T 0007/16 () of 15.2.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T000716.20190215
Datum der Entscheidung: 15 Februar 2019
Aktenzeichen: T 0007/16
Anmeldenummer: 09001601.5
IPC-Klasse: B65D 77/04
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Transport- und Lagerbehälter für Flüssigkeiten
Name des Anmelders: PROTECHNA S.A.
Name des Einsprechenden: NCG Europe GmbH
WERIT-Kunststoffwerke W. Schneider GmbH & Co. KG
S.A.S Société Nouvelle Sotralentz Packaging
Mauser-Werke GmbH
Kammer: 3.2.07
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(4)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(3)
European Patent Convention Art 54(1)
European Patent Convention Art 54(2)
Schlagwörter: Spät eingereichte Tatsachen - zugelassen (ja)
Spät eingereichter Antrag von Beeidigung einer Aussage eines Zeugen
Spät eingereichter Antrag - zugelassen (nein)
Offenkundige Vorbenutzung - Stand der Technik (ja)
Neuheit - (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent Nr. 2 096 044 widerrufen wurde, form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt.

Die vier eingereichten Einsprüche stützten sich auf die Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a) und b) EPÜ (mangelnde Neuheit, mangelnde erfinderische Tätigkeit und unzureichende Offenbarung).

Die Einspruchsabteilung hat das Patent aufgrund mangelnder Neuheit gegenüber der behaupteten offenkundigen Vorbenutzung IBC ("Intermediate Bulk Container") A4 von der Firma Schütz GmbH & Co.KGaA widerrufen, siehe angefochtene Entscheidung, Punkte 7.1 und 10.

Die Priorität DE 102008011422 vom 27. Februar 2008 wurde in der angefochtenen Entscheidung, Punkt 6, als nicht gültig betrachtet. Dies wurde von der Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren nicht bestritten, so dass das effektive Datum des Streitpatents 7. Juni 2008 gemäß der beanspruchten Priorität DE 102008027337 ist.

II. Mit Bescheid gemäß Artikel 15 (1) VOBK vom 15. Januar 2019 teilte die Kammer ihre vorläufige Meinung den Parteien mit, nach welcher der Container IBC A4 Stand der Technik zu sein, die Bodenwannen IBC A4 und IBC A5 baugleich zu sein und die geübte Kritik an der durchgeführten Messmethode nicht überzeugend zu sein schienen. Mit einer möglichen Zurückweisung der Beschwerde wäre somit zu rechnen.

Mit Schriftsatz vom 13. Februar 2019 reichte die Beschwerdeführerin weitere Dokumente (advotec 2.8 und 2.9) ein.

Am 15. Februar 2019 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt, bei welcher die Sach- und Rechtslage erörtert wurde, insbesondere inter alia zur Offenkundigkeit der Vorbenutzung IBC A4 im Hinblick auf den Einspruchsgrund nach Artikel 100 a), 54 EPÜ.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Verlaufes der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll Bezug genommen. Der Tenor der vorliegenden Entscheidung wurde am Ende der mündlichen Verhandlung verkündet.

III. Die Parteien haben die folgenden Anträge gestellt:

Die Beschwerdeführerin beantragte

die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und

die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung.

Die Beschwerdeführerin beantragte außerdem

die Beeidigung der im Verfahren vor der Einspruchsabteilung getätigten Aussage des Zeugen Pötz.

Die Beschwerdegegnerinnen 1 bis 4 beantragten jede für sich

die Zurückweisung der Beschwerde.

IV. Die Patentinhaberin hat erstmals im Beschwerdeverfahren die folgenden Dokumente (advotec 2.1 bis 2.7) mit der Beschwerdebegründung eingereicht:

advotec 2.1: Zeichnungsnummer 3.31367-C, "Bodenwanne MX

1000 V3 Standard", 16. April 2008 (schwer

lesbar), Schütz GmbH & Co.KGaA;

advotec 2.2: Bestellung der Schütz GmbH & Co.KGaA vom

3. August 2007 bei der Firma Gebr. Rath

Werkzeugbau GmbH, Nummer 4500504172;

advotec 2.3: Eidesstattliche Versicherung von Manfred

Neef, 4. März 2016;

advotec 2.4: Schlussrechnung 5004181 der Firma Gebr.

Rath Werkzeugbau GmbH vom 30. April 2008

bezüglich der Bestellung der Schütz GmbH

& Co.KGaA mit der Nummer 4500504172 vom

3. August 2007;

advotec 2.5: Lieferschein 3004327 der Firma Gebr. Rath

Werkzeugbau GmbH vom 30. April 2008

bezüglich der Bestellung der Schütz GmbH

& Co.KGaA mit der Nummer 4500504172 vom

3. August 2007;

advotec 2.6: Speditionsauftrag mit Bestellungsnummer

20626 der Firma Gebr. Rath Werkzeugbau

GmbH vom 6. Mai 2008 bei der Firma

Spedition Bender GmbH bezüglich eines

Transports nach Selters mit Referenz

1008349-200; und

advotec 2.7: Eidesstattliche Versicherung von Wolfgang

Schuld, 4. März 2016.

Mit Schriftsatz vom 13. Februar 2019 hat die Beschwerdeführerin auch erstmals die folgenden weiteren Dokumente eingereicht:

advotec 2.8: eidesstattliche Erklärung vom Christof

Baumann vom 12. Februar 2019; und

advotec 2.9: eidesstattliche Erklärung vom Georg Kemmel

vom 12. Februar 2019.

In der vorliegenden Entscheidung werden auch die Niederschriften der Einvernahmen der Zeugen Hummelsberger und Pötz von der Einspruchsabteilung am 20. Januar 2015 in Betracht gezogen.

V. Der Wortlaut des unabhängigen Anspruchs 1 des Hauptantrags (Patent in erteilter Fassung) ist angesichts der getroffenen Entscheidung nicht relevant. Die Beschwerdeführerin hat nämlich während der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage des Vorsitzenden eingeräumt, dass für den Fall der Offenkundigkeit der Vorbenutzung IBC A4 die Merkmale des Anspruchs 1 des Patents wie erteilt durch diese offenkundige Vorbenutzung vorweggenommen sind.

Die vorliegende Entscheidung beschränkt sich somit auf die einzige Streitfrage, ob die angefochtene Entscheidung hinsichtlich der Zugehörigkeit der offenkundigen Vorbenutzung IBC A4 zum Stand der Technik unrichtig ist (angefochtene Entscheidung, Punkt 7.1).

VI. Das entscheidungswesentliche Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt zusammenfassen und wird im Übrigen in den Gründen im Detail diskutiert:

Da die Beschwerdeführerin mit den unterschiedlichen Prägungen "Schütz A8/1" für IBC A4 und "Schütz 8/1" für IBC A5 zum ersten Mal in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung konfrontiert worden sei, könne sie erst im Beschwerdeverfahren hierauf reagieren. Die Dokumente advotec 2.8 und 2.9 seien als eine Reaktion auf den Bescheid der Kammer veranlasst. Diese Dokumente seien somit zuzulassen.

Die behauptete offenkundige Vorbenutzung IBC A4 könne keinen Stand der Technik darstellen, weil eine Bodenwanne mit einer Prägung "A8/1" wie die von IBC A4 erst am 14. Juli 2008 habe hergestellt werden können, d.h. nach dem gültigen Prioritätsdatum (siehe z.B. advotec 2.9). Eine Manipulation an dem Container IBC A4 durch z.B. einen Austausch der Bodenwanne sei somit nicht ausgeschlossen.

Die Unterstellung der Baugleichheit der Bodenwannen von IBC A4 und IBC A5 durch die Einspruchsabteilung sei schon allein wegen des in unterschiedlicher Blechdicke verwendeten Blechzuschnitts zur Herstellung der Bodenwannen (IBC A4: 0,9 mm; IBC A5: 1 mm) unzutreffend.

Die gemessenen Neigungswinkel an der Bodenwanne von IBC A5 (siehe GPR 6 sowie GPR7 als Anhang des Briefes der Beschwerdegegnerin 2 vom 16. September 2014) seien nicht mit den beanspruchten Neigungswinkeln vergleichbar.

Die Aussage des Zeugen Pötz im Hinblick inter alia auf den Zufallsfund des Containers IBC A4 bei der Firma Landry GmbH sei nicht glaubhaft. Deshalb werde die Beeidigung der im Verfahren vor der Einspruchsabteilung getätigten Aussage des Zeugen Pötz beantragt.

VII. Das entscheidungswesentliche Vorbringen der Beschwerdegegnerinnen 1 bis 4 lässt sich wie folgt zusammenfassen und wird im Übrigen in den Gründen im Detail diskutiert:

Die behauptete offenkundige Vorbenutzung IBC A4 liege in der Sphäre des mit der Beschwerdeführerin verbundenen Herstellers Schütz GmbH & Co.KGaA. Die Beschwerdeführerin sei bereits zu Beginn des Einspruchsverfahrens mit der Frage konfrontiert gewesen, ob der IBC A4 im Januar oder Februar 2008 hergestellt bzw. geliefert wurde. Es sei schon im Einspruchsverfahren möglich gewesen, durch z.B. die SAP-Auftragsnummer, Rückschlüsse bei der Firma Schütz GmbH & Co.KGaA über den genauen Liefertermin des IBC A4 sowie die Umformwerkzeuge, mit welchen die Bodenwanne IBC A4 hergestellt wurde, zu erhalten. Die Dokumente advotec 2.1 bis 2.7 hätten bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgebracht werden können. Die Dokumente advotec 2.8 und 2.9 hätten schon 2016 in Reaktion auf die Beschwerdeerwiderungen der Beschwerdegegnerinnen 1-4 eingereicht werden können. Die Dokumente advotec 2.1 bis 2.9 seien somit allesamt nicht zuzulassen.

Die neu eingereichten Dokumente advotec 2.1 bis 2.9 ließen im Übrigen offen, ob die Firma Schütz GmbH & Co.KGaA vor dem 9. Mai 2008, d.h. im Januar 2008, ein Umformwerkzeug zur Verfügung hatte, mit dem eine Bodenwanne mit einer Prägeziffer "8" hätte hergestellt werden können. Die angefochtene Entscheidung unter Punkt 7.1 bezüglich der Offenkundigkeit des Containers IBC A4 sei somit richtig.

Entscheidungsgründe

1. Zulassung ins Verfahren der Dokumente advotec 2.1-2.9

Die Zulassung ins Beschwerdeverfahren der erst im Beschwerdeverfahren eingereichten Dokumente advotec 2.1 bis 2.9 wurde von allen Beschwerdegegnerinnen bestritten.

Die unterschiedlichen Prägungen "Schütz A8/1" für IBC A4 und "Schütz 8/1" für IBC A5 wurden unstreitig zum ersten Mal in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung den Parteien gezeigt. Deshalb ist die Kammer der Auffassung, dass die Beschwerdeführerin glaubhaft hierauf erst mit der Beschwerdebegründung bzw. im Beschwerdeverfahren reagieren bzw. weitere Nachweise zur Unterstützung ihrer Meinung im Hinsicht auf die Nicht-Offenkundigkeit der IBC A4 einreichen konnte.

Die Dokumente advotec 2.1-2.9 werden somit ins Beschwerdeverfahren zugelassen (Artikel 12 (4) und 13 (3) VOBK).

Im Lichte des Ergebnisses der vorliegenden, getroffenen Entscheidung, die zugunsten der Beschwerdegegnerinnen ergeht, sieht die Kammer keinen Grund, deren Argumente gegen die Zulassung der Dokumente advotec 2.1 bis 2.9 im Detail zu diskutieren.

2. IBC A4 - Stand der Technik (angefochtene Entscheidung, Punkt 7.1)

2.1 Die Patentinhaberin argumentiert, dass angesichts der spiegelverkehrten Prägungen "Schütz IBC A8/1" auf dem Unterboden von IBC A4 und "Schütz 8/1" auf dem Unterboden von IBC A5, die in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung erstmals festgestellt wurden, es möglich gewesen sei, Auskunft über die Identität des zur Herstellung der Unterböden verwendeten Werkzeuges und darüber hinaus über den Herstellungsort sowie über das für die Herstellung der Unterböden verwendete Blechmaterial zu erhalten.

Die Bodenwanne des IBC A4 weise eine Dicke von 0,9 mm (mit Großbuchstaben "A") auf, während die Bodenwanne des IBC A5 eine Blechdicke von 1,0 mm (ohne Großbuchstaben "A") aufweise. Die Bodenwannen seien vom Typ MX 1000 gemäß advotec 2.1 und wären mit dem identischen Umformwerkzeug (identifiziert durch Ziffer "8") und im Werk von Selters der Firma Schütz GmbH & Co.KGaA (identifiziert durch Ziffer "1") hergestellt (advotec 2.3).

Das Umformwerkzeug (BW8) zur Herstellung der Bodenwannen vom Typ MX 1000 sei am 3. August 2007 von der Firma Schütz GmbH & Co.KGaA (im Folgenden "Schütz") bei der Firma Gebr. Rath Werkzeugbau GmbH bestellt worden (advotec 2.2). Das Werkzeug BW8 sei am 9. Mai 2008 an die Firma Schütz geliefert (advotec 2.4 bis 2.7 und 2.9) und erstmals am 14. Juli 2008 installiert und im Betrieb genommen worden, d.h. nach dem gültigen Prioritätsdatum des Streitpatents (advotec 2.9).

Deshalb, da es sich bei dem Umformwerkzeug BW8 um ein Unikat handele (advotec 2.3 und 2.9), könne ein im Januar 2008 von der Firma Schütz hergestellter IBC keine Bodenwanne aufweisen, die mit dem Umformwerkzeug BW8 hergestellt worden sei und eine entsprechende Prägung aufweise. Im Gegensatz zur Schlussfolgerung der Einspruchsabteilung (siehe angefochtene Entscheidung, Punkt 7.1, erster Absatz) könne der IBC A4 somit nicht zum Nachweis eines dem Gegenstand des Anspruchs 1 entgegenstehenden Stands der Technik dienen.

Es stelle sich zudem die Frage, ob sich der IBC A4 in dem ursprünglichen Auslieferzustand entsprechend dem Herstellungsdatum Januar 2008 befinde, in anderen Worten, ob eine Manipulation des Containers beim Rekonditionierer habe stattfinden können.

2.2 Die Kammer ist der Auffassung, dass die neu eingereichten Dokumente advotec 2.1 bis 2.9 offen lassen, ob die Firma Schütz vor dem 9. Mai 2008 ein Umformwerkzeug zur Verfügung hatte, mit dem eine Bodenwanne mit einer Prägeziffer "8" herstellt werden konnte. Es ist in der Tat dadurch nicht ausgeschlossen, dass es sich bei dem Unikat "BW8" um ein baugleiches Austauschwerkzeug für ein früheres Umformwerkzeug handelt (siehe Erwiderung der Beschwerdegegnerin 3, Punkt 4; Erwiderung der Beschwerdegegnerin 2, Punkt 1; Erwiderung der Beschwerdegegnerinnen 1 und 4, Punkt IV.a).

Deshalb sind diese Dokumente nicht hinreichend, um nachweisen zu können, ob der Container IBC A4 mit einem anderen Unterboden als dem, der während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung gezeigte wurde, im Januar oder Februar 2008 geliefert wurde, d.h. ob eine Manipulation des Containers IBC A4 tatsächlich stattgefunden hatte.

2.3 Der Container IBC A4 ist somit aus den in der angefochtenen Entscheidung angegebenen Gründen, Punkt 7.1, Stand der Technik gemäß Artikel 54(2) EPÜ.

2.4 Während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer hat die Beschwerdeführerin geltend gemacht, dass es advotec 2.9 zweifellos zu entnehmen sei, dass ein die Kennzeichnung "A8/1" auf der Bodenwanne hinterlassendes Stanzwerkzeug nur einmal existiere und dass es somit ein entsprechendes baugleiches Austauschwerkzeug nicht gegeben haben könne. Deshalb könne die Bodenwanne des während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung gezeigten Containers IBC A4 erst nach dem 14. Juli 2008 hergestellt worden sein, so dass der IBC A4 im Januar 2008 an die Firma "Hunstman Advanced Materials" nicht in diesem Zustand hätte geliefert werden können. Er müsse also im Zuge einer Rekonditionierung durch z.B. einen Austausch der Bodenwanne manipuliert worden sein. Wie es advotec 2.8 zu entnehmen sei, sei ein Rückschluss auf das Umformwerkzeug, das zur Herstellung der Bodenwanne des Containers IBC A4 verwendet wurde, trotz verfügbarer SAP-Auftragsnummer nicht möglich.

2.5 Diese Argumente können die Kammer aus den nachfolgenden Gründen, die während der mündlichen Verhandlung von den Beschwerdegegnerinnen 1 bis 4 vorgetragen wurden, nicht überzeugen.

Es ist advotec 2.9 unstreitig zu entnehmen, dass die Stempelplatte mit der Ordnungszahl "8" nicht einstückig mit dem Stanzwerkzeug ist. Es ist jedoch in advotec 2.9 nicht angegeben, wann diese Stempelplatte "8" hergestellt und dem Werk Selters geliefert wurde. Es ist somit nicht ausgeschlossen, dass die Stempelplatte "8" vor der Lieferung dem Stanzwerkzeug "BW8" in Selters benutzt wurde. Advotec 2.8 und 2.9 sowie keines von den anderen Dokumenten advotec 2.1 bis 2.7 ermöglichen zu klären, welches Stanzwerkzeug am Ende 2007 oder im Januar 2008 im Werk Selters der Firma Schütz tatsächlich in Betrieb war.

Es ist auch aus dem letzten Satz von advotec 2.9 nicht klar, ob die angebliche Installation und Inbetriebnahme von besagtem Werkzeug "BW8" im Werk Selters oder im Werk in den USA erfolgte. Das Stanzwerkzeug "BW8" war laut advotec 2.5 in der Tat für die USA-Presse vorgesehen. Soweit die Beschwerdeführerin vorgetragen hat, dass das Stanzwerkzeug "BW8" zunächst ins Werk Selters geliefert worden sei, mit der Absicht, es nach Einstellungen bzw. Einlaufen weiter in die USA zu liefern, lässt sich dies nicht ohne Stützung durch weitere Nachweise klären.

Es ist den Aussagen der Zeugen Herren Hummelsberger (siehe z.B. Seiten 6-9) und Pötz (siehe z.B. Seiten 23-25, 35-38 und 50-51) zu entnehmen, dass es beim UN-Container für Gefahrgut wie IBC A4, für welchen eine Zulassung erforderlich ist, durch eine neue Bezettelung erkennbar sein muss, dass eine Änderung an dem Container wie z.B. eine Reparatur oder ein Austausch von Teilen durchgeführt wurde. So eine Änderung bzw. eine neue Bezettelung war auf dem Container IBC A4 nicht ersichtlich (angefochtene Entscheidung, Seite 6, erster vollständiger Absatz). Die Dokumente advotec 2.1 bis 2.9 enthalten keine Erklärung bzw. keine plausiblen Indizien, warum die behauptete Manipulation durch z.B. eine neue Bezettelung auf IBC A4 nicht erkennbar ist.

Es mag wohl sein, dass laut advotec 2.8 die SAP-Auftragsnummer keinen Rückschluss auf das Umformwerkzeug, das zur Herstellung der Bodenwanne des Containers IBC A4 verwendet wurde, ermöglichte, weil der Fertigungsauftrag der Bodenwanne nicht zusammen mit dem Fertigungsauftrag der IBC-Endmontage gespeichert werde. Es bleibt trotzdem sehr unwahrscheinlich, dass die Firma Schütz keine Archivunterlagen über Container für Gefahrgut aufbewahren soll, die eine Zulassung benötigen, d.h. dass ein Rückschluss durch die Zulassungsnummer unmöglich wäre.

Die Dokumente advotec 2.8 und 2.9 sowie advotec 2.1 bis 2.7 lassen somit so viele Fragen offen, dass die Kammer von den Argumenten der Beschwerdeführerin nicht überzeugt ist, dass die getroffene Entscheidung unter Punkt 7.1, dass der Container IBC A4 zum Stand der Technik gemäß Artikel 54 (2) EPÜ gehört, unrichtig ist.

3. Baugleichheit - IBC A4 und IBC A5

3.1 Die Beschwerdeführerin hat schriftlich argumentiert, dass die Unterstellung der Baugleichheit der Bodenwannen durch die Einspruchsabteilung schon allein wegen des in unterschiedlicher Blechdicke verwendeten Blechzuschnitts zur Herstellung der Bodenwannen (IBC A4: 0,9 mm; IBC A5: 1 mm) unzutreffend sei.

3.2 Wie von den Beschwerdegegnerinnen geltend gemacht, ist es von der Beschwerdeführerin eingeräumt, dass die Bodenwannen der Container IBC A4 und IBC A5 mit einem baugleichen Umformwerkzeug "8" hergestellt wurden.

Die Beschwerdeführerin hat jedoch ihre Behauptung nicht nachgewiesen, dass aufgrund einer unterschiedlichen Rückfederung des umgeformten Blechmaterials nach Entlastung vom Pressdruck mit baugleichem Umformwerkzeug "8" bei einem Unterschied von Blechdicken von 0,1 mm (0,9 und 1 mm) unterschiedliche Neigungswinkel auftreten können. Die Kammer teilt die Meinung der Beschwerdegegnerinnen, dass die Geometrie der Bodenwannen, d.h. darunter auch die Neigungswinkel, durch die Geometrie des Umformwerkzeuges vorgegeben werden.

Ferner, wie von den Beschwerdegegnerinnen 1 und 4 geltend gemacht, geht aus der Zeichnung von advotec 2.1 klar hervor, dass Bodenwannen gemäß Umformwerkzeug "8" mit Blechdicken von 0,9 und 1,0 mm mit einer gleichen gewissen Geometrie hergestellt werden können.

3.3 Dies war die vorläufige Feststellung der Kammer, die den Partien mit dem Bescheid vom 15. Januar 2019 unter Punkt 6 mitgeteilt wurde. Sie wurde von der Beschwerdeführerin während des anschließenden Beschwerdeverfahrens weder kommentiert noch bestritten (siehe Punkt V oben).

Unter diesen Umständen sieht die Kammer - nachdem sie erneut alle relevanten Aspekte in Bezug auf diese Fragen berücksichtigt und überprüft hat - keinen Grund, von ihrer oben genannten Feststellung abzuweichen, und bestätigt diese.

4. Messaufbau

4.1 Laut dem schriftlichen Vorbringen der Beschwerdeführerin seien die gemessenen Neigungswinkel an der Bodenwanne von IBC A5 (siehe GPR 6 sowie GPR7 als Anhang des Briefes der Beschwerdegegnerin 2 vom 16. September 2014) nicht mit den beanspruchten Neigungswinkeln vergleichbar, weil die Messung der Neigungswinkel nach der Demontage der Metallrahmen (Metallgitter) erfolgte, während Anspruch 1 die Neigungswinkel an einer Bodenwanne, die sich im Verbund mit dem Metallgitter befindet, betreffe.

4.2 Wie von den Beschwerdegegnerinnen 1, 2 und 4 geltend gemacht, hat die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung auf eine Nachmessung verzichtet (siehe Protokoll, Seite 6, Punkt 16; angefochtene Entscheidung, Seite 7, erster Absatz).

Die Messmethode gemäß GPR1 bis GPR7 (Anhang des Briefes der Beschwerdegegnerin 2 vom 16. September 2014) wurde im Schriftsatz der Beschwerdegegnerin 2 vom 16. September 2014 erläutert und im Bescheid der Einspruchsabteilung vom 11. November 2014 diskutiert (siehe auch Schriftsatz der Beschwerdegegnerin 2 vom 18. Dezember 2014). Sie ist weder vor noch während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung vom 20. und 21. Januar 2015 von der Beschwerdeführerin in Frage gestellt worden (Protokoll, Seite 7, Punkt 24).

Insofern beschränkt sich das Vorbringen der Beschwerdeführerin auf eine bloße pauschale Kritik an der durchgeführten Messmethode. Dies für sich genommen und ohne Nachweise für solche Kritikpunkte bzw. Behauptungen genügt aber nicht für ein erhebliches Bestreiten.

4.3 Dies war die vorläufige Feststellung der Kammer, die den Partien mit dem Bescheid vom 15. Januar 2019 unter Punkt 7 mitgeteilt wurde. Sie wurde von der Beschwerdeführerin während des anschließenden Beschwerdeverfahrens weder kommentiert noch bestritten (siehe Punkt V oben).

Unter diesen Umständen sieht die Kammer - nachdem sie erneut alle relevanten Aspekte in Bezug auf diese Fragen berücksichtigt und überprüft hat - keinen Grund, von ihrer oben genannten Feststellung abzuweichen, und bestätigt diese.

5. Neuheit

Die Beschwerdeführerin hat während der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage des Vorsitzenden ausdrücklich eingeräumt, dass für den Fall der Offenkundigkeit der Vorbenutzung IBC A4 die Merkmale des Anspruchs 1 des Patents wie erteilt durch diese offenkundige Vorbenutzung vorweggenommen sind (siehe Punkt V oben).

Im Lichte der oben angegebenen Gründen sowie der angefochtenen Entscheidung, Punkt 10, sind alle Merkmale des Anspruchs 1 aus der offenkundigen Vorbenutzung IBC A4 bekannt, so dass dessen Gegenstand gegenüber dem Container IBC A4 nicht neu und der diesbezügliche Einspruchsgrund begründet ist (Artikel 100 a) i.V.m. Artikel 54 (1) EPÜ).

6. Antrag auf Beeidigung der Aussage des Zeugen Pötz

Während der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin die Aussage des Zeugen Pötz in Hinsicht inter alia auf den Zufallsfund des Containers IBC A4 bei der Firma Landry GmbH in Frage gestellt (Seiten 4-5). Daher hat sie beantragt, dass die im Verfahren vor der Einspruchsabteilung getätigte Aussage des Zeugen Pötz beeidigt wird.

Da dieser Antrag erst während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer, dies zudem nach dem Ende der Diskussion über die Zugehörigkeit der offenkundigen Vorbenutzung IBC A4 / IBC / A5 zum Stand der Technik, eingereicht wurde und, falls ihm stattgegeben werden sollte, eine Verlegung der mündlichen Verhandlung für dessen Berücksichtigung erforderlich machte, entscheidet die Kammer in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 13 (3) VOBK, diesen Antrag nicht ins Verfahren zuzulassen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Beeidigung der im Verfahren vor der Einspruchsabteilung getätigten Aussage des Zeugen Pötz wird nicht in das Verfahren zugelassen.

2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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