T 0673/16 () of 19.11.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T067316.20191119
Datum der Entscheidung: 19 November 2019
Aktenzeichen: T 0673/16
Anmeldenummer: 11156537.0
IPC-Klasse: A61L 9/05
C11D 17/00
C11D 3/50
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Reinigungs- und Beduftungsmittel für den Sanitärbereich
Name des Anmelders: Buck-Chemie GmbH .
Name des Einsprechenden: Henkel AG & Co. KGaA
Kammer: 3.3.10
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Neuheit - Hauptantrag (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0988/95
T 1029/96
T 0218/00
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin (Einsprechende) richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit welcher das europäische Patent Nr. 2 374 483 in geänderter Fassung gemäß Hauptantrag vom 8. Dezember 2015 aufrecht erhalten wurde.

II. Der Wortlaut des unabhängigen Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag vom 8. Dezember 2015 lautet wie folgt:

"1. Reinigungs- und Beduftungsmittel für den Sanitärbereich, welches Mittel wenigstens zwei Phasen umfasst, wobei

die erste Phase eine Gel- oder Seifenphase oder ein auf wasserlöslichen oder wasserdispergierbaren Polymeren basierendes System ist und die erste Phase einen ersten Duftstoff und wenigstens 5 Gew.% eines Lösemittels umfasst, wobei Duftstoffe ebenfalls Lösemittel sind, sofern sie flüssig sind und als Lösemittel dienen, und die zweite Phase eine Reinigungsmittelformkörperphase ist, die wenigstens 10 Gew.% Tenside und einen zweiten Duftstoff umfasst,

der erste und der zweite Duftstoff voneinander verschieden sind und die Auflösegeschwindigkeit der ersten und der zweiten Phase in Wasser unterschiedlich ist, wobei die erste Phase einen Teil der Oberfläche des Mittels bildet, um ein kontinuierliches Abdampfen des ersten Duftstoffs aus der ersten Phase zu gewährleisten und die Reinigungsmittelformkörperphase einen weiteren Teil der Oberfläche des Mittels bildet, um durch Abspülen der Reinigungsmittelformkörperphase den zweiten Duftstoff freizusetzen und der Anteil der Reinigungsmittelformkörperphase in dem Mittel wenigstens 50 Gew.% beträgt."

III. Im Einspruchsverfahren war das Streitpatent in seinem gesamten Umfang unter Artikel 100 a) EPÜ wegen mangelnder Neuheit (Artikel 54 EPÜ) und fehlender erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ) angegriffen worden.

IV. In der angefochtenen Entscheidung bezog sich die Einspruchsabteilung u.a. auf die Druckschrift

(1) EP-A-2 014 758 und

(2) EP-A-1 418 225.

Sie stellte fest, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 neu sei, da die Offenbarung der Druckschrift (1) nicht offenbare, dass der Duftstoff der ersten Phase flüssig ist und die in den beiden Phasen verwendeten Duftstoffe voneinander verschieden sein müssen. Ausgehend von der Druckschrift (1) als nächstliegendem Stand der Technik habe es nicht nahegelegen, verschiedene Duftstoffe mit unterschiedlichem Freisetzungsprofil einzusetzen, um einem Gewöhnungseffekt entgegenzuwirken.

V. In ihrer Beschwerdebegründung vom 27. Mai 2016 trug die Beschwerdeführerin erneut vor, dass der in Tabelle 8 der Druckschrift (1) als Beispiel V3 bezeichnete Reinigungsmittelformkörper alle technischen Merkmale des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag offenbare. Ausgehend von der Druckschrift (1) als nächstliegendem Stand der Technik habe die Aufgabe darin bestanden, ein alternatives Mittel bereitzustellen. Da die Druckschrift (1) bereits alle Merkmale des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag offenbare, beruhe der beanspruchte Gegenstand nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

VI. Zusammen mit ihrer Antwort auf die Beschwerdebegründung vom 4. Oktober 2016 reichte die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) die Hilfsanträge 1 bis 4, sowie mit Schriftsatz vom 28. Juni 2018 den Hilfsantrag 5 ein.

Sie widersprach den Einwänden der Beschwerdeführerin und schloss sich der in der angefochtenen Entscheidung vorgetragenen Argumentation zur Neuheit und zur erfinderischen Tätigkeit an.

VII. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Europäischen Patents im vollen Umfang.

VIII. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde, d.h. die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung wie durch die Einspruchsabteilung aufrechterhalten. Hilfsweise beantragte sie die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage eines der 1. bis 4. Hilfsanträge, eingereicht mit Schriftsatz vom 4. Oktober 2016, oder auf der Grundlage des 5. Hilfsantrags, eingereicht mit Schriftsatz vom 28. Juni 2018.

IX. Am Ende der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 19. November 2019 wurde die Entscheidung verkündet.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Hauptantrag

2. Neuheit (Artikel 54 EPÜ)

2.1 Die Beschwerdeführerin trug vor, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 von Druckschrift (1) neuheitsschädlich getroffen sei, da das Beispiel V3 in der Tabelle 8 der Druckschrift (1) alle technischen Merkmale des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag offenbare.

2.2 Gemäß der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern muss sich der beanspruchte Gegenstand "unmittelbar und eindeutig" aus dem Stand der Technik ergeben, um einen Neuheitseinwand zu begründen (siehe T 988/95, Entscheidungsgründe Punkt 2.1.3; T 1029/96, Entscheidungsgründe Punkt 2.8; T 218/00, Entscheidungsgründe Punkt 2.1.1).

2.3 Im vorliegenden Fall offenbart Druckschrift (1) in Ausführungsbeispiel V3 ein stückförmiges Reinigungsmittel für den Sanitärbereich, bestehend aus einem transparenten Gel, in welches ein quaderförmiger Werbeträger derart eingefügt ist, dass eine seiner Flächen außen liegt, während die restlichen Flächen des Werbeträgers von der transparenten Masse umgeben sind (siehe Seite 10, Tabelle 8, Versuch V3). Dieses stückförmige Reinigungsmittel besteht insgesamt aus 44,6 g des transparenten Gels und 0,78 g des Werbeträgers. Das transparente Gel enthält u.a. ein Tensid, ein Lösungsmittel, sowie "Mint Fresh" als Parfüm (siehe Seite 10, Tabelle 6). Der Werbeträger enthält u.a. Polyvinylalkohol, ein Tensid und 5 Gew.-% eines Duftstoffs (siehe Seite 9, Tabelle 1).

2.3.1 Wählt man das transparente Gel in Versuch V3 als Entsprechung der ersten Phase des Streitpatents, so entspräche der Werbeträger der zweiten Phase des Streitpatents. In dieser Konstellation offenbart das Beispiel V3 der Tabelle 8 zumindest nicht die gemäß Anspruch 1 des Hauptantrages geforderten Merkmale, dass der erste Duftstoff und der zweite Duftstoff unterschiedlich sind und dass der Anteil der Reinigungsmittelformkörperphase (zweite Phase des Streitpatents) wenigstens 50 Gew.-% beträgt.

2.3.2 Wählt man hingegen den Werbeträger als Entsprechung der ersten Phase des Streitpatents, so entspräche das transparente Gel der zweiten Phase, nämlich der Reinigungsmittelformkörperphase des Streitpatents. In dieser Konstellation offenbart das Beispiel V3 der Tabelle 8 zumindest nicht die gemäß Anspruch 1 des Hauptantrages geforderten Merkmale, dass der erste Duftstoff und der zweite Duftstoff unterschiedlich sind und dass die erste Phase wenigstens 5 Gew.-% eines Lösemittels umfasst.

2.4 Die Beschwerdeführerin räumte ein, dass Druckschrift (1) nicht explizit offenbare, dass der erste und der zweite Duftstoff verschieden sein müssen. Der Fachmann würde aber bei der Durchführung des Beispiels V3 einen Duftstoff und ein Parfüm auswählen, die sicher nicht identisch wären.

Indessen hat die Beschwerdeführerin ihre Behauptung, dass ein "Duftstoff" und ein "Parfüm" nicht identisch seien nicht belegt, so dass nicht davon auszugehen ist, dass der Duftstoff, bzw. das Parfüm zwangsläufig voneinander verschieden sein müssen. Es liegt in Druckschrift (1) weder eine explizite, noch eine implizite Offenbarung dafür vor, dass die beiden Duftstoffe in der ersten und zweiten Phase unterschiedlich sind. Folglich kann dieses Argument der Beschwerdeführerin nicht durchgreifen.

2.5 Die Beschwerdeführerin trug vor, dass die in Paragraph 2.3.1 und 2.3.2 dargestellten Varianten jeweils fehlenden technischen Merkmale aus einem Schriftwechsel hervorgingen, der zwischen dem Europäischen Patentamt und der Anmelderin der Druckschrift (1) während des Prüfungsverfahrens der zugrundeliegenden Patentanmeldung stattgefunden habe.

Indessen ist festzustellen, dass für die Beurteilung der Neuheit nur die als neuheitsschädlich herangezogene Offenbarung, im vorliegenden Fall also nur die Druckschrift (1) alleine herangezogen werden kann. Ohne einen eindeutigen Hinweis in Druckschrift (1) sind weitere Dokumente kein Bestandteil dieser Offenbarung und können den Offenbarungsgehalt der Druckschrift (1) nicht ergänzen. Da die Druckschrift (1) selbst weder einen Hinweis auf diese weiteren Dokumente enthält, noch eine Offenbarung enthält, dass die verwendeten Duftstoffe unterschiedlich sind, kann die Argumentation der Beschwerdeführerin ebenfalls nicht überzeugen.

2.6 Die Kammer ist daher der Auffassung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag nicht von der Druckschrift (1) vorweggenommen ist. Der beanspruchte Gegenstand ist somit neu im Sinne des Artikels 54 EPÜ.

3. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)

3.1 Bei der Diskussion der erfinderischen Tätigkeit gingen beide Parteien und die Einspruchsabteilung von der Druckschrift (1) als nächstliegendem Stand der Technik aus. Ein geeigneter Startpunkt scheint dabei die Ausführungsform gemäß der Figur 1 zu sein, in welcher die Phase mit dem Bezugszeichen 11 der Gel- oder Seifenphase (Phase 1) des Streitpatentes entspricht. Die Phase mit dem Bezugszeichen 12 entspricht folglich der Reinigungsmittelformkörperphase (Phase 2) des Streitpatentes.

3.2 Ausgehend von dieser Ausführungsform der Druckschrift (1) formulierte die Beschwerdegegnerin als technische Aufgabe die Bereitstellung eines Reinigungs- und Beduftungsmittel für den Sanitärbereich, welches bei guter Reinigungsleistung und Beduftung dem Gewöhnungseffekt entgegenwirkt (siehe Streitpatent Paragraph [0010]).

3.3 Als Lösung dieser Aufgabe bietet das Streitpatent das Reinigungs- und Beduftungsmittel gemäß Anspruch 1 an, welches dadurch gekennzeichnet ist, dass der erste und der zweite Duftstoff voneinander verschieden sind und die Auflösegeschwindigkeit der zwei Phasen in Wasser unterschiedlich ist.

3.4 Zum Beleg dafür, dass die o.g. technische Aufgabe erfolgreich gelöst wird, verweist die Beschwerdegegnerin auf die Beispiele des Streitpatentes.

Die Beispiele zeigen, dass die beiden Phasen des Reinigungsmittelformkörpers unterschiedliche Auflösungsgeschwindigkeiten haben (Tabelle 1) und über die gesamte Dauer der Anwendung ein sich ändernder Gesamtdufteindruck erzielt wird (Tabellen 2 und 3). Darüber hinaus wird beim Spülvorgang ein weiterer Duftimpuls mit dem zweiten Duftstoff aus der Reinigungsmittelformkörperphase gesetzt, wodurch einem Gewöhnungseffekt entgegengewirkt wird.

3.4.1 Die Beschwerdeführerin trug vor, dass der Anspruch zu breit gefasst sei, so dass auch Ausführungsformen umfasst seien, welche die technische Aufgabe nicht lösten. So seien im Anspruch die jeweiligen Anteile der beiden Phasen an der Oberfläche des Reinigungsmittelformkörpers nicht angegeben, so dass nicht glaubhaft sei, dass beim Spülvorgang ein geänderter Dufteindruck resultiere. Auch wenn verschiedene Duftstoffe in Phase 1 und Phase 2 eingesetzt würden, so resultiere dennoch ein gleichbleibender Gesamtdufteindruck.

3.4.2 Indessen ist festzustellen, dass die Formulierung des Anspruchs 1 klare Angaben enthält, wonach die Oberflächenanteile der Gelphase 1 und der Reinigungsmittelformkörperphase 2 so zu wählen sind, dass "die erste Phase einen Teil der Oberfläche des Mittels bildet, um ein kontinuierliches Abdampfen des ersten Duftstoffs aus der ersten Phase zu gewährleisten und die Reinigungsmittelformkörperphase einen weiteren Teil der Oberfläche des Mittels bildet, um durch Abspülen der Reinigungsmittelformkörperphase den zweiten Duftstoff freizusetzen". Durch diese funktionelle Definition sind die jeweiligen Oberflächenanteile so zu wählen, dass der gewünschte Effekt eintritt, nämlich dass durch Verdampfen des ersten Duftstoffes aus der Gel- oder Seifenphase eine kontinuierliche Grundbeduftung erfolgt und beim Spülvorgang beim Auflösen der Reinigungsmittelformkörperphase ein Duftimpuls mit dem zweiten Duftstoff erfolgt. Dabei wird durch die unterschiedlichen Dufteindrücke einem Gewöhnungseffekt entgegengewirkt. Das Argument der Beschwerdeführerin kann somit nicht überzeugen.

3.5 Die Kammer ist daher der Auffassung, dass die in Paragraph 3.2 formulierte technische Aufgabe erfolgreich gelöst ist.

3.6 Es bleibt nunmehr zu untersuchen, ob die in Paragraph 3.3 genannte Lösung im Stand der Technik nahegelegen hat.

3.7 Die Beschwerdeführerin trug vor, dass der Fachmann bereits aus der Druckschrift (1) selbst eine Anregung hatte, zwei verschiedene Duftstoffe einzusetzen, um einer Gewöhnung entgegenzuwirken. So sei in Paragraph [0034] der Druckschrift (1) bereits angeregt, die unterschiedlichen Schichten, Phasen oder den Werbeträger des Reinigungsmittelformkörpers unterschiedlich zu beduften. Dabei könne man einen End-of-life-Indikator erreichen. Eine starke Beduftung des Werbeträgers zur Bereitstellung eines End-of-life-Indikators sei auch aus Paragraph [0054] der Druckschrift (2) bekannt.

Indessen ist festzustellen, dass die zitierten Passagen sich darauf beziehen, dass durch unterschiedliche Beduftung ein End-of-life-Indikator bereitgestellt wird. Die technische Aufgabe, nämlich einem Gewöhnungseffekt entgegenzuwirken, ist weder den zitierten Passagen, noch an anderer Stelle der Druckschriften (1) und (2) angedeutet. Es ist kein Hinweis auf die Lösung der in Paragraph 3.2 definierten technischen Aufgabe zu erkennen. Das Argument der Beschwerdeführerin kann somit nicht zum Erfolg führen.

3.8 Aus den oben genannten Gründen kommt die Kammer daher zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ beruht.

Der Gegenstand der abhängigen Ansprüche 2 bis 11 stellt jeweils bevorzugte Ausführungsformen des Gegenstandes von Anspruch 1 dar und wird folglich von dessen erfinderischer Tätigkeit getragen.

Da die Kammer dem Hauptantrag der Beschwerdegegnerin entsprochen hat, ist über die nachrangigen Hilfsanträge nicht zu entscheiden.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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