European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2019:T025716.20190306 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 06 März 2019 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0257/16 | ||||||||
Anmeldenummer: | 08170563.4 | ||||||||
IPC-Klasse: | B23H 7/08 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Drahtelektrode zum funkenerosiven Schneiden und Verfahren zur Herstellung einer solchen Drahtelektode | ||||||||
Name des Anmelders: | Berkenhoff GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Heinrich Stamm GmbH OPECMADE, INC. EDM, MART CO., LTD |
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Kammer: | 3.2.08 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | - | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) richtet sich gegen die am 12. November 2015 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der sie das europäische Patent Nr. 2193867 widerrufen hat.
II. Am Ende der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer, die am 6. März 2019 stattfand, war die Antragslage wie folgt:
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage des mit Schreiben vom 22. März 2016 eingereichten Hilfsantrags 1 oder auf der Grundlage des mit Schreiben vom 6. Februar 2019 eingereichten Hilfsantrags 2.
Die Beschwerdegegnerin 2 (Einsprechende 2) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen und das Patent zu widerrufen.
Die Beschwerdegegnerinnen 1 und 3 (Einsprechende 1 und 4) nahmen nicht and der Verhandlung teil und hatten im schriftlichen Verfahren keine Anträge gestellt.
Die ehemalige Einsprechende 3 (Thermocompact) hatte während des Einspruchsverfahrens ihren Einspruch zurückgenommen (mit Schreiben vom 5. März 2014).
III. Anspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag 1 lautet wie folgt:
"Verfahren zur Herstellung einer Drahtelektrode (1, 1') zum funkenerosiven Schneiden, bei dem ein Kupfer oder Messing aufweisender Kern (2) mit Zink beschichtet wird und durch Diffusionsglühen ein Draht mit einer Mantelschicht gebildet wird, die überwiegend aus gamma-Messing besteht,
wobei die Drahtelektrode (1, 1')
- einen Kern (2), der ein Metall oder eine Metalllegierung aufweist, und
- einen den Kern (2) umgebenden Mantel (3, 4; 3, 4, 5), der eine oder mehrere Mantelschichten (3, 4, 5) umfasst, von denen mindestens eine (3) ein Phasengemisch aus beta- und/oder beta'-Messing und gamma-Messing aufweist, aufweist,
wobei in der mindestens einen beta- und/oder beta'-Messing und y-Messing aufweisenden Mantelschicht (3) der Drahtelektrode die beta- und/oder beta'-Phase und die gamma-Phase in einem feinkörnigen Gefüge nebeneinander vorhanden sind, in dem die durchschnittliche Korngröße der beta- und/oder beta'-Messing-Körner und der gamma-Messing-Körner im Schnitt senkrecht zur Längsachse der Drahtelektrode (1, 1') 5 mym oder weniger beträgt
dadurch gekennzeichnet,
dass anschließend ein weiterer Diffusionsglühschritt durchgeführt wird, bei dem das gamma-Messing bei Temperaturen oberhalb von 600 °C im wesentlichen in ein beta-Messing mit einem Zinkgehalt von mindestens 51 Gew.% umgewandelt wird, und schließlich der Draht (1, 1') abgekühlt wird, wobei sich aus dem übersättigten beta-Mischkristall feine Bereiche aus gamma-Messing ausscheiden."
Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 lautet wie folgt:
"Verfahren zur Herstellung einer Drahtelektrode (1, 1') zum funkenerosiven Schneiden mit
- einem Kern (2), der ein Metall oder eine Metalllegierung aufweist, und
- einen den Kern (2) umgebenden Mantel (3, 4; 3, 4, 5), der eine oder mehrere Mantelschichten (3, 4, 5) umfasst, von denen mindestens eine (3) ein Phasengemisch aus beta- und/oder beta'-Messing und gamma-Messing aufweist,
wobei in der mindestens einen beta- und/oder beta'-Messing und gamma-Messing aufweisenden Mantelschicht (3) der Drahtelektrode die beta- und/oder beta'-Phase und die gamma-Phase in einem feinkörnigen Gefüge nebeneinander vorhanden sind, in dem die durchschnittliche Korngröße der beta- und/oder beta'-Messing-Körner und der gamma-Messing-Körner im Schnitt senkrecht zur Längsachse der Drahtelektrode (1, 1') 5 mym oder weniger beträgt,
bei dem ein Kupfer oder Messing aufweisender Kern (2) mit Zink beschichtet wird und durch Diffusionsglühen ein Draht mit einer Mantelschicht gebildet wird, die überwiegend aus gamma-Messing besteht,
dadurch gekennzeichnet,
dass anschließend ein weiterer Diffusionsglühschritt durchgeführt wird, bei dem das gamma-Messing bei Temperaturen oberhalb von 600 °C im wesentlichen in ein beta-Messing mit einem Zinkgehalt von mindestens 51 Gew.% umgewandelt wird, und schließlich der Draht (1, 1') abgekühlt wird, wobei sich aus dem übersättigten beta-Mischkristall feine Bereiche aus gamma-Messing ausscheiden."
IV. Folgende Entgegenhaltungen haben in der Entscheidung eine Rolle gespielt:
D1(E5): US -A- 2006/0219666;
D2(E6): US -A- 2005/0040141;
D8(E12): Cu-Zn Phasendiagramm;
D10a: JP -A- 2002-126950;
D10b: englische Übersetzung von JP -A- 2002-126950;
D11: US -A- 4,977,303.
V. Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin 2 lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Verspätetes Vorbringen
Der Hilfsantrag 2 sei spät eingereicht worden, obwohl es möglich gewesen sei, ihn bereits mit der Beschwerdebegründung einzureichen. Der Hilfsantrag 2 sei deshalb nicht in das Verfahren zuzulassen.
Dagegen sei der Einwand unter Artikel 83 EPÜ, wonach eine Mantelschicht überwiegend aus gamma-Messing bei Temperaturen oberhalb von 600 °C nicht im wesentlichen in ein beta-Messing mit einem Zinkgehalt von mindestens 51 Gew.% umgewandelt werden könne, zu prüfen.
Die Entgegenhaltung D10 sei ebenfalls zu berücksichtigen, da sie mit der Erwiderung zur Beschwerdebegründung eingereicht worden sei.
Hilfsantrag 1 - Klarheit
Im Anspruch 1 sei aufgrund der im Vergleich zum erteilten Verfahrensanspruch geänderten Reihenfolge der Merkmale, wodurch die Merkmale des Endprodukts zwischen zwei Verfahrensschritten definiert würden, nicht klar.
Hilfsantrag 2 - erfinderische Tätigkeit
D1 stelle den nächstliegenden Stand der Technik dar und offenbare ein Verfahren zur Herstellung einer Drahtelektrode zum funkenerosiven Schneiden, wobei die Elektrode eine Phasen- und Mikrostruktur gemäß Anspruch 1 aufweise. Das Verfahren der D1 umfasse einen ersten Diffusionsglühenschritt ST30 und eine zweite thermische Behandlung ST49. Folglich unterscheide sich das Verfahren gemäß Anspruch 1 vom Verfahren der D1 lediglich dadurch, dass die zweite Behandlung oberhalb von 600°C stattfinde. Dadurch sei aber kein Effekt zu erreichen, weil die Phasen- und Mikrostruktur von der Abkühlung bestimmt sei, welche in D1 ebenfalls stattfinde. Die zu lösende Aufgabe sei daher, ein alternatives Verfahren bereitzustellen. Aus der D8 sei zu entnehmen, bei welchen Temperaturen die Phasenumwandlungen stattfänden. Der Fachmann könne deshalb aus der D8 beliebige Temperaturbehandlungsschritte, darunter auch die beanspruchte Behandlung, auswählen, um das gewünschte Endprodukt herzustellen. Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei daher im Hinblick auf D1 im Kombination mit D8 naheliegend.
Ausgehend von D1 sei der Gegenstand des Anspruchs 1 auch im Hinblick auf D10 naheliegend, die in den Absätzen [0007] und [0008] ähnlich wie D8 die Phasenverhältnisse der Cu-Zn Legierungen beschreibe.
Im schriftlichen Verfahren wurde auch vorgetragen, dass der Gegenstand des Anspruch 1 auch im Hinblick auf die Kombinationen der D2 mit D1 und D8, und D11 mit D1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
D2 offenbare einen Elektrodendraht, wobei eine Mantelschicht mit einer beta' Phase mittels eines Diffusionsglühenschrittes hergestellt werde. Da D1 einen Diffusionsglühenschritt von 300°C bis 950°C offenbare und D8 die Phasenverhältnisse der Cu-Zn Legierungen beschreibe, sei es für den Fachmann naheliegend zum Gegenstand des Anspruchs 1 zu gelangen.
D11 offenbare im Anspruch 1 ein Verfahren mit zwei Diffusionsglühenschritten, wobei der zweite Schritt bei einer Temperatur von 700°C oder mehr stattfinde. Somit sei der Gegenstand des Anspruchs 1 auch durch eine Kombination der D11 und D1 nahegelegt.
VI. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Verspätetes Vorbringen
Der Hilfsantrag 2 sei als Reaktion auf die Mitteilung der Kammer, die einen neuen Klarheitseinwand enthalten habe, eingereicht worden. Er sei daher in das Verfahren zuzulassen.
Der neue Einwand unter Artikel 83 EPÜ sei erst während der mündlichen Verhandlung erhoben worden, was eine angemessene Reaktion erschwere. Eine Rechtfertigung für diese Verspätung bestehe nicht. Der Einwand sei deshalb nicht in das Verfahren zuzulassen.
D10 sei erst im Beschwerdeverfahren eingereicht worden, obwohl es möglich gewesen sei, diese Entgegenhaltung bereits im Einspruchsverfahren einzureichen. Sie sei daher ebenfalls nicht in das Verfahren zuzulassen.
Hilfsantrag 1 - Klarheit
Der Begriff "Drahtelektrode" im erteilten Anspruch 14 stelle klar, dass es sich dabei um das Endprodukt handele. Folglich sei der Anspruch nicht unklar, selbst wenn die Merkmale der "Drahtelektrode" zwischen zwei Verfahrensschritten eingefügt worden seien.
Hilfsantrag 2 - erfinderische Tätigkeit
Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheide sich vom nächstliegenden Stand der Technik D1 durch die zwei beanspruchten Diffusionsglühschritte. D1 offenbare nämlich einen einzigen Diffusionsglühschritt, welcher zu einer anderen Mikrostruktur führe. Durch die Unterscheidungsmerkmale werde eine verbesserte Schneidleistung erreicht. Ferner stelle das erfindungsgemäße Verfahren eine Vereinfachung des Verfahrens der D1 dar, da keine Zusatzstoffe zur Verfeinerung der Mikrostruktur notwendig seien. Auf jeden Fall habe der Fachmann keinen Grund, das Verfahren der D1 entsprechend der in Anspruch 1 beanspruchten Verfahrensschritte zu ändern. Insbesondere sei eine Lehre in dieser Richtung in D8 oder D10, die lediglich Informationen über Gleichgewichtsphasenumwandlungen umfassten, nicht zu finden.
Auch ausgehend von D2 oder D11 sei der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht naheliegend, weil weder die beanspruchte Behandlung mit zwei Diffusionsglühschritten noch die feinkörnige beta+gamma Mikrostruktur der Mantelschicht in D2 und D11 zu finden seien.
Folglich beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Entscheidungsgründe
1. Verspätetes Vorbringen
1.1 Hilfsantrag 2
Der Hilfsantrag 2 wurde nicht mit der Beschwerdebegründung sondern erst mit dem Schriftsatz vom 6. Februar 2019 eingereicht. Seine Zulassung in das Verfahren liegt im Ermessen der Kammer (Artikel 13(1) VOBK).
Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 unterscheidet sich vom Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 (und des der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Hilfsantrags 2) lediglich durch eine Klarstellung, welche einem von der Kammer in ihrer Mitteilung vom 13. Dezember 2018 erhobenen Einwand Rechnung trägt.
Das Einreichen des Hilfsantrags 2 ist deshalb als angemessene Reaktion auf die Mitteilung der Kammer zu werten. Die Kammer hat daher entschieden, den Hilfsantrag 2 in das Verfahren zuzulassen.
1.2 Einwand unter Artikel 83 EPÜ
Die Beschwerdegegnerin 2 hat beanstandet, dass eine Mantelschicht überwiegend aus gamma-Messing bei Temperaturen oberhalb von 600°C nicht im Wesentlichen in ein beta-Messing mit einem Zinkgehalt von mindestens 51 Gew.% umgewandelt werden könne. Dieser Einwand wurde erstmalig während der mündlichen Verhandlung - d.h. zu einem extrem verspäteten Verfahrensstadium - erhoben.
Der Einwand betrifft einen Verfahrensschritt, der bereits im erteilten unabhängigen Verfahrensanspruch enthalten war. Folglich hätte der Einwand bereits im Hinblick auf die erteilten Ansprüche erhoben werden können und müssen. Zudem besteht für die Verspätung keine objektive Begründung. Ferner wirft dieser Einwand Fragen auf, deren Behandlung möglicherweise nicht ohne eine Verlegung der mündlichen Verhandlung der Beschwerdeführerin zuzumuten sei.
Die Kammer hat daher entschieden, den verspätet vorgebrachten Einwand nicht in das Verfahren zuzulassen (Artikel 13 VOBK).
1.3 D10
D10 wurde zusammen mit der Erwiderung zur Beschwerdebegründung - und somit am Anfang des Beschwerdeverfahrens - eingereicht. Diese Entgegenhaltung wurde zur Unterstützung einer Argumentationslinie (fehlende erfinderische Tätigkeit ausgehend von D1) zitiert, die bereits in der angefochtenen Entscheidung berücksichtigt wurde.
Die Kammer hat daher entschieden, D10 in das Verfahren zuzulassen.
2. Hilfsantrag 1 - Klarheit
2.1 Anspruch 14 wie erteilt betrifft ein Verfahren zur Herstellung einer Drahtelektrode, wobei erst die Merkmale der herzustellenden Elektrode angegeben sind ("nach einem der Ansprüche 1 bis 13") und anschließend die Verfahrensschritte definiert werden.
Im Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 werden dagegen die Merkmale einer "Drahtelektrode" zwischen zwei Verfahrensschritten (die zwei Diffusionsglühschritte) definiert. Der Begriff "Drahtelektrode" als solcher ist nicht ausreichend, um klarzustellen, dass es sich dabei um das Endprodukt handelt. Ein beschichteter Kupfer oder Messingdraht - wie durch das erste Diffusionsglühen hergestellt - kann nämlich auch als Drahtelektrode verwendet werden.
Auf Grund der geänderten Reihenfolge der Merkmale ist es unklar, ob sich die Elektrodenmerkmale auf das End- oder auf ein Zwischenprodukt beziehen. Der Anspruch 1 ist daher aufgrund der Änderungen unklar.
2.2 Da mit der Ausnahme dieser geänderten Reihenfolge die Ansprüche auf den erteilten Ansprüchen basieren, sind keine weiteren Klarheitseinwände zu prüfen.
3. Hilfsantrag 2 - erfinderische Tätigkeit
3.1 Ausgehend von D1
D1 stellt den nächstliegenden Stand der Technik dar und offenbart ein Verfahren zur Herstellung einer Drahtelektrode zum funkenerosiven Schneiden (Anspruch 22). Die Drahtelektrode weist einen Kern ("coil"), der ein Metall oder eine Metalllegierung aufweist (Absatz [0043]), und einen den Kern umgebenden Mantel, der eine oder mehrere Mantelschichten ("covering layer" und "grains formed on the covering layer") umfasst, von denen mindestens eine ein Phasengemisch aus beta-Messing und gamma-Messing aufweist, auf (siehe Anspruch 17). In der mindestens einen beta-Messing und gamma-Messing aufweisenden Mantelschicht der Drahtelektrode sind die beta-Phase und die gamma-Phase in einem feinkörnigen Gefüge nebeneinander vorhanden, in dem die durchschnittliche Korngröße der beta-Messing-Körner und der gamma-Messing-Körner im Schnitt senkrecht zur Längsachse der Drahtelektrode 5 micron oder weniger beträgt (Absatz [0076]).
Im Verfahren der D1 wird ein Kupfer oder Messing aufweisender Kern mit Zink und Zusatzstoffe beschichtet, die u.a. zum Reduzieren der Korngröße dienen (Anspruch 22 und Absatz [0055]). Durch einen Diffusionsglühenschritt (Figur 1, ST30) wird ein Draht mit zwei Mantelschichten gebildet: eine innere Schicht aus einer beta-Phase (Absätze [0074] und [0075]) und eine äußere Schicht mit der oben beschriebenen beta+gamma Mikrostruktur (Absätze [0074] und [0075]). Die weitere thermische Behandlung ST49 dient lediglich dazu, Spannungen abzubauen, und hat keinen Einfluss auf die Mikrostruktur (Absatz [0084]). Sie kann somit nicht als Diffusionsglühschritt angesehen werden.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich vom Verfahren der D1 dadurch, dass nach dem ersten Diffusionsglühen die Mantelschicht überwiegend aus gamma-Messing besteht, und dass anschließend ein weiterer Diffusionsglühschritt durchgeführt wird, bei dem das gamma-Messing bei Temperaturen oberhalb von 600°C im wesentlichen in ein beta-Messing mit einem Zinkgehalt von mindestens 51 Gew.% umgewandelt wird.
Es ist nicht erwiesen, dass dadurch eine verbesserte Schneidleistung erreichbar ist. Ferner ist das erfindungsgemäße Verfahren mit den zwei Diffusionsglühschritten nicht unbedingt als eine Vereinfachung des Verfahrens der D1, das nur ein Diffusionsglühschritt umfasst, anzusehen. Folglich besteht die durch das Verfahren von Anspruch 1 gelöste objektive technische Aufgabe darin, ein alternatives Verfahren zur Herstellung einer Drahtelektrode mit guter Schneidleistung und Erosionsbeständigkeit bereitzustellen.
Die Lösung gemäß Anspruch 1 umfasst, zur Herstellung der feinkörnigen Mikrostruktur, zwei Diffusionsglühschritte, wodurch eine übersättigte beta-Phase hergestellt wird aus der während der Kühlung die feinen gamma-Bereiche ausscheiden. Dieser Ansatz unterscheidet sich grundsätzlich vom Ansatz der D1, wobei der Diffusionsschritt zur Herstellung der chemische Zusammensetzung der zu erreichenden Phasen dient, während die Zusatzstoffe für die feine Mikrostruktur verantwortlich sind.
Es war für den Fachmann nicht naheliegend, das Verfahren der D1 derart grundsätzlich zu ändern.
Sein in D8 dargestelltes allgemeines Fachwissen würde ihn auch nicht dazu führen. Das Phasendiagramm der D8 liefert keine Informationen über Nichtgleichgewichtsphasen und über das kinetische Verhalten der Phasenumwandlungen, so dass es nicht nahelegen kann, dass die feine beta+gamma Mikrostruktur mit dem beanspruchten Verfahren herstellbar ist.
Dasselbe trifft im Hinblick auf die D10 zu, die in der zitierten Textstelle (Absätze [0007] und [0008]) lediglich den technischen Inhalt der D8 wiedergibt.
Folglich war der Gegenstand des Anspruchs 1 ausgehend von D1 nicht naheliegend.
3.2 Ausgehend von D2 oder D11
Die ausgehend von D2 oder D11 im schriftlichen Verfahren vorgetragenen Angriffslinien können ebenfalls nicht die erfinderische Tätigkeit in Frage stellen.
D2 offenbart weder die beanspruchte Behandlung mit zwei Diffusionsglühschritten noch die feinkörnige beta+gamma Mikrostruktur der Mantelschicht.
Dasselbe trifft, entgegen der Meinung der Beschwerdegegnerin 2, auch für D11 zu. Anspruch 1 der D11 offenbart nämlich einen einzigen Diffusionsglühschritt ("heating the resulting coated wire in an oxidizing atmosphere at a temperature of at least 700°C"), da der vorhergehende Wortlaut "said coating metal being capable of dissusing into a substance comprised in said core upon heating" lediglich die Einigung der Mantelschicht zur Diffusion in dieser Behandlung beschreibt.
Diese Unterscheidungsmerkmale werden auch nicht vom Stand der Technik nahegelegt.
Selbst wenn der Fachmann, um eine Drahtelektrode mit guter Schneidleistung und Erosionsbeständigkeit herzustellen, die Lehre und die Mikrostruktur der D1 in Betracht ziehen würde, hätte er keinen Grund ein anderes Verfahren als dasjenige der D1 - und insbesondere nicht das im Patent beanspruchte Verfahren - zu verwenden, um diese Mikrostruktur zu erreichen.
3.3 Folglich beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent in geändertem Umfang mit folgender Fassung aufrechtzuerhalten:
- Ansprüche 1-14 gemäß Hilfsantrag 2, eingereicht mit Schreiben vom 6. Februar 2019
- Beschreibung, Seiten 1-19, eingereicht während der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer
- Figuren 1 und 2 der Patentschrift.