European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2018:T229715.20181217 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 17 Dezember 2018 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 2297/15 | ||||||||
Anmeldenummer: | 07820020.1 | ||||||||
IPC-Klasse: | C11D 3/386 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | HOCHKONZENTRIERTES ENZYM-GRANULAT UND WASCH- ODER REINIGUNGSMITTEL, ENTHALTEND SOLCH EIN HOCHKONZENTRIERTES ENZYM-GRANULAT | ||||||||
Name des Anmelders: | Henkel AG & Co. KGaA | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Reckitt Benckiser (Brands) Limited The Procter & Gamble Company Novozymes A/S |
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Kammer: | 3.3.06 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Spät eingereichte Tatsachen - Antrag hätte bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgebracht werden können (nein) Erfinderische Tätigkeit - (nein) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die vorliegenden Beschwerden der Einsprechenden 1 und 3 (im Folgenden jeweils "Beschwerdeführerin 1" und "Beschwerdeführerin 2") betrifft die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Europäische Patent
Nr 2 059 582 wie erteilt aufrechtzuerhalten.
II. In ihren Beschwerdebegründungen haben die Beschwerdeführerinnen 1 und 2 geltend gemacht, dass das erteilte Patent die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ nicht erfülle.
Darüber hinaus hat Beschwerdeführerin 2 erstmals mit der Beschwerdebegründung Dokument D13 ("Product Data Sheet for Alcalase**(®) 3T") eingereicht.
III. In ihrer Erwiderung hat die Patentinhaberin (im Folgenden "Beschwerdegegnerin") unter anderem beantragt, Dokument D13 als verspätet zurückzuweisen.
IV. Mit Schreiben vom 17. Oktober 2018 und nach Erhalt der vorläufigen Meinung der Kammer, hat die Beschwerdegegnerin Hilfsanträge 1-3 eingereicht.
V. Die Beschwerdeführerin 1 hat daraufhin beantragt, die Hilfsanträge 1-3 als verspätet nicht ins Verfahren zuzulassen.
VI. Während der mündlichen Verhandlung, die am 17. Dezember 2018 stattfand, wurde die Zulassung des Dokuments D13 in das Verfahren sowie die Gewährbarkeit des beanspruchten Gegenstands im Hinblick auf Artikel 56 EPÜ, insbesondere ausgehend von D6 als nächstliegendem Stand der Technik im Lichte von D13, erörtert.
VII. Am Ende der Verhandlung lautete die Antragslage wie folgt:
Die Beschwerdeführerinnen 1 und 2 beantragen, die Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerden zurückzuweisen oder hilfsweise das Patent in geänderter Form auf der Basis eines der Hilfsanträge 1-3, eingereicht am 17. Oktober 2018 aufrechtzuerhalten.
Entscheidungsgründe
1. Hauptantrag - Artikel 100(a) i. V. m. Artikel 56 EPÜ
1.1 Anspruch 1 wie erteilt lautet:
"Phosphatfreies maschinelles Geschirrspülmittel, enthaltend, bezogen auf das Gesamtgewicht des maschinellen Geschirrspülmittels,
a) 0,2 bis 7 Gew.-% Enzymgranulat mit einem Enzymgehalt von 5,5 bis 30 Gew.-% an Aktivsubstanz des Enzyms, wobei es sich bei dem Enzym um ein Subtilisin handelt, bei welchem es sich um ein Wildtypenzym oder um eine Subtilisin-Variante handelt, wobei es sich bei dem Wildtypenzym bzw. dem Ausgangsenzym der Variante um die alkalische Protease aus Bacillus amyloliquefaciens (BPN') handelt und wobei es sich bei dem Enzym um eine Variante handelt, die zu der Ausgangsprotease auf Aminosäureebene über die Gesamt länge der Variante eine Sequenzidentität von mindestens 90 % aufweist;
b) zwischen 5 bis 60 Gew.-% Citrat/Citronensäure;
c) zwischen 10 bis 60 Gew.-% Carbonat."
1.2 Nächstliegender Stand der Technik
Es besteht Einigkeit, dass Dokument D6 als nächstliegender Stand der Technik zu betrachten ist.
Dieses Dokument offenbart u. a. ein Geschirrspülmittel (siehe Beispiel I, Geschirrspülmittel D auf Seite 30) umfassend 19 Gew.-% Natrium Citrat, 10 Gew.-% Natrium Carbonat und 2.4 Gew.-% "Alcalase ® 3T" Enzym.
Darüber hinaus belegt Dokument D13, dass das Enzym "Alcalase**(®) 3T" eine Protease (Subtilisin) ist, die in Granulatform vorliegt und mindestens 3.0 AU-A/g Enzymeinheiten aufweist. In Anbetracht der Tatsache, dass "Alcalase**(®)" eine spezifische Aktivität von 45 AU/g aufweist, beträgt der Mindestaktivsubstanzgehalt von "Alcalase**(®) 3T" 6,7 Gew.-% (siehe Seite 4 von D13 bzw. Seite 17, letzter Absatz von D11 (WO 88/03948)).
1.3 Zulassung von D13
Die Kammer sieht keine Veranlassung, in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 12(4) VOBK, das Dokument D13 als verspätet zurückzuweisen. Nach der Ansicht der Kammer ändert das Produktdatenblatt D13 nicht den sachlichen Rahmen, der der Einspruchsentscheidung zugrunde lag, sondern dient lediglich dazu, die schon im Einspruchsverfahren vorgetragenen Tatsachen zu untermauern. Insbesondere dient D13 dazu, die damals vorgebrachte Form und Zusammensetzung des in D6 offenbarten Enzyms "Alcalase**(®) 3T" zu belegen.
Der Argumentation der Beschwerdegegnerin, dass das Dokument D13 spätestens in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung hätte eingereicht werden sollen, folgt die Kammer nicht, weil die Einreichung von D13 als eine legitime Reaktion auf die Entscheidung der Einspruchsabteilung anzusehen ist.
Diesbezüglich hat die Beschwerdeführerin 2 im erstinstanzlichen Verfahren glaubhaft geltend gemacht, dass "Alcalase**(®) 3.0 T" in granulater Form vorliege und dass ihr Aktivstoffgehalt 6,7 Gew.-% betrage. Sie stützte diese Argumentation auf das Allgemeinwissen und auf die Bezeichnung "3T" als Indikator für den Aktivstoffgehalt des Enzyms(3 AU-A/g bzw. 6,7 Gew.-%) und dessen Granulatform. Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass das Produkt Alcalase in der Beschreibung des angegriffenen Patents erwähnt wird und der Beschwerdegegnerin als Kundin der Beschwerdeführerin 2 auch das Produkt "Alcalase**(®) 3.0 T" bekannt war, ist davon auszugehen, dass ihr die Produktdaten ohnehin bekannt waren. Dementsprechend hat die Beschwerdegegnerin im Beschwerdeverfahren auch nicht bestritten, dass "Alcalase**(®) 3.0 T" in Granulatform vorliege. Unter diesen Umständen ist der Beschwerdegegnerin die Berücksichtigung von D13 zuzumuten.
1.4 Aufgabe und Lösung
Gemäß dem Streitpatent (Absatz [0023]) besteht die Aufgabe darin, die Wasch- bzw. Reinigungsleistung von enzymhaltigen Wasch- oder Reinigungsmitteln durch die Entwicklung einer leistungsfähigeren Enzymkomponente zu verbessern.
Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt Anspruch 1 des Streitpatents vor, ein Geschirrspülmittel enthaltend ein Enzym, "wobei es sich bei dem Wildtypenzym bzw. dem Ausgangsenzym der Variante um die alkalische Protease aus Bacillus amyloliquefaciens (BPN') handelt und wobei es sich bei dem Enzym um eine Variante handelt, die zu der Ausgangsprotease auf Aminosäureebene über die Gesamtlänge der Variante eine Sequenzidentität von mindestens 90% aufweist".
1.5 Erfolg der Lösung
Die Kammer ist zu dem Schluss gekommen, dass die in Anspruch 1 vorgeschlagene Lösung die gestellte Aufgabe nicht erfolgreich lösen kann.
Die Tests im Streitpatent (Absätze [0100]-[0113]) vergleichen Geschirrspülmittel mit unterschiedlichem Aktivsubstanzgehalt im Granulat bzw. Granulatsgehalt im Geschirrspülmittel. Beispiele 1-3 beziehen sich auf "Protease F49 aus Bacillus lentus DSM 5483" (Beispiel 1) und auf "Proteasegranulat" im Allgemeinen (Beispiele 2 und 3). Diese Tests belegen daher nicht, dass "BPN'" Proteasen bzw. Proteasen mit einer Sequenzidentität von mindestens 90% einen Vorteil in Bezug auf die Reinigungsleistung gegenüber anderen Proteasen (wie
z. B. "Alcalase**(®) 3.0 T" in D6) bieten würden.
Die Beschwerdegegnerin brachte vor, dass die Erfindung auf der überraschenden Erkenntnis beruhe, dass eine Erhöhung des Aktivsubstanzgehalts der Protease im Granulat zu einer verbesserten Reinigungswirkung führe, auch wenn die Gesamtkonzentration des Enzyms im Waschmittel nicht verändert wurde.
Diese Argumentation ist unzutreffend, weil die in D6 offenbarte "Alcalase**(®) 3.0 T" im Lichte des Dokuments D13 eine Protease mit einem Aktivstoffgehalt von 6,7 gew.-% ist, d. h. der Aktivstoffgehalt im Geschirrspülmittel D von D6 fällt in den in Anspruch 1 definierten Bereich von 5,5 bis 30 Gew.-% und kann somit nicht zur Lösung der Aufgabe beitragen.
1.6 Neuformulierte Aufgabe
Da die ursprünglich formulierte Aufgabe nicht glaubhaft gelöst wird, muss sie umformuliert werden. Im vorliegenden Fall sieht die Kammer die Aufgabe in der Bereitstellung eines alternativen Geschirrspülmittels.
1.7 Naheliegen
1.7.1 Wie die Beschwerdeführerinnen zutreffend vorgebracht haben, bezieht sich Dokument D6 auf Seite 20, Zeile 25 auf "BPN'" Subtilisin Protease als eine bevorzugte Alternative für die Geschirrspülmittel gemäß dieser Offenlegung.
Es besteht daher kein Zweifel für die Kammer, dass es für den Fachmann naheliegend wäre, ausgehend vom Geschirrspülmittel D in Beispiel I von D6, "BPN'" Subtilisin Protease als Alternative zur "Alcalase**(®) 3.0 T" Subtilisin Protease zu betrachten.
1.7.2 Diesbezüglich hat die Beschwerdegegnerin vorgetragen, dass aus Dokument D6 nicht hervorgehe, dass ein hoher Aktivstoffgehalt des Enzyms im Granulat zu einer verbesserten Reinigungsleistung führen würde.
Dieses Argument ist indes nicht überzeugend, da der Fachmann grundsätzlich keinen Anreiz in D6 finden würde, den Aktivstoffgehalt des Geschirrspülmittels D zu modifizieren, wenn die Protease "BPN'" eingesetzt wurde (anstelle von "Alcalase**(®) 3.0 T"), d. h. der Fachmann würde den Aktivsubstanzgehalt des Geschirrspülmittels D (6,7 Gew.-%) als Grundlage bzw. Ausgangspunkt für das Geschirrspülmittel enthaltend Protease "BPN'" betrachten.
1.8 Die Kammer kommt somit zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber Dokument D6 im Lichte der Offenlegung D13 nicht erfinderisch ist.
Der Einspruchsgrund nach Artikel 100(a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ steht somit der Aufrechterhaltung des Streitpatents wie erteilt entgegen.
2. Hilfsantrag 1 - Artikel 56 EPÜ
2.1 Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 definiert einen Aktivsubstanzgehalt des Enzyms von 6,0 bis 12 Gew.-%. Der Anspruchsgegenstand ist ansonsten derselbe wie bei dem Hauptantrag.
2.2 Der Aktivsubstanzgehalt des Geschirrspülmittels D in D6 (6,7 Gew.-%) fällt daher in den beanspruchten Bereich. Die Kammer ist somit der Ansicht, dass für diesen Hilfsantrag dieselben Argumente und Schlussfolgerungen gelten, die für den Hauptantrag vorgebracht wurden.
2.3 Der Hilfsantrag 1 erfüllt somit nicht die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ.
3. Hilfsantrag 2 - Artikel 56 EPÜ
3.1 Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 definiert einen Aktivsubstanzgehalt des Enzyms von 6,8 bis 12 Gew.-%. Der Anspruchsgegenstand ist ansonsten derselbe wie bei dem Hauptantrag.
3.2 Der Protease-Einheiten-Wert von 3,0 AU-A wird in der Produktspezifikation von D13 als unterer Grenzwert angegeben (es wird kein oberer Grenzwert offenbart). Daher ist festzustellen, dass D6 im Lichte der Offenlegung D13 einen Aktivstoffgehalt des Enzyms im Granulat von mindestens 6,7 Gew.-% offenbart.
3.2.1 Die Kammer ist der Ansicht, dass es für den Fachmann naheliegend wäre, ausgehend von D6 zum beanspruchten Bereich von "6,8 bis 12 Gew.-%" zu gelangen. Denn
der untere Endwert des beanspruchten Bereichs
(6,8 Gew.-%) ist nicht weit von dem in D6 offenbarten "6,7 Gew.-%" entfernt, so dass der Fachmann allein aufgrund von Arbeitstoleranzen in den beanspruchten Bereich gelangen würde.
Weiterhin würde der Fachmann bei der Anwendung der Lehre von "mindestens 6,7 Gew.-%" in D6 unausweichlich zum beanspruchten Bereich von "6,8 bis 12 Gew.-%"
(d. h. zum Wert 6,8) gelangen.
3.3 Im Übrigen gelten für diesen Hilfsantrag dieselben Argumente und Schlussfolgerungen wie für den Hauptantrag.
3.4 Der Hilfsantrag 2 erfüllt somit nicht die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ.
4. Hilfsantrag 3 - Artikel 56 EPÜ
4.1 Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 definiert ein Verfahren zur Reinigung von Geschirr in einer Geschirrspülmaschine unter Einsatz eines Geschirrspülmittels identisch zu dem des Hauptantrags.
4.2 Da sich Beispiel I von D6 (und D6 im Allgemeinen) auf Geschirrspülmittel bezieht, ist die Kammer der Ansicht, dass für diesen Hilfsantrag dieselben Argumente und Schlussfolgerungen gelten, die für den Hauptantrag vorgebracht wurden.
4.3 Der Hilfsantrag 3 erfüllt somit nicht die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ.
5. Da keiner der Anträge die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ erfüllt, muss nicht entschieden werden, ob die Voraussetzungen des Artikel 123(2) EPÜ vorliegen oder die Hilfsanträge wegen Verspätung nicht zugelassen werden könnten.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.