T 0595/16 (Kontrollbedüftiges Fahrzeug/TOLLCOLLECT) of 14.9.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T059516.20200914
Datum der Entscheidung: 14 September 2020
Aktenzeichen: T 0595/16
Anmeldenummer: 01273553.6
IPC-Klasse: G07B15/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: KONTROLLVERFAHREN ZUR STRASSENGEBÜHRENERFASSUNG
Name des Anmelders: Toll Collect GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.5.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56 (2007)
European Patent Convention R 103 (2014)
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die Anmeldung zurückzuweisen. Die angefochtene Entscheidung kam zu dem Ergebnis, dass die Anmeldung nicht die Erfordernisse, unter anderem, des Artikels 56 EPÜ erfüllt. Die Entscheidung stützt sich auf folgendes Dokument:

D4: Ausschreibung Automatisches Kontrollsystem (Enforcementsystem), Schweizerische Bundesverwaltung, Eidgenössische Oberzolldirektion, 16. April 1999

II. In ihrer Beschwerdebegründung hat die Beschwerdeführerin beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf Grundlage des mit der Beschwerdebegründung eingereichten Anspruchssatzes zu erteilen.

III. Die Kammer hat die Beschwerdeführerin zu einer mündlichen Verhandlung geladen. In ihrer vorläufigen Meinung erhob die Kammer Einwände unter Artikel 84 und 56 EPÜ.

IV. Als Antwort hierauf hat die Beschwerdeführerin ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurückgenommen, ohne inhaltlich zu den Einwänden der Kammer Stellung zu nehmen. Die anberaumte mündliche Verhandlung wurde somit annulliert.

V. Der Wortlaut des Anspruchs 1 lautet wie folgt:

"Kontrollverfahren zur Straßengebührenerfassung mit einem ortsfesten Kontrollsystem (10) mit mehreren Erfassungseinrichtungen für Fahrzeuginformationen und mit einer Triggereinrichtung zur zeitgerechten Aktivierung der Erfassungseinrichtungen, wobei die einzelnen Erfassungseinrichtungen zu Zeitpunkten aktiviert werden, zu denen die räumliche Anordnung eines Fahrzeugs und der die jeweilige Fahrzeuginformation erfassenden Erfassungseinrichtung optimal ist, wobei die verschiedenen durch die Erfassungseinrichtungen räumlich und zeitlich getrennt erfassten Fahrzeuginformationen des Fahrzeugs vom ortsfesten Kontrollsystem (10) dem Fahrzeug und einem Referenzzeitpunkt zugeordnet werden, und das ortsfeste Kontrollsystem (10) Daten von einem Fahrzeuggerät des Fahrzeugs abruft,

wobei das ortsfeste Kontrollsystem (10) von einer Kontrollzentrale (20) Daten zu Sperrlisten-Updates mit den Daten gesperrter Fahrzeuggeräte oder Erhebungskarten, Whitelist-Einträgen mit allen gültigen Einbuchungen für den zu kontrollierenden Abschnitt und Kontrollzeitpunkt, Tarifdaten, Klassifizierungsdaten, Datenschlüssel-Updates für eine verschlüsselte Datenübertragung, und Software-Updates empfängt,

dadurch gekennzeichnet, dass

auf Basis der mittels der Erfassungseinrichtungen erfassten Fahrzeuginformationen, der von der Kontrollzentrale (20) empfangenen Daten, der von dem Fahrzeuggerät des Fahrzeugs abgerufenen Daten, und anhand der folgenden Fallgruppen:

- nicht mautpflichtiges Fahrzeug,

- erkannter Gutzahler,

- Fahrzeugkennzeichen nicht erkannt,

- Zweifel an Mautpflicht des Fahrzeugs,

- Zweifel an Erfüllung der Mautpflicht,

- erkannter Falschzahler,

- erkannter Nichtzahler,

- Kennzeichen falsch,

- Verdacht auf Manipulation des Fahrzeuggeräts, und

- Fahrzeuggerät oder Erhebungskarte gesperrt,

wird vom ortsfesten Kontrollsystem (10) automatisch ermittelt, ob das Fahrzeug kontrollbedürftig ist, wobei die Kontrollbedürftigkeit des Fahrzeugs durch das Vorliegen einer vorgebbaren Kombination von Fallgruppen definiert ist, und

- im Falle einer ermittelten Kontrollbedürftigkeit des Fahrzeugs Fahrzeuginformationen über das Fahrzeug an eine Kontrollstelle (40) übermittelt, wobei an der Kontrollstelle (40) die übermittelten Kontrolldaten des Fahrzeugs einer Kontrollperson angezeigt werden, wobei Fahrzeuge, bei denen Kontrollbedürftigkeit festgestellt wurde, von der Kontrollperson aus dem fließenden Verkehr ausgeleitet werden können."

Entscheidungsgründe

1. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)

1.1 Die angefochtene Entscheidung betrachtete D4 als nächstliegenden Stand der Technik. Die Beschwerdeführerin hat keine Einwände dagegen erhoben.

1.2 D4, Teil II, Ziffer 1.4.7 offenbart ein Verifizierungsverfahren, wobei die Daten der Fahrzeuge, bei denen der Verdacht besteht, dass die Maut nicht oder nicht richtig bezahlt wurde, zur Kontrolle an die Kontrollzentrale übermittelt werden.

1.3 Die angefochtenen Entscheidung betrachtete dieses Verifizierungsverfahren als eine Ermittlung der Kontrollbedürftigkeit der Fahrzeuge im Sinne des Anspruchs 1. Jedoch werden gemäß Anspruch 1 die Kontrolldaten eines kontrollbedürftigen Fahrzeugs nicht an eine Kontrollzentrale sondern an eine Kontrollstelle übermittelt (vgl. "im Falle einer ermittelten Kontrollbedürftigkeit des Fahrzeugs Fahrzeuginformationen über das Fahrzeug an eine Kontrollstelle (40) übermittelt").

1.4 Die Beschwerdeführerin hat ausgeführt, dass beim Verfahren gemäß D4 eine der erfindungsgemäßen Kontrollstelle entsprechende Vorrichtung nicht vorhanden sei. Die Beschwerdeführerin hat insofern Recht, dass in D4 keine Kontrollen an Kontrollstellen erwähnt werden. Dennoch ist eine "Kontrollstelle" keine Vorrichtung sondern ein Kontrollpunkt an Straßen, nämlich ein Ort, an dem Kontrollpersonen (typischerweise Vollzugsbeamte) stationiert sind. Damit ist dieses Unterscheidungsmerkmal nicht technisch. Denn die Kontrollbedürftigkeit eines Fahrzeugs gemäß Anspruch 1 stellt keine technische Anforderung dar, sondern besteht lediglich aus betrieblichen Anweisungen an Kontrollpersonen, bestimmte Fahrzeuge einer Mautkontrolle zu unterziehen. Die Notwendigkeit des Anhaltens eines verdächtigen Fahrzeugs zur Kontrolle bzw. zur Feststellung eines Mautdelikts ist ein juristisches Erfordernis.

1.5 Die Beschwerdeführerin hat in der Beschwerdebegründung der Schlussfolgerung der angefochtenen Entscheidung widersprochen, dass es sich bei der Aufteilung in sogenannte "Fallgruppen" gemäß Anspruch 1 um nichttechnische, administrative Maßnahmen handelt. Es sei technisch, die Anzahl der kontrollbedürftigen Fahrzeuge zu verändern. Dem kann die Kammer jedoch nicht folgen. Die erfindungsgemäße Aufteilung ist eine betriebliche Aufteilung der unterschiedlichen Verdachtsfälle zur Regulierung der Anzahl der zu kontrollierenden Fahrzeuge (siehe Beschreibung, der die Seiten 30 und 31 überbrückende Satz; siehe auch Brief vom 1. September 2015, Seite 5, zweiter Absatz, "... je nach Auslastung des Kontrollplatzes und des Kontrollpersonals eine optimale Selektion der Falschzahler erfolgen kann. So ist es möglich z.B. bei hoher Auslastung bzw. viel Verkehr nur die Fälle mit 'hoher krimineller Energie' ausgeleitet werden ..."). Eine Prioritätensetzung wegen Personalmangels ist jedoch keine technische Maßnahme.

1.6 Deshalb ist keine technische Aufgabe erkennbar, die vom Gegenstand des Anspruchs 1 gelöst wird. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).

2. Teilrückerstattung der Beschwerdegebühr

2.1 Gemäß Regel 103(4)(c) EPÜ wird die Beschwerdegebühr in Höhe von 25% zurückerstattet, wenn ein etwaiger Antrag auf mündliche Verhandlung innerhalb eines Monats ab Zustellung einer von der Beschwerdekammer zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung erlassenen Mitteilung zurückgenommen wird und keine mündliche Verhandlung stattfindet.

2.2 Im vorliegenden Fall gilt der 10. August 2020 als Zustellungsdatum der Kammermitteilung. Der Antrag auf mündliche Verhandlung wurde am 1. September 2020, d.h. innerhalb der Frist gemäß Regel 103(4)(c) EPÜ, zurückgenommen, und die anberaumte mündliche Verhandlung annulliert.

2.3 Somit ist die Beschwerdegebühr in Höhe von 25 % zurück zu erstatten.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdegebühr wird in Höhe von 25% zurückerstattet.

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