European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2019:T225215.20190214 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 14 Februar 2019 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 2252/15 | ||||||||
Anmeldenummer: | 10721479.3 | ||||||||
IPC-Klasse: | C23C 14/06 F16J 9/26 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Gleitelement. | ||||||||
Name des Anmelders: | Federal-Mogul Burscheid GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | MAHLE International GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.2.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Ausreichende Offenbarung - Hauptantrag (ja) | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Das europäische Patent Nr. 2 432 915 (im Folgenden: Patent) betrifft ein Gleitelement eines Verbrennungsmotors, insbesondere ein Kolbenring, mit einer DLC-Beschichtung des Typs ta-C.
II. Gegen das Patent im gesamten Umfang wurde Einspruch eingelegt. Als Einspruchsgründe wurden geltend gemacht unzureichende Offenbarung (Artikel 100 b) EPÜ) sowie mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit (Artikel 100 a) EPÜ).
III. Am Ende der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung hat diese entschieden, das Patent zu widerrufen, weil der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 b) EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung sowie in geändertem Umfang gemäß jedem der geltenden Hilfsanträge 0B, I, IB, II, IIB, III, IIIB, IV, IVB, VI und VIB entgegenstehe und weil die Hilfsanträge 0B, IB, IIB, IIIB, IVB und VIB wegen unzulässiger Änderung (Artikel 123 (2) EPÜ) nicht gewährbar seien.
IV. Die Patentinhaberin (im Folgenden: Beschwerdeführerin) hat Beschwerde gegen diese Entscheidung eingelegt.
V. In der Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) vom 7. Dezember 2018 teilte die Kammer ihre vorläufige Einschätzung der Beschwerde mit.
VI. Die mündliche Verhandlung fand am 14. Februar 2019 statt.
VII. Anträge
Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in der erteilten Fassung, hilfsweise in geändertem Umfang auf der Grundlage der Ansprüche gemäß der mit Schreiben vom 4. September 2015 eingereichten Hilfsanträge 0B, I, IB, II, IIB, III, IIIB, IV, IVB, VI und VIB, aufrechtzuerhalten.
Die Einsprechende (im Folgenden: Beschwerdegegnerin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.
VIII. Anspruchssatz gemäß Hauptantrag
Der unabhängige Sachanspruch 1 in der erteilten Fassung lautet folgendermaßen (Nummerierung der Merkmale durch die Beschwerdegegnerin hinzugefügt):
1 Gleitelement eines Verbrennungsmotors, insbesondere Kolbenring,
1.1 mit einer DLC-Beschichtung des Typs ta-C,
1.1.1 die über ihre Dicke veränderliche Eigenspannungen und somit zumindest einen Eigenspannungsgradienten aufweist,
dadurch gekennzeichnet, dass
1.2 in einem mittleren Bereich (II) der Beschichtung ein, von außen nach innen betrachtet, negativer Eigenspannungsgradient ausgebildet ist,
1.2.1 der bevorzugt kleiner ist als in einem innen liegenden Bereich (III), und
1.3 dass der innen liegende Bereich (III) eine geringere Schichtdicke aufweist als der mittlere Bereich (II),
1.4 wobei die Beschichtung 10 mym oder dicker ist.
Die abhängigen Ansprüche 2 bis 8 betreffen besondere Ausführungsformen des in Anspruch 1 definierten Gleitelements.
IX. Beweismittel
a) In ihrer Beschwerdebegründung hat die Beschwerdeführerin Bezug auf folgende bereits in der angefochtenen Entscheidung genannte Druckschrift genommen:
D4: VDI-Richtlinie, "VDI 2840 Kohlenstoffschichten - Grundlagen, Schichttypen und Eigenschaften", Beuth Verlag, 2012, Seiten 1 bis 43.
b) Die Beschwerdeführerin hat folgende Dokumente erstmalig mit ihrer Beschwerdebegründung eingereicht:
D7: Donnet, C. und Erdemir, A. (Hrsg.), "Tribology of Diamond-Like Carbon Films", Springer Science, 2008, Seiten V, 21, 90 und 106;
D9': Diener electronic GmbH + Co. KG, "Plasmatechnik", 2. Auflage, 2008, Seite 33.
c) Mit ihrer Beschwerdeerwiderung hat die Beschwerdegegnerin folgendes Dokument eingereicht:
B1: Auszug aus Wikipedia zum Stichwort "mechanische Spannung", 11. Juli 2016.
d) In Erwiderung auf die Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK hat die Beschwerdegegnerin Bezug auf folgende Dokumente genommen, die aber nicht eingereicht wurden:
B2: Jahrbuch Oberflächentechnik, Band 61, 2005, Seite 121;
B3: Erdemir, A. und Donnet, C., "Tribology of diamond-like carbon films: recent progress and future prospects", Journal of Physics D Applied Physics, September 2006;
B4: Auszug aus einer PowerPoint-Präsentation, "Dünnschichttechnologie - Charakterisierung", TU Dresden, Fakultät Maschinenwesen, Institut für Fertigungstechnik, Lehrstuhl für Laser- u. Oberflächentechnik, 1 Seite;
B5: "Tensile Stress-Strain Properties of a-C:H (Diamond-Like Carbon) thin Films", Volume 239 (Symposium D - Thin Films: Stresses and Mechanical Properties III), 1991, 659.
X. Das schriftsätzliche und mündliche Vorbringen der Beteiligten lässt sich, soweit es für diese Entscheidung relevant ist, wie folgt zusammenfassen:
a) Hauptantrag - Artikel 100 b) EPÜ
Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass - entgegen der Meinung der Einspruchsabteilung - der Fachmann die Erfindung in der ganzen beanspruchten Breite anhand des Gesamtinhalts des Patents und mit Hilfe seines allgemeinen Fachwissens ohne unzumutbaren Aufwand ausführen könne. Das allgemeine Fachwissen sei durch die Dokumente D4, D7 und D9' belegt. Der Fachmann erkenne aufgrund seines allgemeinen Fachwissens, dass im Gesamtzusammenhang von Anspruch 1 der Begriff "Eigenspannungen" für Druckeigenspannungen stehe. Er wisse nämlich, dass ta-C-Beschichtungen prozessbedingt hohe intrinsische Druckeigenspannungen aufweisen. Ferner erhalte der Fachmann aus den Absätzen 19 und 21 der Patentschrift konkrete Hinweise, wie der gewünschte Druckeigenspannungsgradient erhalten werden könne, nämlich durch Veränderung des sp3/sp2-Verhältnisses und/oder der Härte. Schließlich stelle die fehlende Angabe einer Messmethode für die Bestimmung der Druckeigenspannungen kein Problem der Ausführbarkeit dar, sondern ein Problem der Rechtssicherheit und mithin der Klarheit.
Die Beschwerdegegnerin führt aus, der Kern der beanspruchten Erfindung, nämlich eine ta-C-Beschichtung, die über ihre Dicke veränderliche Eigenspannungen und somit einen Eigenspannungsgradienten aufweist, könne nicht von einem Durchschnittsfachmann, der über die normalen Mittel und Fähigkeiten für routinemäßige Arbeiten und Versuche verfüge, die auf dem betreffenden Gebiet üblich sind, nachgearbeitet werden. Die Beschwerdeführerin habe weder ein Nachschlagewerk noch allgemeine technische Literatur eingereicht, um das behauptete allgemeine Fachwissen zu belegen. Anspruch 1 sei im Hinblick auf die Eigenspannungen so weit gefasst, dass er jedwede Art von Einspannungen umfasse, wie beispielweise Druck- oder Zugeigenspannnungen. Dem Fachmann sei unbekannt, mit welchem PVD- bzw. CVD-Verfahren die beanspruchte ta-C-Beschichtung hergestellt werden könne, geschweige denn wie alle Verfahrensparameter einzustellen seien, darunter insbesondere Substrattemperatur, Schutzgas, Gasströmung und Gaskonzentration, Druck, Pulsdauer, Kathodenspannung, Ionenenergie, Bias, Abscheidungsdichte und -geschwindigkeit. Mit Ausnahme des Hinweises, dass Druckeigenspannungen durch Erhöhung des sp3-Anteils erhöht werden könnten (Absatz 19 der Patentschrift), seien im Patent keine weiteren Verfahrensparameter zur Herstellung der ta-C-Beschichtung angegeben. Dem Patent sei auch nicht zu entnehmen, wie die Eigenspannungen zu messen seien, und dies stelle ein Problem der Rechtssicherheit dar.
b) Zurückverweisung
Für den Fall der Bejahung der Ausführbarkeit der Erfindung beantragt die Beschwerdeführerin, dass die Kammer die Fragen der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit selbst entscheidet. Bei einer Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung würde das Verfahren nur unnötig in die Länge gezogen, was dem Grundsatz der Verfahrensökonomie widerspräche.
Für diesen Fall beantragt die Beschwerdegegnerin hingegen, dass die Sache an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen wird, weil diese noch nicht alle Fragen der Patentierbarkeit erörtert habe.
Entscheidungsgründe
1. Zulassung der Dokumente D7 und D9' ins Verfahren
1.1 Die mit der Beschwerdebegründung vorgelegten Dokumente D7 und D9' sind eingereicht worden, um nachzuweisen, dass hohe Druckeigenspannungen eine intrinsische Eigenschaft der DLC-Beschichtungen des Typs ta-C seien.
1.2 Die Einreichung dieser Dokumente ist als eine sachdienliche Reaktion der Beschwerdeführerin auf die Feststellung der Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung zu werten, dass der Wortlaut von Anspruch 1 wie erteilt nicht darauf beschränkt sei, dass die dort definierten Eigenspannungen Druckeigenspannungen sind (siehe Gründe Nr. 3.4).
1.3 Diese Dokumente dienen also dazu, das erstinstanzliche Vorbringen der Beschwerdeführerin weiter zu untermauern.
1.4 Diese Dokumente waren daher ins Verfahren zuzulassen und zu berücksichtigen (Artikel 114 (2) EPÜ und Artikel 12 (4) VOBK).
2. Vorbringen im Zusammenhang mit B2, B3, B4 und B5
2.1 Die Beschwerdegegnerin hat erstmalig in ihrer Erwiderung auf die Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK, d. h. nach der Ladung zur mündlichen Verhandlung, auf die Dokumente B2, B3, B4 und B5 hingewiesen.
2.2 Diese Dokumente sind allerdings nicht als Anlage eingereicht worden und stehen daher der Kammer nicht zur Verfügung. Dabei wäre es die Aufgabe der Beschwerdegegnerin gewesen, insbesondere in diesem späten Verfahrensstadium, ihr gesamtes Vorbringen einschließlich der von ihr als notwendig erachteten Beweismittel einzureichen.
2.3 In der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdegegnerin klargestellt, dass sie die Dokumente B2 bis B5 nicht mehr in das Verfahren einführen möchte.
2.4 Daher erübrigte sich eine Entscheidung über die Zulassung dieser Dokumente.
3. Artikel 100 b) EPÜ
3.1 Nach Artikel 100 b) EPÜ ist die Erfindung im Patent so deutlich und vollständig zu offenbaren, dass ein Fachmann sie ausführen kann. Nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist diese Vorschrift so zu verstehen, dass ein beanspruchter Gegenstand anhand des Gesamtinhalts des Patents und mit Hilfe des allgemeinen Fachwissens ohne unzumutbaren Aufwand ausführbar sein muss.
3.2 Im vorliegenden Fall macht die Beschwerdegegnerin unter Bezugnahme auf die Auffassung der Einspruchabteilung im Wesentlichen geltend, dass Anspruch 1 im Hinblick auf die Eigenspannungen in der ta-C-Beschichtung und auf das Verfahren zur Herstellung dieser Beschichtung so weit gefasst sei, dass die Erfindung nicht über die gesamte Breite des Anspruchs ausführbar sei.
3.3 Aus folgenden Gründen vermag der diesbezügliche Vortrag der Beschwerdegegnerin nicht zu überzeugen.
3.4 Allgemeines Fachwissen
3.4.1 Bevor über die (ausreichende) Offenbarung der beanspruchten Erfindung entschieden werden kann, ist das allgemeine Wissen des Fachmanns zu bestimmen, der gewillt ist, die beanspruchte Erfindung zu verstehen und nachzuarbeiten, denn dieses Wissen muss der Beurteilung dieser Frage zugrunde gelegt werden.
3.4.2 Aufgrund der in ihm verwendeten technischen Begriffe richtet sich Anspruch 1 an einen Fachmann, der einschlägige Kenntnisse und Erfahrungen auf dem Gebiet der Kohlenstoffschichten besitzt.
3.4.3 Aus der Sicht der Kammer wird das allgemeine Wissen des Fachmanns zum dem für das Patent maßgeblichen Zeitpunkt (19. Mai 2009) durch D4, D7 und D9' dokumentiert.
D7 ist ein Auszug aus einem 2008 veröffentlichen Buch über die tribologischen Eigenschaften von amorphen diamantähnlichen Kohlenstoffschichten und stellt unstreitig allgemeines Fachwissen dar.
Bei D4 handelt es sich um die vom Verein Deutscher Ingenieure e.V. (VDI) aufgestellte Richtlinie Nr. 2840, die eine einheitliche Einteilung und Nomenklatur der mit den Verfahren der Vakuumbeschichtungstechnik abgeschiedenen Kohlenstoffschichten sowie eine Übersicht über deren Eigenschaften beinhaltet. Es handelt sich um eine allgemein anerkannte Richtlinie, die der Fachmann kennt. Die bloße Tatsache, dass die VDI-Richtlinie 2840 nicht kostenlos zur Verfügung gestellt wird, wie die Beschwerdegegnerin geltend gemacht hat, spielt hierbei ersichtlich keine Rolle. Die VDI-Richtlinie 2840 entstand 2005 und wurde 2012 durch eine neue Fassung ersetzt, die im vorliegenden Verfahren als D4 vorgelegt wurde. Wie die Beschwerdeführerin ausgeführt hat, sind dabei die relevanten Textpassagen der Richtlinie unverändert geblieben. Das hat die Beschwerdegegnerin nicht bestritten. Im Übrigen ist die Richtlinie ausdrücklich in Absatz 8 der Patentschrift erwähnt.
D9' ist ein Auszug aus einer 2008 veröffentlichten Werbebroschüre. Das allgemeine Fachwissen schließt in der Regel Werbebroschüren nicht ein. Der Inhalt von D9' spiegelt jedoch das in D4 bzw. D7 dokumentierte allgemeine Fachwissen wider, wie die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat. Diesen Vortrag hat die Beschwerdegegnerin ebenfalls nicht bestritten.
3.4.4 Unter Berücksichtigung dieser Dokumente ist danach festzustellen, dass der Fachmann weiß, dass DLC ein Akronym für die englische Bezeichnung "Diamond-Like-Carbon", d. h. für einen amorphen diamantähnlichen Kohlenstoff, der aus einer Mischung von sp3- und sp2-hybridisiertem Kohlenstoff besteht. Er weiß auch, dass die Abkürzung "ta-C" für tetraedrische wasserstofffreie amorphe Kohlenstoffschichten steht, die überwiegend aus diamantähnlichen sp3-hybridisierten Bindungen bestehen (siehe D4, Tabelle 1 in Verbindung mit Bild 5 auf Seite 16 und Punkt 2.2 auf Seite 17).
3.4.5 Dem Fachmann ist weiter auch bekannt, dass ta-C-Schichten üblicherweise durch PVD-Abscheidung von Kohlenstoff aus der Gasphase erzeugt werden, wobei die Kohlenstoffionen mit hoher kinetischen Energie (Abscheideenergie) abgeschieden werden, um einen hohen Anteil an sp3-Bindungen zu erhalten (D4, Tabelle 1; D7, Seite 90, Absatz 2; D9', Tabelle). Dabei ist bekannt, dass je nach Herstellungsbedingungen der sp3-Bindungsanteil in ta-C-Schichten zwischen 60% und 90% liegen kann (D4, Bild 5 auf Seite 16). Der gewünschte sp3-Bindungsanteil kann über wenige wichtige Verfahrensparameter, wie insbesondere die Abscheideenergie, gesteuert werden.
3.4.6 Schließlich ist dem Fachmann bekannt, dass aufgrund der hohen Abscheideenergien ta-C-Schichten prozessbedingt (sehr) hohe intrinsische Druckeigenspannungen aufweisen. Diesbezüglich wird beispielweise auf D4, D7 und D9' verwiesen:
- in D4, siehe Punkt 2.2 auf Seite 17, dort insbesondere "Druck-Eigenspannungen";
- in D7, siehe Seite V, letzte Zeile, "large compressive stress"; Seite 21, Absatz 2, Zeile 1, "large intrinsic compressive stresses"; Seite 90, Absatz 2, "internal compressive stresses, ... particularly for ta-C materials"; Seite 106, Absatz 3, Zeilen 1 und 2, "compressive intrinsic stresses develop in films produced from energetic particles";
- in D9', Seite 33, Absatz 5, "DLC-Schichten stehen naturgemäss unter sehr hohen Druckeigenspannungen, die aus dem energiereichen, fortlaufenden Ionenbeschuss während des Schichtwachstums resultieren".
3.4.7 Auf Seite 106, Absatz 2 von D7 ist zwar das Vorhandensein von Zugeigenspannungen in DLC-Schichten erwähnt, allerdings nur für den besonderen Fall, dass die Kohlenstoffionen mit geringen Abscheideenergien abgeschieden werden (Abscheideenergie < 1 eV). Dies mag bei a-C-Schichten vorkommen, die überwiegend aus sp2-Bindungen bestehen, jedoch nicht bei ta-C-Schichten, denn bei ihnen sind zur Erzielung des hohen sp3-Bindungsanteils hohe Abscheideenergien zwingend erforderlich.
3.5 Eigenspannungen
3.5.1 Die Beschwerdegegnerin macht geltend, Merkmale 1.1.1) und 1.2) von Anspruch 1 seien im Hinblick auf die Eigenspannungen in der ta-C-Beschichtung so weit gefasst, dass sie offen lassen, ob mit der Eigenspannung Druck- oder Zugeigenspannungen gemeint seien, und ob sie tangential, radial oder axial in der Geometrie des Gleitelements gerichtet seien.
3.5.2 Dies ist aber für sich besehen noch kein Grund zu der Annahme, dass das Patent das Erfordernis einer ausreichenden Offenbarung nicht erfüllt.
3.5.3 Davon abgesehen ist beim Lesen der streitigen Merkmale im Gesamtzusammenhang von Anspruch 1 für den Fachmann aufgrund seines vorgenannten allgemeinen Wissens sofort erkennbar, dass der Begriff "Eigenspannungen" die zwangsläufig auftretenden makroskopischen Druckeigenspannungen in der ta-C-Beschichtung meint, die parallel zur Oberfläche der Beschichtung wirken und mithin einen Widerstand gegen die Entstehung und Fortpflanzung von Rissen bieten.
3.5.4 Im Übrigen wird dieses technische Verständnis auch durch die Lehre im Patent bestätigt. So wird in Absätzen 19 und 21 der Patentschrift ausdrücklich auf die Druckeigenspannungen verwiesen. Entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin kann dem Wortlaut von Absatz 19 der Patentschrift nicht entnommen werden, dass die Eigenspannungen sowohl Zug- als auch Druckeigenspannungen sein könnten. Im 2. Satz von Absatz 19 ("insbesondere können die Druckeigenspannungen durch Erhöhung des sp3-Anteils erhöht werden, was insgesamt die Ausbildung eines Eigenspannungsgradienten ermöglicht") bezieht sich nach Auffassung der Kammer das Wort "insbesondere" nicht auf die Eigenspannungen als solche, sondern auf die Maßnahmen für die Einstellung der Druckeigenspannungen.
3.5.5 Eine Auslegung des in Anspruch 1 verwendeten Begriffs "Eigenspannungen" dahingehend, dass die ta-C-Beschichtung Zugeigenspannungen aufweist, wird der Fachmann ausschließen, weil sie technisch keinen nachvollziehbaren Sinn ergibt und zudem auch nicht mit der Lehre des Patents übereinstimmt. Erstens ist eine ta-C-Beschichtung mit Zugeigenspannungen schon nicht herstellbar, wie vorstehend dargelegt. Zweitens würde eine solche Beschichtung eine inhärente Rissanfälligkeit aufweisen und wäre mithin nicht in der Lage, die in Absatz 6 der Patentschrift angegebene Aufgabenstellung zu lösen, nämlich, eine Beschichtung des Gleitelements bereitzustellen, "die zuverlässig, über einen möglichst langen Zeitraum, günstige Reibeigenschaften besitzt".
3.5.6 Die Beschwerdegegnerin argumentiert, der Fachmann würde eine Delamination der ta-C-Beschichtung aufgrund hoher Druckeigenspannungen erwarten, wie in D7 und D9' erwähnt, und mithin davon ausgehen, dass die Erfindung eine ta-C-Beschichtung mit Zugeigenspannungen betrifft. Auch dieses Argument überzeugt nicht. Die Beschwerdegegnerin hat keinen Nachweis dafür erbracht, dass eine ta-C-Beschichtung mit Zugeigenspannungen herstellbar ist. Der Fachmann, der bestrebt ist, eine ta-C-Beschichtung mit einer langen Lebensdauer und günstigen Reibeigenschaften zu erhalten, wird Maßnahmen ergreifen, um die intrinsischen Druckeigenspannungen in der Beschichtung niedrig zu halten und mithin eine ausreichende Haftfestigkeit zu gewährleisten (siehe z. B. D7, Seite 21, Absatz 3).
3.5.7 Schließlich verweist die Beschwerdegegnerin in Hinblick auf den Begriff "Eigenspannung" auf das Dokument B1. Dieses mag zwar belegen, dass Normalspannungen je nach Wirkrichtung Zug- und Druckspannung genannt werden, was allgemein bekannt ist und auch von der Beschwerdeführerin nicht bestritten wird. B1 gibt aber keinerlei Aufschluss über die tatsächliche Bedeutung des Begriffs "Eigenspannung" im Zusammenhang mit der Erfindungslehre.
3.6 Herstellungsverfahren
3.6.1 Die Beschwerdegegnerin macht geltend, dass es für den Fachmann nicht möglich sei, die Erfindung im gesamten beanspruchten Bereich nachzuarbeiten, insbesondere da das Patent keinerlei Angaben darüber enthalte, mit welchem PVD- oder CVD-Verfahren die ta-C-Beschichtung erzeugt werde und wie alle Verfahrensparameter einzustellen seien.
3.6.2 Auch diese Argumentation überzeugt die Kammer nicht. Wie oben dargelegt weiß der Fachmann, dass ta-C-Schichten normalerweise durch PVD-Abscheidung mit hohen Abscheideenergien erzeugt werden. Auch kennt der Fachmann die Parameter, welche bei der Durchführung des PVD-Verfahrens eine Rolle spielen, und weiß, wie sie einzustellen sind, um die gewünschten Eigenschaften der herzustellenden ta-C-Beschichtung bestmöglich zu erreichen. In Absatz 19 erhält der Fachmann zudem eine brauchbare Anleitung, um den erwünschten Druckeigenspannungsgradient mithilfe weniger Routineversuche zur Bestimmung der geeigneten Parameter des PVD-Verfahrens zu erzeugen. Dort ist nämlich erklärt, dass der Druckeigenspannungsgradient durch Veränderung des sp3/sp2-Verhältnisses erhalten werden kann.
3.6.3 Die Beschwerdegegnerin behauptet, die Ausführung dieser Anleitung und der Versuche zur Einstellung der Parameter stelle für den Fachmann einen unzumutbaren Aufwand dar. Diese Behauptung kann jedoch nur als unbewiesene Vermutung angesehen werden. Insbesondere fehlt Vorbringen der Beschwerdegegnerin, das ernsthafte, durch nachprüfbare Tatsachen untermauerte Zweifel an der Nacharbeitbarkeit der Erfindungslehre geweckt haben könnte.
3.7 Spannungsmessung
3.7.1 Die Beschwerdegegnerin behauptet, dass der Fachmann aufgrund im Patent fehlender Angaben zur Messung der Eigenspannungen die Erfindung nicht ausführen könne. Insbesondere könne er nicht zuverlässig feststellen, ob er innerhalb oder außerhalb des Schutzbereichs arbeite. Die Beschwerdegegnerin macht insbesondere geltend, dass unterschiedliche Verfahren für die Bestimmung der Eigenspannungen existierten, mit denen voneinander abweichende Ergebnisse erzielt würden.
3.7.2 Dieser Auffassung kann sich die Kammer aus den folgenden Gründen nicht anschließen.
3.7.3 Wenn im Hinblick auf ein Merkmal eines Patentanspruchs verschiedene Messmethoden existieren, die zu unterschiedlichen Ergebnissen und mithin zu Zweifeln bezüglich der Abgrenzung des Schutzbereichs führen können, so betrifft das in der Regel eher den Gesichtspunkt der Klarheit (Artikel 84 EPÜ) als den der Ausführbarkeit der beanspruchten Erfindung (vgl. u. a. T 2290/12, Gründe Nr. 3.1; T 646/13, Gründe Nr. 3 und 4).
3.7.4 Der im vorliegenden Fall relevante Parameter "Eigenspannung" ist für den Fachmann auf dem Gebiet der Herstellung von ta-C-Schichten ein geläufiger Parameter. Dies wird durch die Dokumente D4, D7 und D9' belegt. Auch ist unstreitig, dass es verschiedene Standardverfahren zur Bestimmung von Eigenspannungen in ta-C-Schichten gibt, wie beispielweise die von der Beschwerdegegnerin selbst erwähnte röntgenographische Eigenspannungsmessung.
3.7.5 Der Fachmann, der gewillt ist, die beanspruchte Erfindung nachzuarbeiten, wird unter den ihm aufgrund seines allgemeinen Fachwissens bekannten Messverfahren ein solches auswählen, das als geeignet für die Ermittlung des Druckeigenspannungsverlaufs über die Dicke der ta-C-Beschichtung gilt (siehe Figuren 1 und 2 der Patentschrift). Die Ermittlung des gewünschten Druckeigenspannungsgradienten stellt mithin kein Hindernis bei der Ausführung der Erfindung dar.
3.7.6 Die Beschwerdegegnerin trägt vor, dass sowohl an den scharfen Kanten eines Kolbenrings als auch an kleinen Vertiefungen auf seiner Oberfläche eine Überlagerung von Druck-, Zug- und Schereigenspannungen entstehe, und dort eine messtechnische Erfassung der Druckeigenspannungen nicht möglich sei. Dieser Sachverhalt ist dem Fachmann jedoch allgemein bekannt, weswegen er die Druckeigenspannungen nicht in der Nähe von Kanten bzw. Vertiefungen ermitteln wird, sondern dort, wo die Oberfläche des Kolbenrings ausgedehnt und glatt ist.
3.8 Zusammenfassend kann die Kammer also nicht feststellen, dass das Patent die in Anspruch 1 definierte Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass der Fachmann sie nicht ausführen kann.
4. Die Kammer kommt also zu dem Schluss, dass der von der Beschwerdegegnerin geltend gemachte Einspruchsgrund der unzureichenden Offenbarung (Artikel 100 b) EPÜ) der Aufrechterhaltung des Patents im Umfang des Hauptantrags der Beschwerdeführerin nicht entgegensteht.
5. Zurückverweisung
5.1 Die Einspruchsabteilung hat bislang nur zu der Frage des Einspruchsgrunds nach Artikel 100 b) EPÜ Stellung genommen, nicht aber zu den ebenfalls geltend gemachten Einspruchsgründen der mangelnden Neuheit und der mangelnden erfinderischen Tätigkeit (Artikel 100 a) EPÜ).
5.2 Im Hinblick auf die Fallgestaltung erscheint es der Kammer nicht geboten, ohne eine Entscheidung der Einspruchsabteilung über die weiteren Einspruchsgründe eine eigene erste und zugleich letzte Prüfung im Beschwerdeverfahren vorzunehmen, auch wenn dies eine zeitliche Verlängerung des Verfahrens mit sich bringen wird.
5.3 Daher entscheidet die Kammer unter Ausübung ihrer Befugnis nach Artikel 111 (2) EPÜ, die Angelegenheit an die Einspruchsabteilung zur weiteren Entscheidung auf der Grundlage des geltenden Hauptantrags zurückzuverweisen.
6. Auf die Hilfsanträge der Beschwerdeführerin braucht deswegen nicht mehr eingegangen zu werden.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird zur weiteren Entscheidung an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen.