T 0318/16 () of 14.10.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T031816.20191014
Datum der Entscheidung: 14 October 2019
Aktenzeichen: T 0318/16
Anmeldenummer: 08716451.3
IPC-Klasse: B21D 43/11
B21D 43/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VORRICHTUNG UND VERFAHREN ZUR LAGEAUSRICHTUNG VON PLATTENFÖRMIGEN TEILEN
Name des Anmelders: Schuler Automation GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: KUKA Systems GmbH
Wilfried Strothmann Gmbh Maschinenbau
Und Handhabungstechnik
Kammer: 3.2.08
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Mit der am 4. Januar 2016 zur Post gegebene Entscheidung wurde das Europäische Patent Nr. 2 190 604 B1 widerrufen. II. Die Einspruchsabteilung war zur Auffassung gekommen, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung nicht neu sei. Außerdem beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß erstem und zweitem Hilfsantrag nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. III. Hiergegen hat die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) Beschwerde eingelegt. IV. Folgende Anträge sind im Beschwerdeverfahren gestellt worden: Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, die Zurückweisung des Einspruchs und die Aufrechterhaltung des Patents in erteilter Fassung. Hilfsweise beantragt sie die Anberaumung einer mündliche Verhandlung, weiter hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents im geänderten Umfang nach einem der am 9. Mai 2016 eingereichten Hilfsanträge 1-3. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragt die Zurückweisung der Beschwerde. V. Folgende Dokumente sind im Beschwerdeverfahren inhaltlich erörtert worden: E2: DE 10 2005 017 954 A (& DE 10 2005 017 954 B4) D5: WO 2006/128393 A1 D7: DE 10 2004 051 977 D9: "Optische Zentrierstation für Platinen", Blech Rohre Profile, 6/1999 Inhaltlich sind E2 und D5 gleich. Im Folgenden wird auf die 'A'-Veröffentlichung der E2 verwiesen. VI. Anspruch 1 des Hauptantrages (Patent wie erteilt): "Vorrichtung zur Lageausrichtung von plattenförmigen Teilen (12), insbesondere Metallblechplatinen, mit einer Stetigfördereinrichtung (13) zur Beförderung von plattenförmigen Teilen (12), einer der Stetigfördereinrichtung (13) zugeordnet optischen Messeinrichtung (15) zur Bestimmung der IstLage wenigstens eines bestimmten plattenförmigen Teiles (12) und Vergleich der ermittelten Ist-Lage mit einer hinterlegen Soll-Lage sowie der Ermittlung der Lageabweichung der Ist-Lage von der Soll-Lage, einer mit der optischen Messeinrichtung (15) gekoppelten Steuereinrichtung (20) zur Ansteuerung einer Positioniereinheit (19) derart, dass wenigstens ein bestimmtes plattenförmiges Teil (12), dessen Lageabweichung von der Soll-Lage ermittelt wurde, an einem Aufnahmebereich durch die Positioniereinheit (19) aufnehmbar ist und an einem definierten Ablagebereich lagegenau, der Soll-Lage entsprechend zum Weitertransport auf der Stetigfördereinrichtung (13) ablegbar ist." Anspruch 5 des Hauptantrages (Patent wie erteilt): "Verfahren zur Lageausrichtung von plattenförmigen Teilen (12), das Verfahren mit folgenden Schritten: - Antransport von plattenförmigen Teilen (12) auf einer Stetigfördereinrichtung (13), - Bestimmung der Ist-Lage wenigstens eines bestimmten plattenförmigen Teiles (12) auf der Stetigfördereinrichtung (13) mittels einer optischen Messeinrichtung (15) und Vergleich der ermittelten Ist-Lage mit einer hinterlegten Soll-Lage, - Ermittlung der Lageabweichung der Ist-Lage von der SollLage, - Aufnehmen des wenigstens einen bestimmten plattenförmigen Teiles (12), dessen Lageabweichung von der Soll-Lage ermittelt wurde, an einem Aufnahmebereich durch eine Positioniereinheit (19) und lagegenaues, der Soll-Lage entsprechendes Ablegen des plattenförmigen Teiles (12) auf der Stetigfördereinrichtung (13) an einem definierten Ablagebereich, - Weitertransport des wenigstens einen plattenförmigen Teiles (12)." Die Hilfsanträge sind nicht für diese Entscheidung relevant. VII. Zur Stützung ihres Antrages hat die Beschwerdeführerin im Wesentlichen Folgendes vorgetragen: a) Anspruch 1 - Neuheit E2 offenbare nicht das Merkmal, wonach das plattenförmige Teil lagegenau der Soll-Lage entsprechend zum Weitertransport auf der Stetigfördereinrichtung ablegbar ist. Die aus E2 bekannte Anordnung sei nicht so ausgelegt, dass eine Ablage der Platine auf der Stetigfördereinrichtung möglich sei. Die Platine werde hingegen in die erste Werkzeugstufe eingelegt, die nicht zum Weitertransport geeignet sei. b) Anspruch 5 - erfinderische Tätigkeit Es gebe keinen Hinweis im Stand der Technik, der den Fachmann angeregt hätte, zum Gegenstand des Anspruchs 5 zu gelangen. VIII. Zur Stützung ihres Antrages hat die Beschwerdegegnerin im Wesentlichen Folgendes vorgetragen: a) Anspruch 1 - Neuheit Das Merkmal, wonach das plattenförmige Teil lagegenau der Soll-Lage entsprechend zum Weitertransport auf der Stetigfördereinrichtung ablegbar ist, bringe lediglich zum Ausdruck aus, dass eine Möglichkeit bestehen soll, das Teil auf eine Stetigfördereinrichtung abzulegen. Ein tatsächliches Ablegen des Teils sei vom Anspruch nicht erfordert. E2 offenbare eine Teiletransportvorrichtung, bei welcher die Positioniereinheit Platinen von einem Förderband entnehmen kann und lagegerecht auf einer Zwischenablage ablegen könne. Die Roboter seien ebenfalls dazu geeignet, die Platine auch lagegerecht wieder auf dem Förderband abzulegen. Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei somit nicht neu im Hinblick auf E2. b) Anspruch 5 - erfinderische Tätigkeit Der Gegenstand des Anspruchs 5 unterschiede sich von E2 dadurch, dass ein lagegenaues, der Soll-Lage entsprechendes Ablegen des plattenförmiges Teils auf der Stetigkeitsfördereinrichtung an einem definierten Ablagebereich stattfinde. Die zu lösende Aufgabe bestehe darin, die Taktzahl der Bearbeitungslinie zu erhöhen. E2 weise selbst darauf hin, dass sich die Transportzeit durch eine Verkürzung der jeweiligen Transportwege verkürzen lasse (Absatz [0011], vierter Satz). Wolle man die zurückzulegenden Wege einzelner Einheiten verkürzen, müssten die jeweiligen Funktionen durch getrennte Einheiten ausgeführt werden. In Anbetracht der Gegebenheiten einer Pressenstrasse liege es für den Fachmann auf der Hand, die Leistung durch zusätzliche Einheiten zu erhöhen, die kürzere Wege zurücklegen müssten. Der Gegenstand des Anspruchs 5 beruhe daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. |

Entscheidungsgründe

1. Mündliche Verhandlung

Eine mündliche Verhandlung wurde nur von der Beschwerdeführerin und nur für den Fall beantragt, dass ihrer Beschwerde nicht stattgegeben werde. Da die Beschwerde stattgegeben wurde, konnte diese Entscheidung ohne mündliche Verhandlung getroffen werden.

2. Anspruch 1 - Neuheit

2.1 E2 offenbart unstreitig folgende Merkmale des Anspruchs 1:

eine Vorrichtung zur Lageausrichtung von plattenförmigen Teilen ("Platine" 7), insbesondere Metallblechplatinen, mit einer Stetigfördereinrichtung (17) zur Beförderung von plattenförmigen Teilen, einer der Stetigfördereinrichtung zugeordneten optischen Messeinrichtung (16) zur Bestimmung der Ist-Lage wenigstens eines bestimmten plattenförmigen Teiles und Vergleich der ermittelten Ist-Lage mit einer hinterlegen Soll-Lage sowie der Ermittlung der Lageabweichung der Ist-Lage von der Soll-Lage (siehe Absatz [0017]),

einer mit der optischen Messeinrichtung gekoppelten Steuereinrichtung zur Ansteuerung einer Positioniereinheit ("Roboter" 8,9) derart, dass wenigstens ein bestimmtes plattenförmiges Teil, dessen Lageabweichung von der Soll-Lage ermittelt wurde, an einem Aufnahmebereich ("Zwischenablage" 20) durch die Positioniereinheit aufnehmbar ist und an einem definierten Ablagebereich lagegenau ablegbar ist.

2.2 Ob auch das Merkmal des Streitpatents, wonach das plattenförmige Teil lagegenau der Soll-Lage entsprechend zum Weitertransport auf der Stetigfördereinrichtung ablegbar ist (Merkmal (g)), durch E2 vorweggenommen ist, ist jedoch strittig.

2.3 Es stimmt zwar, dass - wie von der Beschwerdegegnerin vorgetragen - das letzte Merkmal des Anspruchs 1 nicht verlangt, dass die in E2 offenbarte Vorrichtung tatsächlich dafür vorgesehen ist, die Teile auf der Stetigfördereinrichtung abzulegen, sondern dass es ausreicht, dass dieses möglich sei. Bei der Beurteilung der Neuheit ist aber zu berücksichtigen, dass das Merkmal g) nicht nur das lagegenaue Ablegen sondern das lagegenaue Ablegen auf der Stetigfördereinrichtung verlangt.

2.4 E2 offenbart eine Stetigfördereinrichtung, von der aus die Teile auf einer Zwischenablage (20) gelegt werden. Die Zwischenablage befindet sich unmittelbar vor der Presse. Von dort werden die Teile direkt in die erste Werkzeugstufe der Presse gelegt (Absatz [0011]). E2 sieht aber keine Stetigfördereinrichtung nach der Zwischenablage vor. Somit kann sie auch keine Vorrichtung offenbaren, die auch nur dafür geeignet sein kann, das Merkmal (g), das ein Weitertransport auf der Stetigfördereinrichtung vorsieht, zu erfüllen.

2.5 Folglich ist der Gegenstand des Anspruchs 1 neu.

3. Anspruch 5 - erfinderische Tätigkeit

3.1 Der Gegenstand des Anspruchs 5 unterscheidet sich unstreitig von dem aus E2 bekannten Verfahren durch ein "lagegenaues, der Soll-Lage entsprechendes Ablegen des plattenförmigen Teiles auf der Stetigfördereinrichtung an einem definierten Ablagebereich".

3.2 Die zu lösende Aufgabe besteht darin, die Taktzahl der Bearbeitungslinie zu erhöhen.

3.3 E2 schlägt zur Lösung dieser Aufgabe vor, Teiletransportvorrichtungen so zu gestalten, dass sie kürzeste Transportwege ausführen (siehe Absatz [0008]). Wesentlich für die Erfindung von E2 sei zudem, dass die Platine von der Teiletransportvorrichtung aus einer undefinierten Lage aufgenommen, um 90° gedreht und direkt in die erste Werkzeugstufe lagegerecht eingelegt oder auf einer unmittelbar vor der Presse befindlichen Zwischenablage abgelegt wird (Absatz [0011]).

3.4 Laut Beschwerdegegnerin sei eine höhere Taktzahl durch eine Funktionstrennung erreichbar. Jedoch würde eine solche Trennung den Einsatz eines zusätzlichen Roboters und eine Veränderung der Stetigkeitsfördereinrichtung erfordern (vgl. angefochtene Entscheidung, Absatz [16.4]).

3.5 Dies würde jedoch gegen die Lehre der E2 gehen, weil diese gerade die Lösung der auch im Streitpatent gestellten Aufgabe gerade darin sieht, Roboter vorzusehen, die die Teile zunächst drehen und dann - ohne Zwischenablage auf der Stetigkeitsfördereinrichtung direkt der ersten Werkzeugstufe, bzw. der Zwischenablage zu übergeben, ohne dass ein Zwischenablegen auf das Förderband vorgesehen ist.

3.6 Ohne einen expliziten Hinweis hat der Fachmann keinen Anlass, einen solchen zusätzlichen Roboter in der Vorrichtung gemäß E2 vorzusehen. Folglich beruht der Gegenstand des Anspruchs 5 auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die Entscheidung wird aufgehoben.

2. Der Einspruch wird zurückgewiesen.

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