T 0577/16 () of 5.9.2017

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2017:T057716.20170905
Datum der Entscheidung: 05 September 2017
Aktenzeichen: T 0577/16
Anmeldenummer: 10405192.5
IPC-Klasse: B42D 13/00
B42D 15/10
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Datenblatt für einen Ausweis
Name des Anmelders: Gemalto AG
Name des Einsprechenden: Giesecke & Devrient GmbH
Kammer: 3.2.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54(1)
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 84
Schlagwörter: Zulässigkeit des Einspruchs (ja)
Übertragung der Einsprechendenstellung (nein)
Umfang der Zulässigkeit der Druckschrift E5a
Neuheit des Gegenstands des Hauptantrags (nein)
Klarheit der Hilfsanträge 1 und 1a (nein)
Erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Hilfsantrags 1b (ja)
Orientierungssatz:

Möglichkeit der beschränkten Zulassung einer Druckschrift

(siehe Punkt 3 der Entscheidungsgründe)

Angeführte Entscheidungen:
G 0009/91
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0882/17

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die Zurückweisung des Einspruchs gegen das europäische Patent Nr. 2 316 659 durch die Einspruchsabteilung.

Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass der Gegenstand von Anspruch 1 sowohl neu als auch erfinderisch gegenüber dem zitierten Stand der Technik ist. Dabei hat sie insbesondere folgende Druckschriften berücksichtigt:

E2: EP-A 1 574 359;

E5: EP-B 1 502 765;

E6: EP-B 1 812 244.

Da verschiedene Veröffentlichungen der europäischen Patentanmeldung bzw. des europäischen Patents, das der Druckschrift E5 entspricht, existieren und von den Parteien zitiert wurden, verwendet die Kammer folgende Terminologie:

E5a: EP 1 502 765 A1;

E5b: EP 1 502 765 B1;

E5c: EP 1 502 765 B2.

II. Mit Schreiben vom 28. und 31. Juli 2017 hat die Beschwerdeführerin die Übertragung der Einsprechendenstellung auf die Giesecke & Devrient Mobile Security GmbH beantragt und dazu die folgenden Dokumente vorgelegt:

Ü1: Auszug aus dem Handelsregister B des Amtsgerichts München betreffend die Giesecke & Devrient GmbH

Ü2: Auszug aus dem Handelsregister B des Amtsgerichts München betreffend die Giesecke+Devrient Mobile Security GmbH

Ü3: Auszug aus dem Jahresbericht der Firma Giesecke+Devrient: "Konzern-Lagebericht zum 31. Dezember 2016" (2 Seiten)

III. Die Kammer hat in einer Mitteilung per Fax vom 31. August 2017 ihrer vorläufigen Meinung Ausdruck gegeben, dass die eingereichten Dokumente nicht eindeutig belegen, dass die Einsprechendenstellung auf die Giesecke+Devrient Mobile Security GmbH übertragen wurde, und dass die Kammer daher beabsichtige, den Antrag auf Übertragung der Einsprechendenstellung abzulehnen.

IV. Die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer hat am 5. September 2017 stattgefunden.

V. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in vollem Umfang zu widerrufen. Darüber hinaus beantragte sie die Zurückzahlung der Beschwerdegebühr.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, den Einspruch als unzulässig zurückzuweisen. Ferner beantragte sie, die Beschwerde zurückzuweisen (nachfolgend als "Hauptantrag" bezeichnet), oder die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent mit den Ansprüchen gemäß dem Hilfsantrag 1 (eingereicht mit Schreiben vom 12. Juli 2016) oder einem der Hilfsanträge 1a, 1b (eingereicht während der mündlichen Verhandlung) aufrechtzuerhalten.

Darüber hinaus hat die Beschwerdegegnerin beantragt:

- die Druckschrift E5a lediglich im Umfang der Druckschrift E5c zuzulassen;

- im Falle der Zulassung der Druckschrift E5a den Fall an die erste Instanz zurückzuverweisen.

VI. Anspruch 1 des Streitpatents (Hauptantrag) lautet wie folgt (die Merkmalsgliederung durch die Kammer ist in eckigen Klammern eingefügt):

"[1] Datenblatt für einen Ausweis, beispielsweise ein Passbüchlein, [2] mit einer Platte (2), die auf wenigstens einer Seite personalisierbar oder personalisiert ist und [3] mit einem bandförmigen flexiblen Verbindungselement (3), mit dem die Platte (2) in den Ausweis einbindbar ist und [4] das mittels einer Verbindung (5) fest mit einem Rand (4) der Platte (2) verbunden ist, dadurch gekennzeichnet, dass [5] das bandförmige flexible Verbindungselement (3) wenigstens eine Materialschwächung (6) aufweist, die ein beschädigungsfreies Lösen der Platte (2) vom Verbindungselement (3) erschwert."

Der unabhängige Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags durch die zusätzlichen Merkmale "dass [6] die wenigstens eine Materialschwächung (6) ein Einschnitt oder eine Einritzung im Verbindungselement (3) ist; oder dass [7] das Verbindungselement (3) ein Textil oder eine Gewebe ist und [8] die wenigstens eine Materialschwächung (6) wenigstens ein geschwächter Bereich eines Fadens ist oder [9] ein Faden ist, der grundsätzlich eine besonders niedrige Reisskraft besitzt".

Der unabhängige Anspruch 5 des Hilfsantrags unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags durch die zusätzlichen Merkmale "dass [10] die wenigstens eine Materialschwächung (6) teilweise im Bereich der Verbindung (5) und teilweise ausserhalb der Verbindung (5) angeordnet ist, oder dass die wenigstens eine Materialschwächung (6) [11] vollständig ausserhalb der Verbindung (5) angeordnet ist".

Anspruch 1 des Hilfsantrags 1a unterscheidet sich vom Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 durch die Streichung von Merkmal 9.

Anspruch 5 ist wortgleich mit Anspruch 5 des Hilfsantrags 1.

Anspruch 1 des Hilfsantrags 1b unterscheidet sich vom Anspruch 1 des Hilfsantrags 1a durch die Streichung von Merkmal 8.

Anspruch 5 ist wortgleich mit Anspruch 5 des Hilfsantrags 1a.

VII. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat Folgendes vorgetragen:

a) Zulässigkeit des Einspruchs

Der Antrag auf Unzulässigkeit des Einspruchs sei zurückzuweisen, da er verspätet vorgebracht worden sei; der Einwand hätte schon vor der Einspruchsabteilung erhoben werden müssen. Da die Frage sehr komplex sei, sei es der Kammer und der Beschwerdeführerin nicht zumutbar, sich zu einem so späten Verfahrenszeitpunkt damit zu befassen.

b) Übertragung der Einsprechendenstellung

Die Einsprechendenstellung solle auf die

Giesecke+Devrient Mobile Security GmbH übertragen werden, da der Geschäftsbereich "Mobile Security" der Giesecke & Devrient GmbH, auf den sich der vorliegende Einspruch beziehe, mit Wirkung vom 30. Juni 2017 auf die Giesecke+Devrient Mobile Security GmbH übergegangen sei. Die Giesecke & Devrient GmbH existiere nach wie vor; sie sei aber nunmehr eine reine Management-Gesellschaft. Die Veridos GmbH beschäftige sich ebenso wie die Giesecke+Devrient Mobile Security GmbH mit Ausweisen. Der Einspruch sei aber auf Veranlassung des Geschäftsbereichs "Mobile Security" eingelegt worden.

c) Umfang der Zulassung der Druckschrift E5a

Die Druckschrift E5a sollte vollinhaltlich zugelassen werden, da sie hochrelevant sei. Eine teilweise Zulassung sei ein Novum; die Beschwerdeführerin sei nicht auf diese Eventualität vorbereitet.

d) Zurückverweisung an die erste Instanz

Eine Zurückverweisung sei nicht nötig; die Kammer könne den Fall sofort entscheiden.

e) Hauptantrag: Neuheit gegenüber der Druckschrift E5a

Dem Gegenstand von Anspruch 1 fehle es an der Neuheit gegenüber der Druckschrift E5a.

Viele der Argumente der Beschwerdegegnerin beruhen auf Merkmalen, die im Anspruch nicht erwähnt sind (z.B. die Verwendung von Polycarbonat). Auch Durchbrüche sind im Anspruch nicht erwähnt. Wie von der Beschwerdegegnerin eingeräumt wurde, würde der Fachmann nicht einfach das Datenblatt auseinanderreißen, sondern müsse nachdenken, wie vorzugehen sei. Dies sei schon ein Erschweren im Sinne des Merkmals 5. Schon ein leichtes Verkleben sei ein Erschweren im Sinne von Anspruch 1. Das Merkmal 5 sei so breit, dass es keine Substanz habe.

Die Figur 1 der Patentschrift zeige einen erfindungsgemäßen Datenträger. Darin seien die Schwächungen dort angebracht, wo die Platte einlaminiert sei. Die Schwächungen seien zwar anders gestaltet als in der Druckschrift E5a, aber die genaue Gestaltung sei ja nicht Gegenstand des Anspruchs; dort sei nur von Materialschwächung die Rede. Der Gegenstand der Figur 1 sei vom Anspruch 1 erfasst, sei aber im Wesentlichen mit dem Gegenstand der Druckschrift E5a identisch.

Auf die Frage der Kammer hin erläuterte die Beschwerdeführerin, dass die Durchbrüche der Druckschrift E5a dazu führen würden, dass das Verbindungselement fester in den Verbund eingebunden sei. Im Umkehrschluss heiße dies, dass es schwieriger sei, es daraus herauszulösen. Das Ablösen würde zu Beschädigungen führen, da die Durchbrüche Unstetigkeitsstellen seien. Wenn die Verhältnisse gleichmäßig seien und sich der Fälscher darauf einstellen könne, dann wäre das Ablösen leicht zu bewerkstelligen. Da dies aber nicht so sei, wäre es dem Fälscher nicht möglich, das Verbindungselement beschädigungsfrei abzulösen. Die Beschwerdeführerin räumte ein, dass das Verbindungselement nicht unbedingt beschädigt würde; das hinge von der Art und der Gestaltung der Durchbrüche ab. Wenn aber, wie in der Druckschrift E5a, eine große Zahl von Durchbrüchen vorgesehen sei, dann komme es zu einer Beschädigung.

Das Vorhandensein der Durchbrüche erschwere darüber hinaus das Einführen des Trennwerkzeugs. Jeder Durchbruch erschwere das Trennen, da er Widerstand gegen das Trennwerkzeug leiste.

f) Hilfsanträge 1 und 1a: Klarheit

Im Prüfungsverfahren würde die Formulierung "besonders niedrige Reisskraft" von 99% der Prüfer als unklar beanstandet werden. Die Kammer habe daher zu Recht Bedenken. Auch der Begriff "geschwächter Bereich" sei wahlweise unklar oder viel zu breit; man könne sich das Wort "geschwächt" auch wegdenken.

g) Hilfsantrag 1b: erfinderische Tätigkeit

Der Gegenstand von Anspruch 1 sei nicht erfinderisch gegenüber der Offenbarung der Druckschrift E5a in Verbindung mit Überlegungen des Fachmanns. Der Unterschied bestehe darin, dass die Materialschwächung als Einschnitt oder Einritzung ausgeformt sei, also als sehr schmale Durchbrechung. Kreisförmige Durchbrechungen erfordern Stanzwerkzeuge oder dergleichen, während Einschnitte oder Einritzungen ein Schneidwerkzeug voraussetzen. Der Fachmann würde sich für die Variante entscheiden, für die er das nötige Werkzeug habe, je nachdem, was sein Maschinenpark bietet.

Das Prinzip der Einritzungen sei dem Fachmann auch bekannt aus den Schweizer Autobahnvignetten. Er begegne solchen Einritzungen täglich, jedenfalls, wenn er in der Schweiz wohne, aber auch in anderen Gegenden. Jeder normale Mensch kenne das Prinzip, und der Fachmann erst recht.

Auf die Frage der Kammer hin erklärte die Beschwerdeführerin, der Angriff gegen Anspruch 1 lasse sich auf Anspruch 5 übertragen. Es sei offensichtlich, dass man die Einritzungen auch fortsetzen könne.

h) Rückzahlung der Beschwerdegebühr.

Die fehlerhafte Beurteilung des Dokuments E5 durch die Einspruchsabteilung beruhe darauf, dass für die Beurteilung lediglich die Patentschrift der E5 herangezogen wurde, die Offenlegungsschrift aber unberücksichtigt blieb.

Nach Artikel 114 (1) EPÜ sei die Einspruchsabteilung grundsätzlich verpflichtet, den Sachverhalt eines Einspruchs von Amts wegen zu ermitteln. Im Rahmen dieses Amtsermittlungs-grundsatzes obliege es der Einspruchsabteilung, von sich aus weitere Veröffentlichungen einer als Stand der Technik genannten europäischen Patentanmeldung zu berücksichtigen, wenn die Möglichkeit bestehe, dass sich aufeinanderfolgende Veröffentlichungen in Bezug auf wesentliche zu prüfende Sachverhalte unterscheiden.

Im vorliegenden Fall sei dies nicht geschehen, obwohl in der mündlichen Verhandlung vorgetragen worden sei, dass Offenlegungsschrift und Patentschrift möglicherweise in dem zu beurteilenden Punkt nicht übereinstimmen.

Dieses Versäumnis bilde einen wesentlichen Verfahrensmangel, der gemäß Regel 103 (1) a) EPÜ die Rückzahlung der Beschwerdegebühr rechtfertige.

VIII. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) hat Folgendes vorgetragen:

a) Zulässigkeit des Einspruchs

i) Zulässigkeit des Einwands

Die Zulässigkeit des Einspruchs sei in jedem Verfahrensstadium zu prüfen.

Bis zur mündlichen Verhandlung habe die Beschwerdegegnerin nicht davon ausgehen können, dass die Kammer die Druckschriften E5c und E6 nicht als Stand der Technik betrachten würde. Dies sei erst in der mündlichen Verhandlung unzweifelhaft klar geworden, zumal die Beschwerdeführerin Argumente dafür vorgebracht hätten, dass die Druckschriften E5c und E6 Stand der Technik seien. Anträge sollten erst dann gestellt werden, wenn sie relevant würden.

ii) Begründetheit des Einwands

Die Einspruchsschrift beziehe sich ausschließlich auf Druckschriften, die, wie die Kammer festgestellt hat, nicht Stand der Technik sind. Dies sei auf den ersten Blick erkennbar und bedürfe keiner eingehenden Prüfung. Daher sei der Einspruch als unzulässig zu verwerfen.

b) Übertragung der Einsprechendenstellung

Die Patentinhaberin entnehme den aktenkundigen Dokumenten, dass die Einsprechendenstellung auf die Veridos GmbH übergegangen ist. Unter diesen Umständen gehe die Patentinhaberin davon aus, dass der Vertreter der Beschwerdeführerin an der mündlichen Verhandlung eine Vollmacht der Veridos GmbH vorlegen oder darlegen können werde, dass die Einsprechendenstellung bei der Giesecke & Devrient GmbH liegt.

c) Umfang der Zulassung der Druckschrift E5a

Die Druckschrift E5a solle nur im Umfang der Druckschrift E5c zugelassen werden. Die Kammer solle also alle Ausführungsformen mit Ausnahme der Folien-Ausführungsform (d.h. die Ausführungsform, die in den Absätzen [0010], [0012] und [0022] sowie in der Figur 1 beschrieben sei) zulassen.

d) Zurückverweisung an die erste Instanz

Der Fall solle bei vollinhaltlicher Zulassung der Druckschrift E5a an die erste Instanz zurückverwiesen werden, um der Beschwerdegegnerin die Möglichkeit zu geben, ihre Argumente vor beiden Instanzen vorzutragen.

e) Hauptantrag: Neuheit gegenüber der Druckschrift E5a

Der Gegenstand von Anspruch 1 sei neu gegenüber der Druckschrift E5a, aus den folgenden Gründen:

Die vorläufige Auffassung der Kammer, wie sie im Ladungsbescheid zum Ausdruck kommt, beruhe auf der unrichtigen Annahme einer konstanten Trennbelastung; die Kammer habe die Folie auch isoliert betrachtet, wohingegen der Anspruch vom Lösen der Platte vom Verbindungselement spreche. Ein Fälscher würde eine Plattenseite ablösen und die Folie mit einer angepassten Ablösegeschwindigkeit abziehen. Im Bereich der Durchbrüche gebe es weniger Folienmaterial, also weniger Widerstand. Die Ablösegeschwindigkeit würde sich also erhöhen oder man bedürfe weniger Kraft, aber die Belastung des um die Durchbrechungen befindlichen Materials würde sich dadurch nicht erhöhen. Somit sei keine Rissbildung bei den Durchbrüchen zu erwarten. Es käme zur Trennung, wenn die Trennkraft der Folie von der Platte größer sei als die Verbindungskraft der Folie mit der Platte. In der Druckschrift E5a sei die Platte aus Polycarbonat hergestellt, also einem Material, dessen Zugfestigkeit geringer sei als das Material der Folie (PET). Die Schweißverbindung der Platte würde daher brechen, bevor die Folie einreißt. Es sei also nicht richtig, die Durchbrüche als Sollrissstellen zu deuten. Wenn ein Fälscher versuche, die Verbindung brutal zu lösen, würde der Riss dort entstehen wo das Verbindungselement 4 aus den Platten 11 herausragt. Würde der Fälscher vorsichtiger ans Werk gehen, dann würde sich das Verbindungselement von der Platte lösen bis die Verbindungsstellen 10 an den Durchbrüchen erreicht werden; dann würde die "Säule", die sich im Durchbruch gebildet hat, brechen, ohne dass das Verbindungselement beschädigt würde.

Das Argument der Beschwerdeführerin, Polycarbonat sei nicht Teil des Anspruches, sei nicht relevant, denn es gehe darum, was genau in der Druckschrift E5a, auf welcher der Angriff der Beschwerdeführerin beruhe, offenbart sei.

Im Gegensatz zu den Ausführungen der Beschwerdeführerin zeige die Figur 1 der Patentschrift keine Durchbrüche.

Die Erschwernis im Anspruch 1 betreffe nicht die Arbeit des Fälschers im Allgemeinen, sondern das beschädigungsfreie Ablösen des Verbindungselements von der Platte. In der Druckschrift E5a werde dem Fälscher die Arbeit insofern erschwert, dass er die Platten nicht leicht auseinanderbringen könne. Es sei also wichtig, das Merkmal 5 als Gesamtheit zu deuten und nicht die Materialschwächung isoliert zu betrachten; die Materialschwächung beziehe sich nicht nur auf das Verbindungselement, sondern auf den Verbund von Verbindungselement und Platte.

Die Idee der Druckschrift E5a bestehe darin, eine im Wesentlichen unlösbare Verbindung zwischen Platten und Folie herzustellen, im Zusammenhang mit zusätzlichen Sicherheitsmerkmalen, die ein Ablösen signalisieren sollten. Dies wäre unnötig, wenn die Durchbrüche Sollrissstellen wären. Die Druckschrift E5a offenbare weder Schwächung noch Rissbildung. Das schwächste Glied seien nicht die Durchbrüche, sondern die Verbindung der Folie mit der Platte. Die Druckschrift E5a wolle gerade diese Verbindung verstärken und nicht eine Rissbildung hervorrufen. Dies würde durch die zusätzlichen Ankerpunkte erreicht.

Die Erfindung lehre nicht die Verwendung von konvexen Öffnungen. Es gehe vielmehr darum, das Material so zu schwächen, dass es im Gebrauch nicht beeinträchtigt sei, aber reiße, sobald eine Ablösung versucht werde. Es komme zu Rissen, weil die Öffnungen im Material im Gegensatz zu Durchbrechungen nicht konvex seien. Die Erfindung strebe nicht wie die Druckschrift E5a einen verbesserten Zusammenhalt an, sondern eine Beschädigung beim Ablösen. Deshalb seien auch keine zusätzlichen Sicherheitsmerkmale erforderlich. Die Druckschrift E5a lehre die Verwendung von solchen Sicherheitsmerkmalen, weil befürchtet werde, dass es möglich sei, die Folie ohne Beschädigung abzulösen.

Es sei auch nicht richtig, dass das Vorhandensein der Durchbrechungen das Trennen erschwere. Die Offenbarung der Druckschrift E5a zur Gestaltung der Durchbrüche (rund oder oval) in Verbindung mit der großen Reißfestigkeit der Folie führe gerade dazu, dass es nicht zu Beschädigungen komme. Wenn das Trennwerkzeug eingeführt werde und auf die Durchbrechungen stoße, dann ließen sich die "Säulen" von Material, die die Durchbrechung ausfüllen, leicht brechen. Das beschädigungsfreie Lösen der Verbindungselemente werde also geradezu erleichtert.

f) Hilfsanträge 1 und 1a: Klarheit

Der Begriff "besonders niedrige Reisskraft" müsse im Kontext gelesen werden, also im Zusammenhang mit der Materialschwächung. Der Faden müsse also eine derartige Reißkraft aufweisen, dass er eine Materialschwächung darstellt, die bei einer Ablösung zu einer Beschädigung führt.

Ein "geschwächter Bereich" sei ein Bereich, der geschwächt ist und dazu führt, dass der Faden reißt. Bei der Formulierung des Merkmals sei versucht worden, dem Wortlaut der Offenbarungsstelle möglichst nahe zu bleiben. Der geschwächte Bereich stelle die Materialschwächung dar. Das sei auch, was der Fachmann verstehen würde.

g) Hilfsantrag 1b: erfinderische Tätigkeit

Die Druckschrift E5a setze das Vorhandensein von Materialsäulen in den Durchbrechungen voraus. Ihre Lehre ließe sich mit Einschnitten oder Einritzungen nicht realisieren. Darüber hinaus lehre die Druckschrift E5a die Verwendung von konvexen Formen; Absatz [0025] spreche von kreisrunden oder ovalen Formen. Es handle sich notwendigerweise um flächig ausgedehnte Ausnehmungen. Es gebe keinen Anlass, Einschnitte vorzusehen.

Anspruch 5 lasse sich auch nicht aus der Druckschrift E5a herleiten, da es dort gar nicht möglich sei, die Materialschwächungen teilweise außerhalb der Verbindung vorzusehen. Die Durchbrechungen müssten notwendigerweise innerhalb der Verbindung sein.

Der Fachmann sei kein Schweizer Autobahnbenützer; man könne also nicht davon ausgehen, dass er an eine Autobahnvignette denken würde. Die Vignette sei nicht Teil des allgemeinen Fachwissens und die entsprechenden Gebiete seien weit entfernt. Auch sei die Vignette nicht im Beschwerdeverfahren.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit des Einspruchs

1.1 Zulässigkeit des Einwands

Obwohl der Einwand der Unzulässigkeit des Einspruchs erst zum spätestmöglichen Verfahrenszeitpunkt erhoben wurde, ist festzuhalten, dass die Zulässigkeit des Einspruchs als unverzichtbare verfahrensrechtliche Voraussetzung jeder sachlichen Prüfung des Einspruchsvorbringens in jedem Verfahrensstadium, also auch in anschließenden Beschwerdeverfahren, von Amts wegen zu prüfen ist (siehe "Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA", 8. Auflage, 2016, Punkt IV.E.3.2.1 a)).

1.2 Begründetheit des Einwands

Der Einspruch genügt den Erfordernissen von Regel 76 EPÜ bezüglich der Form und des Inhalts des Einspruchs. Der Einwand der Beschwerdegegnerin betrifft die Einspruchsgründe, auf die der Einspruch gestützt wurde, bzw. die Angabe der zur Begründung vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel (Regel 76 (2) c) EPÜ). Der Einspruch stützte sich insbesondere auf die Druckschriften E5c bzw. E6, von denen die Kammer festgestellt hat, dass sie kein Stand der Technik sind. Diese Feststellung führt aber nicht zur Unzulässigkeit des Einspruchs. Gemäß der Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist die Frage, ob das Erfordernis der Regel 76 (2) c) EPÜ erfüllt ist, von der Frage der Stichhaltigkeit des Vorbringens der Einsprechenden zu unterscheiden. Die Beweiswürdigung ist Teil der Prüfung der sachlichen Begründetheit des Einspruchs (siehe "Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA", 8. Auflage, 2016, Punkt IV.D.2.2.8). Daher führt die Feststellung, dass die im Zusammenhang mit der Patentfähigkeit zitierten Druckschriften allesamt nicht Stand der Technik sind, nicht zur Unzulässigkeit des Einspruchs, sondern dazu, dass die entsprechenden Angriffe nicht erfolgreich sein können.

Die Kammer ist daher zum Schluss gelangt, dass dem Antrag, den Einspruch als unzulässig zu verwerfen, nicht stattgegeben werden kann.

2. Übertragung der Einsprechendenstellung

Wie schon in ihrer Mitteilung vom 31. August 2017 dargelegt wurde, ist die Beschwerdekammer zur Auffassung gelangt, dass die von der Beschwerdeführerin eingereichten Dokumente Ü1-Ü3 nicht eindeutig belegen, dass die Einsprechendenstellung auf die Giesecke+Devrient Mobile Security GmbH übertragen wurde. Da die Beschwerdeführerin diese Einwände nicht ausgeräumt und keine neuen Dokumente eingereicht hat, wird der Antrag auf Übertragung der Einsprechendenstellung abgelehnt. Die Kammer betrachtet die Giesecke & Devrient GmbH weiterhin als Einsprechende und Beschwerdeführerin.

3. Umfang der Zulassung der Druckschrift E5a

Die Beschwerdegegnerin hat während der mündlichen Verhandlung ihren Antrag auf Nichtzulassung der Druckschrift E5a zurückgezogen und durch einen Antrag auf eine beschränkte Zulassung der Druckschrift E5a, nämlich im Umfang der Offenbarung der Druckschrift E5c, ersetzt. Diesem Antrag kann nicht stattgegeben werden, da es keine Rechtsgrundlage für eine derartige beschränkte Zulassung einzelner Teile oder Auszüge einer Druckschrift gibt.

Daher hat die Kammer die Druckschrift E5a vollinhaltlich zugelassen.

Da die Beschwerdegegnerin nicht beantragt hat, Argumente der Beschwerdeführerin, die auf Offenbarungsstellen der Druckschrift E5a beruhen, welche in der Druckschrift E5c nicht existieren, als unzulässig zu betrachten, hat die Kammer solche Argumente in Betracht gezogen.

4. Rückverweis an die erste Instanz

In Punkt 6 ihrer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK hat die Kammer Folgendes festgestellt:

"Die Kammer sieht keinen guten Grund, den Fall an die erste Instanz zurückzuverweisen. Die Druckschrift E5a weist zwar Unterschiede zur Druckschrift E5c auf, aber die Offenbarung der beiden Druckschriften ist über weite Strecken identisch. Insofern handelt es sich nicht um eine völlig neue Entgegenhaltung, deren Einreichung die materiellrechtliche Situation grundlegend ändert. Eine Zurückverweisung würde die endgültige Entscheidung deutlich verzögern. Die Beschwerdegegnerin hat geltend gemacht, dass eine Verweigerung der Zurückverweisung sie benachteiligen würde, weil sie einer Instanz beraubt wäre. Allerdings besteht im Rahmen des EPÜ kein absoluter Anspruch auf zwei Instanzen bzw. auf Zurückverweisung (siehe z.B. die Entscheidung R 9/10 vom 10. September 2010, Punkt 8 der Entscheidungsgründe).

Nach Abwägung aller maßgeblichen Faktoren ist die Kammer zur Auffassung gelangt, dass der Fall nicht zurückverwiesen werden sollte. Da die Kammer im Folgenden zur Patentfähigkeit gegenüber der Druckschrift E5a Stellung nimmt, scheint eine Zurückverweisung auch nicht mehr sinnvoll."

Da die Beschwerdegegnerin in der Folge des Verfahrens keine neuen Argumente vorgebracht hat, die zu einem anderen Schluss führen, hat die Kammer entschieden, den Fall nicht zur weiteren Prüfung an die erste Instanz zurückzuverweisen.

5. Anspruchsauslegung

5.1 "Materialschwächung"

Die natürlichste Auslegung des Ausdrucks "Materialschwächung" besteht darin, darunter ein Geschwächtsein des Materials zu verstehen. Der Anspruch 1 spricht jedoch davon, dass das Verbindungselement des Datenblatts "wenigstens eine" Materialschwächung aufweist, was darauf hinweist, dass der Ausdruck ein strukturelles Element des Verbindungselements bezeichnet. Dieser Eindruck verdichtet sich bei Betrachtung der abhängigen Ansprüche. Zum Beispiel schreiben die Ansprüche 4 bis 6 eine bestimmte Lage der Materialschwächung vor, und der Anspruch 12 beansprucht eine teilweise oder völlig unsichtbare Materialschwächung. Die Beschreibung des Streitpatents vermittelt dasselbe Bild. So wird zum Beispiel offenbart, dass "das Verbindungselement an den Materialschwächungen reisst" bzw. dass die Materialschwächungen einreißen (Absatz [0010]). Weiters ist offenbart, dass "die ... Materialschwächung durch einen Einschnitt oder eine Einritzung ... realisiert" sein oder "entlang des Randes der Platte angeordnet sein" kann (Absatz [0011]) Eine Materialschwächung im Sinne des Streitpatents ist also unzweifelhaft ein lokalisierbares Element des Verbindungselements, das eine lokale Schwächung bewirkt. Ihre Wirkungsweise ist mit jener einer Sollbruchstelle vergleichbar.

In diesem Zusammenhang ist noch zu erwähnen, dass die Materialschwächung im Sinne des Streitpatents nicht unbedingt ein einzelnes Element ist, sondern auch aus mehreren sogenannten "Schwächungselementen" zusammengesetzt sein kann (siehe dazu die Ansprüche 3 und 7-9 sowie die Absätze [0018] bis [0025] des Streitpatents. Jede der Figuren 1 bis 8 zeigt jeweils eine Materialschwächung 6, die von einer Mehrzahl von Schwächungselementen 7 gebildet wird.

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Im Falle der Figur 4 sind die Schwächungselemente C-förmig (siehe Absatz [0021] des Streitpatents).

Die Beschwerdegegnerin hat ausgeführt, dass die Materialschwächungen zu einer Beeinträchtigung der Verbindung zwischen Verbindungselement und Platte führen, dass das Streitpatent diesen Nachteil aber bewusst in Kauf nehme (Beschwerdeerwiderung, Absatz, der die Seiten 10 und 11 überbrückt). Sie scheint das aus der Feststellung abzuleiten, dass sich gezeigt habe, "dass solche Materialschwächungen möglich sind, ohne dass der übliche Gebrauch eines solchen Passbüchleins beeinträchtigt würde" (Absatz [0010] des Streitpatents). Nach Auffassung der Kammer lehrt dieser Absatz aber nicht, dass die Verbindung zwischen Verbindungselement und Platte beeinträchtigt ist; es wird hier vielmehr offenbart, dass im Hinblick auf den üblichen Gebrauch keine Beeinträchtigung festgestellt wurde. Erst wenn Beanspruchungen auftreten, die über den üblichen Gebrauch hinausgehen bzw. wenn versucht wird, das Verbindungselement von der Platte abzulösen, macht sich die Schwächung des Materials bemerkbar.

5.2 "beschädigungsfreies Lösen"

Merkmal 5 verlangt, dass die Materialschwächung ein beschädigungsfreies Lösen der Platte erschwert. Der Fachmann, der dieses Merkmal liest, würde verstehen, dass ein direkter Bezug besteht zwischen der Materialschwächung und der Beschädigung, die beim Lösen entstehen soll. Es muss sich bei der Beschädigung also um eine Beschädigung des schon geschwächten Verbindungselements handeln, und nicht um eine Beschädigung der Platte.

6. Hauptantrag: Neuheit gegenüber der Druckschrift E5a

Entscheidend für die Frage der Neuheit ist, ob die Druckschrift E5a das Merkmal 5 aufweist, also ob sie offenbart, dass das bandförmige flexible Verbindungselement wenigstens eine Materialschwächung aufweist, die ein beschädigungsfreies Lösen der Platte vom Verbindungselement erschwert. Es war nicht strittig, dass die Druckschrift E5 die anderen Merkmale von Anspruch 1 offenbart.

Die Beschwerdeführerin hat dargelegt, dass die Durchbrüche 15, die in der Figur 2 der Druckschrift E5a sichtbar sind, eine Materialschwächung des Verbindungselements 4 darstellen.

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Im Absatz [0022] der Druckschrift E5a ist dazu Folgendes offenbart:

"Die flexible Schicht 4 weist einen Bereich 4a auf, der zwischen zwei Datenträgern 11 eingebunden ist und der sich nur bereichsweise über diese Datenträger 11 erstreckt. In diesem Bereich 4a sind Durchbrüche 15 vorgesehen, in denen Verbindungsstellen 10 gebildet sind. Die Durchbrüche 15 können auch Maschenöffnungen eines Textils sein."

Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass solche Maschenöffnungen keine Materialschwächungen sind (siehe Punkt 10.1 der Entscheidungsgründe, Blatt 3, zweiter Absatz). Diese Auffassung ist für die Kammer nachvollziehbar.

Im Beschwerdeverfahren bezog sich die Beschwerdeführerin auf eine andere Ausführungsform, nämlich eine mit Durchbrüchen versehene Folie (Absätze [0010] und [0022] der Druckschrift E5a) und argumentiert, dass solche Durchbrüche in einer Folie stets eine Materialschwächung darstellen. Die Kammer teilt diese Ansicht. Am Ort der Durchbrüche ist nämlich kein Folienmaterial vorhanden, welches einer zur Trennung auferlegten Belastung anteilsmäßig Widerstand leisten könnte. Das um die Durchbrüche herum liegende Folienmaterial wird somit einer zusätzlichen Belastung ausgesetzt, was einer Beschädigung des Materials in diesen Bereichen zuträglich ist: es ist zu erwarten, dass, falls Risse entstehen, sie in diesen Bereichen entstehen. Damit ist aber eine Materialschwächung im Sinn von Anspruch 1 gegeben.

Die Feststellung der Beschwerdegegnerin, dass das erklärte Ziel der Durchbrechungen sei, eine starke Verbindung zwischen Verbindungselement und Platte herzustellen, steht dazu nicht im Widerspruch. Die Durchbrüche schwächen die Folie als solche, erlauben jedoch eine innigere Verbindung der Folie mit der Platte.

Der Vorwurf, die Kammer betrachte die Folie in unzulässiger Weise als isoliert, ist nicht zutreffend, da gemäß Anspruch 1 die Materialschwächung eine Materialschwächung des Verbindungselement und nicht des Verbundes ist. Das Zusammenwirken mit der Platte betrifft nicht die Materialschwächung als solche, sondern wird erst relevant, wenn ihre Aufgabe beim Lösen der Platte zu untersuchen ist.

Es stellt sich also die Frage, ob die durch die Durchbrüche geformte Materialschwächung ein beschädigungsfreies Lösen der Platte vom Verbindungselement erschwert.

Die Beschwerdegegnerin hat geltend gemacht, dass im Falle des Datenblatts der Druckschrift E5a die Zugfestigkeit der Folie 4, die aus Polycarbonat besteht, größer ist als diejenige der Datenträger 9, welche aus PET hergestellt sind. Die Beschwerdeführerin hat dieser Feststellung nicht widersprochen. Die Beschwerdegegnerin leitet daraus ab, dass nicht beabsichtigt ist, dass die Folie reißt, sondern dass es vor einem solchen Reißen zu einem Bruch der Materialsäulen, die die Durchbrechungen der Datenträger 9 ausfüllen, kommt. Die Kammer findet diesen Vortrag nur bei gleichem lastragenden Querschnitt plausibel.

Dessen ungeachtet ist aber festzustellen, dass das Ablösen der Folie 4 von den Datenträger 9 voraussetzt, dass die genannten Materialsäulen durchtrennt werden. Dies kann geschehen, indem eine Zugkraft auf den oberen Datenträger ausgeübt wird, oder aber indem ein Trennwerkzeug zwischen diesen Datenträger und die Folie 4 eingeführt und mittels dieses Trennwerkzeugs Kraft auf die Materialsäulen ausgeübt wird, um sie zu brechen. In beiden Fällen besteht eine akute Verletzungsgefahr für die Folie 4, zumindest in den Bereichen um die Durchbrechungen, in denen die Materialsäulen in unmittelbarem Kontakt mit der Folie stehen. Der Fälscher, der die Folie von den Datenträgern lösen will, muss daher sehr behutsam ans Werk gehen, wenn er eine Beschädigung der Folie vermeiden will. Dies ist nicht der Fall, wenn keine Durchbrechungen vorhanden sind. Daher ist festzustellen, dass die Materialschwächungen der Folie in Gestalt von Durchbrechungen im Kontext der Druckschrift E5a ein beschädigungsfreies Lösen der Datenträger 9 von der Folie erschweren.

Somit ist das Merkmal 5 in der Druckschrift E5a offenbart. Dem Hauptantrag kann daher nicht stattgegeben werden.

7. Hilfsanträge 1 und 1a: Klarheit

Die Merkmale 8 und 9 finden ihre Stütze in der Beschreibung und waren in den erteilten Ansprüchen nicht vorhanden. Daher kann ein auf ihnen beruhender Klarheitsmangel auch im Einspruchsverfahren beanstandet werden.

Das Merkmal 9 in Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1, dem zufolge der Faden "grundsätzlich eine besonders niedrige Reisskraft besitzt", ist unbestimmt. Der Fachmann, der die Erfindung ausführen will oder aber bestrebt ist, außerhalb des Schutzbereiches von Anspruch 1 zu arbeiten, würde nicht wissen, ob ein gegebener Faden 'grundsätzlich eine besonders niedrige' Reißkraft besitzt oder nicht. Damit erfüllt der Anspruch aber das Erfordernis der Klarheit im Sinne von Artikel 84 EPÜ nicht.

Es stellt sich auch die Frage, wie sich der "geschwächte Bereich" gemäß Merkmal 8 genau zur anspruchsgemäßen Materialschwächung verhält. Da ein Bereich als solcher nicht geschwächt sein kann, würde der Fachmann den wohl verstehen, dass der "geschwächte Bereich eines Fadens" als "Bereich, in dem der Faden geschwächt ist" zu deuten ist. Andererseits ist klar, dass jeder Faden einen geschwächten Bereich aufweist, da jeder Faden bei genügend großer Beanspruchung an einer gewissen Stelle reißt. So gedeutet, würde das Merkmal 8 aber zum Nullmerkmal verkommen, da jedes Textil oder Gewebe einen Faden enthält und jeder Faden einen geschwächten Bereich aufweist. Daher würde der Fachmann sich fragen, ob er das Merkmal richtig verstanden hat. Ebenso ist anzumerken, dass der Fachmann, der ein Datenblatt mit einem textilen Verbindungselement herstellt, nicht weiß, ob er damit im Schutzbereich des Anspruchs 1 zu liegen kommt oder nicht.

Die bestehende Formulierung des Anspruchs 1 wirft somit viele Fragen auf und erfüllt daher das Erfordernis der Klarheit im Sinne von Artikel 84 EPÜ nicht.

Ergänzend sei noch angemerkt, dass die Merkmale 8 und 9 verlangen, dass ein Faden gewisse Eigenschaften aufweist. Es ist nicht unmittelbar klar, ob der Faden Teil des Textils oder Gewebes im Sinne von Merkmal 7 ist. Der Fachmann müsste also die Beschreibung des Patents in Betracht ziehen. In Absatz [0025] der Beschreibung, auf den sich die Änderung stützt, ist hingegen klar, dass der Faden ein Faden des Textils oder Gewebes ist. Da ein Anspruch aber in sich klar sein muss, handelt es sich auch hier um eine Unklarheit, die den Erfordernissen von Artikel 84 EPÜ nicht genügt.

Da der Anspruch 1 sowohl des Hilfsantrags 1 als auch des Hilfsantrags 1a mit Klarheitsmängeln behaftet ist, kann diesen Hilfsanträgen nicht stattgegeben werden.

8. Hilfsantrag 1b: erfinderische Tätigkeit

Der Vortrag der Beschwerdeführerin zur mangelnden erfinderischen Tätigkeit von Anspruch 1 hat die Kammer nicht überzeugt.

Die Druckschrift E5a lehrt im Zusammenhang mit dem Ausführungsbeispiel der Figur 2, die als nächstliegender Stand der Technik betrachtet wurde, dass Durchbrüche vorzusehen sind, in denen z.B. durch Laminieren Verbindungsstellen gebildet werden, sodass eine im Wesentlichen unlösbare Verbindung entsteht (siehe Absatz [0022]).

Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheidet sich von der Lehre der Druckschrift E5a dadurch, dass die Materialschwächung als Einschnitt oder Einritzung ausgeformt ist und nicht wie in der Druckschrift E5a als flächige Durchbrechung.

Der Fachmann, der von diesem Stand der Technik ausgeht, hat keinen Anlass, diese Durchbrechungen als Einschnitte oder Einritzungen auszuformen, da dies zu einer Verringerung des Querschnitts der Durchbrüche und somit zu einer Verschlechterung der Verbindung führen würde. Somit würde eine Veränderung des Büchleins gemäß Druckschrift E5a im Sinne des Unterscheidungsmerkmals der Lehre der Druckschrift E5a geradezu entgegenlaufen.

Bezüglich des Gegenstands von Anspruch 5, der sich von der Offenbarung der Druckschrift E5a dadurch unterscheidet, dass die Materialschwächung teilweise im Bereich der Verbindung und teilweise außerhalb der Verbindung oder sogar vollständig außerhalb der Verbindung angeordnet ist, hat die Beschwerdeführerin ihren Vortrag darauf beschränkt, dass es offensichtlich sei, dass man die Einritzungen auch außerhalb der Verbindung fortsetzen könne. Da aber das Vorsehen von Einritzungen nicht naheliegend ist, kann auch dieses Argument nicht überzeugen.

Die Kammer ist daher zum Schluss gelangt, dass von der Beschwerdeführerin nicht überzeugend dargelegt wurde, dass sich der Gegenstand des Hilfsantrags 1b für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Dem Hilfsantrag 1b kann somit stattgegeben werden.

9. Rückzahlung der Beschwerdegebühr

Die Beschwerdeführerin hat bemängelt, dass von der Einspruchsabteilung "für die Beurteilung der Patentfähigkeit lediglich die Patentschrift der E5 herangezogen wurde, die Offenlegungsschrift aber unberücksichtigt blieb" (Beschwerdebegründung, Punkt V., erster Absatz). Dabei übergeht sie aber, dass sie selbst die Patentschrift E5c gegen das Streitpatent eingereicht hatte. Die Einspruchsabteilung hätte feststellen müssen, dass die Druckschrift E5c nicht Stand der Technik ist, aber dieses Übersehen stellt keinen wesentlichen Verfahrensmangel im Sinne der Rechtsprechung dar, zumal die Feststellung, dass die Druckschrift E5c nicht Stand der Technik ist, zu keinem anderen Ergebnis als der Zurückweisung des Einspruchs geführt hätte.

Es ist im Übrigen nicht Aufgabe der Einspruchsabteilung, den fehlerhaften Vortrag einer Einsprechenden zu korrigieren und Druckschriften, die die Einsprechende zitieren hätte können, aber nicht zitiert hat, in das Verfahren einzuführen. Gemäß Artikel 114 (1) EPÜ ermittelt das Europäische Patentamt den Sachverhalt von Amts wegen und ist dabei weder auf das Vorbringen noch auf die Anträge der Beteiligten beschränkt. Das verpflichtet das Amt aber nicht, den mangelhaften Vortrag einer Partei zu ergänzen. Wie in der Entscheidung G 9/91 der Großen Beschwerdekammer (ABl. EPA 1993, 408) festgestellt wurde, ist das der Erteilung nachgeschaltete Einspruchsverfahren im Rahmen des EPÜ grundsätzlich ein streitiges Verfahren zwischen Parteien, die in der Regel gegenteilige Interessen vertreten, die aber Anspruch auf die gleiche Behandlung haben (Punkt 2 der Entscheidungsgründe). Dieses Verständnis des Einspruchsverfahrens hat notwendigerweise zur Folge, dass der Spielraum der Einspruchsabteilung im Hinblick auf Artikel 114 (1) EPÜ eingeschränkt ist.

Die Kammer kann jedenfalls keinen wesentlichen Verfahrensmangel erkennen. Daher weist sie den Antrag der Beschwerdeführerin auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr zurück.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in der folgenden geänderten Fassung aufrechtzuerhalten:

Ansprüche 1 bis 16 gemäß Hilfsantrag 1b, eingereicht während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer;

Beschreibung:

- Spalten 1 und 2: gemäß Hilfsantrag 1b, eingereicht während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer;

- Spalten 3 bis 5 der Patentschrift;

Zeichnungen 1 bis 8 der Patentschrift.

3. Der Antrag auf Rückerstattung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.

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