T 2118/15 (Folienverpackte Mittelportion / HENKEL) of 19.1.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T211815.20180119
Datum der Entscheidung: 19 Januar 2018
Aktenzeichen: T 2118/15
Anmeldenummer: 04765559.2
IPC-Klasse: B65D 65/46
C11D 17/04
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: FOLIENVERPACKTE MITTELPORTION SOWIE VERFAHREN ZU IHRER HERSTELLUNG
Name des Anmelders: Henkel AG & Co. KGaA
Name des Einsprechenden: 1 Reckitt Benckiser (UK) Limited
2 The Procter & Gamble Company
Kammer: 3.3.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 100(b)
European Patent Convention Art 83
Schlagwörter: Ausreichende Offenbarung (nein
Ausreichende Offenbarung - alle Anträge)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0001/92
T 0523/10
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent Nr. EP 1 670 693 zu widerrufen.

II. Der unabhängige Anspruch 1 gemäß dem vor der Einspruchsabteilung anhängigen Hauptantrag lautet wie folgt (Hervorhebungen durch die Kammer):

"1. Folienverpackte Mittelportion, insbesondere Wasch-, Reinigungs- und/oder Pflegemittelportion, mit mindestens einem Kompartiment zur Aufnahme des Mittels, wobei mindestens eine Folie alkalistabil und wasserlöslich ist und wobei wenigstens eine Folie der folienverpackten Mittelportion, zwecks Aufnahme des Mittels, plastisch verformt ist und wobei

a) wenigstens eine Folie der folienverpackten Mittelportion, vorzugsweise die Folienverpackung, gemessen in destilliertem Wasser bei einer Wassertemperatur von 10 C, eine kürzere Disintegrationszeit und/oder eine kürzere Auflösungszeit im Vergleich zu einer mittels einem Mono-Sol M-8630 Film folienverpackter Mittelportion, unter ansonsten gleichen Bedingungen, aufweist, und/oder

b) wenigstens eine Folie der folienverpackten Mittelportion, vorzugsweise die Folienverpackung, gemessen in destilliertem Wasser bei einer Wassertemperatur von 10°C,

- eine Disintegrationszeit von < 6 Sekunden; und/oder

- eine Auflösungszeit von < 80 Sekunden aufweist."

III. Im Einspruchsverfahren hatten beide Einsprechenden inter alia mangelnde Ausführbarkeit der beanspruchten Erfindung (Artikel 100(b) EPÜ) geltend gemacht, unter Bezugnahme auf inter alia folgende Beweismittel:

D10/D10a: JP-A-2001-106854/Englische Übersetzung;

D17: Gutachten der Patentinhaberin über D10a;

D28: Nacharbeitung der Folien gemäß D10/D10a

durch die Einsprechende 2;

D34: Datasheet zu "Mono-Sol M-8630" Filmen.

IV. Die Einspruchsabteilung kam unter anderem zu dem Schluss, dass keiner der damals anhängigen Anträge in Form geänderter Anspruchssätzen das Erfordernis der hinreichenden Offenbarung erfülle (Artikel 100(b) bzw. 83 EPÜ).

V. In ihrer Beschwerdebegründung focht die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) die Begründung der Einspruchsabteilung an. Sie verteidigte das Patent in geänderter Fassung mit den Ansprüchen laut dem Hauptantrag, der bereits der Einspruchsabteilung vorgelegen hatte. Zusätzlich reichte sie neun geänderte Anspruchssätze als Hilfsanträge 1 bis 9 ein.

Zur Untermauerung ihres Vortrags bezog sie sich inter alia auf das folgende, neu eingereichte Beweismittel:

D35: "MonoSol, LLC, Standard Test Method for determination of product compatibility with MonoSol water soluble film", 09.05.2001.

Der unabhängige Anspruch 1 aller Hilfsanträge enthält jeweils das unveränderte Merkmal "wobei mindestens eine Folie alkalistabil ist" sowie die Merkmalgruppe (a), wobei im Fall des 2., 3., 4., 8. und 9. Hilfsantrags die erforderliche Desintegrations- bzw. Auflösungszeit zwingend auf "die Folienverpackung" (und nicht mehr auf "eine Folie der ... folienverpackten Mittelportion") bezogen ist. Ferner sind in den unabhängigen Ansprüchen 1 einiger Hilfsanträge zuvor beanspruchte Alternativen gestrichen und/oder zusätzliche Merkmale aufgenommen worden.

VI. In ihren Erwiderungen auf die Beschwerdebegründung machten beide Beschwerdegegnerinnen (Einsprechende 1 und 2) unter anderem nach wie vor geltend, dass die in Anspruch 1 gemäß allen Anträgen definierte Erfindung im Streitpatent nicht so deutlich und vollständig offenbart sei, dass ein Fachmann sie ausführen könne.

VII. In einer in Vorbereitung der mündlichen Verhandlung erlassene Mitteilung brachte die Kammer ihre vorläufige, nicht-bindende Meinung zum Ausdruck, wonach keiner der vorliegenden Anträge das Offenbarungserfordernis laut Artikel 83 EPÜ erfülle.

VIII. Mit Schreiben vom 24. November 2017 teilte die Beschwerdeführerin mit, dass sie an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen werde.

IX. Am 19. Januar 2018 fand die mündliche Verhandlung in Abwesenheit der Beschwerdeführerin statt. Erörtert wurden insbesondere die in der Mitteilung der Kammer angesprochenen Punkte betreffend die Ausführbarkeit der Erfindung.

X. Anträge

Die Beschwerdeführerin beantragte schriftlich die Aufhebung der angefochten Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Streitpatentes auf der Grundlage der Ansprüche gemäß dem mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hauptantrag, hilfsweise auf der Grundlage der Ansprüche gemäß einem der mit der Beschwerde-begründung eingereichten Hilfsanträge 1 bis 9.

Die Beschwerdegegnerinnen I und II (Einsprechende 1

und 2) beantragten die Zurückweisung der Beschwerde.

XI. Die Argumente der Beschwerdeführerin, die von Relevanz für die vorliegende Entscheidung sind, können wie folgt zusammengefasst werden:

- Anspruch 1 sei nicht auf eine Folie als solche sondern auf eine "folienverpackte Mittelportion" gerichtet.

- Das Streitpatent, insbesondere Absätze [0039]-[0065] und [0181] bis [0186] so wie die Figuren 3 bis 8, enthalte eine ausreichende Lehre, die es dem Fachmann ermögliche, den Gegenstand des Anspruchs 1 auszuführen.

- Alkalistabile Folien, die sich schneller als

Mono-Sol M-8630 Folien lösen/desintegrieren, seien schon vor dem Zeitrang des Streitpatents bekannt und erhältlich gewesen, und deren Herstellung gehöre zum allgemeinen Fachwissens.

- Zudem zeigen die in D28 beschriebenen Versuche zur Nacharbeitung der Folien gemäß D10/D10a, dass der Fachmann zum Anmeldezeitpunkt offensichtlich in der Lage war, erfindungsgemäße Folien herzustellen.

- Der Begriff "alkalistabil" könne zwar als etwas unklar angesehen werden, dies bedeute jedoch speziell im Lichte der in den Absätzen [0008], [0009] und [0026] des Streitpatents enthaltenen Information und des neu eingereichten Dokuments D35 nicht, dass ein Offenbarungsmangel vorliege.

XII. Die Beschwerdegegnerinnen trugen diesbezüglich im Wesentlichen Folgendes vor:

- Das Streitpatent offenbare unter anderem nicht ausreichend, wie eine Folie mit einer Desintegrations- und Auflösungszeit gemäß Anspruch 1/Alternative (a) herzustellen sei.

- Die Behauptung der Patentinhaberin, alkalistabile, schneller als Mono-Sol M-8630 lösbare/desintegrierbare Folien seien schon vor dem Zeitrang des Streitpatents bekannt und erhältlich gewesen, sei durch keinerlei Beweismittel bestätigt worden.

- Das Streitpatent definiere den in Anspruch 1 enthaltenen Begriff "alkalistabil" nicht hinreichend. Daran vermöge auch Dokument D35 nichts zu ändern.

Entscheidungsgründe

Hauptantrag - Offenbarungsmangel

1. Für die Kammer offenbart das Streitpatent dem Fachmann zumindest nicht hinreichend, wie eine "alkalistabile" Folie erhalten werden kann, die "eine kürzere Disintegrationszeit und/oder eine kürzere Auflösungszeit im Vergleich zu einer mittels einem Mono-Sol M-8630 Film folienverpackter Mittelportion ... aufweist".

2. Die diesbezüglichen, in der Folge dargelegten Überlegungen hat die Kammer im Wesentlichen bereits in ihrem Bescheid zum Ausdruck gebracht, der seitens der Beschwerdeführerin inhaltlich unbeantwortet geblieben ist.

3. Die Beschwerdeführerin begründet ihre Beschwerde unter anderem damit, dass, da Anspruch 1 nicht auf eine "Folie als solche", sondern auf eine "folienverpackte Mittelportion" gerichtet ist, ein anderer Maßstab hinsichtlich der Offenbarung angelegt werden müsse als im ersten Fall. Es komme nämlich "auf die folienverpackte Mittelportion als Gesamtes" an.

3.1 Für die Kammer ist diese Argumentation nicht stichhaltig. Um zu einer "folienverpackten Mittelportion" gemäß Anspruch 1 zu gelangen, musste der Fachmann bereits zum effektiven Anmeldedatum in der Lage gewesen sein, eine "Mittelportion" mit allen Merkmalen von Anspruch 1 herzustellen (oder herstellen zu lassen). Die erforderlichen Folien mussten demnach bereits damals im Handel erhältlich sein oder aber für den Fachmann (ggf. im Zusammenarbeit mit einem Fachmann auf dem Gebiet der Folienherstellung) herstellbar sein.

3.2 Es besteht für die Kammer somit kein Grund, einen "anderen" Maßstab hinsichtlich der ausreichenden Offenbarung anzulegen, noch dazu wo offen blieb, welcher Maßstab dies denn sein sollte.

4. Laut der Beschwerdeführerin waren zudem anspruchsgemäß einzusetzende Folien, also "alkalistabile" Folien, die sich schneller als kommerziell erhältliche "Mono-Sol M-8630" Folien lösen und/oder desintegrieren, schon vor dem Zeitrang des Streitpatents bekannt und erhältlich. Die Herstellung solcher Folien sei daher Teil des allgemeinen Fachwissens.

4.1 Diesbezüglich ist anzumerken, dass die Beschwerde-führerin, trotz der von der Beschwerdegegnerin II (Erwiderung auf die Beschwerdebegründung, Seite 3) und der Kammer (Mitteilung der Kammer, Punkt 4.1.3) diesbezüglich geäußerten Bedenken, keinerlei Beweis für diese Behauptung vorgelegt hat. Auch aus den im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen scheinen solche Folien jedenfalls nicht bekannt zu sein.

4.2 Zudem bedeutet die Verfügbarkeit eines Produkts im Handel nicht notwendigerweise, dass auch seine Herstellweise und Eigenschaften (Zusammensetzung, morphologische Details, Wasserlöslichkeit bzw. Desintegrierbarkeit, Alkalistabilität) damit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden (siehe Stellungnahme G 1/92, ABl. 1993 , 277, Schlussfolgerung).

5. Die Beschwerdeführerin wies ferner auf die Figuren 3 bis 8 des Streitpatents hin, die IR-Spektren von erfindungsgemäßen, alkalistabilen und schnell wasserlöslichen/desintegrierbaren Folien offenbaren. Aus diesen Spektren gehe für den Fachmann hervor, dass die beispielhafte Folienverpackung aus Polyvinylalkohol-Folie aufgebaut ist. Somit sei eine konkrete, erfindungsgemäße Folienverpackung offenbart, die auf Polyvinylalkohol basiert.

5.1 Für die Kammer ist jedoch nicht ersichtlich, wie ein Fachmann auf Basis dieser IR-Spektren eine gemäß Anspruch 1 / Alternative (a) definierte Folie reproduzieren kann, selbst unter der Annahme, dass es sich um eine Folie auf Polyvinylalkohol-Basis handeln soll.

Den gezeigten Spektren kann weder die genaue chemische Zusammensetzung der Folie noch ihre Mikrostruktur (eventuelle Porosität und/oder Dichtegradient) entnommen werden. Außerdem sind die in den Figuren 3 und 4 gezeigten IR-Spektren praktisch identisch mit den in den Figuren 1 und 2 gezeigten Spektren eines Mono-Sol 8630 Films. Konkrete Unterschiede, die kürzere Desintegrationszeiten und/oder Auflösungszeiten entsprechen könnten, sind nicht erkennbar.

6. Die Beschwerdeführerin führte weiters aus, dass der Fachmann in den Absätzen [0039] bis [0065] des Streitpatents spezifische Anweisungen finde, wie die Folien der erfindungsgemäßen Folienverpackung auszugestalten seien, zum Beispiel hinsichtlich ihrer physikalischen Parameter, Struktur und chemischen Zusammensetzung. Absatz [0059] schlüssele die Komponenten erfindungsgemäßer Folien auf, wie sie nach Totalverseifung identifiziert werden können. Insbesondere "werden die Weichmacher hervorgehoben, die einen Einfluss auf die Löslichkeit haben". Absatz [0060] beschreibe die Molekulargewichte der PVOH-Polymere, die in der Folie eingesetzt werden können. Absatz [0061] definiere den Hydrolysegrad von PVOH-Polymeren, der dem Fachmann zum Anmeldezeitpunkt in bekannter Weise einen Einfluss auf die Wasserlöslichkeit des resultierenden Films hat.

6.1 Für die Kammer enthalten die besagten Passagen des Streitpatents jedoch lediglich ganz allgemeine Angaben zu möglichen Ausgestaltungen der Folien. Es wird dort aber nicht spezifiziert, wie genau die genannten Folieneigenschaften mit der laut Anspruch 1, Alternative (a), erforderlichen Desintegrations- bzw. Auflösungszeit korrelieren.

6.2 So offenbaren die Absätze [0039] und [0040], dass eine Folienoberfläche eine "länglich ausgerichtete Strukturierung" aufweist, wobei als vorteilhaft hinsichtlich der Desintegrationszeit und/oder Auflösungszeit insbesondere solche Strukturelemente sein sollen, "bei denen das Verhältnis Länge zur Breite im Wesentlichen 2 : 1 bis 20 : 1 ausmacht".

Es ist jedoch völlig unklar, welcher Art von "Strukturelementen" damit gemeint sind, und wie genau das Länge-zu-Breite-Verhältnis mit der Desintegrations- bzw. Auflösungszeit korreliert. Nähere Angaben hierzu enthält das Streitpatent nicht.

6.3 In den Absätzen [0043] und [0044] offenbart das Streitpatent, dass wenigstens eine Folie Löcher aufweisen kann, und dass "vermutet" wird, "dass die Strukturierung und/oder die Löcher mit einem Durchmesser von 1 um bis 50 mym in wenigstens einer Folie der Folienverpackung, ursächlich für die deutliche Steigerung der Disintegrationszeit und/oder Auflösungszeit sind". Laut Absatz [0045] sollen solche Löcher während der Verformung der Folie entstehen.

Folien mit Löchern sind allerdings in Anspruch 1 nicht erwähnt, und zudem bleibt es völlig offen, wie der Durchmesser und die Zahl der besagten Löcher mit den Desintegrationszeit und/oder Auflösungszeit der Folie korrelieren.

6.4 In Absatz [0059] ist dann spezifiziert, dass wenigstens eine Folie der Folienverpackung nach vollständiger Verseifung mit Kaliumhydroxid gewisse Komponenten aufweisen kann.

6.4.1 Allerdings ist zu beachten, dass alle aufgelisteten Komponenten auch zu 0% (also gar nicht) vorhanden sein können. Mit anderen Worten sind alle genanten Komponenten fakultativ, eine konkrete Zusammensetzung ist somit nicht offenbart.

6.4.2 Auch die möglichen Auswirkungen der genannten Komponenten auf die Desintegrationszeit und/oder die Auflösungszeit werden im Streitpatent nicht offenbart.

6.4.3 In den Absätzen [0060] bis [0062] sind dann weitere Komponenten und Parameter der Folienverpackung erwähnt, unter anderem Polyvinylalkohol, zusammen mit entsprechenden Molekülargewichts- und Hydrolysegrad-Bereichen.

6.4.4 Auch hier ist aber der Einfluss dieser Komponenten und Parameter auf die Desintegrations- und/oder Auflösungszeit nicht angesprochen.

6.4.5 Grundsätzlich ist zudem anzumerken, dass Anspruch 1 nicht auf Polyvinylalkohol-basierte Folien beschränkt ist.

7. Laut Beschwerdeführerin enthält das Streitpatent in den Absätzen [0181] bis [0186] eine detaillierte Anweisung, wie der Fachmann bestimmen kann, ob eine Folie oder eine Folienverpackung die anspruchsgemäßen Desintegrations- und/oder Auflösungszeit aufweist.

7.1 Die zitierten Absätze enthalten in der Tat Angaben zu einer Testmethode für die Bestimmung der Desintegrations- bzw. Auflösungszeit.

7.2 Allerdings enthalten diese Absätze keinerlei Information bezüglich der Zusammensetzung der getesteten Folien, bei denen sich die im Absatz [0186] erwähnten Messergebnissen (Desintegrations- bzw. Auflösungszeit) ergaben. Demnach wird der Fachmann auch durch diese Angaben nicht in die Lage versetzt, eine Folie mit der erforderlichen Desintegrations- bzw. Auflösungszeit herzustellen.

8. Die Beschwerdeführerin bezog sich auch auf die in D28 beschriebene Nacharbeitung der Folien gemäß D10/D10a. Diese Nacharbeitung zeige, dass der Fachmann zum Anmeldezeitpunkt offensichtlich in der Lage war, Folien herzustellen, die sich schneller lösen als Mono-Sol M8630 Folien. In diesem Zusammenhang stütze sie sich auch auf die Entscheidung T 523/10 vom 9. Mai 2012, Gründe, 2.6.

8.1 Allerdings handelt es sich bei Dokument D10 um eine Patentanmeldung, deren Inhalt somit nicht zwangsläufig als allgemeines Fachwissen anzusehen ist. Zudem ist dieser Stand der Technik im Patent nicht erwähnt. Selbst unter der Annahme (arguendo), dass die in D10 beschriebenen Folien reproduzierbar sind, und ihre Eigenschaften messbar, bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass das Streitpatent selbst ausreichende Informationen enthält, die es dem Fachmann ermöglichen würden, die Erfindung auszuführen, das heißt eine "Mittelportion" wie beansprucht herzustellen.

8.2 Außerdem wird die in D28 beschriebene Nacharbeitung (durch die Einsprechende 2) in dem von der Beschwerdeführerin selbst in Auftrag gegebenen Gutachten D17 stark kritisiert. Darin wird argumentiert, dass D10/D10a nicht ausreichende Angaben enthalte, um den darin beschriebenen Film reproduzieren zu können (vgl. D17, Punkt 4).

Diesbezüglich stellt die Kammer fest, dass zumindest die laut D17 in D10/D10a fehlenden Angaben auch im Streitpatent nicht genannt sind. Würde nun die in D10/D10a beschriebene Erfindung entsprechend dem Gutachten D17 (arguendo) als nicht ausführbar angesehen, wäre aus analogen Gründen auch der Gegenstand von Anspruch 1 des Streitpatents als nicht ausführbar zu betrachten. Insofern ist die auf D10/D10a basierende Argumentation der Patentinhaberin widersprüchlich, und somit auch nicht überzeugend.

8.3 Die von der Beschwerdeführerin herangezogene Entscheidung T 523/10 ist für den vorliegenden Fall nicht relevant. In diesem Fall kam die befasste Kammer zu dem Ergebnis, dass die beanspruchte Erfindung ausführbar sei, da die Methode zur Herstellung der beanspruchten Zusammensetzungen sowie zur (rechnerischen) Ermittlung von deren relevanten Eigenschafts-Parameterwerten im Streitpatent ausreichend beschrieben sei (T 0523/10, Gründe, 2.2 und 2.5). Dies ist im vorliegenden Fall gerade nicht so (siehe Punkte 4 bis 7, supra).

9. Aufgrund der obigen Feststellungen und Überlegungen kommt die Kammer zum Schluss, dass der Fachmann im Streitpatent keine hinreichende Anleitung bzw. Orientierung findet, die es ihm am effektiven Anmeldedatum ermöglicht hätte, zuverlässig, reproduzierbar und ohne unzumutbaren Aufwand eine Folie herzustellen, die eine Desintegrations- bzw. Auflösungszeit gemäß Anspruch 1 / Alternative (a) aufweist. Insbesondere kann der Fachmann nur durch Versuch und Irrtum herausfinden, welche Folien die im Anspruch 1, Alternative (a), angegebene Parameterbedingung erfüllen, bzw. ist die Durchführung eines Forschungsprogramms notwendig, um zum beanspruchten Gegenstand zu gelangen.

10. Darüber hinaus wird der Offenbarungsmangel des Streitpatents durch die Verwendung des relativen Begriffes "alkalistabil" in Anspruch 1 noch potenziert.

10.1 Laut der Beschwerdeführerin sei dieser Begriff allenfalls als unklar anzusehen, mangelnde Klarheit sei aber kein Einspruchsgrund. Zudem offenbare das Streitpatent in den Absätzen [0008] und [0009], dass Folien sich insbesondere bei normaler Lagerung zersetzen, wenn sie nicht ausreichend "alkalistabil" sind. Ferner sei in Absatz [0026] angegeben, dass der verwendete Film "Mono-Sol M-8630 gegen alkalische Hydrolyse bis zu einem pH von 14 stabil" ist. D35 sei zu entnehmen, wie die Alkalistabilität von wasserlöslichen Mono-Sol Filmen bestimmt werden könne.

10.2 Die Kammer kann nicht erkennen, inwieweit die genannten Passagen des Streitpatents geeignet sein könnten, die Bedeutung des Begriffs "alkalistabil" zu präzisieren. Insbesondere finden sich im Streitpatent keinerlei Hinweise, die es dem Fachmann ermöglichen würden, zu bestimmen, ob eine gegebene Folie "alkalistabil" im Sinne des Anspruchs 1 ist oder nicht.

10.3 Auch das spät vorgebrachte Dokument D35 (Zulässigkeit ins Verfahren vorausgesetzt) ist nach dem Dafürhalten der Kammer nicht geeignet, diesbezüglich Gewissheit herzustellen.

10.3.1 Einerseits betrifft dieses Dokument der Herstellerfirma Monosol lediglich Mono-Sol Filme aus Polyvinylalkohol, wohingegen Anspruch 1 nicht auf Filme aus diesem Polymer beschränkt ist. Andererseits wird darin lediglich eine Methode offenbart, um die Kompatibilität von Mono-Sol Filmen mit verschiedenen Produkten zu untersuchen, die beispielsweise alkalische anorganische Verbindungen enthalten können (siehe Abschnitt "Chemical Compatibility With Monosol**(®) PVOH Film", Unterabschnitt "ALKALINE (pH 9 and above)".

10.3.2 Eine Definition, wann ein Monosol**(®) PVOH Film M-8630 als alkalistabil im Sinn von Anspruch 1 zu betrachten ist, und wann nicht, lässt sich nach dem Dafürhalten der Kammer dem Dokument D35 jedenfalls nicht entnehmen.

In diesem Zusammenhang merkt die Kammer weiters an, dass in Dokument D34 (Abschnitt "Product Description", erster Satz; Hervorhebung durch die Kammer) Folgendes angegeben wird: "MonoSol M8630 film has been specially formulated to be completely resistant to alkaline hydrolysis up to 14 pH". Nähere Angaben über die angesprochene spezielle Formulierung enthält D34 allerdings nicht. Für die Kammer bedeutet die zitierte Passage von D34, dass eine spezielle Formulierung, d.h. Zusammensetzung, des M8630 Films notwendig ist, um die dort genannte Alkalistabilität zu erreichen. Welcher Art diese Zusammensetzung ist, ist jedoch nicht offenbart.

11. Aus den oben genannten Gründen kommt die Kammer zum Schluss, dass die Erfindung laut Alternative (a) von Anspruch 1 im Streitpatent nicht so deutlich und vollständig offenbart ist, dass ein Fachmann sie

- unter Berücksichtigung des allgemeinen Fachwissens - ohne unzumutbaren Aufwand ausführen kann. Das Erfordernis einer ausreichenden Offenbarung (Artikel 83 EPÜ) ist demnach nicht erfüllt.

12. Demzufolge ist der Hauptantrag nicht gewährbar.

Hilfsanträge - Offenbarungsmangel

13. Ursprüngliche Einwände betreffend die Zulässigkeit der Hilfsanträge ins Verfahren sind seitens der Beschwerdegegnerinnen in der mündlichen Verhandlung nicht weiterverfolgt worden. Die Kammer sah sich ebenfalls nicht veranlasst, diese Anträge unberücksichtigt zu lassen.

14. Wie bereits im Bescheid der Kammer angesprochen, sind die laut den unabhängigen Ansprüchen 1 aller Hilfsanträge 1 bis 9 vorgenommenen Änderungen allerdings nicht dergestalt, dass dadurch die oben dargelegten Einwände betreffend die Ausführbarkeit ausgeräumt werden. Diese Meinung der Kammer wurde von der Beschwerdeführerin nach Empfang des Bescheids nicht bestritten.

14.1 In der Tat enthält der jeweilige Anspruch 1 aller Hilfsanträge stets eine Bezugnahme auf eine "Folie" oder "Folienverpackung" der Mittelportion, die wie in Anspruch 1 / Alternative (a) laut Hauptantrag definiert ist, wobei zudem mindestens eine Folie der "folienverpackten Mittelportion" "alkalistabil" sein muss.

Die weiteren, laut den Ansprüchen 1 der Hilfsanträge 1 bis 9 vorgenommenen Änderungen betreffen weder den Begriff "alkalistabil" noch die Definition / Eigenschaften der "Folie" bzw. "Folienverpackung" gemäß Merkmalgruppe (a).

14.2 Demzufolge treffen alle oben dargelegten Einwände mutatis mutandis auch auf die unabhängigen Ansprüche 1 der Hilfsanträge 1 bis 9 zu.

14.3 Folglich erfüllt auch keiner der Hilfsanträge 1 bis 9 das Offenbarungserfordernis laut Artikel 83 EPÜ.

15. Daher ist auch keiner der Hilfsanträge 1 bis 9 gewährbar.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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