European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2019:T012416.20190903 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 03 September 2019 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0124/16 | ||||||||
Anmeldenummer: | 09008470.8 | ||||||||
IPC-Klasse: | F01P 7/04 E02F 9/22 F15B 21/04 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Selbstfahrende Maschine | ||||||||
Name des Anmelders: | Joseph Vögele AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | BOMAG GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.2.06 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (nein) Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag B1 (nein) Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag B3 (ja) Änderungen - Hilfsantrag B2 Änderungen - unzulässige Erweiterung (ja) Verspätetes Vorbringen - Dokument erstinstanzlich zugelassen (nein) Verspätetes Vorbringen - korrekte Ermessensausübung (ja) Änderung des Vorbringens - nicht zugelassen - siehe Punkte 6 - 6.3 |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Einsprechenden (Beschwerdeführerin) richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, in der festgestellt wurde, dass unter Berücksichtigung der im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen das europäische Patent mit der Nummer 2 282 029 und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ genügen.
II. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
III. In ihrer Beschwerdeerwiderung vom 3. August 2016 beantragte die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) die Beschwerde zurückzuweisen oder das Patent auf Grundlage eines der zeitgleich eingereichten Hilfsanträge B1 bis B5 aufrecht zu erhalten.
IV. Die Parteien wurden zu einer mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer geladen. In einer Mitteilung zur Vorbereitung der Verhandlung wurden die Parteien über die vorläufige Meinung der Kammer informiert. Die Kammer legte darin inter alia dar, dass sie keinen Anlass sehe, E14 ins Verfahren zuzulassen (siehe Punkt 2 der Mitteilung). Sie wies auch darauf hin, dass bezüglich der Hilfsanträge nur Angriffe vorgebracht wurden, die auf E14 als nächstliegendem Stand der Technik basieren (siehe Punkt 4 der Mitteilung, "Hilfsanträge - Allgemeines").
V. Die mündliche Verhandlung fand am 3. September 2019 statt. In deren Verlauf reichte die Beschwerdegegnerin einen neuen Hilfsantrag B3 ein, welcher den Hilfsantrag B3 vom 3. August 2016 ersetzte.
VI. Zum Schluss der mündlichen Verhandlung beantragte die Beschwerdegegnerin somit, die Beschwerde zurückzuweisen (Hauptantrag), hilfsweise das Patent in geänderter Fassung auf Grundlage eines der mit der Beschwerdeerwiderung vom 3. August 2016 eingereichten Hilfsanträge B1 oder B2, oder auf der Grundlage des in der mündlichen Verhandlung vom 3. September 2019 eingereichten Hilfsantrags B3 aufrecht zu erhalten.
VII. Folgender Stand der Technik ist für die vorliegende Entscheidung relevant:
E1 |DE-A-196 34 503 |
E3 |US-B-6 354 089 |
E12 |GB-A-1 396 778 |
E14 |Anlagenkonvolut umfassend die Einzelanlagen E14.1 bis E14.9|
E14.1|Eidesstattliche Versicherung von Hrn. H. Christ |
E14.2|E-Mail vom 21. Februar 2006 an Hrn. H. Christ |
E14.3|Antriebsdiagramm VMW-6.516-F1 |
E14.4|Prospekt "Anwendungssoftware Lüftersteuerung AFC"; RD 95 360/07.05|
E14.5|Prospekt "Verstellpumpe A10VO"; RD 92 703/12.99 |
E14.6|Prospekt "Elektro-hydraulische Druckregelung ED"; RD 92 707/06.03|
E14.7|Prospekt "Konstantmotor Standardausführung A10FM, Einschubausführung A10FE"; RD 91 172/01.03|
E14.8|Prospekt "BODAS Steuergerät RC"; RD 95 200/06.05" |
E14.9|Prospekt "Weniger Energieeinsatz, mehr Leistung. Hydrostatische Lüfterantriebe von Rexroth"; RD 98 065/03.02|
VIII. Anspruch 1 des Hauptantrags hat folgenden Wortlaut (Merkmalsgliederung, wie auch von den Parteien und der Einspruchsabteilung verwendet, hinzugefügt):
a) Selbstfahrender Straßenfertiger oder Beschicker als Maschine (F) zum Verarbeiten von bituminösem oder Beton-Einbaumaterial, mit einem flüssigkeitsgekühlten Verbrennungsmotor (M) als Primärantriebsquelle und wenigstens einer Pumpe (6),
b) Hydromotoren oder hydrostatische Antriebseinheiten (7 bis 10) für Funktions- und Arbeitskomponenten zumindest der Maschine (F), und wenigstens ein Hydraulikmedium-Reservoir (12) umfassenden Hydraulikkreis (H),
c) einer gebläseunterstützten Kühlvorrichtung (K) mit Kühlbereichen (1b, 1c) für zumindest die Kühlflüssigkeit des Verbrennungsmotors (M) und das Hydraulikmedium des Hydraulikkreises (H),
d) und einem Kühlregelsystem (S) für zumindest den Kühlbereich (1b) der Kühlvorrichtung (K),
dadurch gekennzeichnet,
e) dass für den Hydraulikmedium-Kühlbereich (1c) eine Hydraulik-Medium Betriebstemperatur-Einstell- und Regelvorrichtung (R) vorgesehen ist,
f) die dazu konfiguriert ist, das Hydraulikmedium abhängig vom hydraulischen Belastungszustand im Hydraulikkreis (H) und vom Umgebungsklima auf eine Betriebstemperatur (T) oberhalb von 60°C zu bringen und in einem Betriebstemperaturbereich oberhalb 60°C zu halten,
g) dass als Hydraulikmedium-Kühlbereich (1c) wenigstens ein vom Kühlflüssigkeits-Kühlbereich (1b) baulich separierter Hydraulikmedium-Kühler (24)
h) mit einem drehzahlregelbaren und/oder ein- und ausschaltbaren Gebläse (2a, 3a, 4a) vorgesehen ist, das mit der Hydraulikmedium Betriebstemperatur-Einstell- und -Regelvorrichtung (R) verbunden ist, und
i) dass im Hydraulikkreis (H) in einem den Hydraulikmedium-Kühlbereich (1c) umgehenden Bypass (15)
k) ein von der Hydraulikmedium-Betriebstemperatur-Einstell- und Regelvorrichtung (R) betätigbares Ventil (16) angeordnet ist.
IX. Anspruch 1 des Hilfsantrags B1 unterscheidet sich von jenem des Hauptantrags dadurch, dass an dessen Ende das Merkmal hinzugefügt wurde, wonach "im Hydraulikkreis (H) wenigstens eine an die Hydraulikmedium-Betriebstemperatur Einstell- und -Regelvorrichtung (R) angeschlossene Hydraulikmedium-Heizeinrichtung (20) vorgesehen ist."
X. Anspruch 1 des Hilfsantrags B2 unterscheidet sich von jenem des Hilfsantrags B1 dadurch, dass zusätzlich an dessen Ende das Merkmal hinzugefügt wurde, wonach "die Hydraulikmedium-Heizeinrichtung (20) am oder im Reservoir (12) angeordnet ist."
XI. Der Anspruchssatz des während der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrags B3 unterscheidet sich von jenem des Hilfsantrags B2 dadurch, dass die abhängigen Ansprüche 2, 3, 4, 5, 6 und 9 gestrichen und die verbliebenen Ansprüche 7 und 8 in Ansprüche 2 und 3 umnummeriert wurden. Zusätzlich wurde die Terminologie "Selbstfahrende Maschine" durch "Straßenfertiger oder Beschicker" in den (neu) umnummerierten Ansprüchen 2 und 3 ersetzt.
XII. Die für die vorliegende Entscheidung wesentlichen Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden:
Bereits die Einspruchsabteilung hätte E14 ins Verfahren zulassen müssen, weil dieser Stand der Technik prima facie relevant sei. Die Beschwerdekammer solle ihr Ermessen dahingehend ausüben, E14 in das Verfahren zuzulassen. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag sei nicht neu gegenüber E14. Außerdem sei dieser Gegenstand ausgehend von E1 und unter Heranziehung der in E12 offenbarten Lehre nicht erfinderisch. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsanträgen B1, B2 und B3 beruhe ausgehend von E14.9 ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Darüberhinaus sei dieser Gegenstand auch ausgehend von E1 in Kombination mit E12, alternativ in Kombination mit E12 und E3, naheliegend. Dieser Einwand stelle keine neue Argumentationslinie sondern lediglich eine Weiterentwicklung bereits vorhandener Argumente dar und sei daher von der Kammer zu berücksichtigen.
XIII. Die für die vorliegende Entscheidung wesentlichen Argumente der Beschwerdegegnerin können wie folgt zusammengefasst werden:
E14 sei nicht prima facie relevant. Die Einspruchsabteilung habe ihr Ermessen korrekt ausgeübt und richtigerweise E14 nicht in das Verfahren zugelassen. Auch die Kammer solle E14 nicht in das Beschwerdeverfahren zulassen. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag sei neu und beruhe auch auf einer erfinderischen Tätigkeit. Dies gelte auch für die Hilfsanträge B1, B2 und B3. Diesbezüglich stelle das auf einer Kombination von E1 mit E12 und E1 mit E12 und E3 basierende Vorbringen der Beschwerdeführerin einen neuen Vortrag dar, welcher von der Kammer nicht in das Verfahren zugelassen werden solle.
Entscheidungsgründe
Hauptantrag
1. Nicht-Zulassung E14
1.1 Die Beschwerdeführerin hat einerseits vorgebracht, dass E14 von der Einspruchsabteilung hätte berücksichtigt werden müssen und andererseits darum gebeten, diese nunmehr im Beschwerdeverfahren zuzulassen. Dies entspricht einerseits einem Antrag auf Aufhebung der Ermessensentscheidung der Einspruchsabteilung und andererseits darauf, dass die Kammer ihr eigenes Ermessen dahingehend ausüben möge E14 ins Verfahren zuzulassen. Wie im Folgenden begründet, gibt die Kammer weder dem einen noch dem anderen Antrag statt.
E14 wurde von der Beschwerdeführerin im Einspruchsverfahren erst nach Ablauf der neunmonatigen Einspruchsfrist gemäß Artikel 99 (1) EPÜ im Zusammenhang mit einem Neuheitseinwand, der auf einer offenkundigen Vorbenutzung beruht, eingeführt und gilt daher als verspätet vorgebracht. Die Einspruchsabteilung hat in Ausübung ihres in Artikel 114 (2) EPÜ eingeräumten Ermessens E14 nicht in das Verfahren zugelassen. In ihrer Zwischenentscheidung führte sie als Begründung insbesondere an, dass es E14 prima facie an Relevanz mangle.
1.2 Eine Beschwerdekammer sollte eine Ermessensentscheidung der Einspruchsabteilung nur dann aufheben, wenn sie zu dem Schluss gelangt, dass die Einspruchsabteilung ihr Ermessen nach Maßgabe der falschen Kriterien, unter Nichtbeachtung der richtigen Kriterien oder in willkürlicher Weise ausgeübt hat und damit ihr Ermessen überschritten hat. Die Einspruchsabteilung hat in ihrer Entscheidung (vgl. Entscheidungsgründe, "Verspätet eingereichter Stand der Technik") sowohl den späten Zeitpunkt, die mögliche Relevanz, als auch den Umstand abgewogen, dass die zuvor von der Patentinhaberin gemachten Änderungen in den Anträgen nur ein Zurückgreifen auf abhängige Ansprüche betrafen. Die Kammer ist daher überzeugt, dass die Einspruchsabteilung ihr Ermessen anhand der richtigen Kriterien und auch nicht willkürlich ausgeübt hat.
1.3 Die Beschwerdeführerin hat argumentiert, dass die Einschätzung der Einspruchsabteilung nicht zutreffend sei, wonach E14 prima facie nicht relevant sein soll. Die Kammer ist jedoch zum Schluss gekommen, dass die Entscheidung, E14 wenigstens für die Frage der Neuheit wegen ihrer fehlenden Relevanz nicht zuzulassen, nicht aufzuheben ist, da darin die Merkmale e), f), g) und k) prima facie nicht gezeigt sind.
1.3.1 Das Argument der Beschwerdeführerin, wonach E14, konkret E14.9, eine Regelelektronik aufweise, die auch die Öltemperatur kenne und die damit geeignet sei, die Hydraulikmediumtemperatur zu regeln, konnte die Kammer nicht davon überzeugen, dass damit das Merkmal e) und bis auf den konkreten Temperaturwert auch das Merkmal f) erfüllt seien. Zwar sind in E14.9 eine Regelvorrichtung und ein Hydrauliköltemperatursensor vorhanden, dies impliziert aber nicht, dass in E14.9 die Hydraulikmediumtemperatur tatsächlich geregelt, d.h. mit diesem Ziel auf einen vorbestimmten Wert gebracht und dort gehalten wird. Vielmehr ergibt sich zudem aus dem Text der E14.9, Seite 5, dass die Temperatur der Ladeluft oder des Kühlwassers geregelt werden soll. Dass dabei auch unausweichlich die Temperatur des Hydraulikmediums geändert wird, stellt noch keine Regelung dieser Temperatur dar. Somit ist in E14 prima facie keine "Hydraulik-Medium-Betriebs-Temperatur-Einstell- und -Regelvorrichtung" im Sinne des Merkmals e) gezeigt. Schon allein weil sich Merkmal f) auf diese und nicht irgendeine Regelvorrichtung bezieht, fehlt in E14 prima facie auch dieses Merkmal.
1.3.2 Hinsichtlich Merkmal f) hat die Beschwerdeführerin darüberhinaus argumentiert, dass eine bloße Eignung zu einer solchen Regelung für die Frage der Neuheit bereits ausreiche. Auch das überzeugt die Kammer nicht. Gemäß Merkmal f) ist die Hydraulik-Medium-Betriebs-Temperatur-Einstell- und -Regelvorrichtung "dazu konfiguriert, das Hydraulikmedium [...] auf eine Betriebstemperatur [...] zu bringen und [...] zu halten". Eine bloß prinzipielle Eignung der vorhandenen Komponenten, die Hydrauliktemperatur zu regeln, ohne dass eine solche zielgerichtete Regelung auch tatsächlich beschrieben ist oder anderweitig implizit anzunehmen wäre, genügt somit nicht, um als derartige Konfiguration angesehen werden zu können.
1.3.3 Auch das Argument der Beschwerdeführerin, dass in E14 ein baulich separierter Hydraulikmedium-Kühler vorgesehen sei, da diese Definition breit auszulegen sein soll und im Streitpatent nicht definiert sei, was unter baulicher Separierung zu verstehen sei, kann die Kammer nicht überzeugen. Anders als von der Beschwerdeführerin vorgebracht, stellen getrennte Kühlkreise für die unterschiedlichen Kühlmedien (Kühlwasser, Ladeluft und Hydraulikmedium) allein noch keine bauliche Separierung dar, allenfalls sind die Kreise hydraulisch getrennt.
Das Argument der Beschwerdeführerin, dass das Streitpatent nicht angebe, dass die Ausführungsform nach Figur 2 baulich nicht separiert ist und die darin gezeigte Anordnung daher ebenfalls als "baulich separiert" anzusehen sein könnte, überzeugt die Kammer nicht. Im Streitpatent ist die Ausführung der Figur 3 als "Detailvariante" beschrieben, bei der der Kühlbereich 1c von den Kühlbereichen 1a und 1b baulich separiert ist (Streitpatent, Spalte 12, Zeilen 7 bis 10). Dies ist als Gegensatz zu der in der Figur 2 dargestellten Variante zu verstehen, in welcher ein Mehrfeldkühler oder Kühlersatz dargestellt ist, der die drei Kühlbereiche 1a, 1b und 1c umfasst (Streitpatent, Spalte 9, Zeilen 48 bis 53). Die Variante "Mehrfeldkühler" bzw. "Kühlersatz" ist daher als Gegensatz zu "baulich separiert" aufzufassen. Dieser Gegensatz zu "baulich separiert" kann nichts anderes bedeuten als dass er als "baulich nicht separiert" verstanden werden soll, ohne dass dies wörtlich erwähnt sein müsste. Auch unter Heranziehung der Beschreibung gelänge man daher zur Auffassung, dass ein Mehrfeldkühler bzw. Kühlersatz nicht unter den Begriff "baulich separiert" fallen soll. E14.9 zeigt in der Figur auf Seite 5 eine schematische Darstellung von in diesem Schema direkt hintereinander angeordneten Kühlern. Weitere Angaben zur Anordnung sind in E14 nicht vorhanden.
Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass sich Merkmal g) ("baulich separierter Hydraulikmedium-Kühler") nicht prima facie aus E14 entnehmen lässt.
1.3.4 Da E14 prima facie keine Regelvorrichtung zeigt, die dazu konfiguriert ist, die Hydraulikmedium-Temperatur zu regeln, ist prima facie auch kein von einer solchen Regelvorrichtung betätigbares Ventil im Sinne des Merkmals k) vorhanden.
1.4 Die Kammer folgt damit der Einschätzung der Einspruchsabteilung, dass E14 prima facie die Neuheit des beanspruchten Gegenstands nicht vorwegnehmen kann. Die Ermessensentscheidung der Einspruchsabteilung ist daher auch im Hinblick auf die Relevanz von E14 nicht fehlerhaft. Sie ist somit von der Kammer nicht aufzuheben.
1.5 Darüberhinaus gibt es auch keinen Grund für die Kammer selbst ihr Ermessen dahingehend auszuüben, E14 jetzt im Beschwerdeverfahren zur Neuheitsprüfung zuzulassen. Wie bereits dargelegt, kann E14 prima facie die Neuheit des beanspruchten Gegenstands nicht vorwegnehmen. E14 ist somit nicht relevant, geschweige denn "hochrelevant", was den Maßstab der Relevanzprüfung im Rahmen der Ermessensausübung durch die Beschwerdekammern darstellt. Die Kammer hat daher in Ausübung ihres Ermessens E14 für die Prüfung der Neuheit nicht in das Verfahren zugelassen.
1.6 Es liegt somit kein Neuheitseinwand vor, der auf einem ins Verfahren zugelassenen Stand der Technik beruht.
2. Erfinderische Tätigkeit
2.1 Als nächstliegender Stand der Technik wird E1 angesehen. Es ist unbestritten, dass E1 einen Straßenfertiger mit den Merkmalen a) bis d) und g) beschreibt, aber keinerlei Regelung zeigt, die dazu konfiguriert ist, die Temperatur des Hydraulikmediums zu regeln.
2.2 Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich daher von E1 durch die Merkmale e), f), h), i) und k). Auch dies wurde von den Parteien nicht bestritten.
2.3 Strittig war jedoch bis zuletzt, wie die Aufgabe formuliert werden solle.
Die Kammer folgt dem Argument der Beschwerdegegnerin nicht, wonach die Aufgabe konkret darauf gerichtet sein müsse, "eine selbstfahrende Maschine zum Verarbeiten von bituminösem und/oder Beton-Einbaumaterial anzugeben, deren Verbrennungsmotor trotz der speziellen Anforderungen aufgrund der schwierigen Verarbeitbarkeit der Einbaumaterialien mit verbesserter Energieeffizienz betreibbar ist, nennenswert Brennstoff spart und die Umwelt schont" (siehe Streitpatent, Absatz [0008]).
Die Unterscheidungsmerkmale betreffen allein den Hydraulikmediumkreis sowie die Kühlung des darin befindlichen Hydraulikmediums. Derartige technische Änderungen haben auch Auswirkungen außerhalb der Hydraulik. Dies trifft jedoch unabhängig davon zu, ob sie bei Straßenfertigern oder anderen Baumaschinen angewendet werden, zumal auch keines der Unterscheidungsmerkmale ein Detail beinhaltet, das für Straßenfertiger oder Beschicker spezifisch wäre.
Durch das Vorsehen der Merkmale e), f), h), i) und k) können insbesondere in der Aufwärmphase bei Betriebsbeginn die in einem Hydraulikkreis vorkommenden hydraulischen Verluste verringert werden. Damit wird zum Betrieb der hydraulischen Anlage weniger Energie benötigt, welche von der Primärantriebsquelle zur Verfügung gestellt werden muss. Dies führt zu einer Effizienzsteigerung der Primärantriebsquelle. In der Anwendung gemäß Streitpatent oder E1 ist dies der Verbrennungsmotor, sodass damit die Energieeffizienz des Straßenfertigers oder Beschickers verbessert wird.
Ausgehend von einem Straßenfertigers oder Beschicker gemäß E1 wird als objektive technische Aufgabe daher angesehen, die Energieeffizienz zu verbessern.
2.4 Bei seiner Suche nach Lösungen für diese Aufgabe ist der Fachmann nicht auf das Gebiet der Straßenfertiger und Beschicker beschränkt. Er wird vielmehr auch bei anderen Baumaschinen sowie im allgemeinem Maschinenbau nach möglichen Verbesserungen Ausschau halten.
2.4.1 E12 beschreibt allgemein den Aufbau eines Kreislaufs für ein Hydraulikmedium, wie er auch in Straßenfertigern zur Anwendung kommt. Auch der Fachmann für Straßenfertiger und Beschicker, der sich im Rahmen der Konstruktion mit Hydraulikkreisläufen beschäftigt, kennt den Inhalt von E12. Der Umstand, dass das Ausführungsbeispiel in E12 ein Straßenmeißel ("road drill") ist, kann die darin gemachten allgemeinen Aussagen hinsichtlich der Abhängigkeit der Wirtschaftlichkeit im Betrieb ("operating efficiency") von der Temperatur des Hydraulikmediums (Spalte 1, Zeilen 18 bis 25) nicht in Frage stellen und den Fachmann auch nicht davon abhalten E12 zu berücksichtigen.
2.4.2 Das Argument der Beschwerdegegnerin, dass E12 keinen Verbrennungsmotor aufweise und somit nicht anregen könne, die Effizienz eines Verbrennungsmotors zu steigern, überzeugt die Kammer nicht. E12 beschäftigt sich damit, die optimale Effizienz einer Vorrichtung zu erhalten ("to obtain optimum efficiency of the device", Seite 1, Zeilen 22 und 23). Bei dieser Vorrichtung handelt es sich um eine wie im Absatz davor genannte, wie zum Beispiel einem Straßenmeißel ("devices such as road drills", Zeilen 16 und 17). Bereits E12 geht somit davon aus, dass durch die vorgeschlagenen Maßnahmen im Hydraulikkreis die Effizienz des Gesamtsystems verbessert wird. Der damit erreichte Vorteil ist also ein im Verhältnis zur Leistung der gesamten Vorrichtung geringerer Energieverbrauch. Im Betrieb einer Baumaschine, egal ob Straßenmeißel, Straßenfertiger oder Beschicker, ist der letztlich relevante Energieverbrauch jener des Primärantriebs. Die in E12 vorgeschlagenen Maßnahmen zur Ausbildung des Hydraulikkreises sind daher als zur Effizienzsteigerung des jeweiligen Primärantriebs aufzufassen. Der Fachmann entnimmt aus E12 daher sehr wohl, dass auf die darin genannte Weise die Effizienz eines Verbrennungsmotors verbessert werden kann, wenn ein solcher als Primärantrieb dient. Ob ein solcher in E12 explizit erwähnt ist, spielt für die Ausgestaltung des Hydraulikkreises keine Rolle.
2.4.3 Die Beschwerdegegnerin hat außerdem argumentiert, dass das Volumen des Hydrauliköls in E12 um Größenordnungen kleiner sei als in Straßenfertigern und die Lehre deshalb nicht ohne Weiteres auf Straßenfertiger übertragbar sei. Die Kammer sieht jedoch keinen Einfluss des Volumens auf die grundlegenden Aussagen und Anregungen in E12. Die Zusammenhänge zwischen der gezeigten Ausgestaltung des Hydraulikkreises mit Bypass, Umschaltventil und regelbarem Gebläse einerseits und der damit herbeigeführten rascheren Erwärmung des Hydraulikmediums und der besseren Effizienz der gesamten Vorrichtung andererseits sind unabhängig vom Volumen des Hydraulikmediums vorhanden.
2.4.4 Die Kammer kommt daher zum Schluss, dass der Fachmann E12 zur Lösung seiner Aufgabe berücksichtigen würde.
2.5 E12 beschreibt nicht nur die genannte Abhängigkeit, sondern schlägt mit Ausnahme der Angabe eines konkreten Temperaturwertes auch explizit die Unterscheidungsmerkmale e), f), h), i) und k) vor, um eine optimale Effizienz der Maschine zu erreichen (Seite 1, Zeilen 21/22).
In E12 regelt ein Thermostat (Seite 2, Zeilen 75 bis 84) in Abhängigkeit von der Temperatur des Hydraulikmediums sowohl das Gebläse 22 als auch das Abzweigventil 23, welches den Bypass 24 um den Wärmetauscher 21 freigibt. Dieses Thermostat stellt daher eine "Hydraulik-Medium Betriebstemperatur-Einstell- und Regelvorrichtung" gemäß Merkmal e) dar, die mit einem ein- und ausschaltbaren Gebläse verbunden ist. Dieselbe Regelung, d.h. dasselbe Thermostat, betätigt auch das Ventil 23 und legt damit Merkmal k) nahe. Da auch die Regelstrategie dieselbe ist wie im Streitpatent, nämlich das Gebläse abzuschalten und den Bypass um den Kühler zu öffnen, bis das Hydraulikmedium eine vorbestimmte Betriebstemperatur erreicht hat, ist auch das Merkmal f) mit Ausnahme des konkreten Temperaturwerts durch E12 nahegelegt.
2.6 Es bleibt dem Fachmann noch einen konkreten Temperaturwert zu wählen, bei welchem das Ventil umgeschaltet und das Gebläse eingeschaltet werden soll. Aus seinem Fachwissen weiß er, dass jedes Hydraulikmedium eine normale Betriebstemperatur aufweist. Auch E12 weist darauf explizit hin (Seite 1, Zeilen 46 bis 48). Um die in E12 offenbarte Regelstrategie anzuwenden, muss der Fachmann einen Temperaturwert wählen, der es einerseits erlaubt, die Betriebstemperatur des Hydraulikmediums zu erreichen und andererseits ein Zersetzen des Hydraulikmediums aufgrund zu hoher Temperaturen verhindert. Der genaue zu wählende Wert hängt dabei vorwiegend vom verwendeten Hydraulikmedium ab, welches im Anspruch jedoch nicht definiert ist. Zumindest für Hydraulikmedien, deren optimale Betriebstemperatur nicht bei 60°C liegt, führt der Wert daher nicht zur Lösung der Aufgabe und ist als willkürlich zu betrachten. Liegt im umgekehrten Fall die optimale Betriebstemperatur des verwendeten Hydraulikmediums bei 60°C, kann es nicht als erfinderisch angesehen werden, gerade diesen Wert zu wählen, um die gestellte Aufgabe zu lösen.
2.7 Bei der Anwendung der Lehre von E12 im Hydraulikkreis von E1 würde der Fachmann daher alle Merkmale des Anspruchs 1, einschließlich des beanspruchten Temperaturwerts, verwirklichen, ohne dabei erfinderisch tätig werden zu müssen. Anspruch 1 erfüllt somit nicht das Erfordernis des Artikels 56 EPÜ, sodass der Hauptantrag nicht gewährbar ist.
Hilfsantrag B1
3. Erfinderische Tätigkeit
3.1 Wie bereits in ihrer Mitteilung zum Ausdruck gebracht, sieht es die Kammer als dem Fachmann bekannt an, dass das Hydraulikmedium möglichst schnell auf Betriebstemperatur gebracht werden soll und dass dazu eine Heizung vorgesehen werden kann (siehe Mitteilung der Beschwerdekammer vom 21. Juni 2019, Punkt 4, Kommentare zu Hilfsantrag B1). Darüberhinaus hat die Beschwerdegegnerin selbst eingeräumt, dass in der Aufwärmphase die Pumpe 10 in E12 ebenfalls zu Heizzwecken betrieben wird.
3.2 Weitere Argumente hinsichtlich des Vorliegens einer erfinderischen Tätigkeit brachte die Beschwerdegegnerin nicht vor. Die Kammer kam daher zum Schluss, dass ausgehend von E1 und unter Heranziehen der E12 der Fachmann in naheliegender Weise auch eine Heizeinrichtung gemäß dem in Hilfsantrag B1 hinzugefügten Merkmal vorsehen würde.
3.3 Anspruch 1 erfüllt somit nicht das Erfordernis des Artikels 56 EPÜ, sodass das Patent auch in der Fassung des Hilfsantrags B1 nicht aufrecht erhalten werden kann.
Hilfsantrag B2
4. Artikel 123 (2) EPÜ
4.1 Die Unteransprüche 2, 3, 4, 5, 6 und 9 dieses Antrags bilden neue Kombinationen, die sich nicht aus dem ursprünglich eingereichten Anspruchssatz ergeben. Die entsprechenden Ansprüche waren lediglich auf Anspruch 1 rückbezogen, sodass durch die Aufnahme der Merkmale aus den Ansprüchen 5 und 6 (Heizeinrichtung, im oder am Reservoir angeordnet) nun Kombinationen entstehen, die vom ursprünglich eingereichten Anspruchssatz nicht umfasst waren. Eine diesbezügliche Offenbarung an anderer Stelle der Beschreibung ist nicht ersichtlich. Von den Zeichnungen zeigen lediglich die Figuren 2 und 3 eine Heizeinrichtung. Dabei ist Figur 2 nicht erfindungsgemäß, da sie keinen baulich separierten Hydraulikmediumkühler zeigt. In Figur 3 ist eine Heizeinrichtung nur in Kombination mit weiteren, nicht in Anspruch 1 definierten Merkmalen offenbart, insbesondere mit getrennten Gebläsen und Gebläsemotoren. Die Zeichnungen kommen somit für eine ursprüngliche Offenbarung der neu beanspruchten Unterkombination nicht in Betracht.
4.2 Die Beschwerdegegnerin hat diesbezüglich keine Argumente vorgebracht, sondern in Reaktion auf diesen Einwand der Kammer einen neuen Hilfsantrag B3 vorgelegt, der die betroffenen Unteransprüche nicht mehr aufweist.
4.3 Die Kammer kommt folglich zum Schluss, dass das Erfordernis des Artikels 123 (2) EPÜ nicht erfüllt ist. Daher kann das Patent auch in dieser Form nicht aufrecht erhalten werden.
Hilfsantrag B3
5. Nicht-Zulassung von E14 in das Verfahren
5.1 E14 ist unbestritten ein verspätet vorgebrachtes Beweismittel im Sinne von Artikel 114 (2) EPÜ. Im Rahmen der Neuheitsdiskussion hat die Einspruchsabteilung E14 nicht ins Verfahren zugelassen.
5.2 Bei der Diskussion der erfinderischen Tätigkeit im Verfahren vor der Einspruchsabteilung fand E14 keine Erwähnung. Die Beschwerdeführerin hat den auf E14 gründenden Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit erstmals im Beschwerdeverfahren vorgebracht, obwohl ein auf entsprechende Weise eingeschränkter Anspruch 1 von der Beschwerdegegnerin bereits im Einspruchsverfahren vorgelegt worden war (vgl. Hilfsantrag IV vom 4. September 2015, jedoch noch umfassend die Alternative mit Thermostatventil und mit anderer Abgrenzung zwischen allgemeinem und kennzeichnendem Teil). Dieser neue, von E14 ausgehende Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit hätte daher bereits im Verfahren vor der Einspruchsabteilung vorgebracht werden können.
5.3 Die Kammer hat daher im Sinne des Artikels 12 (4) VOBK ein Ermessen, E14 auch im Rahmen der Diskussion der erfinderischen Tätigkeit nicht ins Beschwerdeverfahren zuzulassen. Dabei ist ebenfalls die Relevanz von E14 zu berücksichtigen.
5.4 Wie bereits unter Punkt 1.3 ausgeführt, ist die Kammer zu dem Schluss gekommen, dass E14 prima facie die Merkmale e), f), g) und k) nicht offenbart. Die Beschwerdeführerin brachte weder im schriftlichen Verfahren noch während der mündlichen Verhandlung Argumente vor, wie der Fachmann - zusätzlich zu den weiteren, die Heizeinrichtung betreffenden Unterscheidungsmerkmalen - diese vier Merkmale verwirklichen soll, ohne dabei erfinderisch tätig werden zu müssen. E14 ist somit zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht prima facie hochrelevant und auch nicht relevanter als der bereits im Verfahren befindliche Stand der Technik, insbesondere gemäß E1. Die Kammer hat daher ihr Ermessen dahingehend ausgeübt, E14 auch im Hinblick auf die Diskussion der erfinderischen Tätigkeit nicht in das Verfahren zuzulassen.
6. Nicht-Zulassung geänderten Vorbringens in das Verfahren
6.1 Während der Verhandlung trug die Beschwerdeführerin zum ersten Mal vor, dass der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag B2 (Anspruch 1 gleichlautend gemäß Hilfsantrag B3) ausgehend von E1 und in Kombination mit E12, bzw. mit E12 und E3, nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen solle.
6.2 Gegen den Gegenstand gemäß Anspruch 1 der Hilfsanträge B2 und B3, das heißt inklusive der Einschränkung auf eine Heizeinrichtung am oder im Reservoir, hat die Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren ihre Angriffe lediglich ausgehend von E14 als nächstliegendem Stand der Technik vorgebracht. Im vorangegangenen Einspruchsverfahren wurde E12 verspätet eingereicht und letztlich während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung von dieser ins Verfahren zugelassen. Die Diskussion der erfinderischen Tätigkeit ausgehend von E1 in Kombination mit E12 beschränkte sich laut Protokoll (siehe Niederschrift über die mündliche Verhandlung, Punkt 7.3) auf den dritten Hilfsantrag in der Fassung wie er während der mündlichen Verhandlung eingereicht wurde und letztlich von der Einspruchsabteilung als den Erfordernissen des EPÜ genügend empfunden wurde. Dieser Antrag entspricht nunmehr dem Hauptantrag im Beschwerdeverfahren und beinhaltet weder ein allgemeines Merkmal einer Heizeinrichtung noch das spezielle mit deren Anordnung am oder im Reservoir. Auch im schriftlichen Verfahren vor der Einspruchsabteilung ist kein auf einen solchen, eine Heizeinrichtung umfassenden Gegenstand gerichteter Angriff ersichtlich, der von E1 als nächstliegendem Stand der Technik ausgeht und E12 kombiniert. Ein solcher Einwand wurde daher zum ersten Mal während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vorgebracht.
6.3 Die Argumentation der Beschwerdeführerin, wonach dieser Einwand lediglich eine Weiterentwicklung ihres bisherigen Vortrags darstelle, überzeugt die Kammer nicht. Zwar hat die Beschwerdeführerin hinsichtlich der Ansprüche gemäß Hauptantrag unter anderem auf Basis der Kombination von E1 und E12 die mangelnde erfinderische Tätigkeit geltend gemacht, für alle weiteren Anträge der Beschwerdegegnerin hat sie jedoch ausgehend von E14 argumentiert. Darüberhinaus war auch nicht erkennbar, dass die Beschwerdeführerin jemals Ausführungen gegen weiter eingeschränkte Ansprüche auf Basis von E1 und E12 machen will. Aus den Argumenten der Beschwerdeführerin zum Hauptantrag lässt sich jedenfalls nicht ableiten, dass diese jemals so abgewandelt werden, um damit auch das Vorsehen einer am oder im Reservoir angeordneten Heizeinrichtung als nahegelegt darzulegen. Der Einwand stellt damit auch keine Weiterentwicklung der Argumentationslinie gegenüber dem Hauptantrag dar, sondern wandelt den auf den Dokumenten E1 und E12 beruhenden Einwand in einer nicht vorhersehbaren Weise ab, um ihn erstmals in der mündlichen Verhandlung gegen eine im Beschwerdeverfahren bisher nur auf Basis der E14 angegriffene, sich aus den Unteransprüchen ergebende Anordnung der Heizeinrichtung zu richten. Gegenüber den Ansprüchen der Hilfsanträge B2 und B3 stellt diese Vorgehensweise somit eine Änderung des Vorbringens im Sinne des Artikels 13 (1) VOBK dar.
Auch die von der Beschwerdeführerin angeführten Entscheidungen T 1621/09, T 607/10 und T 55/11 können diesen Umstand nicht entkräften. Vielmehr stützen diese Entscheidungen die Ansicht der Kammer, dass auch im vorliegenden Fall der Wechsel des Ausgangspunktes in der Argumentation der erfinderischen Tätigkeit eine Änderung des Vorbringens darstellt. In den zitierten Entscheidungen kamen die Kammern ebenfalls zum Ergebnis, dass ein solcher Wechsel eine Änderung des Vorbringens darstellt (andere Folie derselben Präsentation als Ausgangspunkt: T 1621/09, Rz. 13; Vertauschen des nächstliegenden Stands der Technik und des Kombinationsdokuments: T 607/10, Rz. 4.1.4; andere Wahl des nächstliegenden Stands der Technik: T 55/11, Rz. 2.4).
Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass das Vorbringen der Beschwerdeführerin keine bloße Entwicklung bereits vorhandener Argumente darstellt, sondern darauf abzielt, neue Einwände erstmals in der mündlichen Verhandlung einzuführen. Diese Vorgehensweise stellt somit entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin eine Änderung des Vorbringens im Sinne des Artikels 13 (1) VOBK dar. Die Kammer hat daher ein Ermessen, dieses geänderte Vorbringen nicht zuzulassen.
6.4 Bei der Ausübung ihres Ermessens berücksichtigt die Kammer insbesondere den Verfahrensstand, die Komplexität des neuen Vorbringens und die gebotene Verfahrensökonomie.
6.5 Das neue Vorbringen erfolgte zum spätestmöglichen Zeitpunkt im Verfahren, ohne dass sich der zugrundeliegende Sachverhalt im Beschwerdeverfahren geändert hätte. Die einschränkenden Merkmale der Hilfsanträge B2 und B3 waren bereits Gegenstand der Hilfsanträge im Einspruchsverfahren.
6.6 Die Frage der Komplexität des Vorbringens kann dahingestellt bleiben, da es prima facie in der Sache keinen Erfolg haben kann und eine Zulassung somit auch dem Grundsatz der Verfahrensökonomie widerspräche.
Es ist unbestritten, dass E1 keine Heizeinrichtung zeigt und diese auch nicht nahelegt.
Ebenfalls unbestritten offenbart E12, dass durch oftmaliges Pumpen des Hydraulikmediums dessen Temperatur erhöht werden kann. Mit anderen Worten wird gemäß E12 die Pumpe dazu genutzt, das Hydraulikmedium zu heizen. In diesem Sinn kann die Pumpe (10) auch als "Heizeinrichtung" aufgefasst werden. Eine Anordnung dieser Pumpe oder einer anderen Heizeinrichtung am oder im Reservoir kann jedoch aus E12 nicht abgeleitet werden. Das Argument der Beschwerdeführerin, dass die Pumpe in E12 ebenfalls "am Reservoir" angeordnet sei, weil sie mit diesem verbunden ist, kann die Kammer nicht überzeugen. Vielmehr ist den schematischen Darstellungen in E12 keine Information über die räumliche Anordnung der Pumpe entnehmbar.
Auch eine weitere Kombination mit E3 kann die Kammer nicht überzeugen. Der darin gezeigte Wärmetauscher (68, Figur 2) stellt keine Heizeinrichtung im eigentlichen Sinn dar. Es hängt von weiteren Faktoren ab, ob an dieser Stelle Wärme in das Hydraulikmedium eingetragen (und dieses damit geheizt) oder ausgeleitet (und damit gekühlt) wird. Auch verfolgt E3 den Zweck, ein Überhitzen des Hydraulikmediums zu vermeiden. Der Fachmann müsste beim Lesen von E3 also zuerst interpretieren, dass in bestimmten Betriebszuständen durch die Kühlung des einen Hydraulikkreises in dem Wärmetauscher eine Art "Heizeinrichtung" für den anderen Hydraulikkreis verwirklicht sein könnte. Dies stellt für den Fachmann allerdings keinen eindeutigen und unmittelbaren Anreiz dar, eine solche nur durch weitergehende Interpretation erkennbare Heizeinrichtung in E1 anzuwenden.
Darüberhinaus ist die Anwendung eines Wärmetauschers zwischen zwei Heizkreisen, wie sie in E3 offenbart ist, in E1 nicht ohne Änderungen möglich, da E1 nur einen einzigen Hydraulikkreis offenbart. Auch die Berücksichtigung von E12 kann hier nicht weiterhelfen. Eine Kombination von E1, E12 und E3 führt somit prima facie nicht zum beanspruchten Gegenstand.
6.7 Das geänderte Vorbringen der Beschwerdeführerin wurde somit von der Kammer nicht zugelassen, weil es prima facie der Aufrechterhaltung nicht entgegensteht.
6.8 Da von der Kammer weder E14 noch die Einwände basierend auf einer Kombination von E1 und E12 bzw. E1, E12 und E3 in das Verfahren zugelassen wurden, liegen zur Frage der erfinderischen Tätigkeit hinsichtlich des Hilfsantrags B3 keine zulässigen Einwände vor. Somit war die erfinderische Tätigkeit des in Anspruch 1 des Hilfsantrags B3 definierten Gegenstands nicht in Frage zu stellen.
7. Abgrenzung Anspruch 1
7.1 Der unabhängige Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag B3 vom 3. September 2019 beinhaltet in seinem Kennzeichen das Merkmal, wonach "das Gebläse drehzahlregelbar und/oder ein- und ausschaltbar ist". Während der mündlichen Verhandlung stand zur Diskussion, ob nicht jedes Gebläse "ein- und ausschaltbar" ist, in dem Sinn, dass es zumindest gemeinsam mit der Maschine, ein- und ausgeschaltet werden kann.
7.2 Die Kammer kommt jedoch zum Schluss, dass im vorliegenden Fall "ein- und ausschaltbar" als Teil der Regelung zu verstehen ist und nicht lediglich allgemein eine Eignung zum Ein- und Ausschalten definiert. Der Sinn dieses Merkmals ergibt sich erst im Zusammenhang mit der Regelvorrichtung, mit welcher es gemeinsam ein Merkmal bildet, das nicht getrennt aufgefasst werden kann. Das gesamte Merkmal lautet daher auch "[dadurch gekennzeichnet,] ... dass "das Gebläse (2a, 3a, 4a) drehzahlregelbar und/oder ein- und ausschaltbar ist und mit der Hydraulikmedium-Betriebstemperatur-Einstell- und -Regelvorrichtung (R) verbunden ist".
Diese Auffassung wurde von den Parteien geteilt.
7.3 Da der Anspruch 1 gegenüber E1 abgegrenzt wurde und darin kein Gebläse gezeigt ist, das im oben genannten Sinne drehzahlregelbar oder ein- und ausschaltbar ist, bildet das Merkmal ein Unterscheidungsmerkmal und kann gemäß Regel 43 (1) b) EPÜ im kennzeichnenden Teil des Anspruchs verbleiben.
8. Anpassung der Beschreibung
Wegen den in den Ansprüchen vorgenommenen Änderungen und Streichungen erachtet es die Kammer als sachdienlich, die Angelegenheit zur Anpassung der Beschreibung an die jetzt vorliegenden Ansprüche an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen (Artikel 111 (1) EPÜ).
Die Kammer weist auf das Erfordernis der Regel 42 (1) b) EPÜ hin, wonach der nächstliegende Stand der Technik anzugeben ist. Im vorliegenden Fall ist dies E1, gegenüber welcher der Anspruch 1 auch abgegrenzt wurde.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent mit den Ansprüchen Nr. 1 bis 3 des in der mündlichen Verhandlung vom 3. September 2019 eingereichten Hilfsantrags B3 und einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.