T 0188/16 (Strassenmautsystem /Kapsch TrafficCom) of 25.6.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T018816.20200625
Datum der Entscheidung: 25 Juni 2020
Aktenzeichen: T 0188/16
Anmeldenummer: 09450193.9
IPC-Klasse: G07B15/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Fahrzeuggerät für ein Strassenmautsystem
Name des Anmelders: Kapsch TrafficCom AG
Name des Einsprechenden: Toll Collect GmbH
Kammer: 3.5.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54 (2007)
European Patent Convention Art 84 (2007)
European Patent Convention Art 123(2) (2007)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(4) (2007)
Schlagwörter: Neuheit - Hauptantrag (nein)
Erster Hilfsantrag - Klarheit (nein)
Zweiter Hilfsantrag - zugelassen (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

Die angefochtene Entscheidung

I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung über den Widerruf des Europäischen Patents Nr. 2 323 104 Beschwerde eingelegt.

In der Entscheidung wurden u.a. die folgenden Dokumente zitiert:

E2: EP1335324 A2

E3: DE 198 37 488 A1

E4: "Grundlagen der Vermittlungstechnik", 2., überarbeitete und erweiterte Auflage, Gerd Siegmund, Decker's Verlag, Heidelberg, 1992.

II. Die Einspruchsabteilung hat in ihrer Entscheidung, befunden, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags (d.h. des Patents wie erteilt) nicht neu gegenüber der Offenbarung des Dokuments E2 war (Artikel 54 EPÜ). Sie hat auch entschieden, dass der erste Hilfsantrag nicht die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ erfüllte. Der zweite Hilfsantrag ist nicht in das Verfahren zugelassen worden, weil die neu hinzugefügten Merkmale prima facie nicht ursprünglich offenbart waren.

III. Hiergegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.

IV. Anspruch 1 des Hauptantrags (d.h. des erteilten Patents) lautet wie folgt, in Form einer Merkmalsgliederung der Beschwerdegegnerin:

M1 |Fahrzeuggerät (1) für ein Bezahlsystem (2) für fahrzeugbezogene Leistungen, insbesondere ein Straßenmaut- oder Parkraumbewirtschaftungssystem, welches Bezahlsystem (2) eine Zentrale (3) und dezentrale Transceiver (4) aufweist |

M1.2|wobei das Fahrzeuggerät (1) mit zumindest einem Sendeempfänger (5) zur Kommunikation mit den Transceivern (4) [ausgestattet ist] |

M1.3|und einem diesen steuernden Prozessor (7) mit einem Programmspeicher (8) enthaltend alle Anwendungsprogramme zum Erzeugen von Bezahltransaktionen in Kommunikation mit den Transceivern (4) für die Zentrale (3) ausgestattet ist, |

M2 |und wobei das Fahrzeuggerät (1) in einen fahrzeugfest montierbaren ersten Geräteteil (9) [unterteilt ist] |

M3 |und einen mit diesem lösbar verbindbaren zweiten Geräteteil (10) unterteilt ist |

M2.1|und der erste Geräteteil (9) den Sendeempfänger (5) enthält, |

|dadurch gekennzeichnet, dass |

M3.1|der zweite Geräteteil (10) den den Sendeempfänger (5) des ersten Geräteteils (9) steuernden Prozessor (7) und dessen Programmspeicher (8) enthält, |

M2.2|wobei der Sendeempfänger (5) die untersten transportorientierten Schichten 1 bis 2, 1 bis 3 oder 1 bis 4 [abwickelt] |

M3.2|und der Prozessor (7), von den Anwendungsprogrammen in seinem Programmspeicher (8) im zweiten Geräteteil (10) gesteuert, die anwendungsorientierten Schichten 7, 7 bis 6 oder 7 bis 5 eines 7-schichtigen OSI-Schichtenmodells der Kommunikation (6) mit den Transceivern (4) und der Zentrale (3) abwickelt.|

V. Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags hat folgendes zusätzliche Merkmal im Vergleich zu Anspruch 1 des Hauptantrags:

"wobei der zweite Geräteteil (10) alle Komponenten für die Abwicklung der genannten anwendungsorientierten Schichten enthält" (wobei "des ersten Geräteteils" in Merkmal M3.1 gestrichen wurde).

VI. In Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags wurde das Wort "nur" in das Merkmal M3.2 im Vergleich zum Anspruch 1 des Hauptantrags aufgenommen:

M3.2'|und nur der Prozessor (7), von den Anwendungsprogrammen in seinem Programmspeicher (8) im zweiten Geräteteil (10) gesteuert, die anwendungsorientierten Schichten 7, 7 bis 6 oder 7 bis 5 eines 7-schichtigen OSI-Schichtenmodells der Kommunikation (6) mit den Transceivern (4) und der Zentrale (3) abwickelt.|

Beschwerdebegründung

VII. Die Beschwerdeführerin bezog sich in ihrer Beschwerdebegründung zunächst auf folgende Anlage A1 der Stellungnahme zur mündlichen Verhandlung in dem Einspruchsverfahren, aus der sich ergebe, dass der eigentliche Anwendungsprozess oberhalb der Anwendungsschicht liege und nicht vom OSI-Modell erfasst werde:

A1: Wikipedia-Artikel vom 15. Juli 2009 über das OSI-Referenzmodell

VIII. Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass durch die Trennung der OSI-Schichten, wie in Anspruch 1 definiert, die Erfindung ein System schaffe, das zwei alleinstehende Geräteteile umfasse, die ohne deren Zusammenschaltung prinzipiell nicht funktionsfähig seien. Sie zitierte Dokument E4 und Anlage A1, um das Argument zu stützen, dass die anwendungsorientierten Schichten keine Anwendungen per se seien, sondern darüberliegenden Anwendungen zur Verfügung stehen würden. Sie war auch der Auffassung, dass Dokument E2 ein fundamental anderes System als die Erfindung beschreibe und weder eine Kommunikation nach dem OSI-Schichtenmodell noch eine Trennung der Kommunikationseinrichtung zeige, wobei zumindest die OSI-Schicht 7 in einem modularen, vom Fahrzeuggerät getrennten Geräteteil ausgeführt werde . Bei dem Fahrzeuggerät von Dokument E2 seien alle zur Kommunikation wesentlichen Komponenten bereits im Fahrzeuggerät verbaut. E2 beschreibe nicht einmal, dass die dort verwendete Kommunikationseinrichtung mittels des OSI-Schichtenmodells funktioniere. Da die Offenbarung eines allgemeinen Begriffs (wie "Kommunikation") nie einen speziellen Begriff (wie "Kommunikation nach dem OSI-Schichtenmodell") vorwegnehmen könne, hätte die Einspruchsabteilung hier die Neuheit feststellen müssen.

Ferner würde die Interpretation der durch das Dokument E2 offenbarten Chip-Karte als Teil der Kommunikationseinrichtung das ganze Konzept der Überwachung ad absurdum führen, da sich die Chip-Karte somit im Wesentlichen selbst überwachen müsste. Die Einspruchsabteilung sehe jedoch in ihrer Entscheidung die Chip-Karte als Teil der Kommunikationseinrichtung an, die die Schicht 7 (bzw. einen Teil davon) des OSI-Modells abwickeln würde.

Die Beschwerdeführerin argumentierte ferner, dass die in Absatz [0014] des Dokuments E2 offenbarten Merkmale, dass die von der Zentrale empfangenen Änderungen der digitalen Karte, insbesondere die Gebührenparameter betreffend, von der Zentrale mit einer Signatur versehen würden und diese dann von der Chip-Karte geprüft würde, nicht ausführbar und damit nicht zu berücksichtigen seien. Damit zeige der zitierte Absatz nicht das Abwickeln der OSI-Schicht 7 in der Chip-Karte, wenn der Fachmann diese Offenbarung dahin auslegen würde, dass die Signatur bereits zu Beginn von der Zentrale hinzugefügt wurde. Die Signatur würde lediglich nach dem Empfangen überprüft werden, zum Beispiel dahingehend, ob die Karte von einem zertifizierten Anbieter stammt, der jedoch nichts mit der Kommunikation zu tun hatte. Von einer "Berechtigung zur Kommunikation" könne also keine Rede mehr sein.

Damit würde Dokument E2 die Merkmale M2.2 und M3.2 nicht offenbaren.

Bezüglich der Klarheit des ersten Hilfsantrags argumentierte die Beschwerdeführerin, dass der Begriff "Komponente für die Abwicklung der anwendungsorientierten Schichten" ein funktionelles Merkmal sei, und dass der Fachmann genau wisse, welche Komponenten er benötige, um die anwendungsorientierten OSI-Schichten abzuwickeln. Zudem wies sie auf den allgemeinen Grundsatz hin, dass der Wortlaut eines jeden Patentanspruchs so zu verstehen sei, dass sich für die einzelnen Wörter diejenige Bedeutung und Reichweite ergäben, die sie auf dem betreffenden Gebiet normalerweise haben.

Beschwerdeerwiderung

IX. In ihrer Beschwerdeerwiderung hat die Beschwerdegegnerin bezüglich der Merkmale M2.2 und M3.2 argumentiert, dass "die Umschreibung eines an sich, beispielweise aus der E2 bekannten Fahrzeuggeräts mittels des OSI-Schichtenmodells" nichts Technisches beitrage, so dass die zusätzlichen Merkmale, die sich auf das OSI-Schichtenmodell bezögen, nicht zur Abgrenzung gegenüber dem Stand der Technik dienen könnten. Es handele sich bei dem OSI-Modell nicht um eine konkrete technische Realisierung eines Kommunikationsprotokolls, sondern nur um ein Gedankenmodell, das zur Vereinfachung der Kommunikation zwischen Entwicklerteams je nach Absprache unterschiedlich ausfallen könne, und zur Strukturierung der Architektur von Datenendsystem und Datennetzen sowie zur Verbesserung der Kompatibilität von Geräten unterschiedlicher Anbieter diene. Bei der Entwicklung eines Datennetzes oder eines Gerätes für Datennetze sei an einem fertiggestellten Computerprogramm bzw. Gerät, basierend auf dem OSI-Schichtenmodell, nicht feststellbar, welches Schichtenmodell zum Architekturdesign verwendet worden ist. Das OSI-Modell diene lediglich der Kommunikation der beteiligten Entwickler für das jeweilige Produkt untereinander. Es sei auch nicht eindeutig zu erkennen, was mit den einzelnen Schichten tatsächlich gemeint sein solle.

Die technische Struktur des Fahrzeuggeräts der E2 sei identisch zu der technischen Struktur des Patents, weil in der Offenbarung E2 ebenfalls nur ein einziger Prozessor zur Verarbeitung der Anwendungsprogramme genannt sei, nämlich der Prozessor, welcher auf der Chipkarte 10 der Offenbarung E2 angeordnet sei, und welcher die Verarbeitung der mautrelevanten Daten zur Bestimmung der Nutzungsgebühr vornehme.

Bezüglich der Klarheit des ersten Hilfsantrags argumentierte die Beschwerdegegnerin, dass es nicht klar sei, welche Einheiten unter "Komponenten" fielen, und ob es sich bei "allen Komponenten" um alle erforderlichen Komponenten handele, oder ob die Formulierung auch optionale Komponenten einschlösse.

Vorläufige Stellungnahme der Kammer

X. In einer vorläufigen Stellungnahme äußerte sich die Kammer bezüglich der Neuheit des Anspruchs 1 des Hauptantrags gegenüber dem Dokument E2 unter anderem wie folgt:

- es scheine unstreitig zu sein, dass E2 die Merkmale M1, M1.2, M2, M3 und M2.1 offenbare, und das Merkmal M1.3. scheine für die Kammer durch E2 vorweggenommen zu werden;

- in der mündlichen Verhandlung solle erörtert werden, ob E2 das Merkmal M2.2 und M3.1 offenbare. Hierzu führte die Beschwerdekammer aus, dass E2 nicht ausdrücklich beschreibe, dass das Open Systems Interconnection Referenzmodell (OSI-Referenzmodell) in dem System des Dokuments E2 benutzt werde. Es müsse daher erörtert werden, ob E2 die Merkmale M2.2 und M3.2 implizit offenbare oder, falls dies zu verneinen sei, ob Dokument E2 die Merkmale M2.2 und M3.2 nahelege.

Bezüglich der Klarheit des ersten Hilfsantrags war die Kammer der Meinung, dass es nicht klar sei, welche Komponenten für die Abwicklung der genannten anwendungsorientierten Schichten anzusehen seien.

Die Beschwerdekammer war weiter der vorläufigen Meinung, den zweiten Hilfsantrag nicht in das Verfahren zuzulassen.

XI. In Erwiderung auf die vorläufige Stellungnahme der Kammer hat die Beschwerdegegnerin argumentiert, warum Merkmale M3.1, M2.2 und M3.2 in E2 offenbart seien, warum der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags nicht neu gegenüber der Offenbarung der E2 sei, und warum der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags gegenüber E2 für den Fachmann zumindest nahegelegt sei. Sie argumentierte auch, warum es dem Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags an Neuheit und erfinderischer Tätigkeit gegenüber E3 fehle.

XII. Die Beschwerdeführerin hat hierzu nicht weiter Stellung genommen.

XIII. Am 25. Juni 2020wurde eine mündliche Verhandlung im Wege einer Videokonferenz abgehalten. Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung der Kammer verkündet.

XIV. Die Beschwerdeführerin beantragte schriftlich, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent wie erteilt, hilfsweise auf der Grundlage des ersten oder zweiten Hilfsantrags, eingereicht mit der Beschwerdebegründung, aufrechtzuerhalten.

Außerdem beantragte sie, die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.

XV. Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Zulässigkeit

1. Die Beschwerde genügt den in Regel 101 EPÜ genannten Bestimmungen und ist daher zulässig.

Begründetheit

Das Streitpatent

2. Das Streitpatent befasst sich mit der Aufgabe, ein Fahrzeuggerät für ein Bezahlsystem für fahrzeugbezogene Leistungen (insbesondere ein Straßenmaut - oder Parkraumbewirtschaftungssystem) bereitzustellen, dessen Fertigung und Distribution unter Erfüllung aller betreiberspezifischen Anforderungen, wie die Aufrechterhaltung des Datenschutzes, vereinfacht ist, und sowohl Geräteherstellern als auch Bezahlsystembetreibern größere Wahlfreiheit als die bekannten Systeme lässt, in der Form einer betreiberunabhängigen Fertigung der Fahrzeuggeräte seitens des Geräteherstellers und einer herstellerunabhängigen Distribution dieser seitens des Bezahlsystembetreibers (Seite 1, Zeilen 1 bis 26, der ursprünglichen eingereichten Beschreibung).

Hauptantrag

3. Offenbarung E2:

3.1 Bezüglich der Neuheit gegenüber dem Dokument E2

3.1.1 E2 betrifft eine Einrichtung in einem Fahrzeug zur fahrzeuginternen elektronischen Ermittlung von Nutzungsgebühren für die vom Fahrzeug zurückgelegten gebührenpflichtigen Wegstrecken (Absätze [0001], [0006] und [0007]; Figur: Einrichtung 20).

E2 lehrt, dass die Kommunikation mit einer Zentrale, falls nötig, über eine im Fahrzeug vorhandene Kommunikationseinrichtung abgewickelt werden kann (Absatz [0010]). Somit beinhaltet das Bezahlsystem explizit eine Zentrale und implizit dezentrale Transceiver.

E2 offenbart deshalb das Merkmal M1.

3.1.2 Das Fahrzeuggerät des Dokuments E2 ist mit zumindest einem Sendeempfänger zur Kommunikation mit den Transceivern ausgestattet (Figur: Sende/Empfangseinrichtung 70; Absatz [0024]: "Die in der Fig. dargestellte Einrichtung 20 umfasst [...] eine Sende-/Empfangseinrichtung 70, die z.B. als Mobiltelefon ausgebildet ist").

E2 offenbart deshalb das Merkmal M1.2.

3.1.3 In E2 ist auch beschrieben, dass das Fahrzeuggerät in einen fahrzeugfest montierbaren ersten Geräteteil (Figur: GPS-Empfänger 30, Speicher 40 und 50, Chipkartenleser/Chipkartenschreiber 60, und Sende-/Empfangseinrichtung 70; Absatz [0024]) und einen mit diesem lösbar verbindbaren zweiten Geräteteil (Figur: Chip-Karte 10, Absatz [0024]; Absatz [0006]: "Die Chip-Karte kann als leicht entnehmbare portable Chip-Karte ausgebildet sein") unterteilt ist.

Der erste Geräteteil enthält den Sendeempfänger 70.

E2 offenbart damit auch die Merkmale M2, M3 und M2.1.

3.2 Merkmale 1.3 und 3.1

3.2.1 Merkmal M1.3 definiert u.a., dass der Prozessor den Sendeempfänger des ersten Geräteteils steuert.

E2 offenbart, dass die in der Figur dargestellte Einrichtung 20 u.a. eine Chip-Karte 10 und einen Speicher 40 umfasst (Absatz [0024]). Die Chip-Karte fordert, wenn nötig, die außerhalb der Chip-Karte im Fahrzeug verbauten Einrichtungen auf, Ausschnitte der Daten des Regelwerkes der Nutzungsgebührenerfassung, die im Speicher 40 gespeichert sind und insbesondere Gebührendaten umfassen, in die Chip-Karte 10 zu laden (Absätze [0027] und [0014]). Die fahrzeugseitige elektronische Speichereinrichtung speichert ein Wegenetz in Form einer digitalen Karte ab (Absatz [0005], [0013]).

Der Speicher 40 enthält dann Daten zum Erzeugen von Bezahltransaktionen in Kommunikation mit den Transceivern für die Zentrale. Aus E2 ist es bekannt, eine Recheneinrichtung, in der die Identifizierung der zurückgelegten gebührenpflichtigen Wegstrecken erfolgt und die Nutzungsgebühr für diese Wegstrecken ermittelt wird, auf der Chip-Karte zu realisieren (Absatz [0006]), d.h. die Chip-Karte weist einen Prozessor und einen in der Chip-Karte integrierten Datenspeicher für die Ladung dieser Ausschnitte der Daten des Regelwerkes auf. Die Recheneinrichtung (in der Chip-Karte) ordnet die zurückgelegte Wegstrecke des Fahrzeuges zu gebührenpflichtigen Streckenabschnitten unter Verwendung der aktuellen geographischen Position und auch vergangener geographischer Positionen des Fahrzeuges zu. Dann wird in der Recheneinrichtung anhand der in der digitalen Karte gespeicherten Gebührenparameter die jeweilige Nutzungsgebühr für die befahrene Wegstrecke ermittelt (Absätze [0005] und [0025]). Die Realisierung der Recheneinrichtung auf der Chip-Karte hat den Vorteil, dass der Betreiber des Gebührenerfassungssystems die wesentlichen Funktionalitäten zur Gebührenerfassung auf der Chip-Karte zusammenfassen und über eine datentechnische Verbindung der Chip-Karte mit weiteren im Fahrzeug verbauten Einheiten den notwendigen Datenaustausch mit den im Fahrzeug verbauten Einheiten realisieren kann (Absatz [0006]).

Deshalb weist die Chip-Karte implizit einen Programmspeicher auf, der "alle Anwendungsprogramme zum Erzeugen von Bezahltransaktionen in Kommunikation mit den Transceivern (4) für die Zentrale (3)" enthält.

Das Merkmal M1.3. wird somit durch E2 vorweggenommen.

3.2.2 Absatz [0010] lehrt, dass jede in der Chip-Karte (Recheneinrichtung) ermittelte Gebühr einzeln oder in gesammelter Form an die Zentrale übertragen werden kann. Es folgt daraus, dass der Prozessor der Chip-Karte den Sendeempfänger direkt oder indirekt steuert.

3.2.3 Die Einspruchsabteilung ist insoweit der Auffassung gewesen, dass das Merkmal M3.1 ebenfalls in E2 offenbart sei, weil die Entscheidung, ob die Authentifizierung in der Chip-Karte erfolgreich sei, Einfluss auf den Sendeempfänger 70 (siehe Figur) habe und ihn damit steuere (Punkt 9.4 der angefochtenen Entscheidung).

3.2.4 Auf die hierzu in ihrer vorläufigen Stellungnahme der Kammer geäußerten Zweifel hat die Beschwerdegegnerin dazu wie folgt argumentiert: E2 beschreibe, dass die Funktionalität der Identifizierung und der Benutzung gebührenpflichtiger Wegstrecken gemäß Absatz [0007] der E2 in der Chip-Karte aufgenommen werde, um die Sicherheitsdomäne des Betreibers des Gebührenerfassungssystems auf die Chip-Karte zu beschränken. Dabei könne zur Zahlung der fälligen Gebühren auf der Chip-Karte eine Kontoabwicklung realisiert werden, bei der entweder jede ermittelte Gebühr einzeln oder gesammelte Gebühren an die Zentrale übermittelt würden, wie sich aus Absatz [0010] der E2 ergebe. Bereits damit steuere der Prozessor der Chip-Karte den im Fahrzeug vorgesehenen Sendeempfänger an, denn es würde zumindest ein Kommunikationspartner identifiziert (nämlich die Zentrale), um eine (gesicherte) Verbindung zwischen der Chip-Karte und der Zentrale aufzubauen, und dann würden die Gebührendaten an die vorgegebene Adresse der Zentrale übermittelt.

Die Beschwerdegegnerin argumentierte auch, dass in Absatz [0011] der E2 beschrieben sei, dass durch die Aufteilung des Fahrzeuggeräts in die Chip-Karte 10 einerseits und die weiteren Einrichtungen andererseits erreicht werden könne, dass bereits im Fahrzeug verbaute Einrichtungen, wie z.B. die Sende-/Empfangseinrichtung, für die Gebührenübermittlung mitverwendet werden könnten (Absatz [0008]). Es würde auch ein direkter steuernder Zugriff der Chip-Karte auf die Kommunikationseinrichtungen stattfinden, indem die Kommunikationsverbindungen auf Manipulation hin überwacht würden.

Der Begriff der Mitverwendung impliziere hierbei, dass die Kommunikationseinrichtung nicht selbsttätig handele, sondern durch eine Instanz zur Gebührenabrechnung verwendet und insofern auch gesteuert werden würde. Die zur Verwendung in diesem Sinne bestimmte Instanz sei gemäß der E2 die Chip-Karte 10, die laut Absatz [0005] der E2 die wesentlichen Funktionalitäten zur Gebührenerfassung - zu der auch die Übermittlung der Gebühren an die Zentrale zähle - umfasse.

3.2.5 Die Kammer hält diese Argumentation der Beschwerdegegnerin für zutreffend und ist daher davon überzeugt, dass E2 das Merkmal M3.1 offenbart.

3.3 Merkmale 2.2 und 3.2

3.3.1 Die Einspruchsabteilung argumentierte ferner, dass in Absatz [0014] die in Absatz [0010] eingeführte Funktionsweise noch weiter erläutert werde. Laut Spalte 4, Zeilen 14 bis 16 würden Daten von der Zentrale signiert, und die Signatur werde von der Chip-Karte überprüft. So werde insbesondere in der Chip-Karte authentifiziert, siehe Spalte 4, Zeilen 20 bis 24. Diese Identifikation der Kommunikationspartner sei aber laut E4 (Seite 134) eine Aufgabe der Schicht 7 nach dem OSI-Schichtenmodell. Folglich sei das Merkmal M3.2 aus E2 bekannt (Punkt 9.2 der angefochtenen Entscheidung).

3.3.2 Die Beschwerdekammer ist dazu folgender Auffassung: Absatz [0027] des Dokuments E2 lehrt, dass die Chip-Karte, wenn nötig, die außerhalb der Chip-Karte im Fahrzeug verbauten Einrichtungen auffordert, Ausschnitte der Daten des Regelwerkes der Nutzungsgebührenerfassung, die im Speicher 40 gespeichert sind und insbesondere Gebührendaten umfassen, in die Chip-Karte 10 zu laden. Dabei kontrolliert die Chip-Karte 10 die Signatur dieser Datensätze, die die Zentrale signiert hat und in dieser Form ins Fahrzeug überträgt. Die Einrichtung im Fahrzeug außerhalb der Chip-Karte 10, die manipulationsgefährdet ist, kann diese Daten somit nicht fälschen.

Die Signatur gewährleistet somit Schutz vor Manipulation und falschen Absendern (Absatz [0014]) und ermöglicht zu identifizieren, ob der Kommunikationspartner die Zentrale ist. Der Fachmann rechnet dieses den anwendungsorientierten Schichten eines 7-schichtigen OSI-Schichtenmodells zu.

3.3.3 Die Einspruchsabteilung hat weiter ausgeführt, das Merkmal M2.2 sei implizit aus dem Dokument E2, Spalte 2, Zeilen 2 bis 6, oder aus Spalte 2, Zeilen 49 bis 51 oder aus der Figur mit Absatz [0024] (und Absatz [0027], Zeilen 1 bis 3) bekannt (Punkt 9.3 der angefochtenen Entscheidung).

3.3.4 Die Kammer stellt fest, dass Spalte 2, Zeilen 2 bis 6 beschreibt, dass vom Fahrzeug Daten an die Chip-Karte übertragen bzw. von der Chip-Karte empfangen werden und dass im Fahrzeug dann Daten gespeichert und/oder über die Kommunikationseinrichtung gesendet und/oder empfangen werden.

Ferner beschreibt Spalte 2, Zeilen 49 bis 51, dass die Kommunikation mit einer Zentrale, falls nötig, z.B. über eine im Fahrzeug vorhandene Kommunikationseinrichtung abgewickelt werden kann.

Absatz [0027], Zeilen 1 bis 6 beschreibt, dass die Chip-Karte, wenn nötig, die außerhalb der Chip-Karte im Fahrzeug verbauten Einrichtungen auffordert, Ausschnitte der Daten des Regelwerkes der Nutzungsgebührenerfassung, die im Speicher 40 gespeichert sind und insbesondere Gebührendaten umfassen, in die Chip-Karte 10 zu laden.

Die Kammer ist deshalb zu dem Schluss gekommen, dass diese Absätze die Kommunikation zwischen der Chip-Karte und den außerhalb der Chip-Karte im Fahrzeug verbauten Einrichtungen, sowie zwischen der Kommunikationseinrichtung und der Zentrale, beschreiben. Es wird jedoch nicht explizit erwähnt, dass die Kommunikationseinrichtung die untersten transportorientierten Schichten 1 bis 2, 1 bis 3 oder 1 bis 4 des OSI-Schichtenmodells abwickelt.

3.3.5 Die Beschwerdeführerin hat in ihrer Beschwerdebegründung argumentiert, dass die Kommunikationseinrichtung des Dokuments E2 "nach dem DoD-Schichtenmodell oder nach einem anderen Prinzip" aufgebaut sein könnte. Die Verarbeitung der empfangenen Daten seien nicht als "Anwendungen" gemäß dem OSI-Schichtenmodell anzusehen, da sie erst nach der Kommunikation stattfindet, und der eigentliche Anwendungsprozess oberhalb der "Anwendungsschicht" 7 des OSI-Modells liege und nicht vom OSI-Modell erfasst werde (E4 und A1, Seite 3, Absatz, "Schicht 7 - Anwendungsschicht", wurden herangezogen). Ferner seien bei dem Fahrzeuggerät von Dokument E2 alle zur Kommunikation wesentlichen Komponenten bereits im Fahrzeug verbaut (Absatz [0013] des Dokuments E2).

3.3.6 Die Kammer weist darauf hin, dass die Offenbarung A1 die Anwendungsschicht 7 wie folgt beschreibt: "Die Anwendungsschicht (engl. Application Layer, auch: Verarbeitungsschicht, Anwenderebene) ist die oberste der sieben hierarchischen Schichten. Sie verschafft den Anwendungen Zugriff auf das Netzwerk (zum Beispiel für Datenübertragung, E-Mail, Virtual Terminal, Remote login etc.). Der eigentliche Anwendungsprozess liegt oberhalb der Schicht und wird nicht vom OSI-Modell erfasst".

3.3.7 Die Beschwerdeführerin argumentierte auch, dass die in der Druckschrift E2 gezeigte Chip-Karte zwei Funktionen ausführe , nämlich zum einen eine externe Überwachung und zum anderen eine Berechnung von Gebühren und Entfernungen. Diese beiden Funktionen würden jedoch nicht der Abwicklung der Kommunikation dienen, sondern sie würden sich bereits empfangener Nachrichten bedienen. Die Chip-Karte wäre somit, selbst wenn man das OSI-Schichtenmodell ignorieren würde, kein ,,Prozessor, ... [der] Kommunikation mit den Transceivern und der Zentrale abwickelt".

3.3.8 Die Beschwerdegegnerin bestreitet ganz allgemein und unabhängig vom Streitpatent, dass die Subsummierung bekannter Funktionalitäten einer Kommunikation unter ein Modell, welches die bekannten Funktionalitäten definierten Schichten zuweise, einen technischen Beitrag darstelle.

Die Beschwerdegegnerin führte weiter aus, dass dies im vorliegenden Fall umso mehr gelte, als das Streitpatent nur bestimme, dass wenigstens die unterste transportorientierte Schicht des OSI-Schichtenmodells (die Bitübertragungsschicht) und die zweitunterste Schicht (die Sicherungsschicht) durch den Sendeempfänger abgewickelt würden, und dass wenigstens die oberste anwendungsorientierte Schicht des OSI-Schichtenmodells (die Anwendungsschicht) durch den Prozessor des zweiten Geräteteils abgewickelt würde.

Sie argumentierte weiter, dass das Streitpatent keine weiteren Komponenten beschreibe, die Schichten des OSI-Schichtenmodells abwickelten, die nicht durch den Sende-Empfänger und den Prozessor abgewickelt würden. Das Streitpatent schweige sich darüber aus, wie die einzelnen Schichten des OSI-Schichtenmodells im Rahmen der Kommunikation zwischen Fahrzeuggerät und Zentrale datentechnisch konkret abgewickelt würden. Es werde auch auf kein einziges Protokoll Bezug genommen. Diese Details müsse der Fachmann aufgrund seines Fachwissens ergänzen.

Aus E4, einem Auszug aus dem Lehrbuch "Grundlagen der Vermittlungstechnik", das zum Fachwissen des Fachmanns auf dem Gebiet der Kommunikationstechnik gehöre, sei dann zu entnehmen, dass der Sendeempfänger dann zumindest die unteren Schichten 1 bis 2, also die Bitübertragungsschicht und die Sicherungsschicht, und der zweite Geräteteil zumindest die Anwendungsschicht 7 übernehme.

3.4 Die Beschwerdekammer stimmt der Auffassung zu, dass E2 nicht ausdrücklich beschreibt, dass das Open Systems Interconnection Referenzmodell (OSI-Referenzmodell) in dem System des Dokuments E2 benutzt wird.

Die konkrete Aufteilung der Funktionalitäten in den einzelnen Geräteteilen gemäß der Beschreibung des OSI-Modells, die die Beschwerdegegnerin unter Bezugnahme auf das Fachwissen vorgetragen hat, lässt sich auch in der E2 finden:

Zur Zahlung der fälligen Gebühren kann auf der Chip-Karte eine Kontoabwicklung realisiert werden, bei der entweder jede ermittelte Gebühr einzeln oder gesammelte Gebühren an die Zentrale übermittelt werden, wie sich aus Absatz [0010] der E2 ergibt. Die Kommunikation mit der Zentrale erfolgt über eine im Fahrzeug verbaute Kommunikationseinrichtung, z.B. eine Mobilfunkeinrichtung, die, wie E4 zu entnehmen ist, die untersten transportorientierten Schichten 1 bis 2 des OSI-Schichtenmodells abwickelt (siehe [0010] und [0013]). Die Herstellung der Verbindung mit der Zentrale durch eine Identifikation des Kommunikationspartners ,,Zentrale", die Berechtigungsprüfung für die Kommunikation (,,Prüfung gegen unautorisierte Manipulation") und die Gewährung des Zugangs zu der eigentlichen Kommunikation für die zu übermittelnden Daten wird hierbei durch die Chip-Karte der E2 durchgeführt. Damit ergibt sich nach Überzeugung der Kammer implizit - auch wenn dies nicht explizit in der E2 erwähnt ist - dass zumindest die Funktionalität der 7. Schicht des OSI Modells in der Chip-Karte abgewickelt wird, wie auch die Beschwerdegegnerin vorgetragen hat.

Konkret sind die manipulationsempfindlichen Gebührendaten (Straßenmauttransaktionen) laut Absatz [0010] der E2 in der Chip-Karte gespeichert. Werden sie durch Kommunikation an die Zentrale übertragen, so ist die Chip-Karte an der Kommunikation beteiligt, indem sie sowohl die Adresse der Zentrale als auch die Gebührendaten der Kommunikationseinrichtung zum Versand an die Zentrale zur Verfügung stellt (,,Vom Fahrzeug werden Daten"... ,,von der Chip-Karte empfangen" [und] ,,über die Kommunikationseinrichtung gesendet.", Absatz [0006], Spalte 2, Zeilen 2 bis 6 der E2).

Aus der Bemerkung in Absatz [0010], dass die Gebühren bis zu einem bestimmten Betrag addiert werden und dann als gesammelter Betrag an die Zentrale übertragen werden, schließt die Kammer, dass die Kommunikation - und damit auch die Kommunikationseinrichtung - von der Chip-Karte gesteuert wird, denn nur die Chip-Karte verfügt über die Kenntnis, wann der bestimmte Betrag erreicht ist. Damit stellt die Chip-Karte die Funktionalität der Anwendungsschicht (Schicht 7) des OSI-Schichtenmodells bereit, die laut E4, Seite 134, die Identifikation der Kommunikationspartner und den Zugang zur Kommunikation umfasst.

3.5 Damit ist der Gegenstand von Anspruch 1 wie erteilt nicht neu gegenüber E2, wobei E2 alle Merkmale von Anspruch 1 wie erteilt zumindest implizit offenbart (Artikel 54 EPÜ). Der Hauptantrag ist daher nicht gewährbar.

Erster Hilfsantrag:

4. Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags, der bereits Gegenstand der angefochtene Entscheidung war, hat folgendes zusätzliches Merkmal im Vergleich zu Anspruch 1 des Hauptantrags:

"wobei der zweite Geräteteil (10) alle Komponenten für die Abwicklung der genannten anwendungsorientierten Schichten enthält"

5. Bezüglich der Klarheit:

5.1 Die Einspruchsabteilung hat in der angefochtenen Entscheidung argumentiert, dass der erste Hilfsantrag nicht die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ erfülle, weil das letzte Merkmal von Anspruch 1 unklar sei,

nämlich insbesondere der Begriff "Komponente" für die Abwicklung der anwendungsorientierten Schichten.

Das Merkmal verlange, dass das zweite Geräteteil "alle Komponenten für die Abwicklung der genannten anwendungsorientierten Schichten" enthalte. Es sei aber nicht immer klar - bei einer (beliebigen) vorgegebenen Komponente -, ob sie "für die Abwicklung der anwendungsorientierten Schichten" bestimmt sei oder nicht (Entscheidung, Seite 6, Punkt 10.1).

5.2 Die Beschwerdekammer stimmt der angefochtenen Entscheidung zu, dass es nicht klar ist, welche Komponenten für die Abwicklung der genannten anwendungsorientierten Schichten anzusehen sind.

Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass das erste Geräteteil als Komponente für die Abwicklung angesehen werden kann.

5.3 Die Beschwerdekammer kommt daher zu dem Ergebnis, dass Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags nicht klar ist (Artikel 84 EPÜ). Der erste Hilfsantrag ist somit nicht gewährbar.

Zweiter Hilfsantrag:

Im Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags wurde das Wort "nur" in das Merkmal M3.2 im Vergleich zum Anspruch 1 des Hauptantrags aufgenommen:

M3.2'|und nur der Prozessor (7), von den Anwendungsprogrammen in seinem Programmspeicher (8) im zweiten Geräteteil (10) gesteuert, die anwendungsorientierten Schichten 7, 7 bis 6 oder 7 bis 5 eines 7-schichtigen OSI-Schichtenmodells der Kommunikation (6) mit den Transceivern (4) und der Zentrale (3) abwickelt.|

6. Soweit die Beschwerdeführerin beantragt hat, den zweiten Hilfsantrag in das Verfahren zuzulassen, gilt Folgendes:

Der zweite Hilfsantrag wurde bereits nicht in das Einspruchsverfahren zugelassen, weil das geänderte Merkmal 3.2' nach der Auffassung der Einspruchsabteilung nicht den Erfordernissen des Artikels 123(2) EPÜ entsprach. Die Einspruchsabteilung hat ein Ermessen, verspätet vorgelegte Anträge nicht ins Verfahren zuzulassen. In diesem Fall hat die Beschwerdekammer im Rahmen von Artikel 12(4) VOBK 2007 in Verbindung mit Artikel 25 (2) VOBK 2020 die in die Ermessensentscheidung der Einspruchsabteilung eingeflossene materiellrechtliche Wertung zu überprüfen (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 9. Aufl., V. A. 3.5.1 c).

Die Beschwerdekammer kommt zu dem Ergebnis, dass das Merkmal M3.2' nicht ursprünglich offenbart war, auch nicht in dem ersten Absatz der Beschreibungsseite 5 in Zusammenhang mit der gesamten Offenbarung. Die Funktionsaufteilung zwischen erstem und zweitem Geräteteil 9 und 10 ist zwar offenbart, nicht aber eine Funktionsaufteilung innerhalb dieser Geräteteile, wie die Einspruchsabteilung zutreffend ausgeführt hat.

Somit hat die Einspruchsabteilung ihr Ermessen, den zweiten Hilfsantrag nicht in das Einspruchsverfahren zuzulassen, korrekt ausgeübt.

7. Die Beschwerdekammer hat deshalb entschieden, den zweiten Hilfsantrag ebenfalls nicht in das Verfahren zuzulassen.

8. Somit liegt kein gewährbarer Antrag vor.

Verfahrensrechtliches

9. Die Erstattung der Beschwerdegebühr kommt schon deswegen nicht in Betracht, weil die Beschwerde erfolglos geblieben ist, Regel 103 (1) a) EPÜ .

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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