T 0036/16 () of 9.2.2017

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2017:T003616.20170209
Datum der Entscheidung: 09 Februar 2017
Aktenzeichen: T 0036/16
Anmeldenummer: 06405167.5
IPC-Klasse: B60R 19/24
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Stossfängersystem
Name des Anmelders: Constellium Switzerland AG
Name des Einsprechenden: Benteler Automobiltechnik GmbH
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - erteiltes Patent
Erfinderische Tätigkeit - (Ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts, die am 6. November 2015 zur Post gegeben wurde und mit der der Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 1721786 aufgrund des Artikels 101 (2) EPÜ zurückgewiesen worden ist.

II. Die Einspruchsabteilung hat entschieden, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 (Vorrichtung) und das Verfahren gemäß Anspruch 11 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

Dabei hat sie die folgenden Dokumente in Betracht gezogen:

JP 2004-314790 (D5)

DE 101 10 332 A1 (D6)

DE 198 09 112 A1 (D7)

EP 0664753 B1 (D8)

III. Mit der Beschwerdebegründung legt die Beschwerdeführerin das Dokument

DE 4235738 (D8a)

vor.

IV. Am 9. Februar 2017 wurde vor der Beschwerdekammer der Fall verhandelt.

Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

V. Der erteilte Anspruch 1 lautet wie folgt:

Stossfängersystem (40) enthaltend eine in Fahrzeugquerrichtung verlaufende Stossstange (35), wenigstens ein an dieser angebrachtes Verbindungselement (21) zum Befestigen der Stossstange (35) an einem Fahrzeug, insbesondere an einem Längsträger eines Personenkraftwagens, sowie Befestigungsmittel (25) zum Anbringen einer lösbaren Abschleppeinrichtung (31), wobei das Verbindungselement (21) ein Mehrkammer-Extrusionsprofil aus Metall mit einer in Fahrzeuglängsrichtung verlaufenden Profillängsächse (x) ist, und das Verbindungselement (21) als Sicherheitselement ausgebildet ist, welches in einem Aufprallereignis durch Stauchung Aufprallenergie absorbiert,

dadurch gekennzeichnet,

dass die Befestigungsmittel (25) in einer der Hohlkammern (24) des Verbindungselementes (21) angeordnet sind.

VI. Der erteilte Anspruch 11 lautet wie folgt:

Verfahren zur Herstellung eines Stossfängersystems enthaltend eine In Fahrzeugquerrichtung verlaufende Stossstange (35) sowie wenigstens ein an dieser angebrachtes Verbindungselement (21) zum Befestigen der Stossstange (35) an einem Fahrzeug, insbesondere an einem Längsträger eines Personenkraftwagens, wobei das Verbindungselement (21) in Mehrkammer-Extrusionsprofil aus Metall mit einer in Fahrzeuglängsrichtung verlaufenden Profillängsachse (x) ist, und das Verbindungselement (21) als Sicherheitselement ausgebildet ist, welches in einem Aufprallereignis durch Stauchung Aufprallenergie absorbiert,

dadurch gekennzeichnet, dass

in einem Strangpressverfahren eine zylinderförmige Hohlkammer (24) in ein Ausgangsprofil integriert wird, und das Ausgangsprofil zu Verbindungselementen (21) abgelängt wird, und mittels einem zerspanenden Verfahren über einen definierten Längsabschnitt der zylinderförmigen Hohlkammer (24) ein Innengewinde (25) in die innere Profilwand (26) eingearbeitet wird, und wenigstens der dem Innengewinde in Einschraubrichtung einer Abschleppeinrichtung vorangehende innere Profilwandabschnitt (26), vorzugsweise die beidseits vom Innengewinde (25) angeordneten, inneren Profilwandabschnitte (26), in einem zerspanenden Verfahren um das Mass (d) abgetragen wird, so dass die Gewindeerhebungen von der um das Mass (d) abgetragenen inneren Profitwand (26) vorstehen.

VII. Die Argumente der Beschwerde­führerin - soweit sie für die Entscheidung wesentlich sind - lauten wie folgt:

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei nahegelegt, ausgehend von D7 in Kombination mit D8.

Das Dokument D8 offenbare ein Verbindungselement zur Befestigung einer Stoßstange am Längsträger eines Fahrzeugs. Dies sei ein Mehrkammerhohlprofil und würde im Extrusionsverfahren hergestellt. Des Weiteren weise das Verbindungsstück Hohlzylinder 13 und 14 auf, die mit einem Innengewinde versehen seien und somit für die Aufnahme einer Abschleppöse geeignet. Dieses Verbindungsstück würde der Fachmann in naheliegender Weise mit dem Stoßfänger gemäß D7 kombinieren.

Eine ähnliche Überlegung gelte ausgehend von D8a.

Dieses Dokument unterscheide sich von D8 durch die explizite Erwähnung der Crashboxtauglichkeit des offenbarten Verbindungsstücks gemäß Merkmal e) des strittigen Anspruchs 1 (vgl. die Merkmalsgliederung in der Entscheidung der Einspruchsabteilung, Seite 3). Dies sei dort in Spalte 2, Zeilen 7 bis 13 beschrieben.

Ausgehend von D8a würde der Fachmann alle weiteren Bauteile, wie z.B. die Stoßstange ergänzen, wie dies dort vorgesehen und beschrieben worden sei.

Auch mit D5 als nächstem Stand der Technik in Kombination mit D6 läge der Gegenstand des Anspruch 1 nahe.

D6 offenbare ein Befestigungsmittel in einem Hohlkammerprofil. Der Anspruch 1 definiere eben nicht, dass das Befestigungsmittel im Hohlkammerprofil befestigt sein müsse, es müsse lediglich dort angeordnet sein. In D6 sei es an der Stoßstange befestigt, aber innerhalb des Hohlkammerprofils angeordnet. Somit offenbare D6 alle die Merkmale, die in D5 nicht gezeigt seien.

Auch das Verfahren des unabhängigen Anspruchs 11 beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, im Wesentlichen aus denselben Gründen wie für den Gegenstand gemäß Anspruch 1 vorgebracht.

VIII. Die Beschwerdegegnerin/Patentinhaberin begegnete diesen Argumenten wie folgt:

Insbesondere sei in D8 nicht offenbart, dass die Abschleppöse in einer der Hohlkammern des Verbindungsstücks untergebracht sei.

Zum einen sei für die Anbringung einer Abschleppöse explizit eine Konsole vorgesehen, so dass der Fachmann, ausgehend von D7, den Hinweis bekäme, eben die Abschleppöse auch genau dort anzubringen.

Des Weiteren sei die Funktion und Dimensionierung der Bohrungen 13 und 14 nicht angegeben. Deren Verwendung zum Zweck der Befestigung einer Abschleppöse beruhe demnach auf dem Wissen um die strittige Erfindung.

Aus diesen Gründen könne auch das Dokument D8a nicht die erfinderische Tätigkeit in Frage stellen. D8a sei zu D8 identisch, bis auf den Hinweis in der Beschreibung, dass das Verbindungsstück als Crashbox dienen könne.

Auch D6 offenbare kein Mehrkammerprofil, so dass nicht erkannt werden könne, wie D5 mit D6 ohne das Wissen der strittigen Erfindung zu kombinieren wäre. So beruhe D5 auf einer völlig anderen Konstruktion als D6 und es bleibe unklar, wie der Fachmann das Wissen dieser beiden Dokumente verbinden würde. Das könne ebenfalls nur mit der Lehre der strittigen Erfindung geschehen. Das Verfahren gemäß dem unabhängigen Anspruch 11 beruhe ebenfalls auf einer erfinderischen Tätigkeit, und zwar aus denselben Gründen, wie für Anspruch 1 ausgeführt.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit hinsichtlich der von der Einsprechenden/Beschwerdeführerin vorgetragenen Argumentationslinien, Artikel 56 EPÜ.

2.1 Die Einsprechende begründet den vorgebrachten Mangel an erfinderischer Tätigkeit durch das Naheliegen des Gegenstands gemäß Anspruch 1 durch die Kombinationen der Dokumente D5 mit D6, D7 mit D8 sowie D8a mit dem Wissen des Fachmanns.

2.2 Die Kammer folgt in ihrer Entscheidung in Bezug auf die bereits im Verfahren vor der Einspruchsabteilung diskutierten Argumentationslinien D5 mit D6 sowie D7 mit D8 uneingeschränkt der Begründung der Einspruchs­abteilung.

2.2.1 Insbesondere folgt die Kammer nicht der Argumentation der Einsprechenden/Beschwerdeführerin, dass es für den Fachmann naheläge, das Verbindungselement (vgl. Merkmal b) des strittigen Anspruchs in der Entscheidung der Einspruchsabteilung, Seite 3) gemäß D8 in einer Weise zu modifizieren, dass es an der Stoßstange aus D7 montierbar wäre. Das Verbindungselement (D8) weist Flansche in Form von Anformungen aus, an denen Anbauteile wie die Stoßstange angebracht werden können. So ist für eine Abschleppöse die Konsole 11 explizit vorgesehen, siehe D8, Spalte 4, Zeilen 21 bis 27 und Figur 1. Schon von daher bekäme der Fachmann bei der Betrachtung der D8 nicht die Lehre, die Abschleppöse in einer Hohlkammer des Verbindungsprofils anzuordnen.

2.2.2 Selbst wenn man die Profilbohrungen 13 und 14 als Hohlkammern eines Sicherheitselements im Sinne des Merkmals e) des strittigen Anspruchs 1 ansehen würde, kann die Kammer nicht erkennen, dass die Profilbohrungen 13 und 14 dazu geeignet sind, eine Abschleppöse aufzunehmen, wie es die Einsprechende behauptet. Die Tatsache, dass in Zusammenhang mit den Befestigungsaugen 13 und 14 auch Gewinde offenbart sind, reicht nicht aus, um die Eignung für die Befestigung einer Abschleppöse zu begründen: so offenbart D8 nichts über deren Durchmesser und Länge und insbesondere, inwieweit diese bei montierter Stoßstange noch zugänglich sind.

Die Kammer kommt daher zu der Überzeugung, dass die Sichtweise der Einsprechenden/Beschwerdeführerin auf einer rückschauenden Betrachtungsweise beruht.

2.2.3 Hinsichtlich Dokument D6 stellt die Kammer fest, dass kein Mehrkammerprofil für die Crashbox offenbart ist und dass schon von daher auch das Befestigungsmittel für die Abschleppöse nicht in einer der Hohlkammern (Plural) des Verbindungsprofils angeordnet sein kann; das Dokument D6 zeigt eindeutig und unmittelbar lediglich eine einzige Hohlkammer. Insbesondere bleibt offen, warum der Fachmann ausgehend von D5, das Dokument D6 zu Rate ziehen sollte. Die Konstruktion der Crashbox ist gänzlich unterschiedlich aufgebaut, so dass der Fachmann ausgehend von D5 zunächst prüfen würde, welche weiteren Möglichkeiten es zur Unterbringung eines Befestigungs­mittels für die Abschleppöse gäbe. Selbst wenn der Fachmann das Dokument D6 betrachten würde, so bekäme er keinen Hinweis darauf, wie das Verbindungselement gemäß D6 verändert werden müsste, und wie das veränderte Verbindungselement in die Stoßstange von D5 zu integrieren wäre.

Auch diese Sichtweise beruht auf einer rückschauenden Betrachtungsweise.

2.3 Hinsichtlich der erst im Beschwerdeverfahren vorgebrachten Argumentationslinie der Beschwerdeführerin, der Gegenstand des Anspruchs 1 läge nahe ausgehend von D8a in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen, stellt die Kammer fest, dass hier die bereits für das Dokument D8 ausgeführte Begründung greift (siehe oben Punkt 2.2.1 und 2.2.2).

2.3.1 Das Dokument D8a ist das Prioritätsdokument von D8 und offenbart im Wesentlichen denselben Stand der Technik. Die Einsprechende/Beschwerdeführerin hat das Dokument mit der Beschwerdebegründung vorgelegt und dies damit begründet, dass D8a - im Gegensatz zu D8 - explizit offenbare, dass das Verbindungselement Aufprallenergie durch Verformung gemäß Merkmal e) des Anspruchs aufzunehmen in der Lage sei (vergleiche die Merkmalsgliederung in der Entscheidung der Einspruchsabteilung, Seite 3).

Dieser Punkt aber spielt für die Entscheidung der Beschwerdekammer keine Rolle.

2.3.2 Insbesondere offenbart auch D8a explizit eine Konsole 11 zur Befestigung einer Abschleppöse und auch hier ist zu den Hohlzylindern 13 und 14 nichts offenbart, was den Schluss zuließe, dass diese für die Aufnahme einer Abschleppöse geeignet seien.

3. Die ausgeführte Begründung gilt analog für den auf ein Verfahren zur Herstellung eines Stoßfängersystems abgestellten unabhängigen Anspruch 11.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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