T 0205/16 () of 24.10.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T020516.20191024
Datum der Entscheidung: 24 October 2019
Aktenzeichen: T 0205/16
Anmeldenummer: 10014917.8
IPC-Klasse: A47B77/18
B65F1/14
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Schublade für einen Küchenschrank
Name des Anmelders: Hailo-Werk Rudolf Loh GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: M. Westermann KG
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54 (2007)
European Patent Convention Art 56 (2007)
Schlagwörter: Neuheit - Hauptantrag (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Das Europäische Patent Nr. 2 340 743 (im Folgenden: das Patent) betrifft eine Schublade für einen Küchenschrank.

II. In ihrer nach der mündlichen Verhandlung ergangenen Entscheidung hat die Einspruchsabteilung festgestellt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags (das Patent in der Fassung der korrigierten europäischen Patentschrift EP 2 340 742 B9) nicht neu ist (Artikel 54 EPÜ) und das Patent in geändertem Umfang auf Basis des Hilfsantrags 2 den Erfordernissen des EPÜ genügt.

III. Gegen diese Zwischenentscheidung haben sowohl die Patentinhaberin als auch die Einsprechende Beschwerde eingelegt. Da beide Beteiligte Beschwerdeführerinnen sind, werden sie der Einfachheit halber weiterhin als Patentinhaberin und Einsprechende bezeichnet.

IV. Anträge

Die Patentinhaberin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent mit den Ansprüchen in der Fassung der korrigierten Europäischen Patentschrift (B9) oder hilfsweise, die Beschwerde der Einsprechenden zurückzuweisen, oder weiter hilfsweise, das Patent in eingeschränkter Form auf der Grundlage der Ansprüche der Hilfsanträge II bis IV , alle Anträge eingereicht mit der Beschwerdebegründung, aufrechtzuerhalten.

Die Einsprechende beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent vollständig zu widerrufen.

V. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:

"Schublade ohne Boden und insbesondere für einen Küchenschrank,

mit je einer Schubladenzarge (2) an jeder Längsseite, einer vorderen Querstrebe (3), ggf. gebildet von einer Vorderwand, und einer hinteren Querstrebe (4), ggf. gebildet von einer Rückwand, die insgesamt so miteinander verbunden sind, dass sie eine innen offene Rahmenkonstruktion bilden,

wobei jede Schubladenzarge (2) eine mitfahrende Schiene (6) eines Teleskopauszugs und eine nach oben gewölbte, im Querschnitt etwa umgekehrt U-förmige Abdeckung (8) der mitfahrenden Schiene (6) aufweist,

ferner mit einem bodenstützenfrei ausgeführten Aufnahmerahmen (5) mit den Schubladenzargen (2) zugeordneten Längsseiten und den Querstreben (3, 4) zugeordneten Querseiten, der den von der Rahmenkonstruktion belassenen inneren Freiraum überspannt, und der von oben lose aufgelegt und gegen seitliches Verrutschen gesichert ist,

wobei der Aufnahmerahmen (5) mindestens eine Ausnehmung (9) zur hängenden Aufnahme eines Behälters (10), insbesondere eines Abfallsammelbehälters (10), aufweist,

wobei der Aufnahmerahmen (5) an den Längsseiten Seitenlaschen (12) aufweist, mit denen er auf den Abdeckungen (8) gelagert ist dadurch gekennzeichnet, dass die Seitenlaschen (12) auf den Außenseiten der Abdeckungen (8) nach unten ragen."

VI. Stand der Technik

Die Beteiligten wiesen auf den folgenden Stand der Technik hin:

D1: EP 1 136 392 A2

D3: EP 1 716 779 A1

D4: DE 201 03 360 U1

D5: DE 24 02 554 A1

D6: DE 20 2005 008 286 U1

D7: DE 44 16 237 A1

Zudem hat die Einsprechende mit der Beschwerdebegründung die vier Zeichnungen Ripa 1 bis 4 eingereicht.

VII. Die Patentinhaberin argumentierte in Hinblick auf den Hauptantrag im Wesentlichen wie folgt:

Merkmalsauslegung

Das Patent erkläre in Absatz [0014], dass der Aufnahmerahmen selbst dann direkt auf den Abdeckungen aufliege und nicht auf den Relings, wenn Relings oberhalb der Schubladenzargen vorhanden seien.

Das Merkmal "auf den Abdeckungen gelagert" in Anspruch 1 sei deshalb unter Berücksichtigung der Beschreibung auf diese Auslegung beschränkt.

Artikel 100(a)/54 EPÜ

Absatz [0027] des Dokuments D3 offenbare Relings, die vollständig auf den Abdeckungen der Schubladenzargen ruhten. Bei diesem Ausführungsbeispiel liege der Aufnahmerahmen ausschließlich auf den Relings, und nicht wie in Anspruch 1 definiert auf den unter den Relings befindlichen Abdeckungen.

D3 offenbare nicht den kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1, da die Seitenlaschen 16, 17 nicht auf den Außenseiten der Abdeckungen 3, 4 nach unten ragten.

Artikel 100(a)/56 EPÜ

Dokument D3 offenbare eine Ausführungsform, die gemäß Patent zu vermeiden sei, nämlich die lose Auflage des Aufnahmerahmens auf den Relings einer Standardschublade.

Das kennzeichnende Merkmal des Anspruchs 1 erziele als technischen Effekt Formschlüssigkeit der Seitenlasche und Außenseiten der Abdeckungen. Die zu lösende Aufgabe könne nicht die Sicherung gegen Rutschen des Aufnahmerahmens sein, da diese durch die Relings 14, 15 in D3 bereits gelöst werde. Die Aufgabe sei daher, eine Alternative zu schaffen. Ausgehend von der Lehre der D3 sei eine Ausführung gemäß Anspruch 1 des Streitpatents nicht naheliegend, da diese der Lehre von D3 hinsichtlich der Merkmale "bündig" und "fluchtend" bezüglich der Seitenlaschen 16, 17 und der Schubladenzargen 3, 4 zuwiderlaufe.

Die weiteren zitierten Dokumente seien weniger relevant als D3.

VIII. Die Einsprechende argumentierte in Hinblick auf den Hauptantrag im Wesentlichen wie folgt:

Artikel 100(a)/54 EPÜ

D3 offenbare eine mittelbare sowie eine unmittelbare Lagerung des Aufnahmerahmens 10 auf den Abdeckungen 3, 4. D3 offenbare in Absatz [0015], dass die Relings 14, 15 nur im Mittelbereich von den Schubladenzargen beabstandet sein könnten. Dies impliziere zwangsläufig eine Abstützung auf den Abdeckungen. Durch die Bogenform der Relings und dem bündigen Abschluss der Seitenflächen 16, 17 mit den Abdeckungen (Schubladenzargen) 3, 4 werde eine direkte teilweise Lagerung der Seitenlaschen auf den Abdeckungen offenbart.

Absatz [0022] und die Figuren 1 und 2 der D3 offenbarten unmittelbar, dass es eine Überlappung zwischen Seitenlaschen und Schubladenzargen in D3 geben müsse, um die im Absatz [0022] beschriebene "glatte Außenfläche" zu schaffen.

Artikel 100(a)/56 EPÜ

Der Gegenstand des Anspruchs 1 werde sowohl ausgehend von D4 in Verbindung mit D1/D6 und D3 als auch ausgehend von D5 in Verbindung mit D6 oder ausgehend von D6 nahegelegt.

Ausgehend von D3 werde der Fachmann motiviert, eine glatte Außenfläche gemäß der Lehre in Absatz [0022] herzustellen, um die Reinigung der Flächen zu verbessern. Um eine solche Außenfläche zu erzielen, sei es augenfällig, die Seitenlasche 16, 17 mit einer gewissen Überlappung auf den Schubladenzargen 3, 4 nach unten zu verlängern.

D6 offenbare Seitenlaschen 7, die nach unten auf die Abdeckung 3 ragten. D6 offenbare auch einen "lose aufgelegten" Aufnahmerahmen 7, da dieses Merkmal als "ohne Schrauben, Kleber usw. gelagert" zu verstehen sei. Ausgehend von D6 spiele der Boden 6 in dem Ausführungsbeispiel der Figur 40 keine Rolle und sei zu vernachlässigen.

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag - Merkmalsauslegung: "auf den Abdeckungen gelagert"

Anspruch 1 definiert, dass "der Aufnahmerahmen an den Längsseiten Seitenlaschen aufweist, mit denen er auf den Abdeckungen gelagert ist".

Dieses Merkmal hat für den Fachmann eine eindeutige technische Bedeutung und bedarf keiner Interpretation: Die Abdeckungen müssen den Aufnahmerahmen durch die Lagerung seiner Seitenlaschen stützen. Anspruch 1 lässt es offen, ob es sich dabei um eine direkte oder indirekte Lagerung handelt.

Zwar offenbart Absatz [0014] des Patents, dass der Aufnahmerahmen auf den Abdeckungen unter den Relings aufliegt, sollte die Schublade oberhalb der Schubladenzargen angeordnete Relings aufweisen (siehe erster und zweiter Satz des Absatzes).

Allerdings besteht für den Fachmann im Fall von deutlich und eindeutig abgefassten Patentansprüchen keine Veranlassung, die Beschreibung zur Interpretation der Patentansprüche heranzuziehen (siehe Rechtsprechung der Beschwerdenkammern des Europäischen Patentamts, 9. Auflage 2019, II.A.6.3.1, dritter bis fünfter Absatz).

Anspruch 1 ist deshalb unmittelbar in Hinblick auf seinen Wortlaut auszulegen und umfasst daher die Möglichkeit, dass eine indirekte Lagerung der Seitenlaschen des Aufnahmerahmens auf den Abdeckungen vorliegt.

2. Neuheit, D3 - Artikel 100(a)/54 EPÜ

2.1 Merkmal "auf den Abdeckungen gelagert"

2.1.1 D3 offenbart in Absatz [0027] ein Ausführungsbeispiel in welchem "die Relings 14, 15 auf die Schubladenzargen 3, 4, aufgesetzt sind und entsprechend an ihren Endbereichen einen bogenförmigen Verlauf aufweisen, damit die Relings 14, 15 zumindest in ihrem Mittelbereich von den Schubladenzargen 3, 4 beabstandet sind".

Da der Aufnahmerahmen 10 von D3 an den Relings 14, 15 durch seine Seitenlaschen 16, 17 eingehängt ist (Absatz [0016], erster Satz), wird sein Gewicht in dieser Ausführungsform durch die Relings an die Abdeckungen 3, 4 übertragen.

D3 zeigt deshalb eine indirekte Lagerung des Aufnahmerahmens auf den Abdeckungen durch seine Seitenlaschen und offenbart daher, dass "der Aufnahmerahmen an den Längsseiten Seitenlaschen aufweist, mit denen er auf den Abdeckungen gelagert ist" (siehe obigen Punkt 1).

2.1.2 Die Einsprechende argumentiert, dass eine direkte Lagerung des Aufnahmerahmens auf den Abdeckungen in D3

offenbart sei, weil der Aufnahmerahmen durch die bogenartigen Relings nur instabil gestützt werde und seine Seitenlaschen daher auf den Abdeckungen gelagert seien, insbesondere wenn elastische Elemente 18 gemäß Absatz [0018] benutzt würden.

Allerdings offenbart D3 nicht die genaue Form der Relings in der Ausführungsform gemäß Absatz [0027]. Im zweiten Satz des Absatzes ist lediglich offenbart, dass ihre Endbereiche "einen bogenförmigen Verlauf aufweisen, damit die Relings 14, 15 zumindest in ihrem Mittelbereich von den Schubladenzargen 3, 4 beabstandet sind".

Daraus kann nicht unmittelbar abgeleitet werden, dass der Mittelbereich der Relings bogenförmig ist oder dass die Abstützung des Aufnahmerahmens auf den Relings instabil ist.

Weiterhin impliziert die in Absatz [0018] beschriebene mögliche Benutzung von elastischen Elementen 18 keine Berührung der Seitenlaschen auf den Abdeckungen. Ob eine solche Berührung überhaupt stattfinden kann, hängt unter anderem von der Elastizität des elastischen Elements, seiner Dicke und der Toleranz der Spaltgröße zwischen den Seitenlaschen und den Abdeckungen (siehe unteren Punkt 2.2.3) ab.

Die Kammer ist daher der Meinung, dass D3 keine direkte Lagerung des Aufnahmerahmens auf den Abdeckungen offenbart.

2.2 Merkmal "die Seitenlaschen auf den Außenseiten der Abdeckungen nach unten ragen"

2.2.1 Das Merkmal "die Seitenlaschen auf den Außenseiten der Abdeckungen nach unten ragen" bedeutet, dass eine gewisse Überlappung der Seitenlaschen auf den Außenseiten der Abdeckungen stattfindet.

2.2.2 Die Figuren 1 und 2 der D3 lassen keine Überlappung der Seitenlaschen auf den Außenseiten der Abdeckungen (Schubladenzargen) 3, 4 erkennen. Vielmehr entnimmt man der Figur 2, dass die Seitenlaschen 16, 17 eine gemeinsame Ebene mit den Außenseiten der Schubladenzargen 3, 4 ausbilden.

Die Einsprechende argumentiert, dass in Figur 1 eine dickere Linie an der Grenze zwischen den Seitenlaschen und den Schubladenzargen dargestellt sei, und dass diese Linie eine Überlappung der Seitenlaschen mit den Außenseiten der Schubladenzargen andeute.

Dieses Argument ist für die Kammer nicht überzeugend, da es in D3 keinen Hinweis für eine derartige Auslegung der Zeichnung gibt und eine Überlappung in technischen Zeichnungen normalerweise nicht durch eine dickere Linie dargestellt wird.

2.2.3 Die Beschreibung der D3 stützt diese Schlussfolgerung.

D3 offenbart in Absatz [0008], dass "die Seitenwände mit den Schubladenzargen im wesentlichen fluchtend angeordnet sind und mit diesen bündig abschließen". Absatz [0022] offenbart das gleiche Merkmal (siehe Spalte 5, Zeile 8 bis 11).

Beide Absätze offenbaren, dass diese fluchtende Anordnung eine einfache Reinigung ermöglichen soll, "da eine im wesentlichen glatte Außenfläche erzielt wird" (siehe Spalte 5, Zeile 11 bis 13).

Die Lehre in den Absätzen [0008] und [0022] schließt somit aus, dass eine Überlappung der Seitenlaschen mit den Außenseiten vorliegt.

Die Einsprechende argumentiert, dass eine Überlappung der Seitenlaschen mit den Schubladenzargen erforderlich sei, um die beschriebene glatte Außenfläche herzustellen.

Die Kammer kann dieser Argumentation nicht folgen, da eine Konstruktion gemäß Absatz [0022], wonach die Seitenlaschen fluchtend mit den Schubladenzargen angeordnet und bündig mit diesen abgeschlossen sind, eine "im wesentlichen glatte Außenfläche" bereitstellt, die in Figur 2 entsprechend dargestellt ist.

Das Ergebnis des im Absatz [0022] beschriebenen Ausführungsbeispiels ist ein so schmal wie möglich ausgebildeter Spalt zwischen den Seitenlaschen und den Außenseiten der Abdeckungen, die auf einer gemeinsamen Ebene liegen.

Eine Interpretation, die eine Überlappung erlaubt und eine damit verbundene Abstufung der Außenfläche, widerspricht daher der expliziten Offenbarung der D3 und ist folglich nicht überzeugend.

2.2.4 Die Einsprechende argumentiert, dass die in Figur 2 der D3 dargestellte parabolische Form des oberen Teils der Schubladenzarge impliziere, dass zwischen den Seitenlaschen und der Außenseite der Parabel eine Überlappung vorliegen müsse, um eine glatte Außenfläche zu gewährleisten.

Allerdings sind die Figuren 1 und 2 der D3 nicht detailliert genug ausgeführt, um eine parabolische Form des oberen Teils der Schubladenzargen 3, 4 eindeutig erkennen zu lassen.

Selbst wenn man annimmt, dass der obere Teil der Schubladenzargen parabolisch geformt ist, kann man aus den Figuren nicht erkennen, in wie weit die Seitenlaschen bündig mit dieser postulierten parabolischen Form sein sollen. Vielmehr scheint der untere Rand der Seitenlaschen eine einfache flache gerade Kante aufzuweisen, die quer zur Längsrichtung der Seitenlasche steht. Unter Berücksichtigung der üblichen Dimensionen dieser Bauteile wird so bereits eine "im wesentlichen glatte Außenfläche" bereitgestellt, da der verbleibende Spalt zu vernachlässigen ist.

Sollte die flache gerade Kante der Seitenlasche neben dem Scheitelpunkt der parabolischen Form aufliegen, ragt sie trotzdem nicht über die Außenseiten hinaus, da eine abgerundete Kante in Form einer Parabel nicht Teil der Außenseiten ist (siehe nächsten Absatz unten).

Selbst unter der Annahme, dass der untere Rand der Seitenlasche nicht flach, sondern formschlüssig mit der postulierten parabolischen Form ausgeführt ist, wird das betroffene Merkmal nicht offenbart.

Die "Außenseite der Abdeckungen" ist für den Fachmann die Seite der Abdeckungen, die die äußere Linie der Schubladenzarge formt. Ein äußerer parabelförmiger Teil, der den oberen Teil der Schubladenzarge formt, stellt keine "Außenseite der Abdeckungen, sondern im Wesentlichen die obere Kante der Abdeckung dar.

Eine Überlappung eines Teils eines formschlüssigen Rands der Seitenlaschen mit der postulierten parabolischen Form wäre daher keine Überlappung mit den Außenseiten der Abdeckung im Sinne des Anspruchs 1, sondern ein formschlüssiger Kantenabschluss.

2.3 Zusammenfassend kommt die Kammer daher zu dem Schluss, dass der Gegenstand von Anspruch 1 neu in Bezug auf D3 ist und der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100(a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 54 EPÜ einer Aufrechterhaltung des Patents nicht entgegensteht.

3. Erfinderische Tätigkeit - Artikel 100(a)/56 EPÜ

3.1 Ausgehend von D3

3.1.1 Die Einsprechende argumentiert, dass eine Überlappung zwischen den Seitenlaschen und den Außenseiten der Schubladenzargen von D3 angesichts des Ziels einer glatten Außenfläche augenfällig sei.

3.1.2 Diesbezüglich ist zunächst festzustellen, dass D3 gemäß Absatz [0022] darauf abzielt, eine "im wesentlichen glatte Außenfläche" zu erhalten und dies ohne jegliche Überlappung erreicht wird (siehe die obigen Punkte 2.2.2 und 2.2.3).

3.1.3 Laut der Einsprechenden würde eine teilweise Verlängerung der Seitenlaschen 16, 17 von D3 nach unten genügen, um eine glatte Außenfläche zu schaffen.

Würde man die Seitenlaschen 16, 17 von D3 allerdings auch nur teilweise auf den Außenseiten der Schubladenzargen 3, 4 nach unten verlängern, wären die beiden Elemente nicht mehr auf einer gemeinsamen Ebene fluchtend angeordnet. Folglich wäre in Widerspruch zur Lehre des Absatzes [0022] der D3 keine "im wesentliche glatte Außenfläche" mehr gegeben, sondern eine Außenfläche mit einer longitudinalen Stufe.

Der Fachmann würde daher eine derartige Änderung nicht in naheliegender Weise in Erwägung ziehen, da sie der Zielsetzung von D3 widerspräche.

3.1.4 Ein Fachmann würde eine Verlängerung der Seitenlaschen bis zum unteren Rand der Schubladenzargen ebenfalls nicht in Erwägung ziehen, da der Raum zwischen dem unteren Teil der Schubladenzarge und der Schiene typischerweise eng ist, und deswegen nicht geeignet ist, um eine weitere Platte aufzunehmen.

Selbst wenn der Fachmann dieses Problem vernachlässigen würde, wären weitere nicht naheliegende Änderungen nötig, um diese Verlängerung in die Praxis umzusetzen:

Der Aufnahmerahmen müsste erweitert werden, um sicherzustellen, dass die Seitenlaschen 16, 17 nicht auf der gleichen Ebene wie die Außenseiten der Schubladenzargen 3, 4 liegen, sondern auf einer parallelen Ebene, um ein seitlichen Hinausragen der Seitenlaschen zu vermeiden. Wollte man den Aufnahmerahmen erweitern, müsste man die Relings 14, 15 nach außen verschieben, da sie ein seitliches Rutschen des Aufnahmerahmens verhindern sollen. Würden die Relings in dieser Weise verschoben, wären sie weiter von der Mittellinie der Schubladenzargen (siehe Figur 2) versetzt. Bei einer derartigen Ausführungsform wäre allerdings fraglich, ob der Aufnahmerahmen wie von Anspruch 1 gefordert zumindest noch indirekt auf den Schubladenzargen gelagert wäre.

3.1.5 D6 offenbart keinen Aufnahmerahmen, der "von oben lose aufgelegt" wird, sondern eine Führungsleiste 7, die auf die Schubladenzarge 3 geklemmt ist (siehe Punkt 3.2.2 unten).

Der Fachmann hätte keine Veranlassung, die Überlappung der Führungsleiste 7 über der Außenseite der Schubladenzarge 3 gemäß Figur 40 der D6 als Anstoß zur Modifizierung der D3 zu nehmen, da der Aufnahmerahmen 10 von D3 eine völlig andere Struktur aufweist und nicht auf die Schubladenzargen geklemmt ist, sondern auf den Relings 14, 15 eingehängt wird.

3.2 Ausgehend von D6

3.2.1 Abbildung 40 der D6 offenbart eine Schublade mit Boden.

Die Einsprechende argumentiert, dass bodenlose Schubladen so üblich seien, dass es naheliegend sei, den Boden in der Schubladen von D6 zu entfernen.

Die Kammer kann nicht erkennen, welche Lehre in D6 den Fachmann zu einer solchen Änderung veranlasst hätte.

Der Boden in D6 ist ein Merkmal, das eine wesentliche Rolle bezüglich der Stabilität der Schublade spielt. Um dieses Merkmal zu entfernen, müsste man daher ein anderes Stabilisierungssystem implementieren.

D3 offenbart zwar einen Stabilisierungsrahmen 24, aber nur in Verbindung mit einer ganz unterschiedlichen Schublade, nämlich einer tiefen Schublade mit Relings, um hohe Behälter daran zu hängen.

Es ist kein Grund erkennbar, warum ein Fachmann den Stabilisierungsrahmen der D3 für eine flache Schublade gemäß D6 in Betracht ziehen würde.

3.2.2 Anspruch 1 definiert, dass der "Aufnahmerahmen mit den Schubladenzargen zugeordneten Längsseiten und den Querstreben zugeordneten Querseiten, der den von der Rahmenkonstruktion belassenen inneren Freiraum überspannt, und der von oben lose aufgelegt und gegen seitliches Verrutschen gesichert ist".

Das Ausführungsbeispiel gemäß Figur 40 der D6 offenbart keinen Aufnahmerahmen, der den inneren Freiraum überspannt, sondern mindestens eine Führungsleiste 7 (siehe Absatz [0061], erster Satz).

Weiterhin ist die Führungsleiste nicht "von oben lose aufgelegt", sondern durch Raststege 8, 9 auf die Seitenzarge geklemmt (siehe Absätze [0019] und [0020]).

Darüber hinaus bedingt Anspruch 1, dass "der Aufnahmerahmen mindestens eine Ausnehmung zur hängenden Aufnahme eines Behälters, insbesondere eines Abfallsammelbehälters, aufweist".

Der Schubladeneinsatz 40 von D6 ist nicht der Führungsleiste 7 angehängt, sondern durch die Haltestege 38, 39 daran geklemmt.

Die Kammer kann keinen Anreiz im Stand der Technik finden, die Führungsleiste 7 in einen Rahmen umzugestalten.

3.3 Ausgehend von D4 oder D5

3.3.1 Unter Punkt VII der Beschwerdebegründung hat die Einsprechende die Dokumente D4 und D5 analysiert und zwei Einwände bezüglich erfinderischer Tätigkeit formuliert, den ersten auf der Basis von D4 (in Kombination mit D3 und D1 oder D6), und den zweiten auf der Basis einer Kombination der D5 mit D6 (vgl. Seite 20, fünfter Absatz).

Die Kammer ist der Meinung, dass im Licht der Offenbarung der D3 die Dokumente D4 oder D5 einen weniger relevanten Ausgangspunkt zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit darstellen.

3.3.2 D4 zeigt keine Schubladen ohne Boden (wie in Anspruch 1 beansprucht). Vielmehr zeigt Abbildung 3 deutlich, dass der Träger 3 einen Boden darstellt. Die Tatsache, dass die Behälter hängend in den Abdeckrahmen einsetzbar sind, um den Transport der Behälter zu erleichtern (vgl. Seite 2, vorletzter Absatz), impliziert nicht zwingend, dass in diesem Fall kein Boden vorhanden ist.

Das schienenartige Sicherungselement 9 ist auf der Frontplatte gelagert und stellt keine mitfahrende Schiene einer Schubladenzarge im Sinne von Anspruch 1 dar. D4 zeigt auch weder eine seitliche Schubladenzarge noch eine Seitenlasche des Aufnahmerahmens 7.

Die Kammer kann mangels einer Begründung der Einsprechenden gemäß dem Aufgabe-Lösungs-Ansatz auch keinerlei Anregung sehen, die es dem Fachmann nahelegen würde, die Lehre von D1, D3 oder D6 mit D4 zu kombinieren.

3.3.3 Abbildung 2 der D5 offenbart Seitenlaschen 23 eines Aufnahmerahmens, die die mitfahrenden Schienen 14 abdecken. Der Fachmann hätte keinen Anlass, eine weitere Abdeckung der mitfahrenden Schienen herzustellen, da die Schienen durch die Seitenlaschen schon geschützt sind.

3.3.4 Angesichts der obigen Ausführungen stellen D4 und D5 deutlich weniger Erfolg versprechende Ausgangspunkte als D3 dar, so dass keine der auf ihnen basierenden Argumentationslinien überzeugen kann.

3.4 Zusammenfassend ist die Kammer der Auffassung, dass der Gegenstand von Anspruch 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht und der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100(a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ einer Aufrechterhaltung des Patents nicht entgegensteht.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird - unter Zurückweisung der Beschwerde der Einsprechenden - wie erteilt in der Fassung der korrigierten Europäischen Patentschrift (B9) aufrechterhalten.

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