European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2019:T065916.20190327 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 27 März 2019 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0659/16 | ||||||||
Anmeldenummer: | 09005430.5 | ||||||||
IPC-Klasse: | B60J 10/02 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Profilelement zum Verbinden einer Fahrzeugscheibe mit einem Wasserkasten | ||||||||
Name des Anmelders: | Elkamet Kunststofftechnik GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | SAINT-GOBAIN GLASS FRANCE REHAU AG + Co |
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Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit - (ja) Erfinderische Tätigkeit - (ja) Ausreichende Offenbarung der Erfindung Ausreichende Offenbarung - (ja) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. 2123497 in geändertem Umfang, zur Post gegeben am 10. Februar 2016.
II. Die Einspruchsabteilung hat u.a. entschieden, dass die Erfindung gemäß dem im Einspruchsverfahren geänderten Anspruch 1 ausreichend offenbart ist (Artikel 83 EPÜ) und dass der Gegenstand dieses Anspruchs neu ist unter Berücksichtigung der Dokumente
WO 01/85481 A1 (E1) und
DE 10 2004 030 465 A1 (E3).
Des Weiteren beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit, ausgehend von E1 oder E3 in Kombination mit einem der Dokumente:
DE 11480058 A1 (E7)
DE 10122637 A1 (E8)
EP 1571069 A1 (E9).
III. Gegen diese Entscheidung hat die Einsprechende 1 (SAINT-GOBAIN GLASS FRANCE) Beschwerde eingelegt und zum Nachweis des allgemeinen Fachwissens die folgenden Druckschriften vorgelegt:
DE 200 08 555 U1 (E19)
EP 1724 141 A (E20)
JP H08240213 (E21)
DE 2801640A1 (E22)
DE 60202318 T2 (E23)
DE 602004008432 T2 (E24)
IV. Am 27. März 2019 wurde mündlich verhandelt.
Die Beschwerdeführerin (Einsprechende 1) beantragte die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Beschwerde zurückzuweisen (Hauptantrag) hilfsweise ein Patent in geänderter Fassung auf der Grundlage der Ansprüche des Hilfsantrags 1 eingereicht mit Schreiben vom 28. September 2018 aufrechtzuerhalten.
Die weitere Beteiligte (Einsprechende 2, REHAU AG + Co) war nicht zugegen und hat sich im gesamten Verfahren vor der Beschwerdekammer nicht zur Sache geäußert.
V. Der Anspruch 1 gemäß der Zwischenentscheidung lautet wie folgt:
Profilelement (10) zum Verbinden einer Fahrzeugscheibe (40) mit einem Wasserkasten (50), mit einem ersten Abschnitt (20), der an der Fahrzeugscheibe festlegbar ist, mit einem zweiten Abschnitt (30), der zur lösbaren Befestigung des Wasserkastens (50) eine Rastausnehmung (60) hat oder bildet, wobei der Wasserkasten (50) eine Rippe (51) aufweist, die kraft- und/oder formschlüssig in der Rastausnehmung (60) festlegbar ist, und mit wenigstens einem Dichtelement (90), das zwischen der Unterkante (42) der Fahrzeugscheibe (40) und dem oberen Rand (53) des Wasserkastens (50) einpassbar ist und in montierter Position des Wasserkastens (50) einen im Wesentlichen glatten und flächenbündigen Übergang zwischen der Fahrzeugscheibe (40) und dem Wasserkasten (50) bildet,
dadurch gekennzeichnet, dass
wenigstens ein Rastelement (70) vorgesehen ist, welches derart ausgebildet ist, dass das Einführen der Rippe (51) des Wasserkastens (50) in die Rastausnehmung (60) in einer ersten Richtung (RI) erleichtert, das Herausziehen der Rippe (51) aus der Rastausnehmung (60) in entgegengesetzter Richtung (R2) hingegen erschwert ist und wobei das bzw. jedes Rastelement (70) in einem Winkel (a) zur Richtung (R1, R2) angeordnet ist und dabei einen Widerhaken bildet, wobei die Rastausnehmung (60) von einem Federschenkel (62) und einer Tragrippe (80) gebildet ist, wobei zwischen dem ersten Abschnitt (20) und dem zweiten Abschnitt (30) des Profilelements (10) die Tragrippe (80) ausgebildet ist, welche das wenigstens eine Dichtelement (90) trägt, wobei das freie Ende (64) des Federschenkels (62) und die Tragrippe (80) eine Eingriffsöffnung (61) der Rastausnehmung (60) begrenzen, wobei das freie Ende (64) des Federschenkels (62) innerhalb der Rastausnehmung (60) mit einer Hinterschneidung (63) versehen und das Rastelement (70) im Bereich der Hinterschneidung (63) an dem Federschenkel (62) festgelegt ist, oder wobei die Tragrippe (80) innerhalb der Rastausnehmung (60) eine Hinterschneidung (83) bildet und das Rastelement (70) im Bereich der Hinterschneidung (83) an der Tragrippe (80) festgelegt ist.
Der abhängige Anspruch 5 gemäß der Zwischenentscheidung lautet wie folgt:
Profilelement nach Anspruch 4, dadurch gekennzeichnet, dass die Rastausnehmung (60) eine Eingriffsöffnung (61) hat oder bildet, wobei das bzw. jedes Rastelement (70) zumindest abschnittsweise in die Eingriffsöffnung (61) hineinragt.
VI. Die Argumente der Beschwerdeführerin - soweit sie für die Entscheidung wesentlich waren - lauteten wie folgt:
Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist nicht neu gegenüber den Dokumenten E1 oder E3.
Hierzu sei insbesondere relevant, wie das Merkmal M7, vgl. Merkmalsgliederung in der Beschwerdebegründung, Seite 3, interpretiert werde und was unter einem Rastelement zu verstehen sei. Weder durch den Anspruchswortlaut noch durch die Beschreibung sei gefordert, dass es sich bei dem Rastelement und der Tragrippe um zwei unterschiedliche Strukturen handele. Auch in E1 sei eine Rastnase offenbart, ein Rastelement, vgl. Abbildung 1 in der Beschwerdebegründung, Element f).
Auch dies sei strukturell und funktionell trennbar von der Tragrippe, an der es festgelegt sei.
Eine ähnliche Situation ergebe sich für Dokument E3, dort Figur 2, vgl. Abbildung 3 in der Beschwerdebegründung, Element f). Auch hier existiere ein individualisierbares Rastelement, welches funktional und strukturell von der Tragrippe getrennt sei.
Weiterhin gebe es auf der anderen Seite des Profilelements, knapp oberhalb des Bezugszeichens 26 (Figur 3) einen geschlossenen Linienzug, der ebenfalls eine Rastmöglichkeit darstelle. Auch sei diese in einem Hinterschnitt angebracht, so dass auch dieser Aspekt der E3 alle Merkmale des Anspruchs 1 offenbare.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe aber auch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, ausgehend von E1 oder E3. Hierzu seien zusätzlich zum im Verfahren befindlichen Stand der Technik die Dokumente E22 bis E24 genannt, die das allgemeine Fachwissen nachweisen sollen, nämlich, dass es dem Fachmann sehr wohl bekannt ist, Rastelemente in Hinterschnitten unterzubringen.
Die objektive technische Aufgabe sei darin zu sehen, dass das Rastelement in einem Winkel zur Fügerichtung angebracht werde, so dass das Rastelement in den Eingriffskanal der Rippe des Wasserkastens vorstehe und beim Einfügen der Rippe leicht zur Seite gedrückt werden könne, ohne umliegende Strukturen zu belasten.
Auch offenbarten die Druckschriften E7 bis E9 elastisch verformbare Schnapprasten, so dass mit der dort offenbarten Lehre es dem Fachmann ohne erfinderisches Zutun möglich sei, zu der strittigen Erfindung zu gelangen.
Letztlich sei noch zu beanstanden, dass die Lehre des abhängigen Anspruchs 5 nicht ausführbar sei. Anspruch 5 nenne den Begriff der Eingriffsöffnung. Wenn das Rastelement zumindest abschnittsweise in die Eingriffsöffnung zwischen dem freien Ende des Federschenkels und die Tragrippe hineinragen soll, müsste das Rastelement also umgebogen werden, so dass es sich in Gegenrichtung erstrecke. Dann aber könne nicht erkannt werden, wie die Aufgabe noch erfüllt werden könne. Es werde aber nicht bestritten, dass der Fachmann in der Lage sei, ein Profilelement zu erstellen, wie es in den Figuren der Patentschrift gezeigt sei.
VII. Den Argumenten der Beschwerdegegnerin ist die Kammer in dieser Entscheidung vollumfänglich gefolgt. Diese sind somit den Gründen für diese Entscheidung zu entnehmen.
Entscheidungsgründe
1. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist neu gegenüber den Dokumenten E1 und E3, Artikel 54 EPÜ.
1.1 Die Kammer teilt hierbei die Auffassung der Einspruchsabteilung, wie sie im Abschnitt 2.4 ff. der Entscheidung dargelegt ist.
Insbesondere ist hierzu festzustellen, dass Anspruch 1 des Streitpatents wenigstens ein Rastelement definiert welches unabhängig von einer Rastausnehmung (60) existiert, die gemäß Merkmal M9) von einem Federschenkel und einer Tragrippe gebildet wird (Merkmalsgliederung gemäß der Beschwerdebegründung, Seite 3). Nur dann ist es möglich, dass das Rastelement im Bereich einer Hinterschneidung an der Tragrippe oder am Federschenkel festgelegt ist. Diese Interpretation wird auch durch die gesamte Offenbarung der Streitpatentschrift gestützt.
Dies aber ist in E1 oder E3 nicht der Fall.
In E1 (Figur 4) bilden - der Argumentation der Beschwerdeführerin folgend - die Tragrippe und das Rastelement ein einziges Bauteil. Würde in E1, Figur 4 das Rastelement wegfallen, so wiese das verbleibende Bauteil auch keine Tragrippe auf.
Dieselbe Situation liegt in E3 vor, dort Figur 2.
Würde die Nase am Bezugszeichen 1 - welche das erfindungsgemäße Rastelement darstellen soll - wegfallen, so wäre auch keine Tragrippe mehr vorhanden.
1.2 In Bezug auf die mit Schreiben vom 18. Dezember 2018 erstmals vorgetragene Argumentationslinie, in E3 sei im Bereich des Rastprofils 29 eine Hinterschneidung und ein zusätzliches Rastelement vorhanden, stellt die Kammer fest, dass hierzu keine entsprechende Offenbarung in E3 vorhanden ist. Für den kleinen geschlossenen Linienzug oberhalb des Bezugszeichens 26 an der Kante zwischen dem schraffierten (28) und dem nicht-schraffierten Bauteil (24) gibt es keinerlei Erklärung in der E3. Somit kann - im Gegensatz zu der Behauptung der Beschwerdeführerin - eine Rastnase oder eine Hinterschneidung nicht eindeutig und unmittelbar entnommen werden.
2. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit ausgehend von den Dokumenten E1 oder E3, Artikel 56 EPÜ.
2.1 Die Kammer kann den Argumenten der Beschwerdeführerin insoweit folgen, dass es für den Fachmann selbstverständlich ist, Rastelemente vorzusehen, wenn es darum geht, Teile form- und reibschlüssig miteinander zu verbinden.
So offenbart auch E1 unstrittig eine Tragrippe und einen Federschenkel, die gemeinsam eine keilförmige Rippe rastend aufnehmen.
2.2 Allerdings offenbart keines der im Stand der Technik befindlichen Dokumente (E1, E3, E7 bis E9, E19 bis E24) die letzten beiden Merkmale des kennzeichnenden Teils, wonach ein Rastelement im Bereich einer Hinterschneidung angeordnet ist ("das freie Ende (64) des Federschenkels (62) innerhalb der Rastausnehmung (60) mit einer Hinterschneidung (63) versehen und das Rastelement (70) im Bereich der Hinterschneidung (63) an dem Federschenkel (62) festgelegt ist, oder wobei die Tragrippe (80) innerhalb der Rastausnehmung (60) eine Hinterschneidung (83) bildet und das Rastelement (70) im Bereich der Hinterschneidung (83) an der Tragrippe (80) festgelegt ist"). Siehe auch dazu die Entscheidung der Einspruchsabteilung, Punkt 2.5, der sich die Kammer in diesem Punkt anschließt.
2.3 Die mit der Beschwerdebegründung vorgelegten Dokumente E19 bis E24 sollen gemäß der Beschwerdeführerin zum Nachweis des allgemeinen Fachwissens dienen. Auch weil sie - trotz der Berücksichtigung des Fachwissen - keinen Einfluss auf das Ergebnis der Entscheidung der Kammer haben, kann offenbleiben, ob sie in das Verfahren zugelassen wurden oder nicht.
3. Die Erfindung ist derart offenbart, dass ein Fachmann sie auszuführen in der Lage ist.
Das gilt insbesondere für die Erfindung, wie sie im Anspruch 5 definiert ist, Artikel 100 b) EPÜ.
3.1 Die Beschwerdeführerin beanstandet, dass das Rastelement nicht in die Eingriffsöffnung, wie diese in Anspruch 5 definiert ist, hineinragen könne, ohne selbst umgebogen zu sein und damit nicht mehr den vorgesehenen Zweck erfüllen könne.
3.2 Für die Kammer offenbaren die Figuren 1 und 2 des Streitpatents für den Fachmann verständlich und ausreichend klar, was unter der Eingriffsöffnung (in Figur 2 mit Bezugszeichen 61 versehen) zu verstehen ist und wie sich ein in die Eingriffsöffnung hineinragendes Rastelement darstellt.
Unstrittig ist, dass der Fachmann das in den Figuren dargestellte Profilelement nachzuarbeiten in der Lage ist.
3.3 Da die Kammer auch in dieser Sache im Sinne der Beschwerdegegnerin entschieden hat, kann es offenbleiben, ob der Einwand der mangelnden Ausführbarkeit gegen Anspruch 5 bereits vor der ersten Instanz hätte vorgebracht werden müssen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.