European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2018:T065616.20181206 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 06 Dezember 2018 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0656/16 | ||||||||
Anmeldenummer: | 10004627.5 | ||||||||
IPC-Klasse: | A24D 3/02 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Vorrichtung zum Aufbereiten von Filtertowmaterial sowie Vorrichtung zur Herstellung von Filtern | ||||||||
Name des Anmelders: | Hauni Maschinenbau GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | G.D S.p.A. Papadimitriou, Angelos |
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Kammer: | 3.2.04 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Beitritt des vermeintlichen Patentverletzers - Zulässigkeit des Beitritts während des Beschwerdeverfahrens Teilanmeldung - Gegenstand geht über den Inhalt der früheren Anmeldung hinaus (ja) Spät eingereichte Hilfsanträge - Antrag eindeutig gewährbar (nein) Spät eingereichte Hilfsanträge - zugelassen (nein) |
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Orientierungssatz: |
Gründe 6.3 |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, zur Post gegeben am 11. März 2016, den Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 2 213 184 nach Artikel 101(2) EPÜ zurückzuweisen.
Das Patent wurde als Teilanmeldung einer früheren Anmeldung eingereicht (nachfolgend Stammanmeldung, als WO 2005/058079 A1 veröffentlicht).
II. Der Einspruch gegen das Patent war auf die Gründe Artikel 100 (a) i.V.m. Artikel 54 und 56 EPÜ, Artikel 100(b) EPÜ und Artikel 100 (c) EPÜ gestützt. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass keine der erhobenen Einwände der Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt entgegenstehen.
III. Gegen diese Entscheidung hat die Einsprechende als Beschwerdeführerin am 17. März 2016 Beschwerde eingelegt und am selben Tag die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung wurde am 20. Juli 2016 eingereicht.
Am 5. September 2017 erklärte der Beitretende "Angelos Papadimitriou" seinen Beitritt zum Einspruch und zahlte am gleichen Tag die Einspruchsgebühr.
IV. In einer Mitteilung der Beschwerdekammer gemäß Artikel 15(1) VOBK nach erfolgter Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 16. April 2018 teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Auffassung zu den sich durch den Beitritt ergebenden verfahrensrechtlichen Fragen mit. In einer weiteren Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK vom 3. August 2018 teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Auffassung zu den Sachfragen mit. Die mündliche Verhandlung fand am 5. und 6. Dezember 2018 in Anwesenheit aller am Beschwerdeverfahren beteiligten Parteien statt.
V. Die Beschwerdeführerin-Einsprechende und der Beitretende beantragen die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Die Patentinhaberin als Beschwerdegegnerin beantragt die Zurückweisung der Beschwerde und die Aufrechterhaltung des Patents im erteilten Umfang, hilfsweise im Umfang eines der Hilfsanträge 1 - 9, alle erneut eingereicht mit der Erwiderung zur Beschwerdebegründung, des Hilfsantrags 10, eingereicht mit Schreiben vom 12. März 2018, oder eines der Hilfsanträge 8A, 8B und 8C, die während der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer gestellt wurden.
VI. Der unabhängige Anspruch 1 der für diese Entscheidung relevanten Anträge hat folgenden Wortlaut:
Hauptantrag
"Vorrichtung zum Aufbereiten von Filtertowmaterial für die Herstellung von Filtern für stabförmige Rauchartikel wie beispielsweise Zigaretten, mit Filtertowbereitstellungsmitteln (7) zur Bereitstellung von mindestens zwei Filtertowstreifen (4, 6), mindestens zwei Towführungsbahnen (2, 3) von denen in jeder Towführungsbahn (2, 3) ein Filtertowstreifen (4, 6) geführt wird, und Bearbeitungseinrichtungen (24, 44) zum Bearbeiten der Filtertowstreifen (4, 6), bei welcher jeder Towführungsbahn (2, 3) eine eigene Bearbeitungseinrichtung (26, 28, 30, 49; 27, 29, 31, 50) zugeordnet ist, die separat steuerbar ist, wobei jede Bearbeitungseinrichtung Mittel (26, 28, 30, 49; 27, 29, 31, 50) zum Ausbreiten, Recken und/oder Behandeln des Filtertowmaterials aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass jeder Towführungsbahn Mittel zum Ausbreiten des Filtertowmaterials zugeordnet sind und die Mittel zum Ausbreiten jeweils eine Einheit bilden, in der sie quer zur Richtung der Towführungsbahnen nebeneinander angeordnet sind, wobei entsprechend der Anzahl der Towführungsbahnen eine entsprechende Anzahl von Mitteln zum Ausbreiten vorgesehen sind, wobei sämtliche Mittel zum Ausbreiten eine Einheit bilden und dass die Vorrichtung oberhalb der Filtertowbereitstellungsmittel (7) ein Umlenk- und Towausbreitungsorgan (10) aufweist, das am oberen Ende eines Stützarms (12) angeordnet ist und zwei nebeneinander liegende gleiche Towführungen (14) aufweist und an welchem erste Ausbreiterdüsen (16) vorgesehen sind, und an einem Maschinengestell (20) zweite Ausbreiterdüsen (22) angeordnet sind, an denen die vom Umlenk- und Towausbreitungsorgang (10) kommenden Filtertowstreifen (4, 6) entlang geführt werden und an die sich eine zweibahnige Streckeinrichtung (24) anschließt."
Hilfsantrag 1
Wie im Hauptantrag, jedoch mit folgenden Änderungen (von der Kammer durch Unterstreichung hervorgehoben): "...an welchem erste Ausbreiterdüsen (16) vorgesehen sind, wobei die Towführungen (14) den ersten Ausbreiterdüsen (16) vorgeordnet sind, und an einem Maschinengestell (20) zweite Ausbreiterdüsen (22) angeordnet sind...".
Hilfsantrag 2
Wie im Hauptantrag, wobei am Ende der folgende Wortlaut hinzugefügt wurde: "wobei die Streckeinrichtung (24) erste und zweite Bremswalzenpaare (26, 27), stromabwärts hinter den Bremswalzenpaaren (26, 27) gelegene erste und zweite Streckwalzenpaare (28, 29) und stromabwärts hinter den ersten und zweiten Streckwalzenpaaren (28, 29) gelegene dritte und vierte Streckwalzenpaare (30, 31) aufweist."
Hilfsantrag 3
Wie im Hauptantrag, wobei am Ende der folgende Wortlaut hinzugefügt wurde: "wobei jeder Towführungsbahn (2, 3) Mittel (26, 28, 30, 49; 27, 39, 31, 50) zum Recken und/oder Behandeln des Filtertowmaterials zugeordnet sind und die Mittel zum Recken und/oder die Mittel zum Behandeln jeweils eine Einheit bilden, in der sie quer zur Richtung der Towführungsbahnen (2, 3) nebeneinander angeordnet sind."
Hilfsantrag 4
Wie im Hilfsantrag 3, wobei am Ende der folgende Wortlaut hinzugefügt wurde: "wobei jedes Mittel zum Recken ein von zugehörigen Antriebsmitteln angetriebenes, einseitig gelagertes Walzenpaar (28, 30; 29, 31) aufweist."
Hilfsantrag 5
Wie im Hilfsantrag 3, jedoch mit folgenden Änderungen (von der Kammer mittels Durchstreichung hervorgehoben): "...wobei jede Bearbeitungseinrichtung Mittel (26, 28, 30, 49; 27, 29, 31, 50) zum Ausbreiten, Recken und[deleted: /oder ]Behandeln des Filtertowmaterials aufweist..."
Hilfsantrag 6
Wie im Hilfsantrag 4, jedoch mit folgenden Änderungen (von der Kammer mittels Durchstreichung hervorgehoben): "...wobei jede Bearbeitungseinrichtung Mittel (26, 28, 30, 49; 27, 29, 31, 50) zum Ausbreiten, Recken und[deleted: /oder ]Behandeln des Filtertowmaterials aufweist..."
Hilfsanträge 7, 9 und 10
Wie im Hauptantrag, wobei am Ende der folgende Wortlaut hinzugefügt wurde: "wobei die Vorrichtung eine Formungseinrichtung (62, 63) zum Formen von zwei runden Filtertowsträngen (64, 66) aus zwei Filtertowstreifen (4, 6) aufweist, wobei zur Reduzierung des Abstandes zwischen den Filtertowsträngen (64, 66) stromabwärts nach der Formungseinrichtung (62, 63) zwei doppelt gekröpfte, konische Einlauffinger (68, 69) vorgesehen sind, durch die jeweils ein Filtertowstrang (64, 66) geführt wird."
Hilfsantrag 8
Wie im Hilfsantrag 2, wobei am Ende der folgende Wortlaut hinzugefügt wurde: "wobei die Bremswalzenpaare (26, 27) durch separat zugeordnete Betätigungsorgane betätigbar sind, mit denen die von den Bremswalzen (26, 27) auf die Filtertowstreifen (4, 6) ausgeübte Bremskraft beeinflusst werden kann."
Hilfsantrag 8A
Wie im Hilfsantrag 8, jedoch mit folgenden Änderungen (von der Kammer mittels Durch- und Unterstreichung hervorgehoben): "... zur Bereitstellung von [deleted: mindestens] zwei Filtertowstreifen (4, 6), [deleted: mindestens] zwei Towführungsbahnen (2, 3)..., dadurch gekennzeichnet, dass die Mittel zum Ausbreiten, Recken und/oder Behandeln des Filtertowmaterials allesamt in Bezug auf jede Towführungsbahn jeweils separat steuerbar sind und dass jeder Towführungsbahn..."
Hilfsantrag 8B
Wie im Hilfsantrag 8A, jedoch mit folgenden Änderungen (von der Kammer mittels Unterstreichung hervorgehoben): "...eine entsprechende Anzahl von Mitteln zum Ausbreiten vorgesehen sind, wobei die Mittel zum Ausbreiten des Filtertowmaterials allesamt in Bezug auf jede Towführungsbahn jeweils separat steuerbar sind, wobei sämtliche Mittel zum Ausbreiten ..."
Hilfsantrag 8C
Wie im Hilfsantrag 8A, jedoch mit folgenden Änderungen (von der Kammer mittels Unterstreichung hervorgehoben): "...und an welchem zwei erste Ausbreiterdüsen (16) vorgesehen sind, und an einem Maschinengestell (20) zwei zweite Ausbreiterdüsen (22) angeordnet sind..."
Zusätzlich wurde am Ende der folgende Wortlaut eingefügt: "wobei die ersten und zweiten Bremswalzenpaare (26, 27), die ersten und zweiten Streckwalzenpaare (28, 29) sowie die dritten und vierten Streckwalzenpaare (30, 31) jeweils koaxial zueinander und nebeneinanderliegend angeordnet sind, wobei das erste Bremswalzenpaar (26), das erste Streckwalzenpaar (28) und das dritte Streckwalzenpaar (30) der ersten Towführungsbahn (2) und das zweite Bremswalzenpaar (27), das zweite Streckwalzenpaar (29) und das vierte Streckwalzenpaar (31) der zweiten Towführungsbahn (3) zugeordnet sind."
VII. Die Beschwerdeführerin-Einsprechende und der Beigetretene haben zu den entscheidungserheblichen Punkten folgendes vorgetragen:
Herr Cossu solle als Begleitperson unter Aufsicht der zugelassenen Vertreter des Beitretenden, die Herren Bianciardi oder Ghioni, vortragen dürfen.
Der Beitritt des Herrn A. Papadimitriou sei zulässig.
Der unabhängige Anspruch 1 aller Anträge gehe über den Inhalt der Stammanmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus.
Die Hilfsanträge 8A, 8B und 8C seien nicht zum Verfahren zuzulassen, da Anspruch 1 dieser Anträge nicht die Erfordernisse des Artikels 76 EPÜ erfülle.
VIII. Die Beschwerdegegnerin-Patentinhaberin hat zu den entscheidungserheblichen Punkten folgendes vorgetragen:
Herr Cossu solle als Begleitperson der zugelassenen Vertreter des Beitretenden keine Ausführungen machen dürfen.
Der Beitritt des Herrn A. Papadimitriou sei nicht zulässig.
Der unabhängige Anspruch 1 aller Anträge gehe nicht über den Inhalt der Stammanmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus.
Die Hilfsanträge 8A, 8B und 8C seien zum Verfahren zuzulassen. Insbesondere erfülle Anspruch 1 dieser Anträge die Erfordernisse des Artikels 76 EPÜ.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Anwendungsgebiet der Erfindung
Das Streitpatent betrifft eine Vorrichtung zum Aufbereiten von Filtertowmaterial für die Herstellung von Filtern für stabförmige Rauchartikel wie beispielsweise Zigaretten. Die Vorrichtung weist mindestens zwei Towführungsbahnen (2, 3) zur Führung von Filtertowstreifen (4, 6) auf, wobei jeder Towführungsbahn eine eigene Bearbeitungseinrichtung zugeordnet ist, die separat steuerbar ist. Jede Bearbeitungseinrichtung weist insbesondere Mittel zum Ausbreiten und Mittel zum Recken des Filtertowmaterials auf. Die Vorrichtung weist außerdem einen Stützarm auf, an welchem erste Ausbreiterdüsen (16) vorgesehen sind. An einem Maschinengestell sind zweite Ausbreiterdüsen (22) angeordnet, an denen die vom Umlenk- und Towausbreitungsorgang kommenden Filtertowstreifen entlang geführt werden und an die sich eine zweibahnige Streckeinrichtung (24) anschließt (siehe die Figuren 1-3 des Streitpatents).
3. Mündliche Ausführungen des Herrn Cossu
3.1 Mit dem Schreiben vom 7. November 2018 beantragte der zugelassene Vertreter des Beitretenden, dass Herr Cossu als Begleitperson während der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer mündliche Ausführungen machen dürfe.
3.2 Laut der Entscheidung G 4/95 der Großen Beschwerdekammer besteht im Einspruchs- oder Einspruchsbeschwerdeverfahren kein Rechtsanspruch auf mündliche Ausführungen durch eine Begleitperson; diese dürfen nur mit Zustimmung der Kammer und nach ihrem Ermessen gemacht werden. Das EPA hat bei der Ausübung seines Ermessens folgende Kriterien zu berücksichtigen:
i) Der zugelassene Vertreter muss beantragen, dass diese mündlichen Ausführungen gemacht werden dürfen. Im Antrag sind der Name und die Qualifikation der Begleitperson anzugeben und der Gegenstand der beabsichtigten mündlichen Ausführungen zu nennen.
ii) Der Antrag ist so rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung zu stellen, dass sich alle Gegenparteien auf die beabsichtigten mündlichen Ausführungen angemessen vorbereiten können.
iii) Ein Antrag, der erst kurz vor oder während der mündlichen Verhandlung gestellt wird, ist zurückzuweisen, sofern nicht außergewöhnliche Umstände vorliegen, es sei denn, alle Gegenparteien sind damit einverstanden, dass die beantragten mündlichen Ausführungen gemacht werden.
iv) Das EPA muss davon überzeugt sein, dass die Begleitperson die mündlichen Ausführungen unter der ständigen Verantwortung und Aufsicht des zugelassenen Vertreters macht.
Siehe hierzu RdBK, 8. Auflage 2016, III.R.5.1
3.3 Daher muss die Kammer diese vier Kriterien bei der Ausübung ihres Ermessens berücksichtigen:
3.3.1 Im Hinblick auf das Kriterium i wertet die Kammer das Schreiben vom 7.11.2018 als einen Antrag auf mündliche Ausführungen einer Begleitperson. Bezüglich der Qualifikation von Herrn Cossu wird dort angeführt, dass er als Referendar in der Kanzlei des zugelassenen Vertreters beschäftigt sei und bereits die Europäische Eignungsprüfung abgelegt habe. Bezüglich des Gegenstands der beabsichtigten mündlichen Ausführungen wird im Schreiben angegeben, dass Herr Cossu den Fall des Beitretenden präsentieren soll.
3.3.2 Im Hinblick auf die Kriterien ii und iii wurde der Antrag vier Wochen vor der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer gestellt. Aus Sicht der Kammer ermöglicht dieser Zeitraum eine angemessene Vorbereitung der anderen Parteien. Da der Antrag nicht erst kurz vor oder während der mündlichen Verhandlung gestellt wurde, ist das Kriterium iii nicht zu berücksichtigen.
3.3.3 Im Hinblick auf das Kriterium iv hat die Kammer keine Veranlassung, an der Aufsichtsfunktion des zugelassenen Vertreters Herr Bianciardi zu zweifeln.
3.4 Da der Antrag die relevanten Kriterien i, ii und iv erfüllt, entschied die Kammer, dass Herr Cossu in der mündlichen Verhandlung unter Aufsicht der Herren Bianciardi oder Ghioni vortragen dürfte.
4. Zulässigkeit des Beitritts
4.1 Die Beschwerdegegnerin bestreitet die Zulässigkeit des Beitritts mit den folgenden Argumenten:
Eine Vollmachtserklärung für den Vertreter fehle, weil das Kästchen "Einsprechenden" auf dem Vollmachtsformular nicht angekreuzt sei. Es fehle jedenfalls am Nachweis, dass der Beitretende in einem Vertragsstaat seinen Wohnsitz habe.
Es fehle der eindeutige Nachweis, dass die in Artikel 105 EPÜ genannte drei-Monatsfrist eingehalten worden sei, da auf dem Rückschein über die Zustellung der Klage der 5. Juni als Datum nicht eindeutig erkennbar sei. Auch sei die Unterschrift auf dem Zustellungsbescheid nicht mit der des Beitretenden identisch.
Die Einsprechende bezeichne die Patentinhaberin als "Hauni Maschinenbau AG", das Patent sei zwischenzeitlich aber auf die (personengleiche) Hauni GmbH überschrieben worden.
4.2 Die Auffassung der Kammer hierzu ist folgende:
Im Hinblick auf die Vollmacht bedarf es grundsätzlich keines Nachweises, da der Beitretende durch einen zugelassenen Vertreter vertreten wird. Da der Vertreter zudem die Beschwerdeführerin-Einsprechende vertritt, sind Zweifel an der Vertretungsvollmacht auch nicht angezeigt.
Im Hinblick auf die rechtzeitige Zustellung dient der Rückschein gerade dem Nachweis über die Zustellung, und sowohl Stempeldatum als auch handschriftliches Datum weisen, soweit leserlich, den 5. Juni aus. Insoweit besteht jedenfalls ein Anscheinsbeweis, gegen den die Patentinhaberin auch keine substantiierten Zweifel geltend gemacht hat. Im Übrigen drückt Regel 126 Abs. 1 letzter Halbsatz EPÜ einen allgemeinen Grundsatz aus, wonach nicht der Empfänger, sondern der Absender eines Schriftstückes im Zweifel zu beweisen hat, dass und wann dieses den Empfänger erreicht hat. Zweifel, die sich unter anderem aus Unleserlichkeiten ergeben, gehen daher nicht zu Lasten des Empfängers. Bezüglich der Abweichungen der Unterschrift sei nur angemerkt, dass die Zustellung nicht notwendigerweise an den Empfänger selbst, sondern auch an im Haus lebende oder sonst bevollmächtigte Personen erfolgen kann. Das ist bei Unternehmen die Regel. Auch insoweit bestehen keine vernünftigen Zweifel an der von dem Beitretenden behaupteten Empfang der Klagschrift am 5. Juni 2017.
Im Hinblick auf den verwendeten Namen der Patentinhaberin ist der Unterschied unerheblich, da die Klägerin der Verletzungsklage und die Patentinhaberin identisch sind, und es als Voraussetzung für den Beitritt nur erforderlich ist, dass aus dem im Einspruch oder Beschwerde anhängigen Patent vorgegangen wird, nicht aber, wem das Patent gehört.
4.3 Aus diesen Gründen gelangt die Kammer zu der Auffassung, dass der Beitritt form- und fristgerecht erklärt worden ist (Artikel 105 EPÜ i.V.m. Regel 89 EPÜ).
5. Änderungen - Hauptantrag, Hilfsanträge 1-10
5.1 Das Streitpatent ist aus einer Teilanmeldung hervorgegangen. Sein Gegenstand darf somit nicht über den Inhalt der früheren Anmeldung (nachfolgend: Stammanmeldung) in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehen (Artikel 100 (c) bzw. Artikel 76(1) Satz 2 EPÜ).
Anspruch 1 des Hauptantrags beruht auf einer Kombination der Ansprüche 1, 3 und 4 der Stammanmeldung. Zusätzlich wurde insbesondere das Merkmal "... erste Ausbreiterdüsen (16) vorgesehen sind, und ... zweite Ausbreiterdüsen (22) angeordnet sind ..." aus dem Ausführungsbeispiel aufgenommen (Stammanmeldung, u.a. Seite 9, Zeile 32, bis Seite 10, Zeile 10).
Daher ist nun zu untersuchen, ob sich eine Vorrichtung zum Aufbereiten von Filtertowmaterial mit nicht näher spezifizierten ersten und zweiten Ausbreiterdüsen für den Fachmann unmittelbar und eindeutig aus der Offenbarung der Stammanmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung ableiten lässt (RdBK, 8. Auflage 2016, II.F.2.1.1).
5.2 In der Stammanmeldung werden erste und zweite Ausbreiterdüsen unbestritten nur im Ausführungsbeispiel offenbart. Dort werden sie jedoch in Verbindung mit weiteren Merkmalen offenbart und weisen eine spezifische Ansteuerung auf:
5.2.1 Im Hinblick auf die weiteren Merkmale werden im Ausführungsbeispiel genau zwei erste und zwei zweite Ausbreiterdüsen in Verbindung mit zwei Towführungsbahnen und zwei Filtertowstreifen in einer zweibahnigen Streckeinrichtung offenbart. Zusätzlich werden die beiden Filtertowstreifen jeweils unabhängig vom anderen Filtertowstreifen gereckt (Stammanmeldung, Seite 11, Zeilen 27-33; Seite 12, Zeilen 21-27). Wegen der gleichen Bedeutung der Begriffe Recken und Strecken bildet diese zweibahnige Streckeinrichtung die anspruchsgemäßen Mittel zum Recken. Diese müssen für ein unabhängiges Recken der beiden Filtertowstreifen in Bezug auf jede Towführungsbahn separat steuerbar sein.
5.2.2 Im Hinblick auf die Ansteuerung der Ausbreiterdüsen ist im Ausführungsbeispiel jeweils eine der zweiten Ausbreiterdüsen 22 einer der beiden Towführungsbahnen zugeordnet (siehe Figur 3). Ein Fachmann entnimmt - wie von der Beschwerdegegnerin-Patentinhaberin dargelegt - der ähnlichen Darstellung der Ausbreiterdüsen 16 und 22 in Figur 2, dass auch zwei erste Ausbreiterdüsen vorhanden sind, von denen jede jeweils einer der beiden Towführungsbahnen zugeordnet ist, siehe auch Seite 10, Zeilen 2-5. Weiterhin teilt die Kammer die Sichtweise der Beschwerdegegnerin, wonach erfindungsgemäße Mittel zum Ausbreiten des Filtertowmaterials in Bezug auf jede Towführungsbahn jeweils separat steuerbar sein müssen (Stammanmeldung, Seite 3, Zeilen 28-30). Aus Gründen der Logik folgt daraus, dass die beiden ersten Ausbreiterdüsen und die beiden zweiten Ausbreiterdüsen nur dann erfindungsgemäße Mittel zum Ausbreiten darstellen, wenn jede der vier Ausbreiterdüsen separat steuerbar ist.
5.3 In Anspruch 1 des Hauptantrags wird jeder Towführungsbahn eine separat steuerbare Bearbeitungseinrichtung zugewiesen. Der Anspruch verlangt zwar, dass jede Bearbeitungseinrichtung Mittel zum Ausbreiten, Recken und/oder Behandeln aufweist. Das bedingt jedoch nicht zwingend, dass auch jedes dieser Mittel separat steuerbar sein muss, damit eine Bearbeitungseinrichtung insgesamt separat steuerbar ist. Es reicht vielmehr aus, dass nur mindestens ein einziges der genannten Mittel einer Bearbeitungseinrichtung, z.B. nur das Mittel zum Behandeln, separat steuerbar ist. Da die Bearbeitungseinrichtung bereits in diesem Fall separat steuerbar ist, muss auch beim Vorhandensein mehrerer Mittel zum Ausbreiten, Recken und/oder Behandeln bereits die separate Steuerbarkeit eines einzigen dieser Mittel dazu führen, dass die gesamte Bearbeitungseinrichtung separat steuerbar ist.
Daher umfasst Anspruch 1 des Hauptantrags neben der im Ausführungsbeispiel gezeigten Ausführungsform mit jeweils einem separat steuerbaren Mittel zum Ausbreiten in Form von Ausbreiterdüsen und jeweils einem separat steuerbaren Mittel zum Recken pro Towführungsbahn auch Ausführungsformen, bei denen keines der Mittel zum Ausbreiten oder Recken (im Falle von separat steuerbaren Mitteln zum Behandeln) oder nur eines der Mittel zum Ausbreiten oder Recken pro Towführungsbahn separat steuerbar ist. Solche Ausführungsformen werden jedoch nicht vom Ausführungsbeispiel, wo sowohl das Mittel zum Ausbreiten als auch das Mittel zum Recken separat steuerbar sind, gestützt. Da zur Offenbarung solcher Ausführungsformen keine anderen Passagen in der Stammanmeldung genannt worden sind, und solche auch nicht ersichtlich sind, werden diese Ausführungsformen im Ausführungsbeispiel nicht ursprünglich offenbart.
5.4 Weiterhin umfasst Anspruch 1 des Hauptantrags wegen der Formulierungen "mindestens zwei" und wegen der nicht beschränkten Anzahl der ersten und zweiten Ausbreiterdüsen auch Ausführungsformen mit mehr als zwei Filtertowstreifen oder Towführungsbahnen bzw. mit mehr als zwei ersten und mehr als zwei zweiten Ausbreiterdüsen. Solche Ausführungsformen mit einem Mittel zum Ausbreiten in Form von Ausbreiterdüsen werden ebenfalls nicht im Ausführungsbeispiel offenbart.
5.5 Aus diesen Gründen geht der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags über den Inhalt der Stammanmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus. Diese Feststellung gilt unabhängig davon, ob Anspruch 1 des Hauptantrags auch durch das nicht näher spezifizierte Mittel zum Recken des Filtertowmaterials gegenüber dem im Ausführungsbeispiel gezeigten spezifischen Mittel mit vier Streckwalzenpaaren und zwei Bremswalzenpaaren unzulässig erweitert wurde. Diese Frage braucht die Kammer deshalb nicht zu beantworten.
5.6 Dieser Befund betrifft auch die Hilfsanträge 1-10, da sie ebenfalls nicht im Ausführungsbeispiel offenbarte Ausführungsformen umfassen, die mehr als zwei erste und zwei zweite Ausbreiterdüsen und/oder mehr als zwei Filtertowstreifen oder Towführungsbahnen aufweisen, und/oder bei denen nur eines der Mittel zum Ausbreiten oder Recken pro Towführungsbahn separat steuerbar ist. Der Anspruch 1 dieser Hilfsanträge ist jeweils durch Angabe der Zuordnung der Towführungen zu den Ausbreiterdüsen (Hilfsantrag 1) oder durch Aufnahme von Merkmalen aus den abhängigen Ansprüchen 2, 6, 7 und/oder 11 geändert worden (Hilfsanträge 2 bis 10), die nicht die separate Steuerbarkeit der Mittel zum Recken und der Mittel zum Ausbreiten betreffen. Auch die Streichung von "oder" in den Hilfsanträgen 5 und 6 vermag die unzulässige Zwischenverallgemeinerung durch Nicht-Angabe der separaten Steuerbarkeit der Mittel zum Recken oder Mittel zum Ausbreiten nicht zu beheben, siehe oben.
6. Zulassung zum Verfahren - Hilfsanträge 8A, 8B, 8C
6.1 Die Vorlage der Hilfsanträge 8A, 8B erfolgte erst in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer. Diese verspätet vorgelegten Hilfsanträge stellen somit geändertes Vorbringen dar, dessen Zulassung nach Maßgabe der Erfordernisse des Artikels 13(1) und (3) VOBK erfolgt.
Gemäß einem von den Kammern häufig angewandten Ansatz werden erst nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung eingereichte Anträge nur dann zugelassen, wenn sie u.a. eindeutig oder offensichtlich gewährbar sind, d.h. für die Kammer muss ohne großen Ermittlungsaufwand sofort ersichtlich sein, dass die vorgenommenen Änderungen den aufgeworfenen Fragen erfolgreich Rechnung tragen, ohne ihrerseits zu neuen Fragen Anlass zu geben (RdBK, 8. Auflage 2016, IV.E.4.2.5).
6.2 Diese Bedingung ist im Falle der Hilfsanträge 8A und 8B nicht erfüllt:
Das Merkmal "Mittel zum Ausbreiten, Recken und/oder Behandeln ... jeweils separat steuerbar sind" umfasst wegen der "oder"-Formulierung auch die Alternativen "nur Mittel zum Ausbreiten und Mittel zum Behandeln" und "nur Mittel zum Behandeln". Bei diesen Alternativen müssen die Mittel zum Recken des Filtertowmaterials bzw. auch die Mittel zum Ausbreiten nicht allesamt in Bezug auf jede Towführungsbahn separat steuerbar sein. Diese Alternativen mit einem Mittel zum Ausbreiten in Form von Ausbreiterdüsen wird aus den in Absatz 5.3 genannten Gründen nicht im Ausführungsbeispiel offenbart.
Darüber hinaus umfassen die Hilfsanträge 8A und 8B nach wie vor Ausführungsformen mit mehr als zwei ersten und zwei zweiten Ausbreiterdüsen, die ebenfalls nicht im Ausführungsbeispiel offenbart werden.
Somit tragen diese Änderungen nicht allen aufgeworfenen Fragen unter Artikel 76(1) EPÜ erfolgreich Rechnung, so dass die geänderten Ansprüche 1 der Hilfsanträge 8A und 8B nicht eindeutig gewährbar im obigen Sinne sind. Daher entschied die Kammer in der mündlichen Verhandlung, die Hilfsanträge 8A und 8B in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 13(3) VOBK nicht in das Verfahren zuzulassen.
6.3 Nach der Nicht-Zulassung der beiden Hilfsanträge 8A und 8B reichte die Beschwerdegegnerin-Patentinhaberin einen weiteren Hilfsantrag 8C ein. Im Hinblick auf den Hilfsantrag 8C gilt, dass der Beschwerdegegnerin bereits mit der Vorlage der Hilfsanträge 8A und 8B Gelegenheit gegeben worden ist, die bereits vor der Vorlage dieser Anträge geäußerten Bedenken der Kammer im Hinblick auf die im Verfahren befindlichen Anträge auszuräumen. Diese Gelegenheit hat die Beschwerdegegnerin bewusst nicht genutzt und es vorgezogen, den von der Kammer geäußerten Bedenken nur scheibchenweise Rechnung zu tragen. Das ist aus Gründen der Verfahrensgerechtigkeit, Fairness und Verfahrensökonomie weder der Kammer noch den anderen Verfahrensbeteiligten zuzumuten. Folglich entschied die Kammer in Ausübung ihres Ermessens, auch den Hilfsantrag 8C nicht ins Verfahren zuzulassen (Artikel 13(3) VOBK).
7. Die Kammer schließt, dass weder der Hauptantrag noch die Hilfsanträge 1-10 die Erfordernisse des Artikels 100(c) bzw. des Artikels 76 (1) Satz 2 EPÜ erfüllen. Die Hilfsanträge 8A, 8B und 8C wurden nicht in das Verfahren zugelassen.
Da auch unter Berücksichtigung der Änderungen nach den zugelassenen Hilfsanträgen das Patent nicht die Erfordernisse des EPÜ erfüllt, ist es gemäß Artikel 101(3)(b) EPÜ zu widerrufen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.