T 0698/16 () of 14.1.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T069816.20190114
Datum der Entscheidung: 14 Januar 2019
Aktenzeichen: T 0698/16
Anmeldenummer: 09004025.4
IPC-Klasse: B42D 15/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Sicherheits- und/oder Wertdokument
Name des Anmelders: Leonhard Kurz Stiftung & Co. KG
Name des Einsprechenden: DE LA RUE INTERNATIONAL LIMITED
ARJOWIGGINS SECURITY
Kammer: 3.2.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 83
European Patent Convention 1973 Art 100(b)
European Patent Convention 1973 Art 100(c)
European Patent Convention 1973 Art 111(1)
European Patent Convention Art 123(2)
Schlagwörter: Unzulässige Erweiterung (nein)
Ausführbarkeit (ja)
Zurückverweisung an die erste Instanz (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Patentinhaberin betrifft die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent Nr. 2 077 190 zu widerrufen.

Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass alle ihr vorliegenden Anträge den Erfordernissen der Artikel 123 (2) und 83 EPÜ nicht genügen.

II. In ihrer Mitteilung vom 30. Oktober 2017 teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Auffassung mit, dass Anspruch 1 des Patents den Erfordernissen der Artikel 123 (2) und 83 EPÜ genüge, und dass sie gedenke, den Fall zur weiteren Prüfung an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen. Die Beschwerdegegnerinnen wurden aufgefordert, der Kammer mitzuteilen, ob sie angesichts dieser vorläufigen Auffassung ihre Anträge auf eine mündliche Verhandlung aufrecht erhalten.

Darauf teilte die Beschwerdegegnerin II (Einsprechende 2) der Kammer mit Schreiben vom 18. Dezember 2017 mit, dass sie ihren Antrag auf mündliche Verhandlung aufrechterhalte. Die Beschwerdegegnerin I (Einsprechende 1) erklärte mit Schreiben vom 19. Dezember 2017, dass sie bereit sei, ihren Antrag auf mündliche Verhandlung unter gewissen Bedingungen zurückzuziehen.

Da nicht beide Beschwerdegegnerinnen ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurückgezogen hatten, lud die Kammer die Parteien zu einer mündlichen Verhandlung, die am 14. Januar 2019 stattfinden sollte.

III. Nachdem die Geschäftstellenbeamtin der Kammer der Beschwerdegegnerin I mündlich mitgeteilt hatte, dass kein weiterer Bescheid der Kammer ergehen würde, erklärte die Beschwerdegegnerin I mit Schreiben vom 21. November 2018, dass sie an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen würde.

Mit Schreiben vom 30. November 2018 zog die Beschwerdegegnerin II ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurück.

IV. Daraufhin entschied die Kammer, die mündliche Verhandlung abzusagen und ihre Entscheidung schriftlich ergehen zu lassen.

V. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Einsprüche zurückzuweisen. Hilfsweise beantragte sie, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das europäische Patent auf Grundlage der mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge 1-5 aufrecht zu erhalten bzw. die Sache an die erste Instanz zurückzuverweisen.

Die Beschwerdegegnerinnen (Einsprechende 1 und 2) beantragten, die Beschwerde zurückzuweisen.

VI. Anspruch 1 des Streitpatents (Hauptantrag) lautet wie folgt (die von der Kammer verwendete Merkmalsgliederung ist in eckigen Klammern angegeben):

"[1] Sicherheits- und/oder Wertdokument, [1a] insbesondere Banknote, [2] mit einem Träger (1) aus einem Papiermaterial und [3] einem [3a] insbesondere streifen- oder fadenförmigen Folienelement (2), [4] das ein oder mehrere optische Sicherheitsmerkmale aufweist, wobei [5] der Träger (1) ein oder mehrere fensterförmige Durchbrechungen (31, 32, 33, 34, 35, 36) aufweist, [6] die mittels des Folienelements (2), das die Durchbrechungen (31 bis 36) allseitig überragt, verschlossen sind,

dadurch gekennzeichnet,

dass [7] auf die dem Folienelement (2) gegenüberliegende Seite des Trägers (1) aus einem Papiermaterial eine die Fläche des Folienelements zumindest im Bereich der Durchbrechungen (31 bis 36) bedeckende Versiegelungsschicht (5, 6) aufgebracht ist, wobei [8] die Versiegelungsschicht (5, 6) aus einer im Register gegenlaminierten Folie (5,6) besteht, wobei [9] auf einem Trägerfilm (52) der Folie (5) oder auf einer Schutzlackschicht (62) der Folie (6) eine Haftvermittlungsschicht aufgebracht ist, die ein späteres Überdrucken der Versiegelungsschicht (5, 6) erleichert [sic]."

VII. Die Beschwerdeführerin hat Folgendes vorgetragen:

a) Artikel 100 b) EPÜ 1973

Es gehe aus der Entscheidung nicht klar hervor, aus welchen Gründen die Einspruchsabteilung einen Verstoß gegen Artikel 83 EPÜ sehe. Das Argument scheine auf einer angeblichen Unklarheit zu beruhen. Dies könne jedoch nicht einen Einwand nach Artikel 83 begründen.

Der Einwand sei auch in der Sache unbegründet. Es gehe aus dem Anspruch klar hervor, dass die Haftvermittlungsschicht eine Haftung zwischen dem Trägerfilm oder der Schutzlackschicht der Folie und einem späteren Überdruck vermitteln solle. Der Begriff habe einen eindeutigen Sinngehalt und sei technisch klar. Die Nacharbeitbarkeit des Merkmals sei gewährleistet.

b) Artikel 100 c) EPÜ 1973

Die Begriffe "Haftvermittlerschicht" und "Haftvermittlungsschicht" hätten den gleichen technischen Bedeutungsgehalt.

Der Einwand der Zwischenverallgemeinerung sei unbegründet, da die Kleberschicht der Figuren 4 und 5 in keinem funktionellen Zusammenhang mit der Haftvermittlungsschicht stehe. Aus der Anmeldung gehe klar hervor, dass das Laminieren das wesentliche Element dieser Ausführungsformen darstelle.

VIII. Die Beschwerdegegnerin I (Einsprechende 1) hat Folgendes vorgetragen:

a) Artikel 100 b) EPÜ 1973

Der Ausdruck "Haftvermittlungsschicht" mache den Anspruch unausführbar; der Fachmann wisse nicht, was damit gemeint sei.

Es sei nicht richtig, dass dies nur die Klarheit betreffe, da der Fachmann nicht wisse, was genau er vorsehen müsse, um die Erfindung auszuführen.

Der Hinweis auf die Merkmale, die der Schicht im Anspruch zugeschrieben werden, sei nicht ausreichend, da der Ausdruck als solcher eine gewisse (aber eben unbekannte) Bedeutung haben müsse.

b) Artikel 100 c) EPÜ 1973

Der Gegenstand von Anspruch 1 sei unzulässig erweitert worden.

Die Beschwerdeführerin habe nicht bewiesen, dass die Begriffe "Haftvermittlerschicht" und "Haftvermittlungsschicht" Synonyme seien. Die von ihr vorgelegten Wörterbuchdefinitionen seien nicht direkt relevant.

Man müsse auch die Offenbarung der Patentschrift in Betracht ziehen. Dort seien dem Begriff "Haftvermittlerschicht" zwei verschiedene Sinngehalte zugeordnet. Es handle sich einerseits um eine innenliegende Kleberschicht (Figur 2) und um eine Schicht, die das Überdrucken erleichtere (Absatz [0062] der Anmeldung). Diese beiden Aussagen müssten in die Deutung des Begriffs einfließen. Bezüglich des Begriffs "Haftvermittlungsschicht" liefere die Beschreibung keinen Aufschluss, da der Begriff dort nicht vorkomme.

Darüber hinaus führe die Nichtaufnahme der Kleberschicht der Figuren 3 und 4 zu einer unzulässigen Erweiterung. Es sei nicht richtig, dass diese Innenschicht nicht erfindungswesentlich sei.

IX. Die Beschwerdegegnerin II (Einsprechende 2) hat Folgendes vorgetragen:

a) Artikel 100 b) EPÜ 1973

Anspruch 1 offenbare nur ein Desideratum bezüglich der Haftvermittlungsschicht, nämlich das Erleichtern des späteren Überdruckens. Um dies ausführen zu können, bedürfe der Fachmann sowohl mehrerer Materialeigenschaften als auch der Natur der zu verwendenden Drucktechnik. Diese seien jedoch nicht offenbart.

b) Artikel 100 c) EPÜ 1973

Der Absatz auf Seite 18, Zeilen 12-14, der Anmeldung sei keine Grundlage für die Änderung, da dort der Ausdruck "Haftvermittlerschicht" und nicht "Haftvermittlungsschicht" verwendet wird. Wenn die beiden Worte dasselbe meinen würden, gebe es keinen Grund, das eine durch das andere zu ersetzen.

Die Kleberschicht 51 bzw. 61 der Figuren 4 und 5 sei ein wesentliches Merkmal. Ihre Streichung führe zu einer unzulässigen Zwischenverallgemeinerung.

Der Ausdruck "gegenlaminiert" bedeute nicht zwangsläufig, dass sich Kleber auf dem Film befinde, weshalb der Anspruch über die ursprüngliche Anmeldung hinausgehe. Zum Nachweis dessen, dass die Adhäsion auch ohne Kleber erreicht werden könne, legte die Beschwerdegegnerin II die Druckschrift US 2006/0198987 vor. Auch wenn Kleber zum Einsatz käme, gäbe es zwei Möglichkeiten, nämlich (1) den Film oder (2) das Substrat mit Kleber zu beschichten. Die Beschreibung offenbare nur den Fall (1). Ein Anspruch ohne diese Beschränkung verletze daher Artikel 123 (2) EPÜ.

Die Beschwerdegegnerin II wies auch darauf hin, dass die von der Kammer zitierten Stellen auf Seite 16, letzter Absatz, und Seite 18, letzter Absatz, nicht offenbaren, dass die Haftvermittlerschicht ganz allgemein auf der Versiegelungsschicht aufgebracht wird; diese Stellen würden nur eine Aufbringung auf dem Trägerfilm bzw. auf der Schutzlackschicht offenbaren.

Entscheidungsgründe

1. Anzuwendendes Recht

Die Anmeldung, auf deren Grundlage das Patent erteilt wurde, war am 21. März 2005 eingereicht worden. Deshalb sind im vorliegenden Fall in Anwendung von Artikel 7 der Akte zur Revision des EPÜ vom 29. November 2000 (ABl. EPA 2007, Sonderausgabe Nr. 4, 217) und des Beschlusses des Verwaltungsrats vom 28. Juni 2001 über die Übergangsbestimmungen nach Artikel 7 der Akte zur Revision des EPÜ vom 29. November 2000 (ABl. EPA 2007, Sonderausgabe Nr. 4, 219) die Artikel 83, 100 und 111 EPÜ 1973 sowie der Artikel 123 (2) EPÜ [2000] anzuwenden.

2. Anspruchsauslegung

Merkmal 9 verlangt, dass auf einem Trägerfilm der Folie oder auf einer Schutzlackschicht der Folie eine Haftvermittlungsschicht aufgebracht ist, die ein späteres Überdrucken der Versiegelungsschicht erleichtert.

Aus der Tatsache, dass die Haftvermittlungsschicht das spätere Überdrucken der Versiegelungsschicht erleichtert, geht notwendigerweise hervor, dass es sich um eine äußere Schicht handelt. Die Haftvermittlungs-schicht im Sinne von Anspruch 1 ist also nicht dazu bestimmt, selbst das Haften der Versiegelungsschicht auf dem Träger zu gewährleisten.

Im Hinblick auf die Figuren 4 und 5 der ursprünglichen Anmeldung ist deshalb festzustellen, dass die Haftvermittlungsschicht im Sinne von Anspruch 1 von den Kleberschichten 51 und 61 zu unterscheiden ist.

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

3. Artikel 100 (c) EPÜ 1973

3.1 Haftvermittlungsschicht/Haftvermittlerschicht

Die Einspruchsabteilung hat im Wort "Haftvermittlungsschicht" in Merkmal 9 eine unzulässige Erweiterung des Anspruchsgegenstands gesehen. Die Kammer kann sich diesem Einwand aus den folgenden Gründen nicht anschließen.

Die Einspruchsabteilung hat zu Recht festgestellt, dass das Wort "Haftvermittlungsschicht" in der ursprünglichen Anmeldung nicht verwendet wird. Die Anmeldung (wie auch die Beschreibung des Streitpatents) verwendet ausschließlich den Begriff "Haftvermittlerschicht" (siehe die Absätze [0031], [0032] und [0054] des Streitpatents).

Das Merkmal 9 ("wobei auf einem Trägerfilm (52) der Folie (5) oder auf einer Schutzlackschicht (62) der Folie (6) eine Haftvermittlungsschicht aufgebracht ist, die ein späteres Überdrucken der Versiegelungsschicht (5, 6) erleichert [sic]"; Unterstreichung durch die Kammer) beruht auf der Offenbarung des letzten Absatzes der ursprünglichen Anmeldung:

"Es ist hierbei auch möglich, dass auf dem Trägerfilm 62 der Folie 5 oder auf der Schutzlackschicht 62 der Folie 6 weiter eine Haftvermittlerschicht aufgebracht ist, die ein späteres Überdrucken der Versiegelungsschicht erleichtert." (Unterstreichung durch die Kammer)

Es erscheint der Kammer plausibel, dass das Ersetzen des Begriffs "Haftvermittlerschicht" der ursprünglichen Anmeldung durch "Haftvermittlungsschicht" - genauso wie das Ersetzen des Worts "erleichtert" durch "erleichert" - auf eine Unaufmerksamkeit des Verfassers von Anspruch 1 zurückgeht und nicht beabsichtigt war.

Dieser Fehler hat aber keine praktische Bedeutung, da der Fachmann verstehen würde, dass die Begriffe "Haftvermittlerschicht" und "Haftvermittlungsschicht" synonym sind.

Nach Auffassung der Kammer ist eine "Haftvermittlerschicht" eine Schicht aus einem Material, dessen relevante Wirkung in der Haftvermittlung besteht. Damit ist eine solche Schicht aber zugleich eine "Haftvermittlungsschicht".

Umgekehrt ist eine "Haftvermittlungsschicht" eine Schicht, die Haftung vermittelt. Da es sich um eine materielle Schicht handelt, kann man ebenso gut von einer "Haftvermittlerschicht" sprechen.

Die Kammer kann daher keinen technischen Unterschied zwischen einer "Haftvermittlerschicht" und einer "Haftvermittlungsschicht" erkennen.

Die Einspruchsabteilung hat dazu Folgendes festgestellt (siehe Punkt 1.2.1 der angefochtenen Entscheidung):

"Die Behauptung, nach welcher eine Haftvermittlungsschicht das gleiche wie eine Haftvermittlerschicht ist, blieb von der Patentinhaberin völlig unbelegt.

Man muss sich aber die Frage stellen, warum dieser Wortlaut tatsächlich in Anspruch 1 geändert wurde. Da es anscheinend keinen Grund dafür gibt, kann man nicht wissen warum diese Änderung faktisch gemacht wurde.

Daher kann man nicht zu 100% sicher sein, dass die beiden Wörter genau die gleiche Bedeutung haben."

Die Logik dieser Argumentation erschließt sich der Kammer nicht.

Die Einspruchsabteilung stellt sich die Frage nach dem Grund der Änderung des Wortlauts und leitet aus der Tatsache, dass für sie kein Grund erkenntlich ist, ab, dass man nicht wissen könne, warum die Änderung vorgenommen wurde. Diese Aussage ist entweder logisch unrichtig (aus dem Nichtwissen folgt nicht notwendigerweise die Unmöglichkeit des Wissens) oder aber eine Tautologie (im Sinne von: "Was man nicht weiß, das weiß man nicht.").

In der Folge leitet die Einspruchsabteilung aus ihrer Feststellung, dass kein Grund für die Änderung bekannt sei, ab, dass man nicht zu 100% sicher sein könne, dass die beiden Wörter genau die gleiche Bedeutung haben. Auch dies scheint ein Fehlschluss zu sein, denn der Bedeutungsgehalt der Ausdrücke ist unabhängig vom Grund der Änderung.

Die Kammer kann sich daher der Argumentation der Einspruchsabteilung nicht anschließen.

Die Einspruchsabteilung hat in Absatz 1.2.1 der angefochtenen Entscheidung weiter ausgeführt:

"Insbesondere muss die "Haftvermittlerschicht" auf der einen Seite ein Kleber sein, da diese "Haftvermittlerschicht" in dem Ausführungsbeispiel nach Figur 2 als Kleber offenbart ist, und auf der anderen Seite ein späteres Überdrucken erleichtern. Dennoch ist es technischerweise nicht erklärbar, wie eine Kleberschicht ein Überdrucken erleichtern könnte.

Das ursprüngliche Wort "Haftvermittlerschicht" war daher von sich aus schon technisch unklar. Nun wurde dieses Wort durch ein neues Wort (d.h. Haftvermittlungsschicht" ersetzt, bei welchem man noch weniger weiß, was es genau bedeutet, und welches auf jeden Fall nicht ursprünglich offenbart war." (Unterstreichungen durch die Einspruchsabteilung)

Auch diesen Ausführungen kann sich die Kammer nicht anschließen.

Zum einen ist für die Kammer nicht ersichtlich, woraus die Einspruchsabteilung ableitet, dass die Haftvermittlerschicht in dem Ausführungsbeispiel nach Figur 2 als Kleber offenbart ist, da dort zwischen der Haftvermittlerschicht 23 und der Klebeschicht 26 unterschieden wird (siehe Absatz [0031]). Selbst wenn die Haftvermittlerschicht eine Kleberschicht sein sollte, liegt es nicht auf der Hand, dass eine Kleberschicht nicht das spätere Überdrucken (im Sinne von Absatz [0054]) erleichtern könnte, zum Beispiel wenn der Kleber getrocknet ist.

Zum anderen scheint es der Kammer fragwürdig, aus der angeblichen Unklarheit des Begriffs "Haftvermittlerschicht" und der angeblich noch größeren Unklarheit des Begriffs "Haftvermittlungsschicht" eine Verletzung von Artikel 123 (2) EPÜ abzuleiten. Die Prüfungsabteilung scheint den Begriff "Haftvermittlungsschicht" nicht als unklar empfunden zu haben; ansonsten hätte sie den Anspruch 1 nicht in dieser Form erteilt. Jedenfalls ist die Kammer nicht befugt, die Klarheit dieses Merkmals des erteilten Anspruchs zu untersuchen (siehe Entscheidung G 3/14, ABl. EPA 2015, A102).

Ergänzend möchte die Kammer noch feststellen, dass sie den Hinweis der Beschwerdeführerin, das Wort "Haftvermittlungsschicht" sei ein "Kunstwort", nicht wie die Beschwerdegegnerin 1 als ein Zugeständnis der Beschwerdeführerin versteht, dass es ein Wort sei, das keine anerkannte Bedeutung hat. Es gehört zu den Eigenheiten der deutschen Sprache, dass sie erlaubt, aus mehreren Hauptwörtern ein zusammengesetztes Wort zu bilden, wobei der Sinn dieses Worts sich dem sprachkundigen Leser oder Zuhörer automatisch erschließt, auch wenn das so gebildete "Kunstwort" in keinem Wörterbuch zu finden ist.

3.2 Korrektur des Bezugszeichens

Die Einspruchsabteilung hat in einem obiter dictum aus den - von der Prüfungsabteilung im Druckexemplar eingefügten - Bezugszeichen im Merkmal 9 von Anspruch 1 ("wobei auf einem Trägerfilm (52) der Folie (5) oder auf einer Schutzlackschicht (62) der Folie (6) eine Haftvermittlungsschicht aufgebracht ist"; Unterstreichung durch die Kammer) einen Verstoß gegen Artikel 123 (2) EPÜ abgeleitet (siehe Punkt 1.2.2 der angefochtenen Entscheidung).

Wie schon unter Punkt 3.1 festgestellt wurde, beruht das Merkmal auf der Offenbarung des letzten Absatzes der ursprünglichen Anmeldung:

"Es ist hierbei auch möglich, dass auf dem Trägerfilm 62 der Folie 5 oder auf der Schutzlackschicht 62 der Folie 6 weiter eine Haftvermittlerschicht aufgebracht ist, die ein späteres Überdrucken der Versiegelungsschicht erleichtert." (Unterstreichung durch die Kammer)

Angesichts der Offenbarung der Absätze [0047], [0052] und [0053] sowie der Figuren 4 und 5 des Streitpatents ist für den fachkundigen Leser des Streitpatents unzweifelhaft klar, dass der Verweis auf den "Trägerfilm 62" in Absatz [0054] ein offenkundiger Fehler ist, und dass der "Trägerfilm 52" der Figur 4 gemeint war.

Die Kammer kann in diesem Zusammenhang keine Verletzung von Artikel 123 (2) EPÜ erkennen.

3.3 Zwischenverallgemeinerung

Das Merkmal 9 von Anspruch 1 beruht auf der Offenbarung des letzten Absatzes der ursprünglichen Anmeldung (Seite 18, Zeilen 12-14; entspricht im Wesentlichen Absatz [0054] des Streitpatents).

Dieser Absatz bezieht sich auf den Trägerfilm 62 (sollte sein: 52) der Folie 5 und die Schutzlackschicht der Folie 6, also auf die Ausführungsformen der Figuren 4 und 5 der Anmeldung (bzw. der Figuren 3 und 4 des Patents), die ab Seite 16, Zeile 26 der Anmeldung (Absatz [0046] des Patents) beschrieben werden:

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Diesen Ausführungsformen ist gemeinsam, dass die Versiegelungsschicht von einer gegenlaminierten Folie gebildet wird (Seite 16, letzter Absatz). Im Falle der Figur 4 handelt es sich um eine Folie 5, die aus einem Trägerfilm 52 und einer Kleberschicht 51 besteht (Seite 17, Zeilen 3-4); die Figur 5 hingegen zeigt eine Folie 6, in der statt des Trägerfilms eine Schutzlackschicht 62 vorgesehen ist (Seite 17, Zeile 24). Der letzte Absatz der Beschreibung (Seite 18, Zeilen 12-14) umfasst beide Ausführungsformen und offenbart, dass auf dem Trägerfilm bzw. auf der Schutzlackschicht eine Haftvermittlerschicht aufgebracht sein kann, um ein späteres Überdrucken der Versiegelungsschicht zu erleichtern.

Die Einspruchsabteilung hat eine Verletzung von Artikel 123 (2) EPÜ darin gesehen, dass das Merkmal 9 in den Anspruch 1 aufgenommen wurde, weil den Ausführungsformen der Figuren 4 und 5 gemeinsam ist, dass die Versiegelungsschicht eine Kleberschicht (51 bzw. 61) aufweist, der Anspruch 1 aber keine solche Kleberschicht verlangt.

Dieses Argument hat die Kammer nicht überzeugt. Der letzte Absatz auf Seite 16 der ursprünglichen Anmeldung macht klar, dass das wesentliche Merkmal, das in den Figuren 4 und 5 illustriert ist, darin besteht, dass die Versiegelungsschicht von einer gegenlaminierten Folie gebildet wird. Dieses Merkmal ist als Merkmal 8 in Anspruch 1 enthalten. Der Absatz auf Seite 18, Zeilen 12-14 offenbart, dass auf der dem Substrat abgewandten Seite (siehe dazu Punkt 2.) der Versiegelungsschicht (also konkret auf dem Trägerfilm 52 oder der Schutzlackschicht 62) noch eine Haftvermittlerschicht aufgebracht werden kann.

Der Fachmann würde verstehen, dass diese Möglichkeit unabhängig davon besteht, wie genau die Versiegelungsschicht auf dem Träger gehalten wird, also mit einer Kleberschicht oder auf andere Art. Daher ist es nicht erforderlich, das Vorhandensein einer Kleberschicht in den Anspruch aufzunehmen. Auch die Frage, ob die Klebeschicht die gesamte Folie bedeckt oder nur zwischen Folie und Träger aufgebracht wird, ist in diesem Zusammenhang nicht entscheidend.

Die Aufnahme dieses Merkmals in den Gegenstand von Anspruch 1 genügt daher den Erfordernissen von Artikel 123 (2) EPÜ.

3.4 Ergebnis

Die Kammer kommt zum Ergebnis, dass der Gegenstand von Anspruch 1 den Erfordernissen von Artikel 123 (2) EPÜ genügt.

4. Artikel 100 (b) EPÜ 1973

Am Ende von Absatz 1.2.1 der angefochtenen Entscheidung hat die Einspruchsabteilung noch festgestellt:

"Aus dem gleichen Grund entspricht das Patent wie erteilt nicht den Erfordernissen des Artikels 83 EPÜ, weil die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart ist, dass ein Fachmann sie ausführen kann."

Dieser Einwand beruht auf der Auffassung der Einspruchsabteilung, dass die Begriffe "Haftvermittlerschicht" und "Haftvermittlungsschicht" nicht dieselbe Bedeutung haben und unklar sind.

Der Einwand der Nichtausführbarkeit scheint der Kammer ein "versteckter Klarheitseinwand" im Sinne der Entscheidung T 608/07, Punkt 2.5.2 der Entscheidungsgründe, zu sein. Jedenfalls hat die Einspruchsabteilung nicht überzeugend dargelegt, warum der Fachmann nicht in der Lage sein sollte, ein anspruchsgemäßes Sicherheitsdokument mit einer Haftvermittlungsschicht herzustellen (siehe dazu auch die Entscheidung T 2290/12, Punkt 3.1 der Entscheidungsgründe).

Auch die Einwände der Beschwerdegegnerin 2 gegen den Gegenstand der Ansprüche 9 und 10 ("in etwa") sowie 11 und 12 ("nicht mehr als X%") scheinen der Kammer versteckte Klarheitseinwände zu sein, die der Ausführbarkeit der Erfindung nicht im Wege stehen.

Die Kammer gelangt daher zum Schluss, dass Anspruch 1 den Erfordernissen des Artikels 83 EPÜ 1973 genügt.

5. Zurückverweisung an die erste Instanz

Da die Einspruchsabteilung nur über die Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 b) und c) EPÜ 1973 entschieden und die Patentfähigkeit des Gegenstands von Anspruch 1 noch nicht abschließend untersucht hat, erscheint es der Kammer angemessen, die Angelegenheit in Anwendung von Artikel 111 (1) EPÜ 1973 an die erste Instanz zurückzuverweisen.

6. Notwendigkeit einer mündlichen Verhandlung

Die Beschwerdegegnerin I hat angekündigt, an der von ihr ursprünglich beantragten mündlichen Verhandlung nicht teilzunehmen. Gemäß der gefestigten Rechtssprechung der Beschwerdekammern kann eine solche Ankündigung als Rücknahme des Antrags auf mündliche Verhandlung gewertet werden (siehe dazu die "Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts", 8. Auflage, 2016, Punkt III.C.2.3.1).

Die Beschwerdegegnerin II hat ihren Antrag auf mündliche Verhandlung explizit zurückgezogen (Schriftsatz vom 30. November 2018: "... ma cliente renonce à la tenue de cette procédure orale.").

Da die angefochtene Entscheidung aufgehoben wird und über die restlichen Anträge der Beschwerdeführerin noch nicht abschließend entschieden wird, ist die Beschwerdeführerin durch die Zurückverweisung an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung nicht beschwert.

Deshalb hat die Kammer entschieden, die Ladung zur mündlichen Verhandlung aufzuheben und ihre Entscheidung schriftlich ergehen zu lassen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.

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