T 0418/16 () of 26.9.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T041816.20190926
Datum der Entscheidung: 26 September 2019
Aktenzeichen: T 0418/16
Anmeldenummer: 06754213.4
IPC-Klasse: B22F 5/08
B21H 5/02
F16H 55/08
B22F 7/06
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VERFAHREN UM EINE VERZAHNUNG AUS SINTERMATERIAL HERZUSTELLEN
Name des Anmelders: GKN Sinter Metals Holding GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, mit der die Europäische Anmeldung Nr. 06754213.4 zurückgewiesen wurde.

II. In ihrer Entscheidung hat die Prüfungsabteilung festgestellt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag (Ansprüche wie ursprünglich eingereicht) und gemäß Hilfsantrag nicht neu ist (Artikel 54 EPÜ).

III. Hiergegen hat die Anmelderin (im Folgenden: die Beschwerdeführerin) Beschwerde eingelegt.

IV. In der als Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) teilte die Kammer der Beschwerdeführerin ihre vorläufige Einschätzung der Beschwerde mit.

V. Mit Schreiben vom 4. September 2019 erklärte die Beschwerdeführerin, dass sie mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden wäre, sollte die Kammer den Gegenstand des mit diesem Schreiben eingereichten Hilfsantrags 1 für gewährbar erachten.

VI. Mit einem Schreiben vom 17. September 2019 zog die Beschwerdeführerin ihren Hauptantrag sowie ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurück.

Der mit dem Schreiben vom 4. September 2019 eingereichte Hilfsantrag 1 liegt dieser Entscheidung daher als Hauptantrag zugrunde.

VII. Die Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde daraufhin aufgehoben.

VIII. Anträge

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Erteilung eines Patents auf der Basis des mit Schreiben vom 4. September 2019 als Hilfsantrag 1 bezeichneten Antrags (im folgenden: Hauptantrag) oder eines der mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge 2 bis 6.

IX. Wortlaut der Ansprüche des Hauptantrags

Anspruch 1 lautet:

"Verfahren zur Herstellung einer Verzahnung aus einem Sintermaterial, wobei einer Vorform (106) zumindest ein mittels iterativer Berechnung ermitteltes negatives Aufmaß zugeordnet wird, das bei einer Oberflächenverdichtung der Verzahnung (105) zumindest teilweise durch Verdrängung des Sintermaterials gefüllt wird; wobei das negative Aufmaß zumindest auf einer Flanke eines Zahnes der Verzahnung (105) angeordnet ist."

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 11 sind auf bevorzugte Ausführungsformen des Verfahrens zur Herstellung einer Verzahnung gemäß Anspruch 1 gerichtet.

Anspruch 12 ist gerichtet auf ein

"Computerprogrammprodukt mit Programmcodemitteln, die auf einem computerlesbaren Medium gespeichert sind, um ein Verfahren nach wenigstens einem der Ansprüche 1 bis 11 durchzuführen, wenn das Programm auf einem Computer ausgeführt wird."

X. Entgegenhaltungen

In der angefochtenen Entscheidung werden folgende Entgegenhaltungen genannt:

D1: G. Kotthoff: "Neue Verfahren zur

Tragfähigkeitssteigerung von gesinterten

Zahnrädern" (Dissertation an der RWTH Aachen)",

2003, RWTH Aachen, XP001247665,

ISBN: 3-8322-2125-5;

D2: GB 2 250 227 A;

D3: L. S. Sigl et al.: "Evolution of Gear Quality in

Helical PM Gears during Processing",

Powder Metallurgy World Congress & Exhibition

(Euro PM2004), 17. bis 21. Oktober 2004, Wien,

Austria, XP009176190.

Das folgende Dokument wurde von der Kammer gemäß Artikel 114(1) EPÜ ins Verfahren eingeführt:

D4: WO 02/43897 A.

XI. Das für diese Entscheidung relevante Vorbringen der Beschwerdeführerin kann folgendermaßen zusammengefasst werden.

Keines der zitierten Dokumente D1 bis D4 offenbare ein Verfahren zur Herstellung einer Verzahnung, bei dem eine Vorform eingesetzt werde, die ein negatives Aufmaß an einer Zahnflanke aufweise.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag sei daher neu und nicht naheliegend.

Entscheidungsgründe

1. Artikel 54 EPÜ - Hauptantrag

1.1 Auslegung des Anspruchs 1

Anspruch 1 ist auf ein Herstellungsverfahren gerichtet, bei dem zusätzlich definiert wird, dass ein negatives Aufmaß an der Seitenflanke angeordnet ist.

Verfahrensschritte wie die Zuordnung eines negativen Aufmaßes und die Auffüllung des Aufmaßes durch Verdrängung des Sintermaterials sind daher kennzeichnende Merkmale des Anspruchs 1.

1.2 Neuheit gegenüber D1, D2 und D3

D1 offenbart in Kapitel 6 (Bild 6.1) ein Verfahren zur Herstellung von Zahnrädern, bei dem Vorformen mittels Randzonen-Verdichtung oberflächenverdichtet werden. Die in Kapitel 6.5.2 (Bild 6.38) und Kapitel 6.6.1 (Bild 6.4.3) der D1 beschriebenen Vorformen weisen alle ein positives Aufmaß in Bezug auf die Endform auf.

D2 beschreibt aus Sintermaterial hergestellte Zahnräder, die asymmetrisch oberflächenverdichtet werden (Figuren 3 und 5) und in Getrieben von Fahrzeugen eingesetzt werden können (Seite 1, Zeilen 8 bis 10).

D3 offenbart das Sintern und selektive Oberflächenverdichten einer Vorform zum Herstellen eines gesinterten Zahnrades mit einer Verdichtungstiefe > 0.5 mm (Figur 1; Tabelle 1; Seite 3, erster Absatz).

Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von den in D1 bis D3 jeweils beschriebenen Verfahren dadurch, dass der Vorform ein negatives Aufmaß zugeordnet wird, das im Rahmen einer Oberflächenverdichtung durch Verdrängung des Sintermaterials aufgefüllt wird.

1.3 Neuheit gegenüber D4

D4 beschreibt in Absatz [0003] das bekannte Phänomen der Zahnstreckung beim Verdichten der Seitenflanken eines gesinterten Zahnradzahns, das die D4 letztendlich verhindern möchte (D4: Anspruch 1). Tritt die bekannte Zahnstreckung beim Verdichtungsvorgang auf, weist die Vorform an der Zahnspitze inhärent ein negatives Aufmaß auf, das während des Verdichtungsvorgangs mit Aufmaßmaterial aufgefüllt wird.

Falls die in Absatz [0003] der D4 beschriebene Zahnstreckung in einem Herstellungsverfahren toleriert oder gar gewünscht ist, erfolgt inhärent eine iterative Berechnung und Zuordnung des negativen Aufmaßes, da ein Fachmann die Zahnstreckung für die Erzielen einer bestimmten Endform berücksichtigen muss.

Eine iterative Berechnung kann gemäß den Angaben auf Seite 35, Zeilen 18 bis 19 der Anmeldung auch nur eine Wiederholung umfassen.

Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheidet sich daher von dem in D4 inhärent beschriebenen Verfahren dadurch, dass das negative Aufmaß an der Seitenflanke der Vorform angeordnet ist.

1.4 Der Gegenstand der Ansprüche des Hauptantrags erfüllt daher die Erfordernisse des Artikels 54 EPÜ.

2. Artikel 56 EPÜ - Hauptantrag

2.1 In der angefochtenen Entscheidung wird die erfinderische Tätigkeit nicht diskutiert. Allerdings hat die Prüfungsabteilung das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit bereits implizit für ein Herstellungsverfahren gemäß dem Gegenstand des im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 22. Januar 2015 vor der Prüfungsabteilung eingereichten Hilfsantrags 2 anerkannt, indem sie der Beschwerdeführerin diesbezüglich ihre Erteilungsabsicht in Form einer Mitteilung vom 10. März 2015 nach Regel 71(3) EPÜ mitgeteilt hat.

Die Kammer sieht keine Veranlassung die Ansicht der Prüfungsabteilung in Bezug auf die erfinderische Tätigkeit für ein in Anspruch 1 definiertes Herstellungsverfahren in Frage zu stellen, da keines der zitierten Dokumente ein Herstellungsverfahren offenbart, bei dem eine Vorform mit einem negativen Aufmaß an der Flanke eines Zahnes zum Einsatz gelangt, um eine Verbesserung der Herstellung einer Verzahnung aus Sintermaterial zu erzielen.

Der Gegenstand der Ansprüche des Hauptantrags erfüllt daher die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Prüfungsabteilung mit der

Anordnung zurückverwiesen, ein Patent auf der Grundlage folgender Unterlagen zu erteilen:

Ansprüche: 1 bis 12, eingereicht mit dem Schreiben

vom 4. September 2019;

Beschreibung: Seiten 1 bis 37, eingereicht mit dem

Schreiben vom 4. September 2019;

Figuren: 1/12 bis 12/12, wie ursprünglich

eingereicht.

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