T 0033/16 () of 12.10.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T003316.20181012
Datum der Entscheidung: 12 October 2018
Aktenzeichen: T 0033/16
Anmeldenummer: 10002670.7
IPC-Klasse: B60T 15/54
B60T 17/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Relaisventil, Geräuschdämpfer, Ventileinrichtung und Fahrzeug
Name des Anmelders: WABCO GmbH
Name des Einsprechenden: Knorr-Bremse
Systeme für Nutzfahrzeuge GmbH
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 100(c)
European Patent Convention Art 54(1)
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Änderungen - Erweiterung über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinaus (nein)
Neuheit - Hauptantrag (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Zurückweisung des Einspruchs gegen das europäische Patent Nr. 2 266 854 Beschwerde eingelegt.

II. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass der erteilte Anspruch 1 durch Aufnahme eines Merkmals aus der Beschreibung nicht unzulässig erweitert wurde. Zudem wurde die Neuheit und das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit für den Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 anerkannt, wobei folgender Stand der Technik berücksichtigt wurde:

E1: EP 1 022 204 A2;

E2: DE 101 20 318 B4;

E3: DE 101 20 319 A1;

E4: DE 101 20 320 B4;

E7: EP 0 708 007 A1;

E8: DE 197 53 049 C1.

III. Am 12. Oktober 2018 wurde vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt.

Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde, hilfsweise die Aufrechterhaltung des europäischen Patents auf der Basis eines der mit Beschwerdeerwiderung vom 1. April 2016 eingereichten Hilfsanträge 1 bis 5.

IV. Anspruch 1 des Streitpatents lautet in der von der Beschwerdeführerin verwendeten Merkmalsgliederung (und in einteiliger Formulierung) wie folgt:

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Entscheidungsgründe

1. Änderungen - erteilter Anspruch 1 (Artikel 100 c) EPÜ)

1.1 Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1, der gegenüber dem ursprünglich eingereichten Anspruch 1 durch Aufnahme des aus der Beschreibung stammenden Merkmals d) ergänzt wurde, geht nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus. Der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 c) EPÜ steht damit der Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung nicht entgegen.

1.2 Die Beschwerdeführerin sah in der isolierten Aufnahme des Merkmals "und wobei von dem Relaisventildeckel und dem Relaisventilkolben eine Steuerdruckkammer begrenzt wird" aus der Beschreibung eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung. Es bestehe nach Auffassung der Beschwerdeführerin ein enger funktionaler Zusammenhang zwischen der Steuerkammer 40 und der Zufuhr von Steuerdruck über die im Gehäuse 2 und im Relaisventildeckel 8 ausgebildeten Steuerdruckleitungen 36, 38. Wie ursprünglich offenbart (Seite 13, Absatz 2, 2. Satz), werde die Steuerdruckkammer auch von dem Dichtring 46 sowie von dem Mündungsbereich der im Relaisventildeckel 8 ausgebildeten Steuerdruckleitung 38 (als Fortsetzung der im Gehäuse 2 ausgebildeten Steuerdruckleitung 36) begrenzt (siehe auch Figuren 1 bis 3 der ursprünglich eingereichten Unterlagen). Bei einer alternativ offenbarten Ausführungsform (Seite 13, 3. Absatz) werde die Steuerdruckkammer 40 zwangsläufig auch durch das Gehäuse 2 begrenzt.

1.3 Die Kammer teilt allerdings die Auffassung der Beschwerdegegnerin, dass die Steuerdruckleitung und der Dichtring keine wesentlichen Bestandteile im Hinblick auf das Vorhandensein einer Kammer darstellen, insbesondere nicht zur Definition der Begrenzung einer Kammer wie in Merkmal d) spezifiziert. Die Steuerdruck­leitungen münden in die Steuerdruckkammer, wobei der Mündungsbereich einer Leitung eine Öffnung zur Kammer hin und somit keine Begrenzung der Kammer darstellt. Im Übrigen impliziert "Steuerdruckkammer" schon eine Zuführung eines steuernden Drucks, wie von der Beschwerdegegnerin ausgeführt, so dass in Anspruch 1 schon die Zufuhr von Steuerdruck berücksichtigt wird. Zudem bilden - wie aus den Figuren ersichtlich - die Dichtringe keine Begrenzung der Steuerdruckkammer als Raum. Weitere Begrenzungen, die im Rahmen einer alternativen Ausführungsform (z. B. durch das Gehäuse der Ausführungsform in Figur 2) ursprünglich offenbart sind, werden vom Wortlaut von Anspruch 1 nicht ausgeschlossen, sind allerdings nicht zwingend in Anspruch 1 aufzunehmen und führen deshalb auch nicht zu einer Zwischenverallgemeinerung.

2. Neuheit (Artikel 54 (1) EPÜ)

2.1 Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 ist gegenüber der Lehre des Dokuments E1 neu. Auch die Lehre der Dokumente E2, E3 oder E4, kann den Gegenstand von Anspruch 1 wie erteilt nicht neuheitsschädlich treffen (Artikel 54 (1) EPÜ).

2.2 Die Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1 gegenüber der E1 ist bereits dadurch gegeben, dass E1 keinen Relaisventildeckel zeigt, der wenigstens ein Befestigungsmittel zur Befestigung eines Geräuschdämpfers an dem Relaisventildeckel aufweist, wie mit Merkmal b) gefordert. Selbst wenn man der Beschwerdeführerin darin folgt, dass E1 ein Relaisventil 16 zeige und dass der in Figur 2 in E1 kreuzschraffiert dargestellte Ring ohne Bezugszahl mit H-förmigem Profil, der zwischen dem zweiten Ringbund 86 und dem Gehäuse des Geräuschdämpfers 10 angeordnet ist, als Relaisventildeckel mit Relaisventildeckelloch aufgefasst werden könne, kann die Kammer daran kein Befestigungsmittel zur Befestigung des Geräuschdämpfers erkennen.

2.2.1 Die Beschwerdeführerin argumentierte zum einen schriftlich (siehe Beschwerdebegründung), die im Streitpatent gezeigte Schnappverbindung stelle lediglich ein in axialer Richtung wirkendes Befestigungsmittel dar, während eine radiale Befestigung oder Fixierung durch die radiale innere Umfangsfläche des Relaisventildeckels 8 - also ein Befestigungsmittel - bewerkstelligt werde, welche von einem Abschnitt der radial äußeren Umfangsfläche des Gehäuses des Geräuschdämpfers kontaktiert werde. In analoger Weise sei der Geräuschdämpfer 10 aus E1 in axialer Richtung an dem Relaisventildeckel mittels eines Sprengrings als Befestigungsmittel gekontert (der Relaisventildeckel stütze sich gegenüberliegend an einer Stufe im Gehäuse ab), und der Relaisventildeckel weise eine radial innere Stufenbohrung als ein weiteres Befestigungsmittel auf, weil diese das Gehäuse des Geräuschdämpfers in radialer Richtung zentriere.

Die Kammer kann allerdings nicht zweifelsfrei erkennen, dass die radial innere Stufenbohrung des in Figur 2 in E1 kreuzschraffiert dargestellten Rings mit H-förmigem Profil den Geräuschdämpfer radial festlegt, oder ob die radiale Festlegung bzw. Zentrierung des Geräusch­dämpfers nicht stattdessen am Gehäuse erfolgt. Zur Funktion der Stufenbohrung an dem in E1 nicht näher bezeichneten Ring sowie des daran anliegenden Materials, welches das Filterelement des Geräuschdämpfers abzuschließen scheint, schweigt sich E1 gänzlich aus. Eine Befestigung des Geräuschdämpfers in radialer Richtung an dem Relaisventildeckel ist somit aus E1 nicht unmittelbar und eindeutig offenbart.

Zudem spricht die Beschwerdeführerin selbst lediglich von einer "Zentrierung" des Geräuschdämpfers in radialer Richtung durch den Relaisventildeckel, woraus sich nicht notwendigerweise eine Befestigung des Geräuschdämpfers am Relaisventildeckel ableiten lässt.

2.2.2 Die Beschwerdeführerin hat zudem in der mündlichen Verhandlung argumentiert, dass das Gehäuse des Geräuschdämpfers in E1 zwar von einem Sprengring festgehalten werde, dieser aber nicht das einzige Befestigungsmittel sei. Der Geräuschdämpfer komme auch an dem H-förmigen Relaisventildeckel zur Anlage, womit eine Einspannung wie zwischen den Spannbacken eines Schraubstocks realisiert werde. Damit sei das H-förmige Ringelement in E1 wie eine Spannbacke und somit als Befestigungselement zu betrachten, da es eine Funktion zur Befestigung ausübe. Diese Abstraktionsbreite des Begriffs "Befestigungselement" werde auch durch das Streitpatent (siehe Absatz [0013]) gestützt, so dass alle Mittel, die zur Befestigung des Bauteils beitrugen, als Befestigungsmittel anzusehen seien. Es sei nicht beansprucht, wie die Befestigung am Deckel erfolge, z. B. müsse nicht notwendigerweise von ineinandergreifenden Teilen ausgegangen werden.

Die Kammer schließt sich aber der Sichtweise der Beschwerdegegnerin an, dass Merkmal b) klar verlangt, dass der Relaisventildeckel ein Befestigungsmittel zur Befestigung des Geräuschdämpfers am Relaisventildeckel aufweist, d. h. dass ein wie auch immer geartetes Mittel am Relaisventildeckel vorgesehen sein muss, mit dem Relaisventildeckel und Geräuschdämpfer relativ zueinander befestigt sind. Dies wird durch die in E1 allenfalls gezeigte Einspannung bzw. Klemmung des Geräuschdämpfers nicht erreicht, da dieser bei Entfernen des Sprengrings heraus fallen würde und somit nicht als am Relaisventildeckel befestigt angesehen werden kann.

2.3 Der Gegenstand von Anspruch 1 wie erteilt ist bereits dadurch neu gegenüber E2 oder auch gegenüber E3 oder E4, da keines dieser Dokumente eine Steuerdruckkammer im Sinne von Merkmal d) zeigt. Da der Offenbarungs­gehalt von E2, E3 und E4 vergleichbar ist, wird im Folgenden (wie auch von der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vorgetragen) nur auf E2 eingegangen, wobei die Ausführungen gleichermaßen für E3 und E4 gelten.

2.3.1 Die Beschwerdeführerin sah bei dem in E2 in Figur 1 gezeigten zweigeteilten Gehäuse das untere Relaisventilgehäuse 2 als Relaisventildeckel im Sinne von Anspruch 1 an. Unterhalb des Relaisventilkolbens 6 befinde sich eine Arbeitsdruckkammer, die auch als Steuerdruckkammer angesehen werden könne. Diese Kammer sei über den Bremsleitungsanschluss 12 an eine Bremsleitung angeschlossen, wobei der Bremsdruck auch in dieser Kammer anstehe und von unten gegen den Steuerkolben 6 wirke, und zwar gegen den Steuerdruck oben in der Steuerkammer 5, so dass der Steuerkolben 6 auch von dem unten in dieser Kammer anstehenden Bremsdruck (also dem Gegendruck) gesteuert werde. Weil aber der Bremsdruck am Anschluss 12 auch einen Steuerdruck für den Steuerkolben 6 darstelle, stelle die Kammer unterhalb des Steuerkolbens auch eine den Steuerkolben 6 steuernde Steuerkammer im Sinne von Merkmal d) dar.

Die Kammer kann dem allerdings nicht folgen. In E2 wird explizit die mit Bezugsziffer 5 bezeichnete Kammer oberhalb des Relaisventilkolbens 6 als Steuerkammer bezeichnet, über welche die Ansteuerung des Relaisventilkolbens erfolgt. Diese Kammer wird zwar in axialer Richtung von dem Relaisventilkolben, aber nicht von dem - in der Interpretation der Beschwerdeführerin mit Bezugszahl 2 bezeichneten - Relaisventildeckel begrenzt, so dass Merkmal d) nicht erfüllt ist. Die Kammer stimmt mit der Beschwerdegegnerin darin überein, dass der Bereich unter dem Steuerkolben 6 keinen steuernden Einfluss auf die Betätigung des Steuerkolbens 6 hat und daher nicht als Steuerkammer anzusehen ist, denn der sich auf der gegenüberliegenden Seite des Kolbens aufbauende Gegendruck stellt keine Steuerfunktion bereit. In dem Bereich unterhalb des Relaisventilkolbens 6 wird über die Betätigung der Ventilsitzanordnung 11 ein Arbeitsdruck eingestellt, der als Bremsdruck am Bremsleitungsanschluss 12 anliegt, d. h. dieser Raum unterhalb des Relaisventilkolbens ist als Arbeitskammer aufzufassen. Die Begriffe Steuerkammer und Arbeitskammer sind nach Auffassung der Kammer für Relaisventile klar definiert und nicht austauschbar zu verwenden.

3. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)

3.1 Die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des erteilten Anspruchs 1 ist weder ausgehend von E1 noch ausgehend von E2 (oder analog: ausgehend von E3 oder E4) als nächstliegendem Stand der Technik in Frage zu stellen (Artikel 56 EPÜ).

3.2 Wie bereits weiter oben zur Neuheit ausgeführt, ist ausgehend von E1 als nächstliegendem Stand der Technik zumindest Merkmal b) nicht gezeigt, also ein Relaisventildeckel (d. h. nach Auffassung der Beschwerdeführerin der im Profil H-förmige Ring in E1), der ein Befestigungsmittel zur Befestigung des Geräuschdämpfers am Relaisventildeckel aufweist. In E1 ist der Geräuschdämpfer mit einem Sprengring am Gehäuse befestigt.

3.2.1 Vor dem Hintergrund dieses Unterscheidungsmerkmals sah die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung die zu lösende Aufgabe darin, Bauteile einzusparen und den Grad der Funktionsintegration zu erhöhen. Sie sah es dabei als naheliegend an, dass der Fachmann eine Einklebelösung umsetzen und damit den Sprengring aus E1 einsparen würde, insbesondere da gemäß Absatz [0013] des Streitpatents auch andere Befestigungsmittel, inklusive Klebemittel, denkbar seien. Der Fachmann würde deshalb den im Profil H-förmigen Relaisventildeckel in E1 zuerst in das Gehäuse einkleben und anschließend den Geräuschdämpfer auf den Relaisventildeckel kleben. Dies sei naheliegend, da für Fertigungsmontagen zunehmend Klebelösungen (wie im Streitpatent angedacht) eingesetzt würden, zumal der Geräuschdämpfer nicht notwendigerweise ein Austauschteil sei. Dies sei funktionsgerecht und ermögliche eine einfachere Montage.

Die Kammer kann dem allerdings nicht folgen und sieht die Argumentation der Beschwerdeführerin als eine unzulässige ex-post-facto Betrachtungsweise an. Ohne nähere Angaben in E1 zu dem im Profil H-förmigen, in Figur 1 kreuzschraffierten Ring, z. B. zu dessen Funktion oder zu dessen Materialbeschaffenheit, ist es rein spekulativ anzunehmen, der Fachmann würde in naheliegender Weise ein Verkleben dieses Rings (und seiner kleinen Anlagefläche am Gehäuse) mit Gehäuse und Geräuschdämpfer - ohne weitere Umgestaltung (auch angesichts des in der Steuerkammer 90 möglicherweise wirkenden Drucks) - in Betracht ziehen und dabei auch auf die Austauschbarkeit des Geräuschdämpfers aus E1 verzichten.

3.2.2 Die Beschwerdeführerin hat weiterhin schriftlich vorgetragen (siehe Beschwerdebegründung), falls E1 Merkmal b) nicht zeige, so zeige E1 als "ein Befestigungsmittel" zum axialen Befestigen des Geräuschdämpfers 10 an dem Relaisventildeckel (der sich auf der gegenüberliegenden Seite an einer Stufe des Gehäuses abstütze) einen im Gehäuse verankerten Sprengring, durch den der Geräuschdämpfer über den Relaisventildeckel am Gehäuse in axialer Richtung indirekt befestigt werde. Eine direkte axiale Befestigung des Geräuschdämpfers am Relaisventildeckel biete den Vorteil einer steiferen Befestigung des Geräuschdämpfers am Gehäuse. Die objektive Aufgabe bestehe darin, das Relaisventil aus E1 derart weiterzubilden, dass eine verbesserte Befestigung des Geräuschdämpfers erzielt werde. Der Fachmann könne auf sein Fachwissen zurückgreifen und zusätzlich zu dem Sprengring beispielsweise eine formschlüssige Verbindung in Form einer Verschraubung (der Relaisventildeckel weise dann ein Gewinde als Befestigungsmittel auf) oder einer Schnappnasen-Nut-Verbindung zwischen Relaisventildeckel und Geräuschdämpfer vorsehen. Nichts würde ihn an einer solchen direkten Verbindung hindern. Zur Lösung der genannten Aufgabe ziehe der Fachmann auch die Dokumente E2, E3, E4 oder E7 heran, die sich mit Relaisventilen von Druckluftanlagen beschäftigten. E2 zeige ein Relaisventil mit einem Relaisventilgehäuse (das an einem Vorsteuerventilgehäuse gehalten werde) als Relaisventildeckel 2, welcher unten Randflansche zur formschlüssigen Aufnahme des Schalldämpfers 15 aufweise (siehe auch E3 oder E4). In E7 sei der Geräuschdämpfer mittels einer Bajonettverbindung am Deckel angebracht.

Die von der Beschwerdeführerin gemachten Ausführungen beruhen nach Auffassung der Kammer auf einer rückschauenden Betrachtungsweise. Zum einen hat die Beschwerdeführerin lediglich ausgeführt, der Fachmann "könne" eine zusätzliche Befestigung zu dem Sprengring vorsehen. Für die Frage der erfinderischen Tätigkeit ist aber entscheidend, ob der Fachmann eine solche Modifikation in Betracht ziehen "würde", weil er dazu z. B. aufgrund eines Hinweises im Stand der Technik angeregt wäre. Die Kammer kann jedoch keine Veranlassung für den Fachmann erkennen, die ihn zum Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 führen würde, zumal schon aus E1 nicht klar ist, was das in Figur 2 gezeigte ringförmige und nicht näher beschriebene Zwischenelement mit H-förmigem Profil (welches von der Beschwerdeführerin als Relaisventildeckel interpretiert wird) darstellen soll. Zum anderen kann - wie von der Beschwerdegegnerin vorgetragen - eine steifere Befestigung des Geräuschdämpfers am Gehäuse auch Nachteile mit sich bringen, da hierdurch beim Entlüften Schwingungen auf das gesamte in E1 gezeigte Anhängersteuerventil übertragen werden können, was zu Beschädigungen führen kann. Deshalb war die Kammer nicht überzeugt, dass die von der Beschwerdeführerin behauptete Modifikation ausgehend von E1 für den Fachmann naheliegend ist.

Auch die Berücksichtigung der Lehre von E2, E3, E4 oder E7 legt nach Auffassung der Kammer den Gegenstand von Anspruch 1 wie erteilt ausgehend von E1 nicht nahe. Zwar mag in E2, E3, E4 oder E7 eine direkte Befestigung des Geräuschdämpfers an einem "Deckel" gezeigt sein, wenn man das untere Relaisventilgehäuse in E2, E3 oder E4 bzw. das Gehäuseteil 11 mit Außenluftanschluss 12 in E7 als Relaisventildeckel auffasst. Dieser "Deckel" entspricht in E1 aber dem Relaisventilgehäuse und nicht dem von der Beschwerdeführerin in E1 identifizierten Relaisventildeckel in Form eines Rings mit H-förmigem Profil. Damit wäre der Fachmann nicht angeregt, den im Profil H-förmigen Ring bzw. Relaisventildeckel aus E1 als weitere Befestigungsmöglichkeit für den Geräuschdämpfer anzusehen. Die genannten Dokumente legen allenfalls nahe, anstelle des Sprengrings aus E1 den Geräuschdämpfer mittels anderer Befestigungsmittel am Gehäuse der E1 zu befestigen.

3.3 Ausgehend von E2 (oder E3 oder E4) als nächstliegendem Stand der Technik ist zumindest eine Steuerdruckkammer wie mit Merkmal d) definiert nicht gezeigt, wie bereits weiter oben zur Neuheit ausgeführt.

3.3.1 Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass in E2 die Steuerdruckkammer 5 auch durch den Relaisventildeckel, also durch das in E2 gezeigte Gehäuseteil 2 begrenzt würde, wenn die Trennlinie zwischen den beiden Gehäuseteilen 2 und 3 in Figur 1 in E2 weiter nach oben verschoben werde. Dabei könne auch die in E2 gezeigte Kombi-Dichtung, die sowohl eine statische Abdichtung der beiden Gehäuseteile gegeneinander (siehe Anspruch 4 bzw. Absatz [0019] in E1) als auch (siehe Figur 1) eine dynamische Dichtfunktion des Gehäuses gegenüber dem Relaisventilkolben realisiere, aufgelöst und durch eine robuste O-Ring-Technik ersetzt werden. Es stelle sich also die Aufgabe, das in E2 (oder E3 oder E4) gezeigte Ventil zu vereinfachen. Es sei naheliegend, bevorzugt (wie im Stand der Technik bekannt) statische Gehäusedichtungen und auf Kolben aufgezogene O-Ringe zu verwenden. Bei Auflösung des in E2 (oder E3 oder E4) gezeigten funktionsintegrierten Dichtelements 4 müsse man auch die Trennlinie zwischen beiden Gehäuseteilen verschieben und gelange so zum Gegenstand des erteilten Anspruchs 1. Eine Verschiebung der Gehäusetrennung nach oben würde durch die Figur 2 in E2 nahegelegt.

Diese Argumentation der Beschwerdeführerin beruht nach Auffassung der Kammer aber wiederum auf einer unzulässigen ex-post-facto Betrachtungsweise. Die Kammer folgt der Beschwerdegegnerin darin, dass es keinerlei Hinweis für den Fachmann gibt, dass das Multifunktionsdichtelement 4 ein komplexes Bauteil ist und Probleme bereiten könnte, so dass der Fachmann dieses Bauteil eliminieren möchte. Zudem fehlt jeder Hinweis, dass der Fachmann die Trennlinie zwischen den beiden Gehäuseteilen in Figur 1 in E2 gerade nach oben (und nicht nach unten) verschieben würde. Auch die in E2 gezeigte schematische Zeichnung Figur 2 bietet dazu keinerlei Anregung, da sie noch nicht einmal eine Kolbenabdichtung durch ein Dichtelement 4 zeigt.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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