T 2137/15 () of 27.9.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T213715.20190927
Datum der Entscheidung: 27 September 2019
Aktenzeichen: T 2137/15
Anmeldenummer: 10183845.6
IPC-Klasse: C12M 3/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Bioreaktor
Name des Anmelders: Levitronix Technologies, LLC
Name des Einsprechenden: Hano, Christian
Kammer: 3.2.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 83
European Patent Convention Art 54(2)
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Neuheit - Hauptantrag (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag (ja)
Ausreichende Offenbarung - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0523/89
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerden richten sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, zur Post gegeben am 7. Oktober 2015, das europäische Patent Nr. 2 284 253 in geändertem Umfang nach Artikel 101(3) a) und 106 (2) EPÜ aufrechtzuerhalten.

II. Der Einspruch gegen das Patent war auf die Gründe Artikel 100 (a) i.V.m. Artikel 54 und 56, Artikel 100 (b) und Artikel 100 (c) EPÜ gestützt. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass das nach dem Hilfsantrag 2 geänderte Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ genügen.

In ihrer Entscheidung hat die Einspruchsabteilung unter anderem die folgenden Entgegenhaltungen berücksichtigt:

E1 JP 61-212275

E2 US 3 572 651

E3 US 2 958 517

Verweise auf den Text der E1 beziehen sich auf die englische Zusammenfassung, die mit der Einspruchs-schrift eingereicht wurde, und auf die englische Übersetzung, die während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereicht wurde.

III. Gegen diese Entscheidung hat der Einsprechende als Beschwerdeführer am 11. November 2015 Beschwerde eingelegt und am selben Tag die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung wurde am 1. Februar 2016 eingereicht.

IV. Gegen diese Entscheidung hat auch die Patentinhaberin als Beschwerdeführerin am 2. Dezember 2015 Beschwerde eingelegt und am selben Tag die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung wurde am 5. Februar 2016 eingereicht.

V. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK als Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 16. Januar 2019 teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Auffassung zu den Sachfragen mit. Die mündliche Verhandlung fand am 27. September 2019 in Anwesenheit aller am Beschwerdeverfahren beteiligten Parteien statt.

VI. Die Beschwerdeführerin Patentinhaberin (nachfolgend: Patentinhaberin) beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt (Hauptantrag), hilfsweise im Umfang eines der Hilfsanträge 0 (eingereicht während der mündlichen Verhandlung), 1 (eingereicht mit der Beschwerdebegründung), 1a (eingereicht mit Schreiben vom 19. Juni 2019), oder 2 - 6 (eingereicht mit der Erwiderung auf die Beschwerde des Einsprechenden).

VII. Der Einsprechende als Beschwerdeführer (nachfolgend: Einsprechender) beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den vollständigen Widerruf des Patents.

VIII. Der unabhängige Anspruch 1 der für diese Entscheidung relevanten Anträge hat folgenden Wortlaut:

Hauptantrag

Der Anspruch 1 ist wie erteilt:

"Bioreaktor mit einem Reaktionsbehälter (1, 1a, 1b, 1c; 62) für ein mit einem Medium zu beaufschlagendes Gut (C;73), und mit einer Pumpe (5,5a,5b,5c,5d,5e;65), mit deren Hilfe das Medium gefördert wird, dadurch gekennzeichnet, dass die Pumpe (5,5a,5b,5c,5d,5e;65) zur Förderung des Mediums als Einmalpumpe bzw. Teile der Pumpe (5,5a,5b,5c,5d,5e;65) als Einmalteile ausgebildet sind, wobei die Einmalpumpe den Reaktionsbehälter (62) umfasst, innerhalb welchem ein Pumpenrad (54d,55d; 65b,65c) angeordnet ist, oder wobei die Einmalpumpe ein Pumpengehäuse (53d) umfasst, in welchem ein Pumpenrad (54d,55d) angeordnet ist."

Hilfsantrag 0

Wie im Hauptantrag, wobei Anspruch 1 die folgende Änderung aufweist (von der Kammer mit Durchstreichung hervorgehoben):

"... angeordnet ist[deleted: , oder wobei die Einmalpumpe ein Pumpengehäuse (53d) umfasst, in welchem ein Pumpenrad (54d,55d) angeordnet ist]."

Hilfsantrag 1

Wie im Hauptantrag, wobei Anspruch 1 die folgenden Änderungen aufweist (von der Kammer mit Unterstreichung hervorgehoben):

"... innerhalb welchem ein Pumpenrad (54d,55d; 65b,65c) angeordnet ist, sowie einen separaten Antriebsstator (50d;65a), in welchen der Reaktionsbehälter (62) mitsamt dem darin angeordneten Pumpenrad (54d,55d;65b,65c) einsetzbar ist, wobei das Pumpenrad (54d,55d;65b,65c) als Einmalteil ausgebildet ist, oder wobei die Einmalpumpe ein Pumpengehäuse (53d) umfasst, in welchem ein Pumpenrad (54d,55d) angeordnet ist sowie einen separaten Antriebsstator (50d), in welchen das Pumpengehäuse (53d) mitsamt dem darin angeordneten Pumpenrad (54d,55d) einsetzbar ist, wobei das Gehäuse (53d) mitsamt dem darin angeordneten Pumpenrad (54d,55d) als Einmalteil ausgebildet ist."

IX. Die Patentinhaberin hat zu den entscheidungserheblichen Punkten folgendes vorgetragen:

Die in Anspruch 1 des Hauptantrags beanspruchte Erfindung sei ausreichend offenbart. Der Gegenstand von Anspruch 1 aller Anträge sei neu gegenüber E1 und beruhe ausgehend von E1 in Zusammenschau mit E2 oder E3 auf erfinderischer Tätigkeit.

X. Der Einsprechende hat zu den entscheidungserheblichen Punkten folgendes vorgetragen:

Die in Anspruch 1 des Hauptantrags beanspruchte Erfindung sei nicht ausreichend offenbart. Der Gegenstand von Anspruch 1 aller Anträge in der ersten Alternative "die Einmalpumpe den Reaktionsbehälter umfasst" sei nicht neu gegenüber E1. Der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 werde ausgehend von E1 in Zusammenschau mit E2 oder E3 nahegelegt.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Anwendungsgebiet der Erfindung

Das Streitpatent betrifft einen Bioreaktor mit einem Reaktionsbehälter für ein mit einem Medium zu beaufschlagendes Gut und mit einer Pumpe zur Förderung dieses Mediums. Die Pumpe ist als Einmalpumpe ausgebildet. Dabei umfasst die Einmalpumpe entweder den Reaktionsbehälter, innerhalb welchem ein Pumpenrad angeordnet ist, oder ein Pumpengehäuse, in welchem ein Pumpenrad angeordnet ist. Dadurch, dass die Einmalpumpe ein Pumpengehäuse mit einem darin angeordneten Pumpenrad umfasst, können sämtliche "kontaminierbaren Teile" nach jeder Anwendung auf einfachste Art und Weise ausgewechselt werden (Patentschrift, Absatz 12). Dadurch, dass die Einmalpumpe den Reaktionsbehälter mit einem darin angeordneten Pumpenrad umfasst, ist kein aufwendiger Reinigungsprozess des Bioreaktors erforderlich (Patentschrift, Absatz 31).

3. Hauptantrag - ausreichende Offenbarung

In der Beschwerdebegründung bestreitet der Einsprechende die ausreichende Offenbarung von Anspruch 1 des Hauptantrags. Die Kammer hat dazu in ihrer Mitteilung als Anlage zur Ladung, Abschnitt 2, die folgende vorläufige Meinung geäußert:

"... Die von der Einsprechenden erhobenen Einwände scheinen sich auf die Klarheit des Anspruchs zu beziehen, welche jedoch keinen der in Artikel 100 EPÜ abschließend genannten Einspruchsgründe darstellt. Etwaige Unklarheiten im Anspruchswortlaut ("complete lack of clarity as to what constitutes a 'disposable' pump", "unclear how a pump can include the reaction container") werden durch die detaillierte Beschreibung ausgeräumt, so dass die Gesamtoffenbarung die Erfindung vollständig zu offenbaren scheint."

Der Einsprechende hat zu dieser Sichtweise nicht weiter Stellung genommen. Mangels weiterer Ausführungen sieht die Kammer keinen Grund, von ihrer Sichtweise abzuweichen. Somit gelangt sie zum Ergebnis, dass das Streitpatent die in Anspruch 1 des Hauptantrags definierte Erfindung so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann, Artikel 100 (b) und 83 EPÜ.

4. Hauptantrag, Hilfsantrag 0 - Neuheit

4.1 Für die Neuheit der ersten Alternative "die Einmalpumpe den Reaktionsbehälter umfasst" von Anspruch 1 des Hauptantrags ist das Ausführungsbeispiel nach Figur 1 der E1 relevant. Figur 1 offenbart einen Bioreaktor mit einem Reaktionsbehälter 10 für ein mit einem Medium zu beaufschlagendes Gut und mit einer Pumpe, mit deren Hilfe das Medium gefördert wird, wobei die Pumpe den Reaktionsbehälter umfasst, innerhalb welchem ein Pumpenrad angeordnet ist. Das im Reaktionsbehälter 10 angeordnete Flügelrad 18 ist unbestritten als ein Pumpenrad anzusehen, was durch die Definition in der Patentschrift bestätigt wird (Absatz 31: "umfass[t] das Pumpenrad ein Flügelrad aus Kunststoff").

Im Hinblick auf die Offenbarung der E1 bestreitet die Patentinhaberin jedoch, dass die Pumpe als Einmalpumpe bzw. Teile der Pumpe als Einmalteile ausgebildet sind.

4.2 Die Kammer stimmt der Patentinhaberin darin zu, dass ein Einmalteil dem Zweck dient, einmalig gebraucht und danach ersetzt zu werden. Diese Auslegung wird durch das Streitpatent bestätigt (Absatz 12: "...muss aber nicht ersetzt werden, sondern nur das wenig aufwändige Pumpengehäuse..."). Ein Einmalteil ist folglich als ein Erzeugnis für den einmaligen Gebrauch anzusehen. Nach ständiger Rechsprechung der Beschwerdekammern zu Erzeugnisansprüchen mit Zweckmerkmalen ist die Angabe der Zweckbestimmung (mit Ausnahme der medizinischen Verwendung bekannter Stoffe) nur in dem Sinne als Einschränkung anzusehen, dass der Gegenstand für diesen Zweck geeignet sein muss (RdBK, 9. Auflage 2019, I.C.8.1.5, und insbesondere die darin genannte Entscheidung T 523/89). Bei dieser Auslegung ist ein Einmalteil lediglich als zum einmaligen Gebrauch des Teils geeignet anzusehen. Die Eignung zum einmaligen Gebrauch schließt nicht aus, dass das Teil danach noch weitere Male verwendet werden kann. Beispielsweise auf dem Gebiet der Medizinprodukte sind technische Maßnahmen bekannt, mittels derer die erneute Verwendung eines Einmalteils verhindert werden kann. Anspruch 1 enthält unbestritten kein Merkmal, das auf eine solche technische Maßnahme gerichtet ist. Die Kammer teilt folglich die Auffassung der Patentinhaberin, wonach der Begriff "Einmal" im Merkmal Einmalpumpe sinnleer ist. Er bewirkt nämlich keine Beschränkung des Anspruchs-gegenstandes durch technische Maßnahmen zur Verhinderung einer erneuten Benutzung der Einmalpumpe.

Die Patentinhaberin hat nicht vorgetragen, dass der in E1 offenbarte Bioreaktor zum einmaligen Gebrauch ungeeignet wäre, und das ist aus Sicht der Kammer auch nicht der Fall. Der Bioreaktor ist nämlich - wie jeder andere Gegenstand auch - zum einmaligen Gebrauch geeignet. Somit nimmt die Offenbarung eines gleichwertigen Bioreaktors in E1, der mitsamt seinem Reaktionsbehälter und Pumpenrad als Einmalteil verwendet werden kann, die beanspruchte Eignung vorweg, selbst wenn E1 nicht explizit auf einen einmaligen Gebrauch hinweist. Das von der Patentinhaberin aufgestellte Kriterium, wonach ein Einmalteil bestimmungsgemäß nur ein einziges Mal benutzt werden dürfe, betrifft keine bauliche Beschränkung des Bioreaktors, sondern einen juristischen Aspekt seiner Verwendung. Im Hinblick auf den beanspruchten Bioreaktor spielt dieser Aspekt keine Rolle, da einzig die technischen Merkmale des Vorrichtungsanspruchs mit ihren baulichen Beschränkungen für die Frage der Neuheit relevant sind.

4.2.1 Die Kammer muss daher nun prüfen, ob das Merkmal Einmalpumpe zu baulichen Beschränkungen des Bioreaktors führt, die nicht aus E1 hervorgehen.

Im Gegensatz zur Sichtweise der Patentinhaberin ist Anspruch 1 des Hauptantrags nicht auf eine Trennbarkeit sowohl des Reaktionsbehälters als auch des Pumpenrades vom Antrieb des Bioreaktors beschränkt, da eine solche Trennbarkeit nicht beansprucht wird. Es ist daher unerheblich, ob aus E1 unmittelbar und eindeutig die Trennbarkeit des Reaktionsbehälters 10 von der Statorspule 14 des Antriebs hervorgeht.

Die behauptete Eignung zur Gamma-Sterilisierung führt ebenfalls zu keiner baulichen Beschränkung des beanspruchten Bioreaktors, da Anspruch 1 weder auf bestimmte Materialien gerichtet ist, noch die zur Gamma-Sterilisierung ungeeigneten Materialien ausschließt.

Auch die behauptete Kennzeichnung von Einmalteilen stellt keine bauliche Beschränkung dar, da Anspruch 1 kein Merkmal enthält, das auf eine solche Kennzeichnung der Einmalpumpe gerichtet ist. Der Verweis auf die Richtlinie 93/42/EWG vom 14. Juni 1993 über Medizinprodukte des Rates der Europäischen Gemeinschaften führt zu keiner anderen Sichtweise. Diese unbestritten öffentlich zugängliche Richtlinie verlangt zwar eine Kennzeichnung eines Medizinprodukts mit der CE-Kennzeichnung, welche im Falle eines Einmalprodukts den Hinweis enthalten muss, dass das Produkt für den einmaligen Gebrauch bestimmt ist (Anhang I II.13.3.f)). Die CE-Kennzeichnung kann jedoch statt auf dem Produkt auch auf dessen sterilem Verpackungsmaterial angebracht werden (Artikel 17(2)). Daher verlangt selbst die Richtlinie 93/42/EWG nicht zwingend, dass ein Einmalprodukt bzw. Einmalteil auf dem Teil selbst gekennzeichnet ist. Die Kammer muss somit nicht klären, ob diese Richtlinie überhaupt auf Bioreaktoren anwendbar ist.

4.3 Die Kammer gelangt daher zum Schluss, dass die Pumpe des in Figur 1 der E1 offenbarten Bioreaktors als Einmalpumpe ausgebildet ist. Ein solcher Bioreaktor offenbart alle Merkmale von Anspruch 1 des Hauptantrags, so dass dessen Gegenstand nicht neu gegenüber E1 ist, Artikel 100 (a) und 54 EPÜ.

4.4 Dieser Befund betrifft auch den Hilfsantrag 0, dessen Anspruch 1 ebenfalls das Merkmal "die Pumpe zur Förderung des Mediums als Einmalpumpe ausgebildet ist" enthält. Somit ist der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 0 nicht neu gegenüber E1, Artikel 54 EPÜ.

5. Hilfsantrag 1 - Neuheit

5.1 Die angegriffene Entscheidung verneinte die Neuheit der ersten Alternative "die Einmalpumpe den Reaktions-behälter umfasst" von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 gegenüber E1. In ihrer Erwiderung auf die Beschwerdebegründung der Patentinhaberin griff der Einsprechende diese Sichtweise für den im Beschwerdeverfahren gestellten inhaltlich gleichen Hilfsantrag 1 auf.

5.2 Für die Neuheit von Anspruch 1 ist erneut das Ausführungsbeispiel in Figur 1 der E1 relevant. Diese Figur offenbart aus den im Absatz 4 der vorliegenden Entscheidung genannten Gründen einen Bioreaktor mit einem Reaktionsbehälter für ein mit einem Medium zu beaufschlagendes Gut und mit einer Pumpe, mit deren Hilfe das Medium gefördert wird, wobei die Pumpe zur Förderung des Mediums als Einmalpumpe bzw. Teile der Pumpe als Einmalteile ausgebildet sind, wobei die Einmalpumpe den Reaktionsbehälter umfasst, innerhalb welchem ein Pumpenrad angeordnet ist.

5.3 Im Hinblick auf den in Figur 1 offenbarten Stator 14 vertritt der Einsprechende die Auffassung, dass er ein eigenständiges Bauteil sei und daher einen separaten Antriebsstator bilde. Zudem sei der Reaktionsbehälter 10 in diesen separaten Antriebsstator einsetzbar, da er zumindest einmal beim Zusammenbau des Bioreaktors in den Antriebsstator eingesetzt werde. Daher offenbare E1 alle Merkmale von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1.

5.4 Die Kammer kann sich dieser Auffassung aus den folgenden Gründen nicht anschließen:

5.4.1 Die Kammer stimmt dem Einsprechenden darin zu, dass der Stator 14 und der Reaktionsbehälter 10 eigenständige Bauteile des in E1 offenbarten Bioreaktors sind. Der Reaktionsbehälter ist nämlich aus nicht-magnetischem und nicht-leitendem Material gefertigt, während der Stator implizit aus leitendem Material bestehen muss, um Teil eines Elektromotors zu sein (Zusammenfassung: "PURPOSE: ... interposing a nonmagnetic and nonconductive vessel wall"). Nach fachmännischem Verständnis implizieren diese unterschiedlichen Materialien, dass der Stator kein integraler Bestandteil des Reaktionsbehälters, sondern ein eigenständiges Bauteil ist.

5.4.2 Die Offenbarung von zwei eigenständigen Bauteilen in E1 reicht aber nicht dafür aus, dass der Stator 14 als "separater" Antriebsstator, in welchen im Sinne von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 der Reaktionsbehälter mitsamt dem darin angeordneten Pumpenrad "einsetzbar" ist. Im Streitpatent sind der Antriebsstator und der Reaktionsbehälter nämlich ebenfalls eigenständige Bauteile, da der Antriebsstator als Teil eines Elektromotors eine Spule mit elektrischen Anschlüssen oder einen Permanentmagneten enthalten muss und somit nach fachmännischem Verständnis aus einem anderen Material besteht als der Reaktionsbehälter. Wegen dieser unterschiedlichen Materialien werden auch ein erfindungsgemäßer Antriebsstator und Reaktionsbehälter als eigenständige Bauteile hergestellt und danach miteinander verbunden. Die Begriffe separat und einsetzbar in Anspruch 1 wären bedeutungslos und müssten überhaupt nicht im Anspruch genannt werden, wenn sie nur auf Eigenschaften wie die unterschiedlichen Materialien der beiden Bauteile, die Möglichkeit einer getrennten Herstellung oder den Zusammenbau zweier eigenständiger Bauteile bezogen wären.

5.4.3 Bei einer Auslegung der Begriffe "separat" und "einsetzbar" im Lichte der Patentschrift gelangt die Kammer zur Auffassung, dass diese Begriffe nicht auf eine Ausgestaltung von Antriebsstator und Reaktionsbehälter gerichtet sind, die deren Zusammenbau vor der Inbetriebnahme des Bioreaktors ermöglicht. Stattdessen muss sie im Zusammenhang mit der Angabe, dass das Pumpenrad bzw. das Pumpengehäuse mit dem Pumpenrad als Einmalteile ausgebildet sind, gelesen werden. In diesem Zusammenhang gelesen drücken diese Merkmale die Aufteilung des Bioreaktors in Einmalteile wie Pumpenrad und Reaktionsbehälter aus, die nach einmaliger Verwendung kontaminiert und deswegen zu entsorgen sind, und in nicht-kontaminierte und daher wiederverwendbare Teile wie die elektrische Versorgung des Pumpenantriebs (Absätze 13, 31 und 75 der Patentschrift). Die beiden Begriffe "separat" und "einsetzbar" betreffen daher eine Ausgestaltung von Antriebsstator und Reaktionsbehälter, die eine einfache Trennbarkeit des zusammengebauten Bioreaktors ermöglicht (Absatz 13: "...die aufwändigeren Teile ... für die nächste Anwendung wiederverwendet werden können..."; Absatz 75: "die teuren Komponenten ... beliebig oft verwendbar sind...").

5.4.4 Aus der E1 geht eine solche Trennbarkeit nicht hervor. Aus den Figuren lässt sich eine solche Trennbarkeit nicht unmittelbar und eindeutig ableiten, da sie nur schematischer Natur sind und deswegen nur die Merkmale zeigen, die zur Darstellung des Erfindungsgedankens wichtig sind. Andere Merkmale des Bioreaktors der E1, z.B. wie die verschiedenen Einzelteile zueinander angeordnet sind oder wie sie in einem Gehäuse angeordnet sind, sind nicht dargestellt. Somit kann aus der Tatsache, dass der Stator 14 zum Reaktionsbehälter beabstandet gezeigt wird, nicht zweifelsfrei geschlossen werden, dass darum der Reaktionsbehälter in den separaten Stator 14 eingesetzt werden kann. Vielmehr sagen die Zusammenfassung und die Beschreibung zur genauen Anordnung der Teile anderes aus. So ist der Stator 14 im Gehäusebereich 12 fest mit der äußeren Wand des Reaktionsbehälters 10 verbunden, siehe die Zusammenfassung ("CONSTITUTION: A stator 14 is fixed to the outer circumference of the rotor space 12 of a closeable vessel 10..."), sowie Seite 4, letzter Absatz der englischen Übersetzung ("A stator is anchored around the outside of the cylindrical portion of this rotor receptacle 12 ..."). Eine solche feste Anordnung von Antriebsstator und Reaktionsbehälter zueinander ermöglicht keine einfache Trennbarkeit des zusammengebauten Bioreaktors. Daher offenbart E1 keinen separaten Antriebsstator, in welchen der Reaktions-behälter mitsamt dem darin angeordneten Pumpenrad einsetzbar ist.

Da der Einsprechende keine weiteren Neuheitseinwände erhoben hat, ist die Neuheit von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 zu bejahen, Artikel 54 EPÜ.

6. Hilfsantrag 1 - erfinderische Tätigkeit

6.1 Die erfinderische Tätigkeit der ersten Alternative des Anspruchs 1 wurde ausgehend von E1 angegriffen. Auch die Kammer hält E1 für einen erfolgversprechenden Ausgangspunkt, da das Dokument bereits einen Bioreaktor offenbart (siehe die Zusammenfassung der E1).

6.2 Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheidet sich von der Offenbarung der E1 darin, dass der Bioreaktor einen separaten Antriebsstator aufweist, in welchen der Reaktionsbehälter mitsamt dem darin angeordneten Pumpenrad einsetzbar ist, siehe Absatz 5.4.4 der vorliegenden Entscheidung. Diesem Unterscheidungs-merkmal liegt die technische Wirkung zugrunde, dass die kontaminierbaren Teile nach jeder Anwendung des Bioreaktors auf einfachste Art und Weise ausgewechselt werden können (Patentschrift, Absatz 12). Deswegen kann nach dem Aufgabe-Lösungs-Ansatz die objektive technische Aufgabe darin gesehen werden, ein flexibles Anwendungskonzept des Bioreaktors zu schaffen.

6.3 Die Kammer muss darum nun untersuchen, ob ein Fachmann ausgehend von E1 auf naheliegende Weise zu einem Bioreaktor mit einem separaten Antriebsstator gelangt, in welchen der Reaktionsbehälter mitsamt dem darin angeordneten Pumpenrad einsetzbar ist. Das ist aus Sicht der Kammer jedoch nicht der Fall:

6.3.1 Die Dokumente E2 oder E3 betreffen das benachbarte technische Gebiet der Herstellung von Zellkulturen. Daher könnte der Fachmann durchaus, wie vom Einsprechenden vorgetragen, diese Dokumente zur Lösung der objektiven technischen Aufgabe heranziehen. E2, siehe die Figur 2, offenbart einen Magnetrührer mit einem Behälter 10 und einem separaten Antriebsgehäuse 13 mit einem Elektromotor 33, der implizit einen Antriebsstator besitzt. Der Elektromotor 33 versetzt über seine Welle 32 einen Stabmagneten 31 innerhalb des Antriebsgehäuses 13 in Drehung. Dadurch wird ein zweiter Stabmagnet 28 innerhalb des Reaktionsbehälters 10 in Drehung versetzt, so dass der Stabmagnet 28 ein Pumpenrad bildet. E3, siehe die Figur 2, offenbart mit Stabmagnet 52, Antriebsgehäuse 46 und dem magnetischen Rührstab 42 innerhalb des Reaktionsbehälters 10 eine ähnliche Lösung. Die E2 oder E3 offenbaren somit eine Ausgestaltung von Antriebsstator und Reaktionsbehälter, die eine einfache Trennbarkeit des zusammengebauten Magnetrührers ermöglicht.

6.3.2 Die Antriebskonzepte der E2 und E3 sind allerdings grundlegend anders als das der E1, so dass der Fachmann sie nicht ohne weiteres miteinander kombinieren würde. In der Anordnung der E1 befindet sich das über den Antriebsstator antreibbare Pumpenrad nämlich innerhalb des Reaktionsbehälters, während der Antriebsstator auf der anderen Seite der Behälterwand angeordnet ist. Die wesentlichen Komponenten Stator und Rotor des zum Antrieb des Pumpenrades verwendeten Elektromotors sind folglich getrennt voneinander auf gegenüberliegenden Seiten der Behälterwand angeordnet. In der E2 oder E3 befinden sich der Antriebsstator und der Rotor des Elektromotors 48 bzw. 33 gemeinsam in einem Gehäuseteil unterhalb des Reaktionsbehälters 10, und damit auf derselben Seite der Behälterwand.

Um zur Erfindung zu gelangen, müsste ein Fachmann somit erkennen, dass die in E2 oder E3 offenbarte Trennbarkeit des Reaktionsbehälters vom Antriebsmotor des Pumpenrades auch auf die in Figur 1 der E1 offenbarte Konfiguration des Antriebsmotors mit Stator und Rotor auf gegenüberliegenden Seiten der Behälterwand übertragen werden kann. Dies liegt jedoch nach Ansicht der Kammer nicht im normalen fachmännischen Können. Hierzu bedarf es der Erkenntnis, dass der Stator und der Rotor der E1 nicht nur getrennt sondern mehrmalig und reversibel trennbar ausgestaltet werden können. Zwar ist der Fachmann nach Meinung der Kammer in der Lage, einen Teilaspekt aus einer Gesamtlehre zu abstrahieren, wenn er z.B. keinen engen funktionellen und baulichen Zusammenhang zwischen diesem Teilaspekt und den weiteren Aspekten der Gesamtlehre erkennt (ähnlich wie bei einer zulässigen Zwischenverall-gemeinerung) um diese dann auf eine analoge Situation zu übertragen. Wenn aber die verschiedenen Aspekte oder Merkmale einer Lehre in enger Wechselwirkung miteinander stehen, so übersteigt es die begrenzte Abstraktionsfähigkeit des Fachmannes, diese voneinander gelöst zu sehen. In diesem Fall ist die Trennbarkeit des Behälters vom Antrieb eng mit dem besonderen Antriebskonzept verbunden.

6.3.3 Aus diesen Gründen wird der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 in der ersten Alternative ausgehend von E1 in Zusammenschau mit E2 oder E3 nicht nahegelegt. Er beruht daher auf erfinderischer Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ. Die erfinderische Tätigkeit der zweiten Alternative des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 ist nicht in Frage gestellt worden.

7. Die Kammer schließt aus den obengenannten Gründen, dass der Hauptantrag und der Hilfsantrag 0 nicht gewährbar sind, da Anspruch 1 dieser Anträge nicht neu gegenüber E1 ist, Artikel 100 (a) und 54 EPÜ. Der Hilfsantrag 1 ist dagegen gewährbar, da Anspruch 1 dieses Antrags neu gegenüber E1 ist und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, Artikel 54 und 56 EPÜ. Zudem ist die Beschreibung zulässigerweise an diesen Anspruchssatz angepasst worden. Unter Berücksichtigung der nach dem Hilfsantrag 1 vorgenommenen Änderungen stellt die Kammer fest, dass das Patent die Erfordernisse des EPÜ erfüllt, und somit nach Artikel 101(3)(a) EPÜ in geänderter Fassung aufrechterhalten werden kann.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die Vorinstanz mit der Maßgabe zurückverwiesen, das Patent in folgender Fassung aufrechtzuerhalten:

Ansprüche:

1 - 14 von Hilfsantrag 1, eingereicht mit Schreiben vom 5. Februar 2016;

Beschreibung:

Seiten 1, 2, 4 - 11, 13 - 28 wie in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereicht,

Seiten 3, 12 wie in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer um 14.20 eingereicht;

Zeichnungen

Figuren 1 - 19 der Patentschrift.

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