T 2100/15 () of 29.5.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T210015.20190529
Datum der Entscheidung: 29 Mai 2019
Aktenzeichen: T 2100/15
Anmeldenummer: 09761318.6
IPC-Klasse: A01G 23/06
E02F 5/32
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: RODUNGSMESSER
Name des Anmelders: Neidlein, Hartmut
Name des Einsprechenden: Sieper, Wolfgang
Lehnhoff Hartstahl GmbH
Kammer: 3.2.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention Art 54(1)
European Patent Convention Art 56
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13
Schlagwörter: Änderungen - unzulässige Erweiterung (nein)
Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Spät eingereichte Hilfsanträge - Änderungen nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0002/10
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerden richten sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung vom 14. September 2015, nach der das europäische Patent

2 252 139 unter Berücksichtigung der vom Patentinhaber in Hilfsantrag 1 vorgenommenen Änderungen den Erfordernissen der Artikel 123(2), 83, 54(1) und 56 EPÜ genügt (Artikel 101 (3)a) EPÜ).

II. Zwei Einsprüche waren gegen die Erteilung des Patents eingelegt worden. Dabei war das gesamte Patent im Hinblick auf Artikel 100 a) i.V.m. 52(1) und 54(1) EPÜ (fehlende Neuheit), Artikel 100 a) i.V.m. 52(1) und 56 EPÜ (fehlende erfinderische Tätigkeit), Art. 100(b) i.V.m. Art. 83 EPÜ (unzureichende Offenbarung) und Artikel 100 c) i.V.m. 123(2) EPÜ (unzulässige Änderungen) angegriffen worden.

III. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung dass die genannten Einspruchgründen der Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang nicht entgegenstünden. Dabei hat sie folgende Dokumente berücksichtigt:

D4: US 2 934 108

E5: EP 0 161 169 B1

D6: US 2006/0248754 A1

D7: US 5 490 340

E8: EP 0 314 591 A1

E9: US 2 934 109

E11: US 2 966 180

E12: FR 2 615 354 A1.

IV. Die Beschwerde des Einsprechenden 1 ging am 24. November 2015 ein. Am selben Tag wurde die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung folgte am 25. Januar 2016.

Die Beschwerde der Einsprechenden 2 ging am 03. November 2015 ein. Am selben Tag wurde die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung folgte am 12. Januar 2016.

Der Patentinhaber versuchte, am 13. Juni 2016 eine "Anschlussbeschwerde" einzureichen, die aufgrund Nichtzahlung der Beschwerdegebühr gemäß Mitteilung vom 30. September 2016 als nicht eingelegt gilt (Artikel 108 EPÜ).

V. Mit Bescheid vom 27. Februar 2019 lud die Beschwerdekammer die Parteien zur mündlichen Verhandlung und teilte in einer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK vom 22. März 2019 den Parteien ihre vorläufige Auffassung mit.

Die mündliche Verhandlung fand am 29. Mai 2019 in Anwesenheit aller Verfahrensbeteiligter statt.

VI. Die Beschwerdeführer-Einsprechenden 1 und 2 beantragen die Aufhebung der Zwischenentscheidung und den vollständigen Widerruf des Patents.

Der Beschwerdegegner-Patentinhaber beantragt die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Form auf Basis des mit Schreiben vom 15. März 2019 als Hilfsantrag 1 eingereichten Anspruchssatzes, hilfsweise auf Basis des mit selbem Schreiben als Hilfsantrag 2 eingereichten Anspruchssatzes.

VII. Der dieser Entscheidung zugrunde liegende unabhängige Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 hat folgenden Wortlaut:

"Schweißadapter mit Rodungsmesser für Bagger mit einer Befestigungsvorrichtung für den Arm des Baggers an der Oberseite einer Schweißplatte (1), wobei das Rodungsmesser als Haken ausgebildet ist, der aus einem von der Unterseite der Schweißplatte (1) nach unten abstehenden Teil (2) und einem quer zu diesem verlaufenden Teil (3) besteht und der zumindest auf einer Seite über seine ganze Länge quer zur Hakenebene zu einer scharfen Messerkante (4) verjüngt ist, und wobei der Haken aus zwei Platten (2, 3) gebildet ist, von denen eine als Stichplatte bezeichnete Platte (2), die den nach unten abstehenden Teil bildet, mit einer Kante an der Unterseite der Schweißplatte (1) befestigt ist und eine als Schürfplatte bezeichnete Platte (3), die den quer zu dem nach unten abstehenden Teil verlaufenden Teil bildet, an der Unterkante der Stichplatte (2) quer zu dieser befestigt ist, wobei jeweils zumindest eine Kante von Stichplatte und Schürfplatte auf derselben Seite ganz zur Messerkante (4) verjüngt sind, dadurch gekennzeichnet, dass die Messerkante (4) der Schürfplatte (3) und die Linie, auf der die Schürfplatte (3) und Stichplatte (2) aneinander stoßen, Schenkel eines Winkels (beta) sind, der kleiner als 90° ist."

VIII. Die Beschwerdeführer-Einsprechenden 1 und 2 haben folgendes vorgetragen:

Der Gegenstand des Anspruchs 1 gehe hinsichtlich der Verwendung des Begriffs "Rodungsmesser" und aufgrund der Kombination der ursprünglichen Ansprüche 1, 2 und 10 über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus (Artikel 123(2) EPÜ). Er sei nicht neu gegenüber der Offenbarung der D7 und E8 (Artikel 54(1), (2) EPÜ) und beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit ausgehend von E8 sowie allgemeinem Fachwissen (Artikel 56 EPÜ).

IX. Der Beschwerdegegner-Patentinhaber hat folgendes vorgetragen:

Der Begriff "Rodungsmesser" gehe unter anderem aus dem Titel aber auch aus einer konsistenten Auslegung der Ansprüche 1 und 17 der ursprünglichen Anmeldung unmittelbar und eindeutig hervor. Keine der Entgegenhaltungen offenbare ein aus Platten als Haken an der Unterseite einer Schweißplatte ausgebildetes Rodungsmesser oder lege dieses nahe.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerden sind zulässig (Artikel 108 EPÜ).

2. Zulassung der Hilfsanträge 1 und 2

Die mit Schreiben vom 15. März 2019 eingereichten Hilfsanträge 1 und 2 des Beschwerdegegners-Patentinhabers werden gemäß Artikel 13(1) VOBK zum Verfahren zugelassen, da sie lediglich eine angemessene Reaktion auf in der Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK und in den Beschwerdebegründungen angesprochene Probleme darstellen. Sie sind prima facie auch geeignet, diese zu beheben, und so zum Verfahrensfortschritt beizutragen.

Die Beschwerdeführer-Einsprechenden haben keine Einwände gegen die Zulassung der betreffenden Hilfsanträge erhoben.

3. Hilfsantrag 1: unzulässige Erweiterung

Der Gegenstand des Anspruchs 1 geht nicht über den Inhalt der Anmeldung in ihrer ursprünglichen Fassung hinaus (Artikel 123(2) EPÜ).

Wie nachfolgend im einzelnen erörtert, kann er den Ansprüchen 1, 2 und 10 in Zusammenschau mit der Beschreibung der Offenlegungsschrift ohne weiteres entnommen werden.

3.1 Die Beschwerdeführer-Einsprechenden bestreiten, dass sich ein Schweißadapter mit Rodungsmesser, das als Haken an der Unterseite einer Schweißplatte ausgebildet ist, der ursprünglichen Offenbarung entnehmen lässt. Nach dieser sei zum einen der Erfindungsgegenstand entweder als Schweißadapter (Anspruch 1) oder alternativ als Rodungsmesser (erste Zeile/Überschrift der Beschreibung) bezeichnet, keinesfalls aber das Rodungsmesser als mit dem Schweißadapter fest verbundenes Teil dargestellt. Zum anderen sei der Begriff Rodungsmesser außer im Titel nirgendwo sonst in der ursprünglichen Beschreibung erwähnt, also auch in keinerlei Zusammenhang mit dem Haken.

3.2 Aus der Definition des Begriffs "Schweißadapter" auf Seite 1, vierter Absatz der Offenlegungsschrift ergibt sich, dass es sich hierbei um eine (Schweiß-)Platte mit einer Befestigungsvorrichtung auf ihrer Oberseite handelt, wobei an ihrer Unterseite "beliebige Vorrichtungen angeschweißt werden" können. Dies steht widerspruchsfrei in Einklang mit den in Anspruch 1 verwendeten Formulierungen.

3.3 Was den Haken betrifft, so ist dieser in der ursprünglichen Offenbarung zunächst durchgehend mit dem Begriff "Messer" bzw. "Messerkante" assoziiert (Beschreibung Seite 1, fünfter Absatz; Seite 2, erster, dritter, vierter Absatz; Seite 3, dritter bis sechster Absatz; Seite 4, erster, zweiter, vierter Absatz; Seite 5, zweiter Absatz; Ansprüche 1 bis 4, 8 bis 12 und 16). Das einzige Messer, das in der ursprünglichen Beschreibung spezifiziert ist, ist ein Rodungsmesser (Überschrift). Alleiniger Zweck des Anmeldungsgegenstandes ist das Fällen von Bäumen und das Entfernen derer Wurzelstöcke (Beschreibung Seite 1, erster, dritter Absatz; Seite 2, zweiter Absatz; Seite 3, erster, dritter bis fünfter Absatz; Seite 4, zweiter Absatz), gemeinhin als "Roden" bekannt. Es dürfte somit für den Fachmann nach Lektüre der ursprünglich eingereichten Anmeldung ohne Zweifel feststehen, dass der Haken nicht nur allgemein ein Messer, sondern insbesondere ein Rodungsmesser bildet.

3.4 Der Beschwerdegegner-Patentinhaber weist auch auf den ursprünglichen Anspruch 17 als Offenbarungsgrundlage hin, der ein Verfahren zur Beseitigung von Wurzelstöcken - mithin zum Roden - unter Verwendung eines an einem Schweißadapter befestigten Messers definiert. Die Kammer stimmt mit dem Beschwerdegegner-Patentinhaber darin überein, dass das dort erwähnte Messer zum Roden nichts anderes als ein Rodungsmesser sein kann. Dass dieses Rodungsmesser als Haken ausgebildet ist, wird ferner durch die Tatsache bekräftigt, dass sowohl Messer (Anspruch 17), als auch Haken (Anspruch 1) gleichermaßen am Schweißadapter (bzw. an Schweißplatte plus Befestigungsvorrichtung, siehe oben Punkt 9.2) als "Vorrichtung" befestigt sind.

3.5 Der Einwand des Beschwerdeführers-Einsprechenden 1, der ursprüngliche Verfahrensanspruch 17 könne nicht als Offenbarungsgrundlage für den Gegenstand des Anspruchs 1 dienen, weil er nicht auf den ursprünglichen Vorrichtungsanspruch 1 rückbezogen sei und eine zweite, zu der ersten uneinheitliche Erfindung definieren könnte, ist in der Sache nicht überzeugend. Maßgeblich ist, was der Fachmann der Gesamtheit der Anmeldeunterlagen in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung unmittelbar und eindeutig entnehmen kann (G2/10, OJ 2012, 376). Der ursprüngliche Anspruch 17 mag zwar auf ein Verfahren gerichtet sein, verwendet jedoch Begriffszuordnungen von Schweißadapter und (Rodungs)Messer, die denen in den übrigen ursprünglichen Anmeldeunterlagen entsprechen, und bestätigt diese somit.

3.6 Die Beschwerdeführerin-Einsprechende 2 macht ferner geltend, die Merkmalskombination des Anspruchs 1 sei nicht ursprünglich offenbart, weil sie neben den ursprünglichen Ansprüchen 1 und 2 auch den ursprünglichen Anspruch 10 einbezieht, der jedoch auf "Anspruch 2 bis 9" rückbezogen ist. Demnach stelle die Kombination der ursprünglichen Ansprüche 1, 2 und 10 ohne die zusätzlichen Merkmale der Ansprüche 3 bis 9 eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung dar.

3.7 Die Rückbezüge der ursprünglichen Ansprüche ("nach Anspruch 1, 2", "nach Anspruch 1 bis 3" usw.) erscheinen der Kammer in der Tat unkonventionell und etwas unlogisch.

So heißt es in einigen Ansprüchen "nach Anspruch 1 bis x", in anderen wieder "nach Anspruch 2 bis x" obwohl Anspruch 2 von Anspruch 1 abhängt.

Der Rückbezug "nach Anspruch 2 bis x" ist auch nicht durchgängig für alle ursprünglichen Ansprüche verwendet worden, die Bezug auf die Stich- oder Schürfplatte des ursprünglichen Anspruchs 2 nehmen, insbesondere nicht für die Ansprüche 4, 15 und 16.

Die Rückbezüge der ursprünglichen Ansprüche erlauben somit nach Ansicht der Kammer keinen verlässlichen Rückschluss darauf, dass der Fachmann die Merkmale der ursprünglichen Ansprüche 1 bis 10 als untrennbar miteinander verknüpft ansieht.

3.8 Im Gegenteil deutet der dem ursprünglichen Anspruch 10 zuzuordnende fünfte Absatz auf Seite 3 der Offenlegungsschrift in Zusammenhang gelesen eher darauf hin, dass diese Merkmale als unabhängig betrachtet werden können. Sie werden lediglich als weiterhin "besonders vorteilhaft" beschrieben, wobei kein enger Zusammenhang ersichtlich ist mit den Merkmalen, die in den vorhergehenden Absätzen beschrieben werden und jeweils einem der ursprünglichen Ansprüche 3 bis 9 zuzuordnen sind.

Es ist auch weder objektiv eine baulich oder funktionell notwendige Verknüpfung der Merkmale des ursprünglichen Anspruchs 10 mit denen der ursprünglichen Ansprüche 3 bis 9 ersichtlich, noch hat die Beschwerdeführerin-Einsprechende 2 eine solche dargelegt.

3.9 Der Beschwerdeführer-Einsprechende 1 stellt darauf ab, dass der Wortlaut des oben genannten fünften Absatzes auf Seite 3 nicht mit dem des Anspruchs 1 übereinstimmt, und er deshalb keine unmittelbare und eindeutige Offenbarungsgrundlage wäre: Während der fünfte Absatz von einem Winkel beta zwischen Messerkante der Schürfplatte und Ebene der Stichplatte spricht, ist der Winkel beta nach Anspruch 1 durch Messerkante der Schürfplatte und Stoßlinie von Stich- und Schürfplatte bestimmt.

3.10 Abgesehen davon, dass beide Winkel beta in der Praxis gleich groß ausfallen, bildet nach Ansicht der Kammer natürlich der Wortlaut des ursprünglichen Anspruchs 10 die Grundlage für den gleichlautenden Wortlaut des Anspruchs 1. Der fünfte Absatz auf Seite 3 der Offenlegungsschrift, der in seiner letzten Zeile explizit auf Anspruch 10 verweist, rechtfertigt lediglich die Kombination der Merkmale dieses Anspruchs 10 mit denen der ursprünglichen Ansprüche 1 und 2.

4. Hilfsantrag 1: Neuheit

Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist neu im Sinne von Artikel 54(1), (2) EPÜ, da keines der von den Beschwerdeführern-Einsprechenden für den Hilfsantrag 1 zur Neuheit angezogenen Dokumente E5, D4, E9, D6, E8 und D7 die anspruchsgemäße Befestigungsanordnung von Stich-, Schweiß- und Schürfplatte zeigt, bei der die Stichplatte mit einer Kante an der Unterseite der Schweißplatte befestigt ist, und an der Unterkante der Stichplatte die Schürfplatte quer zu dieser befestigt ist.

4.1 Die Unterseite einer Platte ist dabei in üblichem Sprachgebrauch eine der großflächigen Seiten der Platte. Insbesondere ist sie die gegenüberliegende Seite der die Befestigungsvorrichtung tragenden Oberseite.

Eine Kante ist zwar normalerweise durch den linearen Zusammenstoß zweier Flächen gebildet - in Anspruch 1, der Beschreibung und Figuren des Patents bezeichnet der Begriff "Kante" aber offensichtlich eine Schmalseite einer Platte. Denn zum einen versteht der Fachmann, dass die Stichplatte schwerlich nur mit einer linearen Kante an der Schweißplatte so stabil befestigt werden kann, dass sie beim Roden auftretenden Kräften standhält. Zum anderen ist anspruchsgemäß die Schürfplatte an der Unterkante, also der einzigen Unterkante, der Stichplatte befestigt, die nur eine einzige untere Schmalseite hat, hingegen zwei lineare Unterkanten im herkömmlichen Sinn.

Des weiteren ergibt sich aus dem Wortlaut des Anspruchs 1 eindeutig, dass die Schweißplatte mit einer Kante, also mit einer ihrer Kanten bzw. Schmalseiten, an der Unterseite der Schweißplatte befestigt ist, nicht - wie die Beschwerdeführerin-Einsprechende 2 liest - an einer Kante (an) der Unterseite der Schweißplatte, also an einer linearen Unterkante der Schweißplatte.

Aus weiteren Merkmalen des Anspruchs 1 (nach unten abstehend; Schürfplatte...an der Unterkante der Stichplatte...befestigt) ergibt sich ferner, dass diese Kante der Stichplatte deren Oberkante bzw. obere Schmalseite ist.

4.2 Beim in D7, Fig. 1 gezeigten Schweißadapter 9 sind die Stichplatten 11, 12 mit ihren Innenseiten an einer Schmalseite bzw. "Kante" einer Art Schweißplatte 23 befestigt (Spalte 3, Zeilen 37 bis 60) - also fast umgekehrt wie in der Anordnung nach Anspruch 1.

Die Beschwerdeführer-Einsprechenden argumentieren, die Stichplatte 11, 12 sei mit der Schweißplatte 23 an einer deren Kanten im Sinn von Schmalseiten verschweißt, mithin auch an der linearen, an deren Unterseite befindlichen Kante und somit generell an deren Unterseite.

Das mag durchaus so sein, ist aber nicht relevant für die Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1, der eine andere Befestigungsanordnung von Stichplatte und Schweißplatte fordert (siehe oben Punkt 4.1).

4.3 E8 zeigt in Fig. 1 eine der D7 ähnliche Befestigungsanordnung von einer Stichplatte (montant) 8, deren oberer Teil (partie supérieure) 10 mit einer zweiarmigen Befestigungsvorrichtung (moyens de raccordement) 3 verbunden ist (Spalte 3, Zeilen 38 - 42). Die Befestigungsvorrichtung weist eine zwischen ihren Armen quer verlaufende Platte auf, die als Schweißplatte angesehen werden kann. Diese Anordnung unterscheidet sich somit vom Gegenstand des Anspruchs 1 ebenfalls hinsichtlich der Befestigung der Stichplatte an der Unterseite einer Schweißplatte.

Ein weiterer Unterschied zur Offenbarung der E8 besteht im Winkel beta zwischen der Messerkante 22 der Schürfplatte 15 und der Stoßlinie von Stichplatte 8 und Schürfplatte 15: Dieser ist nach Fig. 2 der E8 größer als 90°.

Die Beschwerdeführer-Einsprechenden sehen den Winkel beta in Anspruch 1 als nicht "richtungseingeschränkt" und deshalb jeden Winkel außer 90° als von Anspruch 1 umfasst an.

Dem kann sich die Kammer jedoch nicht anschließen.

Die in Anspruch 1 zur Winkeldefinition herangezogene Stoßlinie zwischen Stichplatte und Schürfplatte ist eine auf der Schürfplatte liegende Linie von begrenzter Länge. Somit ist der Winkel beta der tatsächliche zwischen Stichplatte und Messerkante eingeschlossene Winkel, nicht sein kongruenter Gegenwinkel. Dies wird durch das in Anspruch 9 definierte Ausführungsbeispiel, das mit seiner abgewinkelten Messerkante am ehesten dem der E8 entspricht, noch einmal verdeutlicht: Die Messerkante läuft wie bei E8 zunächst von der Stichplatte im Winkel von 90° weg und knickt dann ab - nach Anspruch 9 so, dass ihr Winkel zur Stichplatte (2) kleiner wird, nach E8 so, dass ihr Winkel zur Stichplatte (8) größer wird (siehe auch die entsprechende Beschreibung in Spalte 4, Zeilen 6-8: "..les bords latéraux 22 de la découpe 17 vont s'évasasant de l'intérieur vers l'extérieur").

4.4 Den Entgegenhaltungen E5, E9 und D4 ist gemeinsam, dass die in ihnen als Stichplatten identifizierten Elemente (E5, Fig. 1, 2: 16+1; E9, Fig. 1, 8: 40; D4, Fig. 1, 5: 24) wie bei D7 und E8 mit einer ihrer Seiten befestigt sind, nicht mir ihrer oberen Kante bzw. oberen Schmalseite. Insofern gelten hier die oben unter Punkt 4.2 für D7 gemachten Ausführungen muatis mutandis.

4.5 Auch der in Fig. 16, 17 der D6 gezeigte und in Absatz 39 beschriebene Schweißadapter vermag aufgrund seiner Anordnung von Stichplatte ("stinger plate mount 9"; "wedge" oder "stinger blade 7"), Schürfplatte ("blade backplate 11";"shearing blade 4") und Schweißplatte ("housing front plate 54") die Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 nicht vorwegzunehmen.

Selbst wenn die Vorderseite der Schweißplatte (housing front plate) 54 als Unterseite betrachtet wird, an der die Stichplatte 9+7 mit ihrer kurzen Oberkante befestigt ist, ist dann aber die Schürfplatte 11+3 nicht an deren gegenüberliegender kurzen Unterkante befestigt, sondern an deren angrenzender langer Seitenkante.

5. Hilfsantrag 1: erfinderische Tätigkeit

Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht ausgehend von dem Schweißadapter der E8, den die Beschwerdeführer-Einsprechende als nächsten Stand der Technik herangezogen haben, auf erfinderischer Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ. Insbesondere offenbaren keine der Entgegenhaltungen E5, D4, E9, D6, D7, E11 oder E12 die Befestigung einer Stichplatte mit einer Kante an der Unterseite einer Schweißplatte. Dieses Merkmal sieht die Kammer auch nicht als an sich naheliegend an, wie sie im folgenden im Einzeln darlegt.

5.1 Der Beschwerdeführer-Einsprechende 1 trägt vor, um vom Schweißadapter der E8 zu dem nach Anspruch 1 zu gelangen, müssten lediglich die beiden Arme der Befestigungsvorrichtung 3 bzw. Stichplatte 8 auf Höhe der quer verlaufenden Platte unterbrochen sowie dann paarweise wieder auf der Ober- und Unterseite der Platte verschweißt werden. Dies sei für den Fachmann eine naheliegende alternative Herstellungsweise für den Schweißadapter 1 der E8.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die beiden Arme auf Höhe und in Richtung der quer verlaufenden Platte mit Vorsprüngen verstärkt zu sein scheinen, die eine sichere Aufnahme der Platte zwischen ihnen gewährleisten (siehe Fig. 1, unmittelbar rechts von der Querplatte). Bei der vom Beschwerdeführer-Einsprechenden 1 vorgeschlagenen Variante müssten die Arme nicht nur durchtrennt, sondern auch in ihrer komplexen Geometrie derart verändert werden, dass die verstärkten Vorsprünge in Richtung der Platte nach unten statt nach innen weisen. Dies scheint der Kammer sehr aufwändig für das Resultat dieser bezüglich Scherkräften weniger stabilen Variante. Weder hat der Beschwerdeführer-Einsprechende 1 dazu vorgetragen, noch ist für die Kammer ersichtlich, was den Fachmann zu einer solchen Umkonstruktion veranlassen könnte.

5.2 Die Beschwerdeführerin-Einsprechende 2 kombiniert den Schweißadapter der E8 mit dem der D6 und möchte insbesondere die Schweißplatte (housing front plate) 54 der D6 im Schweißadapter der E8 vorsehen.

Der Kammer erscheint dies aufgrund des völlig unterschiedlichen Konzepts der D6 (siehe oben Punkt 4.5) konkret unmöglich. Bei einer solchen Kombination könnte die Frontseite der Frontplatte 54 nicht mehr als Unterseite interpretiert werden, weil sowohl bei der Darstellung des Schweißadapters in Fig. 1 der E8 wie auch bei der in Fig. 16, 17 der D6 die Befestigungsvorrichtung als Bezugspunkt gleichermaßen "oben" gezeigt ist. Folglich wäre die Frontplatte 54 bei einer Übertragung auf den Schweißadapter der E8 auch frontal anzuordnen und könnte somit gar nicht die quer verlaufende Schweißplatte der E8 ersetzen.

5.3 Auch die von der Beschwerdeführerin-Einsprechenden 2 angeführte Kombination der E8 mit der E9 scheint der Kammer bereits aufgrund der sehr unterschiedlichen, offensichtlich nicht für einen Baggerarm standardisierten Rodungsvorrichtung der E9 nicht auf der Hand zu liegen.

Der Beschwerdeführer-Einsprechende 2 destilliert aus der E9 die Lehre, die Stichplatte bis zu Anlenkung hoch zu führen. Angewandt als bekannte Alternative auf den Schweißadapter der E8, wäre die Stichplatte 8 nicht in zwei Arme zu gabeln, sondern einteilig bis zur Schweißplatte zu führen, an deren Unterseite sie dann konsequenterweise mit ihrer Oberkante zu befestigen wäre.

Aus ähnlichen Gründen wie oben unter Punkt 5.1 hält die Kammer dies weder für fachmännisches, noch für naheliegendes Handeln. Vielmehr erscheint bereits die Lehre aus der E9 in rückschauender Betrachtung in Kenntnis der Erfindung gezogen zu sein.

5.4 Ein weiterer Angriff der Beschwerdeführer-Einsprechenden geht von einem handelsüblichen Schweißadapter aus, wie er in Absatz 10 der Patentschrift beschrieben (siehe oben Punkt 3.2) und unstrittig bekannt ist. Es würde dann auf der Hand liegen, ein Rodungsmesser an der Unterseite von dessen Schweißplatte anzuschweißen.

Diese Vorgehensweise führt aber nicht unmittelbar zum Gegenstand des Anspruchs 1. Denn keine der genannten Entgegenhaltungen offenbart ein hakenförmiges Rodungsmesser mit den Merkmalen des Anspruchs 1, das zur Befestigung an der Unterseite einer Schweißplatte ausgebildet ist. Aus Sicht der Kammer lassen sich die dort offenbarten alternativen Befestigungen und Adapter (siehe oben) nicht einfach zu einer solchen anspruchsgemäßen Befestigung umgestalten.

6. Da auch die Beschreibung an die Ansprüche des Hilfsantrags 1 angepasst worden ist, stellt die Kammer abschließend fest, dass unter Berücksichtigung der vom Patentinhaber in Hilfsantrag 1 vorgenommenen Änderungen das europäische Patent 2 252 139 den Erfordernissen des EPÜ genügt.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent in geändertem Umfang mit folgender Fassung aufrechtzuerhalten:

Ansprüche:

1-10 des Hilfsantrags 1 wie mit Schriftsatz vom 15. März 2019 eingereicht;

Beschreibung:

Seiten 2-4 wie in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer überreicht;

Zeichnungen:

Figuren 1-3 der veröffentlichten Patentschrift.

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