T 0117/16 () of 7.11.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T011716.20191107
Datum der Entscheidung: 07 November 2019
Aktenzeichen: T 0117/16
Anmeldenummer: 06755231.5
IPC-Klasse: B22D 11/128
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VERFAHREN ZUR REGELUNG EINES ANSTELLSEGMENTES IN EINER STRANGGIEßANLAGE
Name des Anmelders: Primetals Technologies Germany GmbH
Name des Einsprechenden: SMS group GmbH
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention Art 83
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Änderungen - zulässig (ja)
Ausreichende Offenbarung - Ausführbarkeit (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Das europäische Patent EP-B1-1 893 367 (im Folgenden: das Patent) betrifft ein Verfahren zur Regelung der Schräglage eines Anstellsegmentes in einer Stranggießanlage.

Gegen das erteilte Patent hatte die Einsprechende Einspruch eingelegt und ihn auf die Gründe der Artikel 100 a), b) und c) EPÜ gestützt.

II. Die Einspruchsabteilung hat entschieden, dass das Patent in geändertem Umfang gemäß dem während der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrag 2 dem EPÜ genügt.

III. Gegen diese Zwischenentscheidung hat die Einsprechende (im Folgenden: die Beschwerdeführerin) Beschwerde eingelegt.

IV. In der als Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung gemäß Artikel 15(1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) teilte die Kammer den Beteiligten ihre vorläufige Einschätzung des der Beschwerde zugrundeliegenden Sachverhalts mit.

V. Eine mündliche Verhandlung fand am 7. November 2019 statt. Die vorliegende Entscheidung wurde am Ende der mündlichen Verhandlung verkündet.

VI. Anträge

Am Schluss der mündlichen Verhandlung bestand folgende Antragslage:

Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die Beschwerdegegnerin (die Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen. Daher bildet der von der Einspruchsabteilung als gewährbar erachtete Hilfsantrag 2 des Einspruchsverfahrens den Hauptantrag in diesem Beschwerdeverfahren.

VII. Ansprüche

Anspruch 1 gemäß Hauptantrag einschließlich der von der Beschwerdegegnerin vorgeschlagenen Merkmalsanalyse lautet:

M1 "Verfahren zur Regelung eines Anstellsegmentes (1) in

einer Stranggießanlage (2),

M2 wobei das Anstellsegment (1) einen Unterrahmen (9) und

einen Oberrahmen (10) aufweist, die durch Verstellelemente (12,13,14,15) in ihrer Position und Schräglage relativ zueinander justiert werden,

M3 wobei ein Strang (3) zwischen einem Eingang (EN) und

einem Ausgang (EX) in einer Gießrichtung von dem Unterrahmen (9) und dem Oberrahmen (10) geführt wird,

M4 wobei jedes Verstellelement (12,13,14,15) durch je

einen Positionsregler (S1,S2,S3,S4) geregelt wird,

M5 wobei zumindest am Eingang (EN) je zwei der

Positionsregler (S1,S2,S3,S4) einem Quer-Regler (Q,Q12,Q34) zugeordnet werden und eine Regelung der Schräglage quer zur Gießrichtung und eine Regelung eines Positionsunterschiedes zwischen einem ersten der Verstellelemente (12) und einem zweiten der Verstellelemente (13) mittels des Quer-Reglers (Q,Q12,Q34) erfolgt,

M6 wobei die relative Schräglage in Gießrichtung wie folgt

geregelt wird:

M7 - in einem Längsregler (L) wird ein Schräglagen-Istwert

(Xsen-Xsex) durch eine Differenzbildung von Positionswerten (XS1,XS2,XS3,XS4) der Verstellelemente (12,13,14,15) am Eingang (EN) und am Ausgang (EX) berechnet, wobei für die Differenzbildung ein Mittelwert (Xsen, Xsex) der Positionswerte (XS1,XS2,XS3,XS4) am Eingang (EN) und Ausgang (EX) bereitgestellt wird,

M8 - aus dem Schräglagen-Istwert (Xsen-Xsex) wird in dem

Längs-Regler (L) ein erster Positionskorrekturwert (Wsen) für die Positionsregler (S1,S2) auf der Eingangsseite und ein zweiter Positionskorrekturwert (Wsex) für die Positionsregler (S3,S4) auf der Ausgangseite berechnet und die Positionskorrekturwerte (Wsen,Wsex) für die Positionsregler (S1,S2) auf der Eingangsseite und für die Positionsregler (S3,S4) auf der Ausgangsseite weitergeleitet,

M9 - zur Veränderung der Schräglage in Gießrichtung wird

der erste Positionskorrekturwert (Wsen) auf die Positionsregler (S1,S2) für die Eingangsseite und der zweite Positionskorrekturwert (Wsex) auf die Positionsregler (S3,S4) für die Ausgangsseite aufgeschaltet."

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 14 betreffen bevorzugte Ausführungsformen des in Anspruch 1 definierten Verfahrens.

VIII. Stand der Technik

Die Beschwerdeführerin hat das folgende, ebenfalls in der angefochtenen Entscheidung zitierte Dokument eingereicht:

E1: DE 101 60 636.

IX. Das schriftsätzliche und mündliche Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:

a) Artikel 123(2) EPÜ

Die Anmeldung wie ursprünglich eingereicht, insbesondere Anspruch 5, offenbare nicht den Ort der Ermittlung des Schräglagen-Istwerts. Das Merkmal, dass der Schräglagen-Istwert (Xsen-Xsex) in einem Längsregler (L) ermittelt werde, kreiere daher einen Gegenstand, der über die Lehre in der ursprünglichen Anmeldung hinausgehe.

Die ursprüngliche Anmeldung offenbare auf Seite 6, Zeilen 11 bis 20, lediglich eine Begrenzung des Maximalwerts der Schräglage. Die Möglichkeit, die Schräglage nicht nur zu begrenzen, sondern allgemein zu verändern und dies zudem nicht nur fortlaufend durchzuführen, werde in der ursprünglich eingereichten Anmeldung nicht offenbart.

Ferner werde die Kombination der Merkmale M8 und M9 in der ursprünglichen Anmeldung nicht direkt und unzweideutig offenbart.

b) Artikel 83 EPÜ

Das Streitpatent offenbare nicht, welcher Wert letztendlich einem Positionsregler als Soll- bzw. Korrekturwert zugeführt werde und wie dieser angesichts der Vielzahl der zu ermittelnden Sollwerte tatsächlich errechnet werden könne. Ferner werde nicht konkret beschrieben, wie die Positionskorrekturwerte zur Veränderung der Schräglage eingesetzt werden sollen.

c) Artikel 56 EPÜ

Ausgehend von E1 sei der Gegenstand des Anspruchs 1 naheliegend, da es für den Fachmann selbstverständlich sei, die Schräglage der Anstellelemente in Längs- und Querrichtung zu kontrollieren und zu regeln, um ein alternatives Verfahren bereitzustellen.

X. Das entsprechende Vorbringen der Beschwerdegegnerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:

a) Artikel 123(2) EPÜ

Die Anmeldung wie ursprünglich eingereicht offenbare in Figur 9 direkt und unzweideutig, dass die Ermittlung des Schräglagen-Istwerts (Xsen-Xsex) in einem Längsregler (L) stattfinde.

Die ursprüngliche Anmeldung verdeutliche in seiner Gesamtheit, dass die Schräglage mittels des beanspruchten Regelungsverfahrens verändert werden könne.

Die in den Merkmalen M8 und M9 definierten Verfahrensschritte des Weiterleitens und Aufschaltens der Positionskorrekturwerte seien nicht unabhängige Ausführungsformen, sondern betreffen aufeinander folgende Schritte bei der Verarbeitung der Positionskorrekturwerte. Daher werde durch die Kombination dieser Merkmale keine neue technische Lehre in Hinblick auf die ursprüngliche Anmeldung generiert.

b) Artikel 83 EPÜ

Das Streitpatent beschreibe unter Bezug auf die Figuren 5 und 9 einen Weg, wie das Verfahren durchgeführt werden könne. Der Fachmann habe daher keinerlei Schwierigkeiten, das beanspruchte Verfahren nachzuarbeiten.

c) Artikel 56 EPÜ

Ausgehend von E1 sei der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht naheliegend, da E1 keinerlei Anregung dazu gebe, die Schräglage der Anstellelemente in Längs- und Querrichtung zu kontrollieren und zu regeln.

Entscheidungsgründe

1. Artikel 123(2) EPÜ

1.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht auf einer Ausführungsform gemäß den ursprünglichen Ansprüchen 1, 2, 4, 5 und 6 in Kombination mit der Lehre auf

Seite 2, letzter Absatz,

Seite 3, erster und vierter Absatz,

Seite 6, zweiter Absatz,

Seite 7, erster Absatz und

Figur 9.

1.2 Gemäß den Ausführungen der Beschwerdeführerin offenbare die ursprüngliche Anmeldung nicht, dass:

a) in einem Längsregler (L) ein Schräglagen-Istwert

(Xsen-Xsex) ermittelt wird;

b) durch eine Aufschaltung von Positionskorrektur-

werten auf die Positionsregler für den Ein- und Ausgang des Anstellsegments die Schräglage beliebig "verändert" werden kann;

c) ein Weiterleiten von Positionskorrekturwerten gemäß

Merkmal M8 in Kombination mit einem Aufschalten dieser zur Veränderung der Schräglage gemäß Merkmal M9 erfolgen kann;

d) die Schräglage "fortlaufend" in der geforderten

Position gehalten wird.

1.2.1 zu a) "in einem Längsregler (L)"

Die Verwendung eines Längsreglers (L) wird in der ursprünglich eingereichten Anmeldung wiederholt offenbart. Auf Seite 7, Zeilen 4 bis 11 der Anmeldung wird beispielsweise beschrieben, dass die Vorrichtung zur Regelung derart ausgestaltet ist, dass zur Bildung eines Schräglagen-Istwertes für den Längsregler jeweils Mittel zur Differenzbildung der Positionswerte der Verstellelemente am Eingang und am Ausgang vorhanden sind. Eine analoge Lehre findet sich auf Seite 14, Zeilen 18 bis 21. Diese Textstelle verweist nicht nur explizit auf den in Figur 9 gezeigten Längsregler, sondern beschreibt zudem, dass die Schräglagen-Istwerte durch Differenzbildung der gemittelten Positions-Istwerte auf der Eingangs- und Ausgangsseite gebildet werden. Daraus ist unmittelbar ableitbar, dass es sich um einen Längsregler im Sinne der Ausführung auf

Seite 3, Zeilen 20 bis 24 der Anmeldung handelt.

Die Angabe in Anspruch 1, dass ein Schräglagen-Istwert (Xsen-Xsex) in einem Längsregler (L) ermittelt wird, geht daher nicht über die Lehre der ursprünglichen Anmeldung hinaus.

1.2.2 zu b) Schräglage kann "verändert" werden

Die ursprünglich eingereichte Anmeldung beschreibt zwar auf Seite 6, Zeilen 16 bis 20, dass die Schräglage durch die Aufschaltung von Positionskorrekturwerten auf die Positionsregler begrenzt wird.

Allerdings offenbart die ursprüngliche Anmeldung auf Seite 6, Zeilen 22 bis 25 weiterhin, dass die Schräglage des Anstellsegments "rasch und exakt ausgeregelt werden" kann.

Daraus wird deutlich, dass die Schräglage durch Korrekturwerte ausgeregelt und damit verändert werden kann und nicht nur auf ein Maximum "begrenzt" wird.

1.2.3 zu c) Kombination der Merkmale M8 und M9

Es ist unstreitig, dass die beiden Merkmale M8 und M9 auf Seite 3, Zeilen 20 bis 31, und Seite 6, Zeilen 11 bis 20, jeweils detailliert beschrieben werden. Die beiden Schritte des Weiterleitens und Aufschaltens der Positionskorrekturwerte sind nicht unabhängige Ausführungsformen, sondern betreffen aufeinander nachfolgende Schritte bei der Verarbeitung der Positionskorrekturwerte. Dabei ist es unerlässlich, dass diese nicht nur ermittelt, sondern auch weitergeleitet und schließlich aufgeschaltet werden müssen, um die beabsichtigte Veränderung der Schräglage hervorzurufen.

Die entsprechenden Merkmale sind daher nicht völlig unabhängig, sondern stehen für den Fachmann in direktem Zusammenhang. Eine neue technische Lehre wird daher durch die Kombination der Merkmale M8 und M9 in Hinblick auf die ursprüngliche Anmeldung nicht generiert.

1.2.4 zu d) Schräglage wird "fortlaufend" in Position gehalten

Auf Seite 3, Zeilen 26 bis 31 der Anmeldung wird offenbart, dass durch ein Weiterleiten von Positionskorrekturwerten für die Positionsregler die Schräglage in Längsrichtung fortlaufend in der geforderten Position gehalten werden kann.

Anspruch 1 definiert diese auf Seite 3 beschriebene Weiterleitung der Positionskorrekturwerte ohne die Angabe, dass die Schräglage "fortlaufend" gehalten wird.

Der Einsatz der Längsregelung hat den Zweck, die Schräglage mittels Korrekturwerten im Sollbereich zu halten. Die Häufigkeit der Positionsbestimmung und deren Korrektur durch Weiterleitung der Positionskorrekturwerte hängt dabei gegebenenfalls von dem entsprechenden Stranggießverfahren und der gewünschten Regelungsgenauigkeit ab. Dies ändert allerdings nichts daran, dass in den Augen eines Fachmanns durch eine Regelung die Schräglage ständig innerhalb einer Toleranzgrenze gehalten wird. Im Kontext der ursprünglichen Anmeldung erfolgt der Einsatz einer Regelung und eine damit verbundene Weiterleitung von Positionskorrekturwerten für einen Fachmann daher inhärent immer fortlaufend.

Anspruch 1 entspricht daher der Lehre auf Seite 3, auch wenn das Wort "fortlaufend" nicht im Anspruch 1 genannt wird.

1.3 Zusammenfassend kommt die Kammer zu dem Schluss, dass keines der Argumente der Beschwerdeführerin belegt, dass die Änderungen in Anspruch 1 über die Lehre der ursprünglichen Anmeldung hinausgehen.

2. Artikel 100(b) EPÜ

2.1 Das Streitpatent offenbart in Hinblick auf das beanspruchte Regelverfahren,

- welche Eingangsgrößen den Positionsreglern S1 bis S4

zur Schräglagenregelung zugeführt werden, nämlich die

über Positionsgeber gemessenen Positions-Istwerte

XS1 bis XS4

(Absatz [0036]; Spalte 7, Zeilen 10 bis 19),

- die vorgebbaren Positions-Sollwerte WS1 bis WS4

(Absatz [0048]; Spalte 10, Zeilen 22 bis 24) und

- die vom Längsregler (L) ermittelten Positions-

korrekturwerte Wsen und Wsex (Figur 9) und

- welche Ausgangsgrößen an den Ausgängen der

Positionsregler S1 bis S4 bereitgestellt werden,

nämlich die an die Stelleinrichtungen ausgebbaren

Stellgrößen y1 bis y4 (Absatz [0036]; Spalte 6,

Zeile 56 bis Spalte 7, Zeile 1).

Das Blockschaltbild in Figur 5 zeigt diesbezüglich, wie die Verschaltung dieser Größen erfolgen kann.

Figur 9 verdeutlicht weiterhin, wie die Positions-korrekturwerte Wsen und Wsex in dem Längsregler (L) ermittelt werden.

Zudem wird offenbart, wie aus den Positions-Istwerten XS1 bis XS4 der Schräglagen-Istwert (Xsen-Xsex) und weiter aus diesem ein erster Positionskorrekturwert (Wsen) für die Positionsregler (S1, S2) auf der Eingangsseite und ein zweiter Positionskorrekturwert (Wsex) für die Positionsregler (S3, S4) auf der Ausgangsseite berechnet werden kann (Absatz [0048]; Spalte 10, Zeilen 24 bis 27; Absatz [0052]).

Damit zeigt das Streitpatent einen möglichen Weg, wie aus dem Schräglagen-Istwert (Xsen-Xsex) in dem Längsregler (L) ein erster Positionskorrekturwert (Wsen) für die Positionsregler (S1, S2) auf der Eingangsseite und ein zweiter Positionskorrekturwert (Wsex) für die Positionsregler (S3, S4) auf der Ausgangsseite berechnet und wie die Positionskorrekturwerte (Wsen,Wsex) für die Positionsregler (S1, S2) auf der Eingangsseite und für die Positionsregler (S3, S4) auf der Ausgangsseite weitergeleitet werden (Merkmal M8)

und

wie der erste Positionskorrekturwert (Wsen) auf die Positionsregler (S1, S2) für die Eingangsseite und der zweite Positionskorrekturwert (Wsex) auf die Positionsregler (S3, S4) für die Ausgangsseite zur Veränderung der Schräglage in Gießrichtung aufgeschaltet werden (Merkmal M9).

2.2 Die Beschwerdeführerin argumentiert diesbezüglich lediglich, dass weitere Details zur Verrechnung der verschiedenen bestimmten und berechneten Werte fehlen. Insbesondere werde der Fachmann nicht in Kenntnis gesetzt, in welcher Form die Positionskorrekturwerte Wsen und Wsex zur Veränderung der Schräglage eingesetzt werden.

Die Beschwerdeführerin hat diesbezüglich allerdings keinerlei Argumente vorgebracht, warum der Fachmann die weiteren Details nicht im Rahmen seiner experimentellen Routine bestimmen kann.

Eine Patentschrift richtet sich an einen Fachmann und muss daher nicht jedes kleinste Detail offenbaren (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 9. Auflage, 2019, Kapitel II.C.4.1).

Ein Fachmann für die Regelungstechnik an einem Walzgerüst kann in der Regel aus einem detaillierten Blockschaltbild und einer entsprechenden zugehörigen Beschreibung ableiten, welche Größen zueinander in Korrelation gebracht werden sollen.

Die Gewichtung der einzelnen Größen und die Anpassung an die anlagenspezifischen Besonderheiten bzw. die gewünschte Regelgenauigkeit erfolgt dabei im Rahmen von Routineuntersuchungen.

Es ist daher kein Grund erkennbar, warum der Fachmann das in Anspruch 1 angegebene Verfahren unter Berücksichtigung der zugehörigen Beschreibung nicht ausführen kann.

Der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100(b) EPÜ steht einer Aufrechterhaltung des Patents daher nicht entgegen.

3. Artikel 56 EPÜ

3.1 Die Beschwerdeführerin sieht in E1 einen geeigneten Ausgangspunkt zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit.

3.2 E1 offenbart in Anspruch 1 ein Verfahren zur Einstellung eines Gießspaltes an einer Strangführung einer Stranggießanlage. Die gesteuerte Einstellung des Gießspaltes in Längsrichtung (Längsregelung) erfolgt dabei unter Berücksichtigung der Betriebsbelastung und der den Gießspalt beeinflussenden Steifigkeit der Bauteile. Dazu werden vier Hydraulik Stellzylinder eingesetzt, siehe Absätze [0029], [0030] und Figur 2.

3.3 Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag unterscheidet sich von der Offenbarung der E1 daher dadurch, dass

a) zumindest am Eingang (EN) je zwei der Positionsregler (S1, S2, S3, S4) einem Quer-Regler (Q, Q12, Q34) zugeordnet werden und eine Regelung der Schräglage quer zur Gießrichtung und eine Regelung eines Positionsunterschiedes zwischen einem ersten der Verstellelemente (12) und einem zweiten der Verstellelemente (13) mittels des Quer-Reglers (Q, Q12, Q34) erfolgt

(Merkmal M5)

b) in einem Längsregler (L) ein Schräglagen-Istwert (Xsen-Xsex) durch eine Differenzbildung von Positionswerten (XS1, XS2, XS3, XS4) der Verstellelemente (12, 13, 14, 15) am Eingang (EN) und am Ausgang (EX) berechnet wird

(Merkmal M7)

c) aus dem Schräglagen-Istwert (Xsen-Xsex) in dem Längs-Regler (L) ein erster Positionskorrekturwert (Wsen) für die Positionsregler (S1, S2) auf der Eingangsseite und ein zweiter Positionskorrekturwert (Wsex) für die Positionsregler (S3, S4) auf der Ausgangsseite berechnet wird und die Positionskorrekturwerte (Wsen,Wsex) für die Positionsregler (S1, S2) auf der Eingangsseite und für die Positionsregler (S3, S4) auf der Ausgangsseite weitergeleitet werden

(Merkmal M8) und

d) zur Veränderung der Schräglage in Gießrichtung der erste Positionskorrekturwert (Wsen) auf die Positionsregler (S1, S2) für die Eingangsseite und der zweite Positionskorrekturwert (Wsex) auf die Positionsregler (S3, S4) für die Ausgangsseite aufgeschaltet wird

(Merkmal M9).

3.4 Diese aus der E1 nicht bekannten Merkmale bewirken eine höhere Genauigkeit bei der Regelung von Anstellsegmenten in einer Stranggießanlage (siehe Absatz [0006]).

Ausgehend von E1 kann die objektiv zu lösende, technische Aufgabe daher darin gesehen werden, ein genaueres Regelverfahren bereitzustellen, das eine verbesserte Kontrolle der Formgebung des Stranges erzielt.

3.5 E1 offenbart zwar eine Längsregelung, die die Betriebsbelastung und die den Gießspalt beeinflussende Steifigkeit der Bauteile berücksichtigt. Allerdings adressiert E1 keine Schräglage/ Schräglagenregelung quer zur Gießrichtung (Querregelung) und gibt auch keinerlei Anregung für eine derartige Regelung gemäß Merkmal M5 des Anspruchs 1.

E1 enthält zudem auch keinerlei Anregung, eine weitere Längsregelung, wie sie in den Merkmalen M7 bis M9 gemäß Anspruch 1 definiert wird, einzusetzen.

3.6 Selbst wenn man die objektive technische Aufgabe lediglich darin sieht, eine Alternative bereitzustellen, basiert die von der Beschwerdeführerin vorgebrachte vage Argumentation jedenfalls auf einer rückschauenden Betrachtungsweise. Weder zeigt die Beschwerdeführerin konkrete Anregungen in E1 für die in Anspruch 1 definierte Quer- und Längsregelung, noch belegt sie, dass diese dem Fachmann im Rahmen seines allgemeinen Fachwissens bekannt sind.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrages 2 ist daher ausgehend von E1 nicht naheliegend.

Die Beschwerde ist daher nicht begründet.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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