zur Spannungsversorgung von elektrischen Bauelementen an einem drehbaren Bauteil mit Leiterbahnen, die von einem ortsfesten Bauteil (3) zum drehbaren Bauteil führen, dadurch gekennzeichnet, dass zur Erfassung der thermischen Belastung im Bereich des Wickelbandes (1) Mittel zur Erfassung des Wertes der fließenden Ströme im Wickelband (1) und der Spannungsabfälle an den Leiterbahnen des Wickelbandes (1) zur Bestimmung der Verlustleistung vorhanden sind.

V. Die Argumente der Beschwerde­führerin/Einsprechenden - soweit sie für die Entscheidung wesentlich waren - lauteten wie folgt:

Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Das Dokument D2 offenbare bereits eine Temperatur­erfassung zur Überwachung des Wickelbandes. Damit sei die erfinderische Idee des Streitpatents bereits offenbart. Für den Fachmann sei es nämlich selbstverständlich über Alternativen zur in D2 offenbarten Sensorlösung nachzudenken. Die Erfassung der für den Temperaturanstieg notwendigen Verlustleistung entspreche dabei der elektrotechnischen Praxis. Diese werde bekanntermaßen durch Spannungsabfall am Bauteil und Strom durch das Bauteil bestimmt. Nichts anderes werde im Kennzeichen des Anspruchs 1 definiert.

VI. Die Beschwerdegegnerin begegnete diesen Argumenten wie folgt:

Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit. Ausgehend von D2 sei es nicht erkennbar, warum der Fachmann eine Messung der Verlustleistung in Betracht ziehen sollte; schließlich sei das Problem in D2 schon gelöst. Wenn aber der Fachmann über eine Verbesserung nachdenken sollte, dann zöge er eher in Betracht, einen weiteren Temperatursensor vorzusehen. Eine Messung der Verlustleistung sei schon von daher nicht naheliegend, da der Aufwand, einen Spannungsabfall an den Leiterbahnen des Wickelbandes zu erfassen, verhältnismäßig hoch sei, da dies ja zum Teil rotorseitig geschehen müsse. Diese Überlegung hielte den Fachmann davon ab, dies in Betracht zu ziehen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Der Erfindung gemäß Anspruch 1 beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, da sie durch das Dokument D2 nahegelegt ist, Artikel 56 EPÜ.

2.1 Die Merkmale des Oberbegriffs von Anspruch 1 sind unstrittig aus dem Dokument D2 bekannt.

2.2 Das mit den Merkmalen des Anspruchs 1 zu lösende Problem besteht ausweislich der Patentschrift darin, eine Erfassung der thermischen Belastung im Bereich des Wickelbandes vorzusehen, vgl. Patentschrift Paragraph [0003].

Da auch das Dokument D2 dieselbe Aufgabe löst (vgl. dort Paragraphen [0008] und [0009]) besteht die mit den Merkmalen des kennzeichnenden Teil des strittigen Anspruchs 1 zu lösende objektive Aufgabe darin, eine alternative Erfassung der thermischen Belastung im Bereich des Wickelbandes vorzunehmen.

2.3 Dabei ist dem Fachmann der technische Zusammenhang zwischen Spannung, Strom und Leistung sowie die Auswirkung der Leistung auf die thermische Belastung bekannt. Somit entspricht es dem allgemeinen Fachwissen, die Leistungsaufnahme eines Bauteils durch den Spannungsabfall an demselben und den durchfließenden Strom zu bestimmen.

2.4 Die Kammer stimmt der Patentinhaberin/Beschwerdegegnerin insofern zu, dass der Fachmann, ausgehend von D2 keine Veranlassung hätte, zusätzlich eine Leistungsmessung an der Leitung vorzunehmen, da das Temperaturproblem durch überhitzende Leiter in einem Lenkrad dort mit einem eigenen Sensor gelöst wird.

Allerdings ist dem Fachmann beim Studium der D2 unmittelbar klar, dass die Feststellung, ob eine Überhitzung stattfindet, auch auf anderem Wege stattfinden kann, nämlich durch die Messung eines Stromes oder durch eine Leistungsmessung.

Daher kann auch das Argument der Patent­inhaber­in/Beschwerde­gegnerin nicht überzeugen, die angibt, der Fachmann würde eine Verlust­leistungs­messung am Wickelband deshalb nicht in Betracht ziehen, da der Aufwand, die Spannung rotorseitig zu messen, als zu groß erachtet würde. Die strittige Erfindung indes geht genau diesen Weg, indem sie den Spannungsabfall an den Leiterbahnen des Wickelbandes bestimmt. Dabei treten aber keine überraschenden Effekte auf, so dass der Fachmann lediglich - ohne erfinderisch tätig zu werden - die Vor- und Nachteile einer rotorseitigen Spannungsmessung gegeneinander abzuwägen hat.

Auch die Überlegung der Patentinhaber­in­/­Beschwerde­-gegnerin, dass der Fachmann zur Optimierung der Vorrichtung gemäß D2 eher einen weiteren Temperatursensor vorsähe, kann nicht verfangen.

Schließlich behält sich auch das Streitpatent einen weiteren Temperatursensor explizit vor, vgl. den abhängigen Anspruch 3. Ebenfalls, wie bereits oben ausgeführt, betrachtet die Kammer die objektive Aufgabe, eine Alternative zu der Vorrichtung gemäß D2 zu ersinnen und nicht etwa deren Optimierung.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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