T 0208/16 () of 11.10.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T020816.20181011
Datum der Entscheidung: 11 October 2018
Aktenzeichen: T 0208/16
Anmeldenummer: 09163417.0
IPC-Klasse: B60D 1/14
B60D 1/06
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Anhängekupplung
Name des Anmelders: Bosal ACPS Holding 2 B.V.
Name des Einsprechenden: Westfalia-Automotive GmbH
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
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Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Der Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 2 138 332 wurde mit der am 14. Dezember 2015 zur Post gegebenen und beiden Parteien am 28. Dezember 2015 zugestellten Entscheidung der Einspruchsabteilung zurückgewiesen. Dagegen wurde von der Einsprechenden am 29. Januar 2016 Beschwerde eingelegt und die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung wurde am 26. April 2016 eingereicht.

II. Es fand am 11. Oktober 2018 eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang gemäbeta dem Hauptantrag, eingereicht als Hilfsantrag I am 7. August 2018.

III. Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

"Anhängekupplung umfassend einen Querträger (10), welcher sich mit seiner Längsrichtung (12) quer zu einer Fahrzeuglängsrichtung erstreckt und mit einer Fahrzeugkarosserie eines Fahrzeugs verbindbar ist, einen Kugelhals (42), welcher an einem ersten Endbereich (44) mittels einer Lagereinheit (40) mit dem Querträger (10) verbunden ist, und an einem zweiten Endbereich (46) eine Kupplungskugel (48) trägt, wobei der Querträger (10) als querschnittsformvariierender Hohlformkörper (120) ausgebildet ist, welcher einen Mittelbereich (20) und sich beiderseits des Mittelbereichs (2) an diesen anschliebetaende und sich bis zu äubetaeren Enden (16, 18) des Hohlformkörpers (120) erstreckende Aubetaenbereiche (22, 24) aufweist und wobei eine Querschnittsform der Aubetaenbereiche (22, 24) ausgehend von den äubetaeren Enden (216, 18) in Richtung des Mittelbereichs (20) eine sich zunehmend vergröbetaernde Querschnittsfläche aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass der Mittelbereich (20) des Hohlformkörpers (120) eine Einschnürung (30, 168) aufweist, dass die Einschnürung (30) einen Aufnahmeraum (32) für den Kugelhals (42) in Ruhestellung bildet, dass der Kugelhals einen zwischen dem den Kugelkopf (48) tragenden zweiten Endbereich (46) und dem mit der Lagereinheit (40) verbundenen ersten Endbereich (44) verlaufenden Mittelarm (50) aufweist und dass sich in der Ruhestellung der Mittelarm (50) längs des Querträgers (10) erstreckt."

IV. Die Beschwerdeführerin führte aus, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 im Hinblick auf den Stand der Technik D11 (DE 103 47 816 A1) und das allgemeine Fachwissen, bzw. im Hinblick auf D9 (US-D-470 085 S) oder D16 (DE 295 06 341 U1) und den weiteren Stand der Technik D6 (DE 196 12 962 A1) oder die behauptete offenkundige Vorbenutzung D14, keine erfinderische Tätigkeit aufweise.

Ausgehend von D11 unterscheide sich der Gegenstand des Anspruchs 1 von der aus D11 bekannten verschwenkbaren Anhängekupplung lediglich durch die Merkmale, wonach (i) "die Einschnürung (30) einen Aufnahmeraum (32) für den Kugelhals (42) in Ruhestellung bildet" und wonach (ii) "sich in der Ruhestellung der Mittelarm (50) längs des Querträgers (10) erstreckt". Diese Merkmale seien jedoch durch das allgemeine Fachwissen und die üblichen Fähigkeiten des Durchschnittsfachmanns nahelegt. Insbesondere ergebe sich für den Fachmann die objektive Aufgabe, eine platzsparende Weiterbildung der bekannten Anhängekupplung aus D11 zu schaffen; die technischen Mabetanahmen gemäbeta den Merkmalen (i) und (ii) würden sich dem Fachmann dann unmittelbar anbieten, da diese offensichtlich eine kompaktere Bauweise implizierten, bei der der verschwenkbare Kugelhals in der Ruhelage weniger Platz einnehme. Dies gelte selbst dann, wenn man die Ansicht vertreten sollte, dass der in D11 gezeigte Querträger keine Einschnürung zeige. Das Ausbilden einer Einschnürung im Querträger, z.B. zum (teilweisen oder gänzlichen) Aufnehmen eines Kupplungselementes, sei nämlich eine fachübliche Mabetanahme, wie durch mehrere Dokumente aus dem vorliegenden Stand der Technik belegt werde. Folglich werde der Fachmann die besagten Merkmalen bei dem Querträger aus D11 umsetzen und in naheliegender Weise zum beanspruchten Gegenstand gelangen.

Ausgehend von D9 bzw. D16 unterscheide sich der Gegenstand des Anspruchs 1 von der aus diesen Dokumenten bekannten Anhängekupplung lediglich durch die obigen Merkmale (i) und (ii). Diese Merkmale seien aber für den Fachmann im Hinblick auf D6 oder D14 naheliegend. D9 bzw. D16 offenbarten eine nicht verschwenkbare, fest mit dem Querträger verbundene Anhängekupplung und der Fachmann werde vor der Aufgabe stehen, diese bekannte, nicht verschwenkbare Anhängekupplung durch eine verschwenkbare Anhängekupplung zu ersetzen, wie sie bspw. in D6 oder D14 gezeigt werde. Bei diesen bekannten Anhängekupplungen stehe die Schwenkachse schräg zum Querträger und in der Ruhestellung tauche der Kugelhals im Wesentlichen unterhalb des Querträgers oder hinter dem Querträger ein, wobei der Kugelhals zumindest teilweise in einer Einschnürung des Querträgers aufgenommen werde und der Mittelarm des Kugelhalses sich im Wesentlichen längs des Querträgers erstrecke. Somit werde eine kompakte und insgesamt platzsparende Anordnung erreicht. Der Fachmann werde folglich in naheliegender Weise die vorteilhafte Anordnung (am Querträger) einer verschwenkbaren Anhängekupplung gemäbeta D6 oder D14 auf die Vorrichtung gemäbeta D9 oder D16 übertragen und somit ohne erfinderisch tätig zu werden zum beanspruchten Gegenstand gelangen.

V. Die Beschwerdegegnerin legte dar, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 im Hinblick auf den genannten Stand der Technik erfinderisch sei.

D11 und das allgemeine Fachwissen könnten den Gegenstand des Anspruchs 1 nicht nahelegen, da gemäbeta D11 der Querträger keine Einschnürung aufweise und die Kupplungskugel in der Ruhestellung ungefähr in der Höhe des Trägers liege und somit auch nicht in eine Einschnürung des Trägers eintauchen könne.

D9 und D16 könnten (auch in Verbindung mit D6 oder D14) den beanspruchten Gegenstand nicht nahelegen. In beiden Dokumenten seien starr mit dem Querträger verbundene Kupplungselemente gezeigt, eine Einschnürung für die Aufnahme des Kugelhalses fehle, und folglich gebe es für den Fachmann aufgrund der Konfiguration und der Funktionsweise dieser Anordnungen keinen Hinweis und keine Veranlassung, die technischen Mabetanahmen entsprechend den obigen Merkmalen (i) und (ii) in diesen bekannten Anordnungen umzusetzen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags kombiniert die Merkmale der erteilten Ansprüche 1 und 9 und erfüllt die Anforderungen von Artikel 123 (2) und (3) EPÜ.

3. Der Gegenstand des Anspruchs 1 wird durch die Offenbarung von D11 und das allgemeine Fachwissen nicht nahegelegt. In der Tat offenbart D11 eine verschwenkbare Anhängekupplung mit zwei Schwenkachsen (siehe Bezugszeichen 3 und 5 in den Figuren 1a bis 1c), der also ein unterschiedliches Konzept und Funktionsprinzip zugrunde liegt, im Vergleich zu der verschwenkbaren Anhängekupplung mit nur einer Schwenkachse gemäbeta D6 oder D14. Dies spiegelt sich auch darin wieder, dass die Kupplungskugel 6 in der Ruhestellung A (Figur 1a) nicht unterhalb des Querträgers 1 eintaucht (wie bei D6 oder D14), sondern vor dem Querträger und in derselben Höhe angeordnet ist. Somit wird bei der Anhängekupplung aus D11 in der Ruhestellung der verfügbare Raum vor dem Querträger ausgenutzt und folglich hat diese Anhängekupplung gerade den Vorteil, dass sie keine spezifische (angepasste) Ausbildung des Querträgers erfordert.

Zudem liegt das von der Beschwerdeführerin als Einschnürung erachtetes Gebilde (d.h. mittlerer oberer Bereich des Bauteils in Figur 4b oder mit Bezugszeichen 7 versehenes Bauteil in Figur 2b; siehe Beschwerdebegründung, Seite 26) gerade nicht auf der unteren Seite des Querträgers. Damit würde es sich auch nicht dafür eignen, den Kugelhals in der Ruhestellung (in einer Lage unterhalb des Querträgers) aufzunehmen.

Insgesamt hätte der Fachmann folglich keine Veranlassung, von D11 ausgehend eine Anhängekupplung mit einem alternativen, die besagten Merkmale (i) und (ii) aufweisenden Konzept zu schaffen, da dies nicht der technischen Lehre von D11 entsprechen würde und zudem eine Neukonfigurierung des Querträgers erfordern würde.

4. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ergibt sich nicht in naheliegender Weise aus D9 oder D16 in Kombination mit einem der weiteren Dokumente D6 oder D14 (d.h. selbst bei der Annahme, dass die behauptete offenkundige Vorbenutzung als erwiesen angesehen werde, was nicht der Fall ist).

D9 offenbart einen Querträger, dessen Mittelbereich zur Fixierung einer Halterung ("receiver", siehe z.B. auch D4 (US 6 464 240 B1)) mit einem viereckigen Innenbereich einen korrespondierenden viereckigen Querschnitt aufweist, wobei diese Halterung eine viereckige Öffnung zum Aufnehmen eines darin fest angeordneten Kugelhalses hat (siehe Figuren 1 bis 5; siehe auch Argumentation der Beschwerdegegnerin in der Beschwerdeerwiderung, Seiten 8 bis 9). Diese Anhängekupplung weist somit einen spezifisch konfigurierten Querträger auf, der genau dafür konzipiert ist, eine dazu korrespondierende, darauf fest angeordnete Halterung mit entsprechendem (viereckig im Querschnitt) ausgebildeten Kugelhals form- und kraftschlüssig zu tragen. Insbesondere ist auch die viereckige Form des Mittelbereichs des Querträgers nicht als Aufnahmeraum für den Kugelhals geeignet, da nicht adäquat ausgebildet und dimensioniert (siehe z.B. D6, Figur 3, als Vergleich).

Folglich ist es für den Fachmann nicht naheliegend, die technischen Massnahmen gemäss (i) und (ii) (die nur bei verschwenkbaren Anhängekupplungen zur Anwendung kommen können) in der Anhängekupplung aus D9 umzusetzen, da diese sowohl vom technischen Konzept her als auch strukturell nicht dafür geeignet ist. Dies gilt insbesondere bei Berücksichtigung von D6 und D14, da diese Dokumente (anders als D9) verschwenkbare Anhängekupplungen betreffen und durch eine Kombination mit jedem dieser Dokumente die besprochenen spezifischen Eigenschaften des Querträgers gemäss D9 nicht erhalten bleiben würden.

Im Übrigen ist noch festzustellen, dass nach Auffassung der Kammer D6 keine "Einschnürung" offenbart, da sich bei einer "Einschnürung" zumindest die geometrische Form der äubetaeren Querschnittskontur ändern müsste, was bei D6 nicht klar und eindeutig der Fall ist. Zudem dient die Einschnürung im Querträger gemäbeta D14 laut dem eigenen Vorbringen der Beschwerdeführerin (siehe Beschwerdebegründung Seite 13, insbesondere Figur) nicht zur Aufnahme des Kugelhalses in der Ruhelage (siehe Merkmal (i)), sondern hat lediglich den Zweck, Spiel und Freiraum zwischen Kugelstange und Querstange zu schaffen, zur Vermeidung von Vibrationen.

Aus den genannten Gründen ist der Gegenstand des Anspruchs 1 ausgehend von D9 nicht naheliegend (Art. 56 EPÜ).

Auch ausgehend von D16 ist der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht naheliegend. Insbesondere sind für den Fachmann aus D16 keine Hinweise zu entnehmen, die ihn dazu bringen würden, die fest angeordnete Anhängekupplung aus D16 durch eine verschwenkbare zu ersetzen und dabei die Merkmale (i), (ii) in Betracht zu ziehen und umzusetzen. Hierfür ergibt sich aus D16 auch keine Veranlassung. Zunächst sind in D16 keine Einschnürungen gemäbeta dem Merkmal (i) des Anspruchs 1 offenbart, sondern lediglich Öffnungen (siehe z.B. Bezugszeichen 7, 10, 12) zur Befestigung von Bauteilen. Auch würde weder die Offenbarung von D6 noch die von D14 den Fachmann dazu anregen, die Merkmale (i) und (ii) in der Anhängekupplung gemäbeta D16 umzusetzen, da D6 keine "Einschnürung" zeigt (siehe oben) und D14 keine "Einschnürung" für die Aufnahme des Kugelhalses in der Ruhestellung aufweist (siehe oben). Darüber hinaus würde auch das Ausbilden einer Einschnürung oder Ausnehmung für die Aufnahme des Kugelhalses in dem Querträger 3 eine erhebliche Schwächung der Festigkeit des Querträgers 3 hervorrufen (gerade in der Mitte, unmittelbar an der Stelle wo die Kräfte durch den Anhänger eingeleitet werden), wie es sich aus den relativen Dimensionen von Trägerquerschnitt und Kugelhalsdurchmesser (siehe Figuren 2 und 3 in D16) ergibt. Dies würde folglich eine Umgestaltung und Neudimensionierung des Querträgers erforderlich machen, bei der natürlich auch die notwendigen strukturellen Änderungen für das Anbringen der Lagereinheit der verschwenkbaren Kupplung zu berücksichtigen sind. Dies sind umfangreiche Umgestaltungsmabetanahmen für die der Fachmann im Hinblick auf D16, sowie auf D6 und D14 keine Veranlassung hat, da sich D16 die Aufgabe stellt, "sowohl die Herstellung des Trägers selbst als auch das Anbringen der Zusatzelemente zu vereinfachen und auch den technischen Aufwand hier zu verringern". Die in D16 als Lösung dieser Aufgabe offenbarte Gestaltung des Querträgers müsste aber wegen der notwendigen genannten Umgestaltungsmabetanahmen weitgehend aufgegeben werden, sowie auch die feste Anordnung der Anhängekupplung am Querträger.

Aus diesen Gründen ist der Gegenstand des Anspruchs 1 ausgehend von D16 für den Fachmann nicht naheliegend (Artikel 56 EPÜ).

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent in geändertem Umfang auf der Grundlage der folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:

- Ansprüche 1-12 wie eingereicht als Hilfsantrag 1 mit Schreiben vom 7. August 2018,

- Beschreibungsspalten 1-6 wie eingereicht während der mündlichen Verhandlung,

- Beschreibungsspalten 7-13 wie erteilt,

- Figuren 1-10 wie erteilt.

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