T 0655/16 () of 5.12.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T065516.20181205
Datum der Entscheidung: 05 Dezember 2018
Aktenzeichen: T 0655/16
Anmeldenummer: 10004626.7
IPC-Klasse: A24D 3/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Vorrichtung zum Aufbereiten von Filtertowmaterial sowie Vorrichtung zur Herstellung von Filtern
Name des Anmelders: Hauni Maschinenbau GmbH
Name des Einsprechenden: G.D S.p.A.
Papadimitriou, Angelos
Kammer: 3.2.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 76(1)
European Patent Convention Art 100(c)
European Patent Convention Art 105
European Patent Convention R 89
Schlagwörter: Beitritt des vermeintlichen Patentverletzers - Zulässigkeit des Beitritts während des Beschwerdeverfahrens
Teilanmeldung - Gegenstand geht über den Inhalt der früheren Anmeldung hinaus (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerden richten sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, zur Post gegeben am 10. März 2016, das europäische Patent Nr. 2 213 183 in geändertem Umfang nach Artikel 101(3) a) EPÜ aufrechtzuerhalten.

Das Patent wurde als Teilanmeldung einer früheren Anmeldung eingereicht (nachfolgend Stammanmeldung, als WO 2005/058079 A1 veröffentlicht).

II. Der Einspruch gegen das Patent war auf die Gründe Artikel 100 (a) i.V.m. Artikel 56 EPÜ, Artikel 100(b) EPÜ und Artikel 100 (c) EPÜ gestützt. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass das nach dem Hilfsantrag 10 geänderte Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ genügen.

III. Gegen diese Entscheidung hat die Einsprechende als Beschwerdeführerin am 17. März 2016 Beschwerde eingelegt und am selben Tag die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung wurde am 6. Juli 2016 eingereicht.

Gegen diese Entscheidung hat auch die Patentinhaberin als Beschwerdeführerin am 13. Mai 2016 Beschwerde eingelegt und am selben Tag die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung wurde am 13. Juli 2016 eingereicht.

Am 5. September 2017 erklärte der Beitretende Herr A. Papadimitriou seinen Beitritt zum Einspruch und zahlte am gleichen Tag die Einspruchsgebühr.

IV. In einer Mitteilung der Beschwerdekammer gemäß Artikel 15(1) VOBK teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Auffassung zu den sich durch den Beitritt ergebenden verfahrensrechtlichen Fragen mit. In einer weiteren Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK vom 27. Juli 2018 teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Auffassung zu den Sachfragen mit. Die mündliche Verhandlung fand am 5. Dezember 2018 in Anwesenheit aller am Beschwerdeverfahren beteiligten Parteien statt.

V. Die Beschwerdeführerin-Patentinhaberin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung (Hauptantrag) oder hilfsweise eines der Hilfsanträge 1-19, alle eingereicht bzw. erneut eingereicht mit der Beschwerdebegründung.

Die Beschwerdeführerin-Einsprechende und der Beitretende beantragen die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

VI. Der unabhängige Anspruch 1 der für diese Entscheidung relevanten Anträge hat folgenden Wortlaut:

Hauptantrag

"Vorrichtung zum Aufbereiten von Filtertowmaterial für die Herstellung von Filtern für stabförmige Rauchartikel wie beispielsweise Zigaretten, mit Filtertowbereitstellungsmitteln (7) zur Bereitstellung von mindestens zwei Filtertowstreifen (4, 6), mindestens zwei Towführungsbahnen (2, 3) von denen in jeder Towführungsbahn (2, 3) ein Filtertowstreifen (4, 6) geführt wird, und Bearbeitungseinrichtungen (24, 44) zum Bearbeiten der Filtertowstreifen (4, 6), bei welcher jeder Towführungsbahn (2, 3) eine eigene Bearbeitungseinrichtung (26, 28, 30, 49; 27, 29, 31, 50) zugeordnet ist, die separat steuerbar ist, wobei jede Bearbeitungseinrichtung Mittel (26, 28, 30, 49; 27, 29, 31, 50) zum Ausbreiten, Recken und/oder Behandeln des Filtertowmaterials aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass jeder Towführungsbahn (2; 3) Mittel (26, 28, 30, 49; 27, 29, 31, 50) zum Ausbreiten, Recken und/oder Behandeln des Filtertowmaterials zugeordnet sind und die Mittel zum Ausbreiten, die Mittel zum Recken und/oder die Mittel zum Behandeln jeweils eine Einheit bilden, in der sie quer zur Richtung der Towführungsbahnen (2, 3) nebeneinander angeordnet sind, jedes Mittel zum Ausbreiten und/oder Recken ein von zugehörigen Antriebsmitteln angetriebenes, einseitig gelagertes erstes, zweites, drittes und viertes Streckwalzenpaar (28, 30; 29, 31) aufweist, die Streckwalzenpaare (28, 29, 30, 31) der eine Einheit bildenden Mittel zum Ausbreiten und/oder Recken koaxial nebeneinander liegend gelagert sind und jedem Streckwalzenpaar (28, 29, 30, 31) ein eigener Antrieb zugeordnet ist, welcher separat steuerbar ist."

Hilfsanträge 1-19

Jeder der Hilfsanträge 1-19 weist die folgenden Merkmale auf:

"jeder Towführungsbahn (2, 3) eine eigene Bearbeitungseinrichtung (26, 28, 30, 49; 27, 29, 31, 50) zugeordnet ist, ..., wobei jede Bearbeitungseinrichtung Mittel (26, 28, 30, 49; 27, 29, 31, 50) zum ... Recken ... des Filtertowmaterials aufweist, ... jedes Mittel zum Recken ein ... erstes, zweites, drittes und viertes Streckwalzenpaar (28, 30; 29, 31) aufweist..."

VII. Die Beschwerdeführerin-Patentinhaberin hat zu den entscheidungserheblichen Punkten folgendes vorgetragen:

Der Beitritt des Herrn A. Papadimitriou sei nicht zulässig. Herr Cossu solle als Begleitperson der zugelassenen Vertreter des Beitretenden keine Ausführungen machen dürfen.Der unabhängige Anspruch 1 aller Anträge gehe nicht über den Inhalt der Stammanmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus, da er auf die im Ausführungsbeispiel der Stammanmeldung offenbarte Vorrichtung zum Aufbereiten von Filtertowmaterial mit Mitteln zum Recken in Form von vier Streckwalzenpaaren gerichtet sei.

VIII. Die Beschwerdeführerin-Einsprechende und der Beitretende haben zu den entscheidungserheblichen Punkten folgendes vorgetragen:

Der Beitritt des Herrn A. Papadimitriou sei zulässig. Herr Cossu solle als Begleitperson unter Aufsicht der zugelassenen Vertreter des Beitretenden, die Herren Bianciardi oder Ghioni, vortragen dürfen.Der unabhängige Anspruch 1 aller Anträge gehe über den Inhalt der Stammanmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus, da eine Vorrichtung zum Aufbereiten von Filtertowmaterial mit Mitteln zum Recken in Form von mindestens acht Streckwalzenpaaren nicht in der Stammanmeldung offenbart werde.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Anwendungsgebiet der Erfindung

Das Streitpatent betrifft eine Vorrichtung zum Aufbereiten von Filtertowmaterial für die Herstellung von Filtern für stabförmige Rauchartikel wie beispielsweise Zigaretten. Die Vorrichtung weist mindestens zwei Towführungsbahnen (2, 3) zur Führung von Filtertowstreifen auf, wobei jeder Towführungsbahn eine eigene Bearbeitungseinrichtung zugeordnet ist. Jede Bearbeitungseinrichtung weist insbesondere Mittel zum Recken des Filtertowmaterials auf, wobei jedes Mittel zum Recken ein von zugehörigen Antriebsmitteln angetriebenes, einseitig gelagertes erstes, zweites, drittes und viertes Streckwalzenpaar (28, 30, 29, 31) aufweist (siehe die Figuren 1-3 des Streitpatents).

3. Zulässigkeit des Beitritts

3.1 Die Beschwerdeführerin-Patentinhaberin bestreitet die Zulässigkeit des Beitritts mit den folgenden Argumenten:

Eine Vollmachtserklärung für den Vertreter fehle, weil das Kästchen "Einsprechenden" auf dem Vollmachtsformular nicht angekreuzt sei. Es fehle jedenfalls am Nachweis, dass der Beitretende in einem Vertragsstaat seinen Wohnsitz habe.

Es fehle der eindeutige Nachweis, dass die in Artikel 105 EPÜ genannte drei-Monatsfrist eingehalten worden sei, da auf dem Rückschein über die Zustellung der Klage der 5. Juni als Datum nicht eindeutig erkennbar sei. Auch sei die Unterschrift auf dem Zustellungsbescheid nicht mit der des Beitretenden identisch.

Die Einsprechende bezeichne die Patentinhaberin als "Hauni Maschinenbau AG", das Patent sei zwischenzeitlich aber auf die (personengleiche) Hauni GmbH überschrieben worden.

3.2 Die Auffassung der Kammer hierzu ist folgende:

Im Hinblick auf die Vollmacht bedarf es grundsätzlich keines Nachweises, da der Beitretende durch einen zugelassenen Vertreter vertreten wird. Da der Vertreter zudem die Beschwerdeführerin-Einsprechende vertritt, sind Zweifel an der Vertretungsvollmacht auch nicht angezeigt.

Im Hinblick auf die rechtzeitige Zustellung dient der Rückschein gerade dem Nachweis über die Zustellung, und sowohl Stempeldatum als auch handschriftliches Datum weisen, soweit leserlich, den 5. Juni aus. Insoweit besteht jedenfalls ein Anscheinsbeweis, gegen den die Patentinhaberin auch keine substantiierten Zweifel geltend gemacht hat. Im Übrigen drückt Regel 126 Abs. 1 letzter Halbsatz EPÜ einen allgemeinen Grundsatz aus, wonach nicht der Empfänger, sondern der Absender eines Schriftstückes im Zweifel zu beweisen hat, dass und wann dieses den Empfänger erreicht hat. Zweifel, die sich unter anderem aus Unleserlichkeiten ergeben, gehen daher nicht zu Lasten des Empfängers. Bezüglich der Abweichungen der Unterschrift sei nur angemerkt, dass die Zustellung nicht notwendigerweise an den Empfänger selbst, sondern auch an im Haus lebende oder sonst bevollmächtigte Personen erfolgen kann. Das ist bei Unternehmen die Regel. Auch insoweit bestehen keine vernünftigen Zweifel an der von dem Beitretenden behaupteten Empfang der Klagschrift am 5. Juni 2017.

Im Hinblick auf den verwendeten Namen der Patentinhaberin ist der Unterschied unerheblich, da die Klägerin der Verletzungsklage und die Patentinhaberin identisch sind, und es als Voraussetzung für den Beitritt nur erforderlich ist, dass aus dem im Einspruch oder Beschwerde anhängigen Patent vorgegangen wird, nicht aber, wem das Patent gehört.

3.3 Aus diesen Gründen gelangt die Kammer zu der Auffassung, dass der Beitritt form- und fristgerecht erklärt worden ist (Artikel 105 EPÜ i.V.m. Regel 89 EPÜ).

4. Mündliche Ausführungen des Herrn Cossu

4.1 Mit dem Schreiben vom 7. November 2018 beantragte der zugelassene Vertreter des Beitretenden, dass Herr Cossu als Begleitperson während der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer mündliche Ausführungen machen dürfe.

4.2 Laut der Entscheidung G 4/95 der Großen Beschwerdekammer besteht im Einspruchs- oder Einspruchsbeschwerdeverfahren kein Rechtsanspruch auf mündliche Ausführungen durch eine Begleitperson; diese dürfen nur mit Zustimmung der Kammer und nach ihrem Ermessen gemacht werden. Das EPA hat bei der Ausübung seines Ermessens folgende Kriterien zu berücksichtigen:

i) Der zugelassene Vertreter muss beantragen, dass diese mündlichen Ausführungen gemacht werden dürfen. Im Antrag sind der Name und die Qualifikation der Begleitperson anzugeben und der Gegenstand der beabsichtigten mündlichen Ausführungen zu nennen.

ii) Der Antrag ist so rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung zu stellen, dass sich alle Gegenparteien auf die beabsichtigten mündlichen Ausführungen angemessen vorbereiten können.

iii) Ein Antrag, der erst kurz vor oder während der mündlichen Verhandlung gestellt wird, ist zurückzuweisen, sofern nicht außergewöhnliche Umstände vorliegen, es sei denn, alle Gegenparteien sind damit einverstanden, dass die beantragten mündlichen Ausführungen gemacht werden.

iv) Das EPA muss davon überzeugt sein, dass die Begleitperson die mündlichen Ausführungen unter der ständigen Verantwortung und Aufsicht des zugelassenen Vertreters macht.

Siehe hierzu RdBK, 8. Auflage 2016, III.R.5.1

4.3 Daher muss die Kammer diese vier Kriterien bei der Ausübung ihres Ermessens berücksichtigen:

4.3.1 Im Hinblick auf das Kriterium i wertet die Kammer das Schreiben vom 7.11.2018 als einen Antrag auf mündliche Ausführungen einer Begleitperson. Bezüglich der Qualifikation von Herrn Cossu wird dort angeführt, dass er als Referendar in der Kanzlei des zugelassenen Vertreters beschäftigt sei und bereits die Europäische Eignungsprüfung abgelegt habe. Bezüglich des Gegenstands der beabsichtigten mündlichen Ausführungen wird im Schreiben angegeben, dass Herr Cossu den Fall des Beitretenden präsentieren soll.

4.3.2 Im Hinblick auf die Kriterien ii und iii wurde der Antrag vier Wochen vor der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer gestellt. Aus Sicht der Kammer ermöglicht dieser Zeitraum eine angemessene Vorbereitung der anderen Parteien. Da der Antrag nicht erst kurz vor oder während der mündlichen Verhandlung gestellt wurde, ist das Kriterium iii nicht zu berücksichtigen.

4.3.3 Im Hinblick auf das Kriterium iv hat die Kammer keine Veranlassung, an der Aufsichtsfunktion des zugelassenen Vertreters Herr Bianciardi zu zweifeln.

4.4 Da der Antrag die relevanten Kriterien i, ii und iv erfüllt, entschied die Kammer, dass Herr Cossu in der mündlichen Verhandlung unter Aufsicht der Herren Bianciardi oder Ghioni vortragen durfte.

5. Hauptantrag, Hilfsanträge 1-19 - Änderungen

5.1 Die in Anspruch 1 des Hauptantrags definierte Vorrichtung zum Aufbereiten von Filtertowmaterial weist mindestens zwei Towführungsbahnen auf. Da jeder Towführungsbahn eine eigene Bearbeitungseinrichtung mit Mitteln zum Recken zugeordnet ist, sind mindestens zwei Mittel zum Recken vorhanden. Jedes Mittel zum Recken wiederum umfasst dem Anspruchswortlaut zufolge vier Streckwalzenpaare, nämlich ein erstes, zweites, drittes und viertes Streckwalzenpaar.

Dem reinen Wortlaut von Anspruch 1 nach weist die Vorrichtung daher mindestens acht Streckwalzenpaare zum Recken des Filtertowmaterials auf.

5.2 Die Beschwerdeführerin-Patentinhaberin bestreitet diese Anspruchsauslegung mit dem Argument, dass ein Fachmann beim Prüfen eines Patentanspruchs versuchen sollte, durch Synthese zu einer Auslegung zu gelangen, bei welcher die gesamte Offenbarung des Patents berücksichtigt wird. Daher bestätigten die im Ausführungsbeispiel gezeigten vier Streckwalzenpaare, dass eine Auslegung im Sinne von vier Streckwalzenpaarenn pro Towführungsbahn, und damit insgesamt acht Streckwalzenpaaren nicht die gesamte Offenbarung des Patents berücksichtige.

5.3 Die Kammer sieht das anders. Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Diskrepanz zwischen den Ansprüchen und der Beschreibung kein hinreichender Grund, die eindeutige linguistische Struktur eines Anspruchs zu ignorieren und ihn anders auszulegen. Sind die Patentansprüche so deutlich und eindeutig abgefasst, dass der Fachmann sie problemlos verstehen kann, besteht keine Veranlassung, die Beschreibung zur Interpretation der Patentansprüche heranzuziehen (RdBK, 8. Auflage 2016, II.A.6.3.1).

5.3.1 Im vorliegenden Fall wird eine Vorrichtung mit mehreren Mitteln zum Recken beansprucht. Das geht eindeutig aus dem Artikel und dem Verb im Merkmal "die Mittel zum Recken ... eine Einheit bilden" hervor, weil für beide die Pluralform gewählt wurde. Da der Anspruch weiterhin verlangt, dass jedes dieser Mittel zum Recken vier Streckwalzenpaare aufweist, ist der Plural "die Mittel zum Recken" auf acht Streckwalzenpaare gerichtet. Das Merkmal "Mittel zum Recken zugeordnet sind" in Anspruch 1 ändert nichts an diesem Befund, da auch dieses Merkmal im Plural formuliert ist und somit mehr als ein Mittel zum Recken, und damit mehr als die vier Streckwalzenpaare eines einzigen Mittels zum Recken verlangt.

5.3.2 Auch das Merkmal "die Mittel zum Recken eine Einheit bilden" führt zu keiner anderen Sichtweise, da der Anspruch weder die genaue Anordnung der Mittel noch ihren Abstand zueinander innerhalb einer solchen Einheit festlegt. In Bezug auf die Mittel zum Ausbreiten verwendet Anspruch 1 ebenfalls den Begriff "eine Einheit bilden", obwohl die ersten Ausbreiterdüsen am oberen Ende eines Stützarms und die zweiten Ausbreiterdüsen am Maschinengestell angeordnet sind (Stammanmeldung, Seite 10, Zeilen 1-8). Wegen des großen Abstandes zwischen den ersten und zweiten Ausbreiterdüsen ist das Merkmal "eine Einheit bilden" auch im Lichte der Beschreibung auf keine besonders kompakte oder platzsparende Anordnung der Mittel gerichtet. Die Behauptung der Beschwerdeführerin-Patentinhaberin, dass sich mehrere Towführungsbahnen eine Einheit teilen, ändert nichts an diesem Befund. Das Teilen zwischen mehreren Towführungsbahnen geht im Kontext von Anspruch 1 bereits aus dem Konzept eines Walzenpaares hervor, so dass es unabhängig von der Zahl der Streckwalzenpaare ist. Die Kammer kann daher im Merkmal "die Mittel zum Recken jeweils eine Einheit bilden" keine strukturelle Einschränkung erkennen, die über eine Anordnung der Streckwalzenpaare in derselben Vorrichtung zum Aufbereiten von Filtertowmaterial hinausginge.

5.3.3 Anspruch 1 des Hauptantrags schließt nicht aus, dass das Filtertowmaterial in der gleichen Towführungsbahn zweimal gereckt wird, indem z.B. die im Ausführungsbeispiel gezeigte Streckeinrichtung mit vier Streckwalzenpaaren in identischer Ausführung zweimal hintereinander angeordnet wird. Deswegen ist die Kammer von der Behauptung der Beschwerdeführerin-Patentinhaberin, dass ein drittes und viertes Streckwalzenpaar in der gleichen Towführungsbahn für den Fachmann obsolet oder technisch unsinnig sei, nicht überzeugt.

5.3.4 Aus diesen Gründen besteht keine Veranlassung dazu, die Beschreibung zur Interpretation von Anspruch 1 des Hauptantrags heranzuziehen. Stattdessen folgt direkt aus der eindeutigen linguistischen Struktur von Anspruch 1, dass die beanspruchte Vorrichtung mindestens acht Streckwalzenpaare zum Recken des Filtertowmaterials aufweist.

5.4 Das Streitpatent ist aus einer Teilanmeldung hervorgegangen. Sein Gegenstand darf somit nicht über den Inhalt der früheren Anmeldung (Stammanmeldung) in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehen (Artikel 100 (c) bzw. Artikel 76(1) Satz 2 EPÜ). Daher ist nun zu untersuchen, ob sich eine Vorrichtung zum Aufbereiten von Filtertowmaterial mit mindestens acht Streckwalzenpaaren zum Recken des Filtertowmaterials für den Fachmann unmittelbar und eindeutig aus der Offenbarung der Stammanmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung ableiten lässt (RdBK, 8. Auflage 2016, II.F.2.1.1).

Anspruch 1 des Hauptantrags beruht auf einer Kombination der Ansprüche 1 und 3-6 der Stammanmeldung. Zusätzlich wurde insbesondere das Merkmal "erstes, zweites, drittes und viertes Streckwalzenpaar" unbestritten aus dem Ausführungsbeispiel aufgenommen.

Im Ausführungsbeispiel der Stammanmeldung werden zwei Filtertowstreifen durch eine Streckeinrichtung mit vier Streckwalzenpaaren gereckt (Seite 10, Zeilen 13-19; Seite 11, Zeilen 26 und 27; Figuren 1-3). Wegen der gleichen Bedeutung der Begriffe Recken und Strecken wird diese Streckeinrichtung als ein anspruchsgemäßes Mittel zum Recken angesehen. Da die Streckeinrichtung nur vier Streckwalzenpaare aufweist, offenbart die Stammanmeldung keine Vorrichtung zum Aufbereiten von Filtertowmaterial mit mindestens acht Streckwalzenpaaren zum Recken des Filtertowmaterials. Dies ist von der Beschwerdeführerin-Patentinhaberin auch nicht bestritten worden.

5.5 Daher führt die Kombination zu einer unzulässigen Erweiterung über den ursprünglichen Offenbarungsgehalt der Stammanmeldung. Dieser Befund betrifft auch die Hilfsanträge 1-19, da sie ebenfalls auf mindestens acht Streckwalzenpaare zum Recken des Filtertowmaterials gerichtet sind.

6. Die Kammer schließt aus den obengenannten Gründen, dass keiner der vorliegenden Anträge die Erfordernisse des Artikels 100(c) bzw. des Artikels 76 (1) Satz 2 EPÜ erfüllt.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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