T 0340/16 (Logikbaustein/PHOENIX CONTACT) of 13.8.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T034016.20190813
Datum der Entscheidung: 13 August 2019
Aktenzeichen: T 0340/16
Anmeldenummer: 10000398.7
IPC-Klasse: G05B 19/05
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren und Kommunikationssystem zum Konfigurieren eines einen Logikbaustein enthaltenden Kommunikationsmoduls
Name des Anmelders: Phoenix Contact GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: WAGO Kontakttechnik GmbH & Co. KG
Kammer: 3.5.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 100(a)
European Patent Convention Art 56
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag und Hilfsantrag 1
Zulässigkeit (nein) - Hilfsantrag 2
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent Nr. 2 216 696 zu widerrufen, legte die Patentinhaberin Beschwerde ein. Die Entscheidung wurde damit begründet, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung gemäß dem Hauptantrag und in der Fassung gemäß des Hilfsantrags 4 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit ausgehend von Dokument D1 (= DE 42 05 524 A1) beruht. Weitere Hilfsanträge wurden zurückgenommen.

II. Mit ihrer Beschwerdebegründung beantragte die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin), die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und den Einspruch zurückzuweisen (Hauptantrag), hilfsweise das Patent in geänderter Fassung auf der Grundlage der Ansprüche eines mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsantrags (jetzt Hilfsantrag 1) aufrecht zu erhalten. Weiter hilfsweise beantragte sie eine mündliche Verhandlung.

III. Die Einsprechende (Beschwerdegegnerin) beantragte mit ihrer Erwiderung, die Beschwerde zurückzuweisen.

IV. In einer der Ladung zur mündlichen Verhandlung folgenden Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK nahm die Kammer zum Sachverhalt, unter anderem zu der Frage, ob der Gegenstand des Anspruchs 1 der vorliegenden Anträge auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, Stellung.

V. Mit Schreiben vom 31. Juli 2019 reichte die Beschwerdeführerin geänderte Ansprüche eines Hilfsantrags 2 ein und beantragte weiter hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Grundlage der Ansprüche des Hilfsantrags 2.

VI. Am 13. August 2019 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

Die Beschwerdeführerin beantragte, die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und den Einspruch zurückzuweisen (Hauptantrag), hilfsweise das Patent in geänderter Fassung auf der Grundlage der Ansprüche eines mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsantrags (Hilfsantrag 1) oder eines mit Schreiben vom 31. Juli 2019 eingereichten Hilfsantrags 2 aufrecht zu erhalten.

Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

Nach Schließen der Debatte und Beratung der Kammer verkündete der Vorsitzende die Entscheidung.

VII. Anspruch 1 des Hauptantrags lautet:

"Verfahren zum Konfigurieren wenigstens zweier jeweils einen Logikbaustein enthaltenden Kommunikationsmodule zur zumindest teilweisen zyklusfreien Steuerung eines Kommunikationssystems, insbesondere eines Automatisierungssystems, mit folgenden Verfahrensschritten:

Erzeugen eines zyklusorientierten Steuerungsprogramms, welches in mehrere Programmteile unterteilt ist und in einer speicherprogrammierbaren Steuerungseinrichtung zum zyklusorientierten Betrieb des Kommunikationssystems lauffähig ist;

Umwandeln mehrerer Programmteile des zyklusorientierten Steuerungsprogramms jeweils in einen von einem Logikbaustein (80, 96, 106) ausführbaren Code;

Laden der Codes der umgewandelten Programmteile jeweils in den Logikbaustein (80, 96, 106) eines separaten Kommunikationsmoduls (10, 90, 100), dadurch gekennzeichnet, dass die Logikbausteine (80, 96, 106) dieser Kommunikationsmodule (10, 90, 100) miteinander kommunizieren, um unter Ansprechen auf den jeweiligen Code die umgewandelten Programmteile des zyklusorientierten Steuerungsprogramms zyklusfrei auszuführen, wobei die Logikbausteine der Kommunikationsmodule synchron betrieben werden."

VIII. Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass am Ende folgender Wortlaut hinzugefügt ist:

", und dass der dass der in den jeweiligen Logikbaustein (80) geladene Code in Segmente unterteilt ist, um die Betriebssteuerung während des laufenden Betriebs ändern zu können, und dass ein vorbestimmtes Segment des in dem jeweiligen Logikbaustein gespeicherten Codes durch ein neues Segment ersetzt wird, wobei der Logikbaustein (80, 96, 106) des jeweiligen Kommunikationsmoduls (10, 90, 100) unter Ansprechen auf ein Freigabesignal das vorbestimmte Segment deaktiviert und das neue Segment aktiviert"

IX. Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 dadurch, dass nach "und dass ein vorbestimmtes Segment des in dem jeweiligen Logikbaustein gespeicherten Codes durch ein neues Segment ersetzt wird," der folgende Wortlaut eingefügt ist:

"wobei das neue Segment separat in dem jeweiligen Logikbaustein abgelegt wird,"

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit

1.1 Anspruch 1 richtet sich im Wesentlichen auf ein Verfahren zum Konfigurieren wenigstens zweier Kommunikationsmodule, die zur zumindest teilweise zyklusfreien Steuerung eines Kommunikationssystem geeignet sind und jeweils einen Logikbaustein aufweisen. Dabei wird zunächst ein zyklusorientiertes Steuerungsprogramm erzeugt, das in mehrere Programmteile unterteilt ist, von denen mehrere jeweils in einen von einem Logikbaustein ausführbaren Code umgewandelt werden. Der Code wird jeweils in den Logikbaustein eines Kommunikationsmoduls geladen. Weiter sagt Anspruch 1 aus, dass die Logikbausteine zur zyklusfreien Ausführung der umgewandelten Programmteile miteinander kommunizieren und synchron betrieben werden.

1.2 D1 wird als nächstliegender Stand der Technik angesehen und offenbart eine speicherprogrammierbare Steuerung mit wenigstens einem Logikbaustein sowie ein Programmierverfahren für den Logikbaustein (Zusammenfassung). In einem Ausführungsbeispiel offenbart D1 eine modular aufgebaute speicherprogrammierte Steuerung mit einer Zentraleinheit 2 und zwei Baugruppen 3 und 3', die jeweils einen Logikbaustein 10 beziehungsweise 10' aufweisen (Spalte 3, Zeilen 37 bis 40, Fig. 1). Die Logikbausteine 10, 10' können von einem Programmiergerät über die Zentraleinheit 2 programmiert werden (Spalte 3, Zeilen 51 bis 57). Dabei wird mit dem Programmiergerät ein zeitkritischer und ein zeitunkritischer Teil erstellt, wobei der zeitunkritische Teil von der Zentraleinheit 2 abgearbeitet wird und der zeitkritische Teil an die Logikbausteine 10, 10' übertragen und dort in eine logische Verschaltung umgesetzt wird (Spalte 3, Zeilen 58 bis 68). Zusammengefasst ausgedrückt, wird ein sequentielles, d.h. ein zyklusorientiertes, Anwenderprogramm für eine speicherprogrammierbare Steuerung teilweise in Logikelemente übertragen, die zyklusfrei arbeiten.

1.3 Unter Verwendung des Wortlauts von Anspruch 1 offenbart D1 somit ein Verfahren zum Konfigurieren wenigstens zweier jeweils einen Logikbaustein enthaltenden Kommunikationsmodule (Baugruppen 3, 3') zur zumindest teilweisen zyklusfreien Steuerung eines Kommunikationssystems, mit folgenden Verfahrensschritten:

Erzeugen eines zyklusorientierten Steuerungsprogramms, welches in mehrere Programmteile unterteilt ist und in einer speicherprogrammierbaren Steuerungseinrichtung zum zyklusorientierten Betrieb des Kommunikationssystems lauffähig ist (Spalte 5, Zeilen 31 bis 36 und 46 bis 48);

Umwandeln mehrerer Programmteile des zyklusorientierten Steuerungsprogramms jeweils in einen von einem Logikbaustein ausführbaren Code ("Der zeitkritische Teil wird vom Prozessor 6 weiter an die Logikbausteine 10, 10' übertragen und von diesen in eine logische Verschaltung umgesetzt", Spalte 3, Zeilen 65 bis 69);

Laden der Codes der umgewandelten Programmteile jeweils in den Logikbaustein eines separaten Kommunikationsmoduls (ibid.).

1.4 Das Verfahren nach Anspruch 1 unterscheidet sich somit vom Verfahren der D1 durch die folgenden Merkmale:

a) die Logikbausteine der Kommunikationsmodule kommunizieren miteinander, um unter Ansprechen auf den jeweiligen Code die umgewandelten Programmteile des zyklusorientierten Steuerungsprogramms zyklusfrei auszuführen, und

b) die Logikbausteine der Kommunikationsmodule werden synchron betrieben.

Eine technische Wirkung des Merkmals a) ist, dass die Baugruppen flexibler eingesetzt werden können, da durch eine Verschaltung der Baugruppen Steuerungsaufgaben unter Verwendung der Ein- beziehungsweise Ausgänge mehrer Baugruppen realisiert werden können. Eine technische Wirkung des Merkmals b) ist, dass bei der Datenübertragung zwischen den Logikbausteinen das Senden und das Empfangen der Daten zueinander synchronisiert und eine Übertragung bei undefiniertem Signalpegel verhindert werden kann.

1.5 Ausgehend vom Verfahren der D1 kann die dem Gegenstand des Anspruchs 1 zugrunde liegende Aufgabe daher darin gesehen werden, die Baugruppen flexibler einzusetzen und die Zuverlässigkeit der Kommunikation zwischen ihnen zu verbessern.

1.6 Die Kammer merkt zunächst an, dass die Baugruppen der D1 und speicherprogrammierte Steuerungen allgemein eine begrenzte Anzahl von Ein- und Ausgängen besitzen. Dadurch sind auch die Steueraufgaben begrenzt, die mit einer Baugruppe bewältigt werden können. So können beispielsweise von einer Baugruppe mit je drei Ein- und Ausgängen, wie sie in Fig. 1 der D1 abgebildet ist, nur drei unterschiedliche Eingangssignale ausgewertet werden. Soll beispielsweise eine Maschine beim Unterbrechen einer von mehreren Lichtschranken, die den Zugang zur Maschine überwachen, angehalten werden, so können mit einer dieser Baugruppen allein nur drei Zugänge überwacht werden.

Sollen die Baugruppen der D1 flexibler eingesetzt werden, beispielsweise um im vorgenannten Beispiel mehr als drei Zugänge zu überwachen, war es nach Ansicht der Kammer für einen Fachmann zum Prioritätszeitpunkt des Streitpatents unter Berücksichtigung seines allgemeinen Fachwissens naheliegend, mehrere Baugruppen miteinander zu kombinieren und dazu wenigstens einen Ausgang einer Baugruppe mit einem Eingang einer anderen zu verbinden oder, mit anderen Worten, eine Kommunikation zwischen den Baugruppen vorzusehen. Im vorgenannten Beispiel würden die Lichtschranken dreier Zugänge von einer ersten Baugruppe überwacht werden, die bei Unterbrechung einer davon an einem Ausgang ein Signal erzeugt, das an einen Eingang einer zweiten Baugruppe geleitet wird, die an ihren zwei verbleibenden Eingängen die Signale zweier weiterer Lichtschranken überwachen kann.

Auch offenbart die D1 bereits eine Kommunikation zwischen Logikelementen zum Erzeugen komplexerer Verknüpfungen, nämlich im Inneren eines Logikbausteins, wie es Fig. 3 zum Beispiel zwischen den zwei UND-Gliedern gezeigt ist. Die Verschaltung von Logikbausteinen ist somit nur die Anwendung dieses in ihrem Inneren bereits angewendeten Prinzips auf der höheren Ebene der Logikbausteine.

Die Kammer merkt weiter an, dass in Fig. 1 der D1 zwei gerichtete Verbindungen zwischen den Logikbausteinen 10, 10' abgebildet sind. Diese Verbindungen sind zwar nicht näher beschrieben, zeigen dem Fachmann aber die Möglichkeit eines direkten Austauschs zwischen den Logikbausteinen, der in nach Ansicht der Kammer naheliegender Weise auch für Daten oder in anderen Worten eine Kommunikation genutzt werden kann.

1.7 Bei getaktet betriebenen Logikbausteinen, wie es bei den Baugruppen der D1 der Fall ist (1MHz-Takt des Eingangs- beziehungsweise Ausgangslatches, Spalte 4, Zeilen 61 bis 63, Fig. 3), können bei fehlender zeitlicher Abstimmung Fehler bei einer Kommunikation zwischen ihnen auftreten. Wenn beispielsweise ein Eingangslatch Daten genau in dem Moment übernimmt, in dem sie sich ändern und einen undefinierten Pegel aufweisen, kann dies zum Einlesen von falschen Daten führen. Um solche Fehler bei der Kommunikation zwischen den Logikbausteinen zweier Baugruppen auszuschließen, gehörte es zum allgemeinen Fachwissen eines Fachmannes, den Betrieb der Logikbausteine zeitlich aufeinander abzustimmen beziehungsweise sie synchron zu betreiben. Zusätzlich verweist die Kammer darauf, dass auch die D1 bereits den synchronen Betrieb zweier Komponenten innerhalb eines Logikbausteins offenbart, nämlich des Eingangs- und das Ausgangslatches.

1.8 Argumente der Beschwerdeführerin

Die Beschwerdeführerin verwies auf Spalte 3, Zeilen 58 bis 68 und argumentierte, dass im Verfahren der D1 zwei Programmteile, ein zeitkritischer und ein zeitunkritischer, erzeugt würden und dass der gleiche zeitkritische Teil an beide Logikbausteine 10, 10' übertragen würde, die somit den gleichen Code redundant ausführen würden. Somit würde D1 nicht das Merkmal aus Anspruch 1 offenbaren, dass ein Steuerungsprogramm erzeugt wird, das in mehrere Programmteile unterteilt ist. Die Kammer ist dagegen der Ansicht, dass in der D1 der in die Logikbausteine 10, 10' geladene Code auch unterschiedlich sein kann, da der Code in einem der Logikbausteine später auch geändert werden kann (Spalte 4, Zeilen 10 bis 18). Abgesehen davon offenbart die D1 keinen redundanten Betrieb der beiden Baugruppen und adressiert auch nicht Aufgaben wie Zuverlässigkeit oder Ausfallsicherheit, die einen redundanten Betrieb implizieren könnten.

Ferner argumentierte die Beschwerdeführerin, dass die D1 nicht das Erzeugen eines Steuerungsprogramms offenbarte, das in mehrere Programmteile unterteilt ist, von denen mehrere umgewandelt und in verschiedene Logikbausteine geladen werden. In der D1 würde für jede Baugruppe beziehungsweise für jeden Logikbaustein getrennt ein Anwendungsprogramm erzeugt. Die Kammer merkt dazu an, dass dem Absatz in Spalte 5, Zeilen 31 bis 48 der D1, der die Kernidee der Erfindung beschreibt, der Programmablauf "auf die Zentraleinheit 2 und die Baugruppen 3, 3' verteilt" wird. Weiter verwies die Beschwerdeführerin auf Spalte 1, Zeilen 37 bis 40, und argumentierte, dass dort nur auf die Ein- und Ausgänge auf der Ebene eines Logikbausteins Bezug genommen würde. Die Kammer merkt dazu an, dass in diesen Zeilen der innere Aufbau eines Logikbausteins beschrieben ist, der aber unabhängig davon ist, ob mehrere Logikbausteine zusammen für die Ausführung eines Gesamtprogramms eingesetzt werden.

1.9 Aus obigen Gründen beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 52 (1) und 56 EPÜ). Der Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) EPÜ steht der Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung somit entgegen. Der Hauptantrag ist somit nicht gewährbar.

2. Hilfsantrag 1 - Erfinderische Tätigkeit

2.1 Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 umfasst verglichen mit Anspruch 1 des Hauptantrags die zusätzlichen Merkmale, dass der in den jeweiligen Logikbaustein geladene Code in Segmente unterteilt ist, um die Betriebssteuerung während des laufenden Betriebs ändern zu können, und dass ein vorbestimmtes Segment des in dem jeweiligen Logikbaustein gespeicherten Codes durch ein neues Segment ersetzt wird, wobei der Logikbaustein des jeweiligen Kommunikationsmoduls unter Ansprechen auf ein Freigabesignal das vorbestimmte Segment deaktiviert und das neue Segment aktiviert (siehe oben, Punkt VIII).

2.2 Die Verschaltung der Logikbausteine in der D1 wird durch den Inhalt eines Speichers des Logikbausteins bestimmt (Spalte 4, Zeilen 5 bis 9). Diese Verschaltung beziehungsweise der sie bestimmende Speicherinhalt entsprechen somit dem Code in Anspruch 1. Die Programmierung des Logikbausteins der Baugruppe 3' der D1 erfolgt mittels Programmierung eines zusätzlichen Anwendungsspeicher 13' dieser Baugruppe (Spalte 4, Zeilen 10 bis 13). Die Verschaltung des Logikbausteins kann geändert werden, indem der Anwendungs­speicher umprogrammiert wird (Spalte 4, Zeilen 13 bis 18), wobei in dem Fall, dass der Logikbaustein aus mehreren unabhängig voneinander funktionsfähiger Teile besteht, nur der Teil inaktiv sein muss, dessen Programmierung geändert wird (Spalte 4, Zeilen 56 bis 60). Dies impliziert, dass der in einen solchen Logikbaustein geladene Code in mehrere Segmente unterteilt ist, nämlich ein eigenes Segment für jeden der unabhängig voneinander funktionsfähigen Teile, und dass die Verschaltung des Logikbausteins beziehungsweise die Betriebssteuerung während des laufenden Betriebs geändert werden kann, da nur der zu ändernde Teil inaktiv sein muss.

Da der Anwendungsspeicher 13' mit dem Speicher 12' verbunden ist und letzterer die Verschaltung des Logikbausteins bestimmt (Fig. 1), erfolgt eine Änderung der Verschaltung dadurch, dass ein neuer Code beziehungsweise ein neues Segment zuerst separat in den Anwendungsspeicher 13' abgelegt und von dort in den Speicher 12' an die Stelle des zu ändernden Codes beziehungsweise des zu ändernden vorbestimmten Segments geladen wird und dieses ersetzt. Durch das Überschreiben des zu ändernden vorbestimmten Segments im Speicher 12' durch das neue Segment aus dem Anwendungsspeicher 13' deaktiviert der Logikbaustein das vorbestimmte Segment und aktiviert das neue Segment.

Die Übernahme des neuen Segments aus dem Anwendungsspeicher 13' in den Speicher 12' muss mittels irgendeines Signals angestoßen werden, das somit als Freigabesignal im Sinne des Anspruchs 1 verstanden werden kann.

Die in Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 hinzugefügten Merkmale sind daher aus der D1 bekannt.

2.3 Argumente der Beschwerdeführerin

Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass in der D1 der gesamte Logikbaustein für eine Änderung der Programmierung deaktiviert würde. Die Kammer merkt dagegen an, dass in Spalte 4, Zeilen 56 bis 60 ausgesagt ist, dass nur der zu ändernde Teil inaktiv ist, und dies klar aussagt, dass die anderen Teile aktiv sind. Im Übrigen schließt die Formulierung "während des laufenden Betriebs" in Anspruch 1 nicht aus, dass einzelne Teile des Logikbausteins inaktiv sind, während der Logikbaustein weiter im Betrieb ist.

Weiter argumentierte die Beschwerdeführerin, dass im Verfahren gemäß Anspruch 1 das alte Segment vor der Freigabe aktiv ist. Die Kammer merkt dazu an, dass auch bei dem Logikbaustein der D1 das alte Segment beziehungsweise der Code im Speicher 12' aktiv ist bevor er überschrieben wird.

2.4 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 beruht aus den oben und den im Punkt 1 genannten Gründen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 52 (1) und 56 EPÜ). Hilfsantrag 1 ist daher nicht gewährbar.

3. Hilfsantrag 2 - Zulassung

3.1 Hilfsantrag 2 wurde weniger als zwei Wochen vor der mündlichen Verhandlung eingereicht. Für die Zulassung dieses Antrags sind somit die Regelungen des Artikels 13 (1) VOBK maßgebend. Zur Ausübung ihres Ermessens berücksichtigt die Kammer insbesondere die Komplexität des neuen Vorbringens, der Stand des Verfahrens und die gebotene Verfahrensökonomie.

Das in Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 hinzugefügten Merkmal, nämlich dass das neue Segment separat in dem jeweiligen Logikbaustein abgelegt ist, betrifft ein Detail bei der Änderung der Verschaltung eines Logikbausteins, das in den ursprünglich eingereichten Unterlagen nur in der Beschreibung offenbart war und nicht Gegenstand eines Antrags im erstinstanzlichen Verfahren vor der Einspruchsabteilung war. Die Kammer ist der Ansicht, dass die Einführung dieses Merkmals aus der Beschreibung zu einem solch späten Zeitpunkt gegen das Gebot der Verfahrensökonomie verstößt.

In Bezug auf das Argument der Beschwerdeführerin, Hilfsantrag 2 wäre eine Reaktion auf den Bescheid der Kammer, ist folgendes anzumerken:

3.2 Erstens ist die angefochtene Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Patent zu widerrufen, ausschließlich auf den Grund der mangelnden erfinderischen Tätigkeit gestützt. Es gab nach Ansicht der Kammer keinen Grund, warum Hilfsantrag 2, der den Gegenstand der unabhängigen Ansprüche durch die Aufnahme weiterer Merkmale einschränkt, nicht schon früher hätte eingereicht werden können. Dies gilt umso mehr, als bei der Einreichung der Beschwerde die Beschwerdeführerin einen neuen Hilfsantrag gestellt hat.

3.3 Zweitens kann die in ihrem Bescheid mitgeteilte vorläufige Ansicht der Beschwerdekammer, wonach die unabhängigen Ansprüche des Hilfsantrags offen lassen, ob das neue Segment separat im Logikbaustein abgelegt sei oder das alte Segment überschreibe, nicht als überraschend betrachtet werden. Diese Ansicht hatte die Beschwerdegegnerin selbst schon in ihrer Beschwerdeerwiderung vom 31. August 2016 (Seite 15) sinngemäß vertreten. Es gab daher durchaus einen Anlass, zu einem früheren Zeitpunkt des Beschwerdeverfahrens den vorliegenden Hilfsantrag zu stellen.

3.4 Drittens räumt der Hilfsantrag prima facie nicht die Einwände aus, welche die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands der Ansprüche der höherrangigen Anträge betreffen.

3.5 Aus diesen Gründen machte die Kammer von ihrem Ermessen gemäß Artikel 13 (1) VOBK dahingehend Gebrauch, dass sie Hilfsantrag 2 nicht in das Verfahren zuließ.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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