T 0002/16 (Sicherheitselement/L Kurz Stiftung) of 27.8.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T000216.20200827
Datum der Entscheidung: 27 August 2020
Aktenzeichen: T 0002/16
Anmeldenummer: 08707598.2
IPC-Klasse: B32B29/00
D21H21/44
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: SICHERHEITSELEMENT
Name des Anmelders: Leonhard Kurz Stiftung & Co. KG
Name des Einsprechenden: Giesecke+Devrient Currency Technology GmbH
ARJOWIGGINS SECURITY
Kammer: 3.3.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 83 (2007)
European Patent Convention Art 54 (2007)
European Patent Convention Art 56 (2007)
Schlagwörter: Ausreichende Offenbarung - (ja)
Neuheit - Hauptantrag (ja)
Erfinderische Tätigkeit - nicht naheliegende Alternative
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0003/14
T 0712/16
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die vorliegenden Beschwerden richten sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, die Einsprüche gegen das Patent EP 2 121 320 zurückzuweisen.

II. Das Patent betrifft fälschungssichere Sicherheitselemente. Der erteilte unabhängige Anspruch 1 hat den folgenden Wortlaut (Nummerierung der einzelnen Anspruchsmerkmale durch die Kammer):

(1) "1. Sicherheitselement (1, 3) in Form eines mehrschichtigen Folienkörpers zur Betrachtung im Auflicht und im Durchlicht,

(2) wobei das Sicherheitselement (1, 3) in einem für den menschlichen Betrachter im Durchlicht transparenten oder semi-transparenten ersten Bereich (20, 40) eine Trägerfolie (12, 31) und eine partielle metallische Reflexionsschicht (13, 34) aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass

(3) in dem ersten Bereich (20, 40) erste Zonen (21, 41), in denen die metallische Reflexionsschicht vorgesehen ist, und zweite Zonen (22, 42), in denen die metallische Reflexionsschicht nicht vorgesehen ist, (4) abwechselnd mit einer Beabstandung der Flächenschwerpunkte aufeinander folgende erste Zonen (21, 41) von weniger als 300 mym angeordnet sind,

(5) dass der erste Bereich (20, 40) mindestens einen Musterbereich (23) mit Abmessungen > 300 mym und einen an den Musterbereich (23) angrenzenden und den Musterbereich (23) zumindest teilweise umschließenden Hintergrundbereich (24) aufweist,

(6) wobei sich die Beabstandung aufeinander folgender zweiter Zonen (22, 42) in dem Musterbereich gegenüber der Beabstandung aufeinanderfolgender zweiter Zonen (22, 42) in dem Hintergrundbereich (24) um 5 bis 30 % unterscheidet, wodurch eine durch die Formgebung des Musterbereichs (23) bestimmte Information für den menschlichen Betrachter im Durchlicht sichtbar wird."

III. Der erteilte unabhängige Anspruch 5 hat den folgenden Wortlaut (Nummerierung der einzelnen Anspruchsmerkmale durch die Kammer):

(1) "5. Sicherheitselement (6, 8) in Form eines mehrschichtigen Folienkörpers zur Betrachtung im Auflicht und im Durchlicht,

(2) wobei das Sicherheitselement (6, 8) in einem für den menschlichen Betrachter im Durchlicht transparenten oder semitransparenten ersten Bereich (73) eine Trägerfolie (62, 81) und eine partielle metallische Reflexionsschicht (64, 84, 86) aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass

(3) in dem ersten Bereich (73) erste Zonen (71, 91), in denen die metallische Reflexionsschicht vorgesehen ist, und zweite Zonen (72, 92), in denen die metallische Reflexionsschicht nicht vorgesehen ist, abwechselnd vorgesehen sind,

(4') wobei jede der ersten und zweiten Zonen (71, 91; 72, 92) innerhalb des ersten Bereichs (73) eine kleinste Abmessung von weniger als 300 mym aufweist,

(5) und dass der erste Bereich (73) mindestens einen Musterbereich (78) mit Abmessungen größer als 300 mym und mindestens einen an den Musterbereich angrenzenden und den Musterbereich zumindest teilweise umschließenden Hintergrundbereich (79) aufweist,

(7) wobei innerhalb des ersten Bereichs (73) in zumindest einem Teil der von den ersten Zonen (71, 91) belegten Fläche des Hintergrundbereichs (79) und des Musterbereichs (78) eine erste Oberflächenstruktur (67, 87) in die Reflexionsschicht (64, 84) abgeformt ist, welche das einfallende Licht zumindest teilweise aus dem Spiegelreflex der von dem Folienkörper aufgespannten Ebene ablenkt

(8) und der Flächenanteil der ersten Zonen (71, 91) an der Gesamtfläche jedes Musterbereichs (78) sich von dem Flächenanteil der ersten Zonen (71, 91) an der Gesamtfläche jedes Hintergrundbereichs (79) um 5 bis 30 % unterscheidet, wodurch eine durch die Formgebung des Musterbereichs (78) bestimmte erste Information für den menschlichen Betrachter im Durchlicht sichtbar wird."

IV. Im Einspruchsverfahren wurden unter anderem die folgenden Dokumente genannt:

D1: WO2007/036683 (A1)

D2: WO99/13157 (A1)

D3: van Renesse, Rudolf L., "Optical Document

Security", Boston: Artech House, 2005, Ed. Third

Edition, ISBN: 1-58053-258-6, Seiten 177-181,

217-219

D4: WO2004/020217 (A1)

D5: EP0659936 (A2)

D6: EP1674286 (A1)

D8: WO00/02067 (A1)

D9: WO2006/087138 (A1)

D17: WO2007/141459 (A2)

D18: WO2007/045294 (A1)

D19: EP1652687 (A1)

Ferner wurden während der mündlichen Verhandlung von den Einsprechenden die Skizzen D21 und D22 eingereicht.

V. Gemäß der angefochtenen Entscheidung ist die Erfindung für den Fachmann ausführbar.

Ferner sei der Gegenstand des Anspruchs 1 neu gegenüber der D1, der D2, der D17 und der D19. Der Gegenstand des Anspruchs 5 sei neu gegenüber der D1 und der D19.

Schließlich sei der Gegenstand der Ansprüche 1 und 5 erfinderisch gegenüber der D1 sowie der D1 in Kombination mit der D19.

VI. Die Beschwerdeführerin 1 (Einsprechende I) reichte mit der Beschwerdebegründung die Anlage 1 ein, welche inhaltlich der D22 entspricht. Die Beschwerdeführerin 2 (Einsprechende II) reichte mit der Beschwerdebegründung neue Beweismittel (A 1.1 - A1.4, A 2.1 - A 2.4 und A4) ein. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) widersprach der Zulassung der von der Beschwerdeführerin 2 eingereichten Beweismittel.

VII. Mit Schreiben vom 07. August 2020 teilte die Beschwerdeführerin 2 der Kammer mit, dass sie an der mündlichen Verhandlung am 27. August 2020 nicht teilnehmen werde.

VIII. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin 1 können wie folgt zusammengefasst werden.

Anspruch 1 fordere explizit, dass die durch die Formgebung des Musterbereichs bestimmte Information im Durchlicht sichtbar sei. Die Anlage 1 zeige jedoch ein Beispiel eines Sicherheitselementes, bei dem trotz Einhaltung aller im Anspruch genannten Bedingungen eine Sichtbarkeit des Musterbereichs im Durchlicht nicht gegeben sei. Somit sei die Erfindung nicht im gesamten beanspruchten Bereich ausführbar.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei nicht neu gegenüber dem Gegenstand der D1. Der in der D1 offenbarte Verbreiterungsfaktor von größer eins bis fünf (Seite 5, Zeile 30-34) offenbare auch den beanspruchten Faktor von 1,05 - 1,3 (Merkmal 6). Die Angaben für die Liniendichte (Seite 5, Zeile 37-38) offenbarten dem Fachmann auch höhere Liniendichten, insbesondere vor dem Hintergrund, dass laut D1 feinere Linien die Fälschungssicherheit erhöhten (Seite 14, Zeile 20-24). Die D1 offenbare ebenfalls den Gegenstand des Anspruchs 5. Für Merkmal 5 gelte das gleiche wie für Merkmal 4 des Anspruchs 1. Weiterhin offenbare die D1 auf Seite 11, Zeile 14, die zusätzliche Verwendung von Hologrammen, welche laut Streitpatent (par. 0015) eine Oberflächenstruktur im Sinne des Merkmals 7 darstellten.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei gegenüber dem Gegenstand der D1 oder der D2, jeweils allein oder kombiniert mit anderen Dokumenten, nicht erfinderisch. Der Gegenstand des Anspruchs 5 sei gleichermaßen nicht erfinderisch gegenüber jenem der D1 oder der D1 in Zusammenschau mit der D3, D8, D9 oder der D18. In jedem Fall werde durch die jeweiligen unterscheidenden Merkmale kein besonderer Effekt erzielt, insbesondere nicht die Nicht-Sichtbarkeit der Information im Auflicht. Die einzelnen Sicherheitsmerkmale wie eng beabstandete Metallisierungen, Hologramme etc. seien dem Fachmann bekannt. Die entsprechenden Modifikationen bzw. Kombinationen würde der Fachmann routinemäßig vornehmen.

IX. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin 2 können wie folgt zusammengefasst werden.

Der Fachmann könne die Erfindung nicht ausführen, weil er nicht wisse, wie der Abstand aufeinanderfolgender zweiter Zonen zu messen sei. Weiterhin wisse der Fachmann nicht, ob der Hintergrundbereich oder der Musterbereich die Basis für die Berechung des in Merkmal 6 genannten Unterschiedes von 5-30 % bilde. Ferner bewiesen die Muster A 1.1 - A 1.4 und A 2.1 - A 2.4, dass der im Anspruch genannte Effekt nicht für alle Ausführungsformen erreicht werde. Anspruch 1 lege fest, dass die durch die Formgebung des Musterbereichs bestimmte Information im Durchlicht sichtbar werde, aber im Auflicht unsichtbar sei. Obwohl jedes der Muster A 1.1 - 1.4 und A 2.1 - 2.4 alle sonstigen Bedingungen des Anspruchs 1 erfülle, sei die Information in jedem Fall auch im Auflicht erkennbar, d.h. der im Anspruch genannte Effekt werde nicht erreicht. Die Erfindung sei damit gemäß G1/03 nicht ausführbar.

Zur Neuheit des Gegenstandes der Ansprüche 1 und 5 gegenüber der D1 brachte die Beschwerdeführerin 2 teilweise die gleichen Argumente vor wie die Beschwerdeführerin 1. Zu Anspruch 1, Merkmal 4, brachte sie zusätzlich vor, dass bei der Berechnung des Abstandes der Flächenschwerpunkte aus den auf Seite 5, Zeilen 37-38, angegebenen Werten zu berücksichtigen sei, dass nur der Zentralbereich des Sicherheitselementes Linien aufweise, weil Randbereiche zur Einbettung des Sicherheitselementes in die Papiermatrix frei bleiben müssten. Merkmal 7 des Anspruchs 5 sei auf Seite 8, Zeile 34 - Seite 9, Zeile 8 offenbart.

Zur Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 1 gegenüber der D17 brachte die Beschwerdeführerin 2 vor, die D17 offenbare metallisierte erste Zonen mit einer Größe von 50 bis 100 mym und dazwischenliegende nicht metallisierte zweite Zonen in der beanspruchten Beabstandung. Die in Merkmal 6 geforderte Variation der Beabstandung der nichtmetallisierten Zonen im Musterbereich ergebe sich aus der unregelmäßigen Form der metallisierten Bereiche.

Zur Neuheit des Gegenstandes der Ansprüche 1 und 5 gegenüber der D19 brachte die Beschwerdeführerin 2 vor, dass die Dimensionen und Abstände der Linien und somit der ersten und zweiten Zonen in par. 0019 offenbart seien. Musterbereiche mit erhöhter bzw. verringerter Linienbreite seien in Abbildung 5 und 6 offenbart. Par. 0032 offenbare zudem, dass die metallischen Linien auch Oberflächenstrukturen im Sinne des Anspruchs 5 aufweisen könnten. Somit offenbare die D19 den Gegenstand der Ansprüche 1 und 5.

Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 5 sei darüber hinaus nicht erfinderisch gegenüber der D1, der D6 oder der D19.

X. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdegegnerin können wie folgt zusammengefasst werden.

Die von der Beschwerdeführerin 2 gegen Merkmal 6 angeführten Argumente beträfen lediglich die Klarheit des Anspruchs aber nicht die Ausführbarkeit der Erfindung. Die Beweismittel A 1.1 - 1.4 und A 2.1 - 2.4 seien verspätet und somit nicht zuzulassen. Ferner bewiesen die Beweismittel die Sichtbarkeit der Information im Durchlicht.

Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 5 sei neu gegenüber D1, D17 und D19: Die D1 offenbare nicht die Merkmale 4 bis 6 des Anspruchs 1 bzw. die Merkmale 4', 5, 7 und 8 des Anspruchs 5. Die D17 offenbare zumindest nicht die Merkmale 4 bis 6 des Anspruchs 1. Die D19 offenbare keine transparenten Träger und keine Sichtbarkeit im Durchlicht. Außerdem seien weder Merkmal 6 des Anspruchs 1 noch die Merkmale 7 und 8 des Anspruchs 5 offenbart.

Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 5 sei erfinderisch gegenüber dem entgegengehaltenen Stand der Technik. Die jeweiligen unterscheidenden Merkmale führten zu einer erhöhten Fälschungssicherheit, wobei die Beschwerdegegnerin einräumte, dieser Effekt sei schwer zu messen. Es sei jedenfalls nicht korrekt, dass der Gegenstand der Ansprüche aus wohlbekannten Einzelelementen bestünde, die der Fachmann beliebig kombiniere. Insbesondere Merkmal 7 des Anspruchs 5 sei aus dem vorgelegten Stand der Technik überhaupt nicht bekannt.

XI. Die Beschwerdeführerinnen 1 und 2 beantragten, das Patent vollumfänglich zu widerrufen.

Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerden zurückzuweisen, hilfsweise das Patent in geändertem Umfang gemäß der Hilfsanträge I-V, eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung, aufrecht zu erhalten.

Entscheidungsgründe

Hauptantrag (erteilte Ansprüche)

1. Ausführbarkeit (Art. 100(b) EPÜ)

Die Kammer ist überzeugt, dass der Fachmann die in Anspruch 1 definierte Erfindung ausführen kann.

Gemäß der ständigen Rechtsprechung der Kammern liegt die Beweislast bei einem Einwand der mangelnden Ausführbarkeit unter Art. 100(b) EPÜ bei der den Einwand erhebenden Partei, d.h. in diesem Fall bei den Beschwerdeführerinnen. Die von der Beschwerdeführerin 1 vorgelegte Anlage 1 ist jedoch kein geeignetes Beweismittel, denn sie zeigt lediglich eine hypothetische Ausführungsform, für die die Beschwerdeführerin 1 angibt, dass die geringe Änderung der Linienstärke für das menschliche Auge "sicherlich nicht sichtbar" sei. Dies ist jedoch nur eine Behauptung und kein Beweis. Schon aus diesem Grunde kann die Kammer der Beschwerdeführerin 1 nicht folgen.

Die Beschwerdeführerin 2 hat einen ähnlichen Einwand vorgebracht und dazu die Beweismittel A1.1 - A1.4 und A 2.1 - A 2.4 vorgelegt. Auch dieser Einwand ist jedoch nicht überzeugend, denn die Kammer teilt nicht die Anspruchsinterpretation der Beschwerdeführerin 2, auf der der Einwand aufbaut. Nach dieser Leseart fordere Anspruch 1 zwingend die Nichtsichtbarkeit des Musterbereichs im Auflicht. Die Kammer ist allerdings der Ansicht, dass Anspruch 1 zur Sichtbarkeit oder Nichtsichtbarkeit im Auflicht keinerlei Einschränkungen enthält. Die Verwendung der Verbform "wird" in Merkmal 6 mag suggerieren, dass die Information, die im Durchlicht "sichtbar wird" unter anderen Umständen nicht sichtbar ist. Dieser Referenzzustand ist jedoch im Anspruch nicht eindeutig definiert. Somit fordert der Anspruch lediglich die Sichtbarkeit der Information im Durchlicht und nicht ihre Nichtsichtbarkeit im Auflicht. Die Kammer merkt an, dass diese Anspruchinterpretation auch von der Beschwerdeführerin 1 geteilt wird (siehe die Beschwerdebegründung Seite 3, mittig). Basierend auf dieser Interpretation des Anspruchs 1 stellt die Kammer fest, dass die vorgelegten Photographien in jedem einzelnen Fall zeigen, dass der mittig angeordnete quadratische Musterbereichs im Durchlicht sichtbar ist, d.h. der im Anspruch genannte Effekt wird erreicht. Insofern können die Beweismittel die Ausführbarkeit der Erfindung nicht in Zweifel ziehen.

Was das Muster A4 angeht, so ist unbestritten, dass es sich hierbei nicht um ein erfindungsgemäßes Muster handelt. Insofern ist das Muster zur Beurteilung der Ausführbarkeit der Erfindung irrelevant.

Da die spät eingereichten Beweismittel A1.1 - A 1.4, A 2.2 - A 2.4 und A4 die Ausführbarkeit der Erfindung somit nicht in Frage stellen können, erübrigt sich eine Entscheidung über ihre Zulässigkeit ins Verfahren.

Was die übrigen von der Beschwerdeführerin 2 erhobenen Einwände angeht, so betreffen diese nach dem Dafürhalten der Kammer die Klarheit der Ansprüche und nicht die Ausführbarkeit der Erfindung. Mangelnde Ausführbarkeit unter Art. 100(b) EPÜ liegt gemäß der ständigen Rechtssprechung der Kammern dann vor, wenn der Fachmann auch unter Berücksichtigung der Beschreibung und des allgemeinen Fachwissens nicht in der Lage ist, die in einem Anspruch definierte Erfindung auszuführen. Im vorliegenden Fall hätte also gezeigt werden müssen, dass der Fachmann nicht in der Lage ist, ein Sicherheitselement mit den in Anspruch 1 genannten Merkmalen und Eigenschaften herzustellen. Dieser Beweis ist jedoch nicht erbracht worden. Stattdessen wurde versucht zu zeigen, dass es Ausführungsformen geben könnte, bei denen nicht klar ist, ob sie von Anspruch 1 umfasst sind oder nicht. Ein solcher Einwand ist allerdings als Einwand mangelnder Klarheit unter Art. 84 EPÜ zu werten und nicht als Einwand der unzureichenden Offenbarung der Erfindung. Klarheitsmängel, die das Patent in seiner erteilten Fassung betreffen, sind jedoch im Einspruchsverfahren nicht mehr angreifbar (G 3/14).

2. Neuheit (Art. 54(1)(2) EPÜ)

2.1 Anspruch 1

2.1.1 D1 - Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist neu gegenüber jenem der D1, denn die D1 offenbart nicht die Merkmale 4 und 6, gemäß der Merkmalsanalyse der Beschwerdeführerin 1 (siehe Abschnitt II, supra).

Was Merkmal 4 angeht, so lässt sich aus der Angabe der Liniendichte von 5-10 Linien pro 4 mm (Seite 5, Zeile 37 - 38) ein Abstand der Flächenschwerpunkte der Linien von weniger als 300 mym nicht unmittelbar und eindeutig ableiten. Selbst wenn linienfreie Randzonen vorhanden sein sollten, wie es von der Beschwerdeführerin 2 postuliert wird, so ist die Breite dieser Randzonen nicht bekannt. Die Behauptung der Beschwerdeführerin 2, die Linien erstreckten sich auf lediglich 50 - 66 % der Breite des Sicherheitselements ist unbewiesen, so dass eine Berechnung der Liniendichte unter Berücksichtigung der Randzonen auf dieser Basis nicht möglich ist.

Die Kammer kann sich auch dem Argument der Beschwerdeführerin 1 nicht anschließen, der Fachmann entnehme der Offenbarung einer Linienbreite von 25 mym (Seite 5, Zeile 29), dass der Abstand zwischen den Linien in diesem Fall ebenfalls 25 mym betrage. Eine solche Beziehung zwischen der Breite der Linien und der Breite der dazwischenliegenden Bereiche wird in der D1 nicht offenbart und folgt auch nicht aus allgemeinen technischen Erwägungen.

Merkmal 6 ist ebenfalls nicht in der D1 offenbart. Die Beschwerdeführerin 2 hält das Merkmal für mehrdeutig. Die Kammer ist jedoch der Ansicht, dass aus dem Wortlaut des Merkmals klar hervorgeht, dass der Hintergrundbereich die Basis für die Berechnung des Unterschiedes der Beabstandung aufeinanderfolgender zweiter Zonen bildet, d.h. die Beabstandung aufeinanderfolgender zweiter Zonen im Hintergrundbereich bildet die Basis von 100 %. Merkmal 6 fordert nun, dass die Beabstandung im Musterbereich bei 70 - 95% oder bei 105 - 130 % liegt, bzw. in der Sprache der D1, dass eine Verkleinerung um den Faktor 0,7 bis 0,95 oder eine Vergrößerung um den Faktor von 1,05 bis 1,3 vorliegt. Dahingegen offenbart die D1 (Seite 5, Zeile 31 - 33), eine Verbreiterung um einen Faktor von bis zu 5, bevorzugt von 1,5 bis 3. Das Argument der Beschwerdeführerin 1, die Untergrenze des beanspruchten Bereichs von 1,05 liege sehr dicht an der in D1 offenbarten Untergrenze von 1 bzw. von "größer 1" überzeugt die Kammer nicht, denn eine solche Untergrenze ist in der D1 nicht offenbart - die niedrigste Untergrenze, die in D1 offenbart ist, ist 1,5. Die Kammer ist aus diesen Gründen der Meinung, dass die D1 weder Merkmal 4 noch Merkmal 6 offenbart. Vor diesem Hintergrund erübrigt sich eine Diskussion über die Frage, ob darüber hinaus eine Auswahl aus zwei Listen vorliegt, denn die Frage, ob zwei Merkmale in Kombination offenbart sind, stellt sich nur, wenn die beiden Einzelmerkmale an sich offenbart sind. Auf die von der Beschwerdeführerin 2 in diesem Zusammenhang angeführte T 712/16 muss somit nicht näher eingegangen werden. Die Kammer merkt jedoch an, dass die T 712/16 das Konzept, dass die Auswahl aus zwei Listen einer bestimmten Länge der ausgewählten Kombination Neuheit verleihen kann, nicht verworfen hat. Die Kammer war in diesem konkreten Fall lediglich der Ansicht, dass die eine Liste mit nur drei Einträgen sehr kurz sei und die andere Auswahl keine Liste von Alternativen betreffe, sondern vielmehr eine Schachtelung von unterschiedlich bevorzugten Parameterbereichen.

2.1.2 D17 - Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist neu gegenüber dem Gegenstand der D17. Die Kammer erkennt in der D17 keine aufeinanderfolgend angeordneten zweiten Zonen bzw. keine abwechselnd angeordneten ersten und zweiten Zonen, wie von Anspruch 1 gefordert. Vielmehr weist das aus D17 bekannte Sicherheitselement eine Vielzahl diskreter erster metallischer Zonen auf, die inmitten einer kontinuierlichen zweiten, nichtmetallischen Zone angeordnet sind. Selbst wenn man den nicht metallisierten Bereich in imaginäre, aufeinanderfolgend angeordnete zweite Bereiche aufteilen würde, fehlt es an einer eindeutigen und unmittelbaren Offenbarung der Merkmale 4 und 6.

2.1.3 D19 - Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist neu gegenüber jenem der D19. Die D19 offenbart nach dem Dafürhalten der Kammer weder die Verwendung eines für den menschlichen Betrachter im Durchlicht transparenten oder semi-transparenten Trägers noch die Sichtbarkeit der durch die Formgebung des Musterbereichs bestimmten Information im Durchlicht. In der Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerin 2 wird zwar ein Neuheitseinwand gegenüber D19 erhoben, aber auf die o.g. Merkmale wird nicht näher eingegangen. Somit offenbart die D19 weder Merkmal 2 noch die in Merkmal 6 geforderte Sichtbarkeit im Durchlicht. Zudem fehlt es in der D19 an einer Offenbarung eines weiteren Aspekts des Merkmals 6, nämlich der Variation der Beabstandung von 5 bis 30 %. In diesem Zusammenhang wurde auf die Figuren 5 und 6 verwiesen, aber diese werden in der D19 nicht weiter erläutert bzw. noch nicht einmal erwähnt. Den Figuren selber kann nicht unmittelbar und eindeutig entnommen werden, dass der Schriftzug "HUECK" durch eine Veränderung der Linienbreite erzeugt wurde. Noch weniger kann den Figuren entnommen werden, dass diese Veränderung in dem von Merkmal 6 gefordertem Bereich von 5 - 30 % liegt.

2.2 Anspruch 5

2.2.1 D1 - Der Gegenstand des Anspruchs 5 ist neu gegenüber dem Gegenstand der D1, denn die D1 offenbart nicht die Merkmale 7 und 8.

Merkmal 8 entspricht in der Sache Merkmal 6 des Anspruchs 1. Aus den oben zu Merkmal 6 des Anspruchs 1 ausgeführten Gründen ist die Kammer der Ansicht, dass die D1 Merkmal 8 nicht offenbart.

Die Kammer sieht auch keine Offenbarung des Merkmals 7 in der D1. Die Passage auf Seite 11, Zeile 11-16, offenbart lediglich, dass hologrammerzeugende Strukturen vorgesehen werden können. Die D1 offenbart jedoch weder, dass eine solche Hologrammstruktur in die metallische Reflexionsschicht abgeformt wird, noch dass sie in zumindest einem Teil des Hintergrund- und des Musterbereichs vorgesehen ist. Das gilt auch für die Passage auf Seite 8, Zeile 34 - Seite 9, Zeile 6. Die Variation der optischen Dichte der Metallschicht ist nicht gleichzusetzen mit dem Abformen einer Oberflächenstruktur in dieser Schicht.

2.2.2 D19 - Der Gegenstand des Anspruchs 5 ist neu gegenüber dem Gegenstand der D19, denn die D19 offenbart nicht die Merkmale 2, 7 und 8. Für Merkmal 2 gelten die zu Merkmal 2 des Anspruchs 1 angeführten Argumente.

Merkmal 8 entspricht in der Sache Merkmal 6 des Anspruchs 1. Aus den oben zu Merkmal 6 ausgeführten Gründen ist die Kammer der Ansicht, dass die D19 Merkmal 8 nicht offenbart.

Die Kammer sieht auch keine Offenbarung des Merkmals 7 in der D19. Par. 0032 offenbart lediglich, dass zusätzlich Oberflächenreliefstrukturen oder Hologramme vorgesehen werden können und dass diese Strukturen auch ggf. metallisiert werden könnten. Diese Passage offenbart jedoch weder, dass eine solche Struktur in die metallische Reflexionsschicht abgeformt wird, noch dass sie in zumindest einem Teil des Hintergrund- und des Musterbereichs vorgesehen wäre.

3. Erfinderische Tätigkeit (Art. 56 EPÜ)

3.1 Die Erfindung

Die vorliegende Erfindung betrifft ein für die Durchlichtbetrachtung geeignetes Sicherheitselement, unter anderem für den Gebrauch in Banknoten mit hoher Fälschungssicherheit.

3.2 Nächstliegender Stand der Technik

Für den Gegenstand des Anspruchs 1 haben die Beschwerdeführerinnen die D1, D2, D6 und die D19 als nächstliegenden Stand der Technik genannt. Für den Gegenstand des Anspruchs 5 haben die Beschwerdeführerinnen die D1, die D6 und die D19 als nächstliegenden Stand der Technik genannt. Alle diese Druckschriften offenbaren Sicherheitselemente. Die Sicherheitselemente der D19 sind jedoch nicht zur Durchlichtbetrachtung geeignet. Die Sicherheitselemente der D2 und der D6 sind zwar wie die der D1 zur Durchlichtbetrachtung geeignet, aber die D1 liegt näher am Gegenstand der Ansprüche 1 und 5, was die Anzahl der offenbarten Merkmale angeht. Die D2 beschäftigt sich primär mit einem Herstellverfahren für teilmetallisierte Folien. Die D2 macht dabei keinerlei Angaben bezüglich der Dimensionen bzw. der Anordnung der so erzeugten metallisierten Teilbereiche. Bei der D6 sieht die Kammer analog zur D17 keine Offenbarung von aufeinanderfolgend angeordneten, beabstandeten zweiten Zonen. Vielmehr scheinen die metallisierten Pixel auf einer kontinuierlichen zweiten Zone angeordnet zu sein. Die Kammer ist deshalb der Ansicht, dass die D1 den nächsten Stand der Technik sowohl für den Gegenstand des Anspruchs 1 als auch für den Gegenstand des Anspruchs 5 darstellt.

3.3 Anspruch 1

3.3.1 Aufgabe

Gemäß Streitpatent besteht die Aufgabe der Erfindung darin, ein Sicherheitselement mit hoher Fälschungssicherheit zur Verfügung zu stellen (vgl. par. 0003 des Patents mit Seite 2). Für eine Verbesserung der Fälschungssicherheit gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik, D1, gibt es keinerlei Nachweis. Es stellt sich zudem die Frage, wie eine solche Verbesserung überhaupt quantifizierbar wäre. Dies hat die Patentinhaberin während der mündlichen Verhandlung auch eingeräumt. Daher muss die Aufgabe des Streitpatents weniger ambitioniert, d.h. als die Bereitstellung eines zum nächstliegenden Stand alternativen Sicherheitselements angesehen werden.

3.3.2 Vorgeschlagene Lösung

Zur Lösung dieser Aufgabe wird das Sicherheitselement gemäß Anspruch 1 vorgeschlagen, das sich insbesondere durch die Merkmale 4 und 6 auszeichnet.

3.3.3 Tatsächliche Lösung des Problems

Die Kammer hat keine Zweifel daran, dass die neu definierte Aufgabe auch gelöst wird.

3.3.4 Naheliegen

Ausgehend von der D1 ist der Gegenstand des Anspruchs 1 für den Fachmann nicht naheliegend.

Obwohl es dem Fachmann prinzipiell möglich gewesen wäre, die Linien so anzuordnen, dass ihre Flächenschwerpunkte näher als 300 mym beabstandet sind (Merkmal 4) und gleichzeitig einen Verbreiterungsfaktor von weniger als 1,3 aufweisen, sieht die Kammer keinen Grund für die Annahme, dass er dies zur Lösung der o.g. Aufgabe auch getan hätte. Der Fachmann würde die Passage auf Seite 14, Zeile 20 - 25 der D1 nicht als Anregung verstehen, die Liniendichte gegenüber den auf Seite 5, Zeile 37 -38 offenbarten typischen Werten weiter zu erhöhen. Vielmehr würde er annehmen, dass die auf Seite 14 erwähnte hohe Fälschungssicherheit eben dann vorliegt, wenn das Linienmuster die auf Seite 5 offenbarten Eigenschaften hat. Selbst wenn der Fachmann dennoch, um die Fälschungssicherheit zu erhöhen, die Liniendichte bzw. die Linienfeinheit so erhöht hätte, dass die Flächenschwerpunkte der metallischen Streifen dichter als 300 mym voneinander angeordnet wären, so kann die Kammer nicht erkennen, aus welchen Gründen er gleichzeitig einen Verbreiterungsfaktor von nur 1,05 - 1,3 vorgesehen hätte. Aus diesen Gründen kommt die Kammer zum Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber der D1 alleingenommen auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

Auch die weiteren Angriffe, bei denen die D1 mit der Lehre der D2, D3, D4, D5 oder der D19 kombiniert wird, überzeugen die Kammer nicht.

Was die D2 angeht, so offenbart diese weder Merkmal 4 noch Merkmal 6. Insofern führt die Kombination der Lehren D1 und der D2 nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1.

Was die D3 angeht, so offenbart diese ein gerastertes metallisiertes Punktmuster. Die Kammer kann nicht erkennen, warum der Fachmann ausgehend von dem Streifenmuster der D1 die D3 herangezogen hätte. Selbst wenn er dies tun würde, so offenbart die D3 nicht Merkmal 6. Insofern führt die Kombination der Lehre der D1 mit der Lehre der D3 nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1.

Auch die D4 und die D5 offenbaren Merkmal 6 nicht, so dass die Kombination der Lehre der D1 mit der Lehre der D4 oder der D5 nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1 führen kann. Schließlich offenbart auch die D19 nicht Merkmal 6.

Darüber hinaus hat die Kammer Zweifel, ob der Fachmann ausgehend von der D1 die D19 herangezogen hätte, weil die Sicherheitselemente der D19 nicht für die Betrachtung im Durchlicht vorgesehen sind. Somit führt auch die Kombination der Lehre der D1 mit der Lehre der D19 nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1.

3.3.5 D2, D6 oder D19 als nächster Stand der Technik

Wie oben erwähnt, stellen nach Meinung der Kammer weder die D2 noch die D6 oder die D19 den nächsten Stand der Technik dar. Geht man dennoch von diesen Dokumenten aus, so fehlt in jedem Fall zumindest eine Offenbarung von Merkmal 6. Da Merkmal 6 aus dem übrigen Stand der Technik nicht bekannt ist, ist der Gegenstand des Anspruchs 1 durch diese Druckschriften nicht nahegelegt.

3.4 Anspruch 5

3.4.1 Unterscheidende Merkmale

Wie oben zur Neuheit ausgeführt, offenbart die D1 nicht Merkmal 7 und Merkmal 8.

3.4.2 Aufgabe und Lösung

Die zu Anspruch 1 gemachten Ausführungen gelten entsprechend auch für Anspruch 5. Die Aufgabe der Erfindung besteht somit darin, ein weiteres Sicherheitselement mit hoher Fälschungssicherheit zur Verfügung zu stellen. Die Kammer hat keine Zweifel daran, dass die Aufgabe durch das Vorsehen der Merkmale 7 und 8 gelöst wird.

3.4.3 Naheliegen

Ausgehend von der D1 ist der Gegenstand des Anspruchs 5 für den Fachmann nicht naheliegend.

Weder für sich genommen noch in Kombination mit der Lehre der D3, der D8, der D9 oder der D18 führt die D1 zum Gegenstand des Anspruchs. Was Merkmal 8 angeht, so gilt das zu Merkmal 6, Anspruch 1, Gesagte entsprechend. Das Merkmal ist in keinem der von den Beschwerdeführerinnen angeführten Kombinationsdokumente (D3, D8, D9, D18) offenbart. Schon aus diesem Grund ist der Gegenstand des Anspruchs 5 erfinderisch gegenüber dem Gegenstand der D1. Darüber hinaus wurde auch kein überzeugender Grund angeführt, warum der Fachmann aus den komplexen Sicherheitselementen der D3, D8, D9 oder der D18 speziell das Merkmal "Oberflächenstruktur" ausgewählt hätte und warum er diese Struktur so auf die Metallschicht der D1 abgeformt hatte, dass die Struktur sowohl einen Teil des Musterbereichs als auch einen Teil des Hintergrundbereichs bedeckt.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

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