European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2020:T208815.20200922 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 22 September 2020 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 2088/15 | ||||||||
Anmeldenummer: | 08871630.3 | ||||||||
IPC-Klasse: | G06K9/00 G08B13/196 H04N7/18 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | MASKIERUNGSMODUL FÜR EIN VIDEOÜBERWACHUNGSSYSTEM, VERFAHREN ZUR MASKIERUNG VON SELEKTIERTEN OBJEKTEN SOWIE COMPUTERPROGRAMM | ||||||||
Name des Anmelders: | Robert Bosch GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.4.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit - Aufgabe-Lösungs-Ansatz Erfinderische Tätigkeit - naheliegende Alternative |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Patentanmelderin richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die europäische Patentanmeldung 08 871 630 zurückzuweisen.
II. In der angefochtenen Entscheidung vertrat die Prüfungsabteilung die Auffassung, dass der Gegenstand des jeweiligen Anspruchs 1 der zum Entscheidungszeitpunkt gültigen Anträge (Hauptantrag und Hilfsanträge 1 bis 3) im Sinne von Artikel 56 EPÜ nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe, ausgehend von der Druckschrift:
D5: JP-A-2007-243509,
in Kombination mit:
D6: JP-A-2005 286468 oder
D7: US-A-2005/180595.
Darüber hinaus sei der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 nicht klar im Sinne von Artikel 84 EPÜ, weil die im Hinblick auf Anspruch 1 des Hauptantrags hinzugefügten Merkmale sich auf den Verlauf von zeitlich aufeinanderfolgenden Verfahrensschritten bezögen, obwohl der Anspruch auf einen Gegenstand gerichtet sei.
III. Die Beschwerdeführerin beantragt die Erteilung eines Patents unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung auf Basis des der Prüfungsabteilung vorliegenden Hauptantrags, oder der Hilfsanträge 1 bis 3, auf Basis des mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsantrags 4 oder auf Basis des am 16. September 2020 eingereichten Hilfsantrags 5
IV. In einer Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 15(1) VOBK 2007 wurde die Beschwerdeführerin über die vorläufige Auffassung der Kammer unterrichtet, was den Hauptantrag und die Hilfsanträge 1 bis 4 betraf.
Auf die besondere Relevanz von D5 wurde hingewiesen. Im Gegensatz zu D5 würden gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags nur die bewegten Objekte in einem Teilbereich des Überwachungsbereiches maskiert ausgegeben; das zur Maskierung definierte Gebiet stehe daher noch für eine Überwachung zur Verfügung. Somit würden mittels des Maskierungsmoduls alle Bereiche eines Überwachungsbereiches ausgegeben. Der Schutz der Privatsphäre, wie sie in der D5 gewährleistet werde, bleibe dabei erhalten.
Im Hinblick auf diese Überlegungen schloss sich die Kammer der Auffassung der Beschwerdeführerin an, dass die Erfindung sich mit der Aufgabe befasse, "die Überwachung unter Gewährleistung des Privatsphärenschutzes zu verbessern". Die Kammer äußerte jedoch Zweifel, ob diese Aufgabe überhaupt eine technische sei.
Darüber hinaus ergebe sich nach Auffassung der Kammer der beanspruchte Gegenstand in naheliegender Weise aus einer Kombination von D5 und D6 oder von D5 und D7.
Im Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsanträgen 1 bis 3 sei ebenfalls keine erfinderische Tätigkeit erkennbar. Dem zusätzlichen Merkmal in Anspruch 1 des Hilfsantrags 4, wonach die Demaskierungseinrichtung zusätzlich die "Demaskierung von maskierten Objekten anhand des Objektverhaltens des maskierten Objekts durchführt", sei keine eindeutige Bedeutung entnehmbar (Artikel 84 EPÜ).
V. Mit ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Kammer überreichte die Beschwerdeführerin obgenannten Hilfsantrag 5 und teilte mit, dass sie nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen werde.
Der vorläufigen Auffassung der Beschwerdekammer konnte sich die Beschwerdeführerin nicht anschließen und sie trug weitere Argumente zur erfinderischen Tätigkeit vor. Um zur Lösung gemäß dem Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags zu gelangen müsste die Fachperson "hinaus die Lösung der D5 (Teilbereich) mit der Lösung der D6 (Objekte) abändern, sprich Objekte nur in einem Teilbereich zu mas[k]ieren, und zusätzlich die Maskierung dann noch auf bewegte Objekte begrenzen". Dies setze "ein hohes Maß an Weiterüberlegungen voraus, die nicht naheliegend" seien. Dies gelte ebenfalls für den Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsanträgen 1 bis 4, der ausgehend von D5 eine Vielzahl an Schritten verlangte.
Was die Zulässigkeit des neuen Hilfsantrags 5 betreffe, wies die Beschwerdeführerin auf die erstmals in der Mitteilung der Kammer geäußerten Bedenken bezüglich Artikel 84 EPÜ zu Hilfsantrag 4 hin. In Reaktion auf diese Bedenken sei der Hauptanspruch durch eine zusätzliche Formulierung ergänzt worden, die detailliert zum Ausdruck bringe, unter welcher Bedingung die Maskierung aufgehoben werde.
VI. Die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer wurde abgesagt.
VII. Der unabhängige Anspruch 1 des Hauptantrags lautet:
Maskierungsmodul (4) für ein Überwachungssystem (1), wobei das Überwachungssystem (1) mindestens eine Überwachungskamera (2) aufweist und zur Beobachtung von Überwachungsbereichen mit bewegten Objekten (14, 16) geeignet und/oder angeordnet ist,
mit einer Auswahleinrichtung zur Auswahl von Objekten als Auswahlobjekte (16),
wobei das Maskierungsmodul (4) ausgebildet ist, die Auswahlobjekte (16) oder Teilbereiche davon - nachfolgend zusammenfassend als Auswahlobjekte (16) bezeichnet - maskiert auszugeben,
dadurch gekennzeichnet, dass
das Maskierungsmodul (4) ausgebildet ist, die Maskierung auf bewegte Objekte (16) in mindestens einem selektierten, räumlichen Teilbereich (15, 18) des Überwachungsbereichs zu begrenzen.
VIII. Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 unterscheidet sich im Wesentlichen von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag, indem er das zusätzliche Merkmal enthält,
dass das Maskierungsmodul eine Modelleinrichtung, welche ein 3D-Modell der Überwachungsszene umfasst, wobei das den selektierten Teilbereich bildende mindestens eine 3D-Objekt aus dem 3D-Modell selektierbar ist, umfasst.
IX. Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 enthält gegenüber Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 die folgenden zusätzlichen Merkmale:
- eine Maskierungseinrichtung ausgebildet ist, zunächst alle Objekte in dem beobachteten Überwachungsbereich zu maskieren,
- eine Demaskierungseinrichtung ausgebildet ist, die Maskierung der maskierten Objekte aufzuheben, die nicht zu den Auswahlobjekten gehören.
X. Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 ist auf ein Verfahren gerichtet. Er lautet:
Verfahren zur Maskierung von bewegten Objekten in einem Videoüberwachungsbereich unter Verwendung eines Maskierungsmoduls (4) für ein Überwachungssystem (1), wobei das Überwachungssystem (1) mindestens eine Überwachungskamera (2) aufweist und zur Beobachtung von Überwachungsbereichen mit bewegten Objekten (14, 16) geeignet und/oder angeordnet ist,
wobei eine Auswahleinrichtung Objekte als Auswahlobjekte (16) auswählt,
wobei das Maskierungsmodul (4) die Auswahlobjekte (16) oder Teilbereiche davon - nachfolgend zusammenfassend als Auswahlobjekte (16) bezeichnet - maskiert ausgibt,
dadurch gekennzeichnet, dass
das Maskierungsmodul (4) die Maskierung auf bewegte Objekte (16) in mindestens einem selektierten, räumlichen Teilbereich (15, 18) des Überwachungsbereichs, welcher einen Unterbereich des Überwachungsbereichs bildet, begrenzt,
wobei eine Modelleinrichtung (7) ein 3D-Modell der Überwachungsszene umfasst, wobei das den selektierten Teilbereich (15, 18) bildende mindestens eine 3D-Objekt aus dem 3D-Modell selektierbar ist,
wobei eine Maskierungseinrichtung (8) zunächst alle Objekte (14, 16) in dem beobachteten Überwachungsbereich maskiert, wobei eine Demaskierungseinrichtung (9) die Maskierung der maskierten Objekte aufhebt, die nicht zu den Auswahlobjekten (16) gehören.
XI. Das Verfahren des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 4 enthält das weitere Merkmal,
dass die Demaskierungseinrichtung zusätzlich die Demaskierung von maskierten Objekten anhand des Objektverhaltens des maskierten Objekts durchführt.
XII. Das Verfahren des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 5 unterscheidet sich vom Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4, indem er das zusätzliche Merkmal enthält,
dass die Demaskierungseinrichtung (9) zusätzlich die Demaskierung von maskierten Objekten anhand des Objektverhaltens des maskierten Objekts derart durchführt, dass die Maskierung aufgehoben wird, falls das Objektverhalten einen vorgegebenen Verhaltensmuster entspricht.
Entscheidungsgründe
Hauptantrag
1. Die Prüfungsabteilung ist in ihrer Entscheidung im Hinblick auf Artikel 56 EPÜ von Dokument D5 ausgegangen. Die Auswahl dieses Ausgangspunkts für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ist von der Beschwerdeführerin nicht bestritten worden. Die Kammer sieht auch keinen Grund, diesen Aspekt der Entscheidung in Frage zu stellen.
2. D5 offenbart ein Maskierungsmodul für ein Überwachungssystem, wobei das Überwachungssystem eine Überwachungskamera aufweist und zur Beobachtung von Überwachungsbereichen mit bewegten Objekten geeignet und angeordnet ist (siehe Absatz [0018]). Das Überwachungssystem ist mit einer Auswahleinrichtung zur Auswahl von Objekten als Auswahlobjekten ausgerüstet (siehe Absätze [0013], [0018], [0027]). Das Maskierungsmodul ist dazu ausgebildet, Teilbereiche im Überwachungsbereich maskiert auszugeben. Das Maskierungsmodul ist zudem so ausgebildet, dass die Maskierung von bewegten Objekten tatsächlich auf den selektierten, räumlichen, zu maskierenden Teilbereich des Überwachungsbereichs begrenzt ist (siehe Absatz [0013]).
3. Im Gegensatz zu D5 werden anspruchsgemäß nur die bewegten Objekte in einem Teilbereich des Überwachungsbereiches maskiert ausgegeben; das zur Maskierung definierte Gebiet steht nämlich noch für eine Überwachung zur Verfügung.
4. Somit werden mittels des beanspruchten Maskierungsmoduls des Anspruchs 1 alle Bereiche eines Überwachungsbereiches ausgegeben. Der Schutz der Privatsphäre, wie sie in der D5 gewährleistet wird, bleibt dabei erhalten.
5. Im Hinblick auf diese Überlegungen schließt sich die Kammer der Auffassung der Beschwerdeführerin an, dass die zu lösende Aufgabe darin besteht, "die Überwachung unter Gewährleistung des Privatsphärenschutzes zu verbessern".
6. Ausgehend von dieser Definition der zu lösenden Aufgabe ist die weitere Argumentation der Beschwerdeführerin, wonach die D5 selbst eine Lösung zur Gewährleistung der Privatsphäre offenbare, der Fachperson aber keine Hinweise gebe, dass dies verbessert werden müsste, nicht überzeugend. Die objektive Aufgabe besteht nämlich, wie von der Beschwerdeführerin selbst erkannt, in erster Linie in der Verbesserung der Überwachung im Sinne eines erweiterten Überwachungsbereiches und nicht in der Verbesserung des Schutzes der Privatsphäre. Der Schutz der Privatsphäre ist in D5 tatsächlich schon gewährleistet und wird durch die Erfindung nicht weiter verbessert.
7. Auf der Suche nach einer Lösung zur Verbesserung der Überwachung im Sinne eines erweiterten Überwachungsbereiches würde die Fachperson auf D6 stoßen und erkennen, welche Vorteile eine Einschränkung der Maskierung auf ausgewählte bewegte Objekte bieten würde (siehe D6, [0008], [0010] bis [0014]).
8. Die Auffassung der Prüfungsabteilung, wonach der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags sich in naheliegender Weise aus einer Kombination der D5 und D6 ergibt, ist dementsprechend überzeugend.
9. Der Standpunkt der Beschwerdeführerin, wonach bei einer Kombination der Lehren der D5 mit jenen der D6 die Fachperson vorsehen würde, in bestimmten Bereichen alles zu maskieren (D5) und in anderen lediglich bestimmte Objekte (D6), kann demgegenüber nicht überzeugen, da er der eigentlichen Lehre der D5 widerspricht. Es ist nämlich ein wesentliches Merkmal der Erfindung gemäß D5, dass Objekte, die sich im eigentlichen nicht-maskierten Überwachungsbereich befinden, nicht maskiert ausgegeben werden, obwohl sie sich im 2-dimensionalen Kamerabild mit dem maskierten Teilbereich überlappen (vgl. D5, Zusammenfassung, Absatz [0004]). Der Aufgabe-Lösungs-Ansatz verbietet es, dass die Fachperson den der Analyse zugrundegelegten Stand der Technik entgegen seiner Funktion modifizieren müsste (siehe auch Rechtsprechung der Beschwerdekammern, I.D.6, mit Hinweis auf Entscheidung T 2201/10).
10. Im Hinblick auf die Lehre der D5 würde die Fachperson auf der Suche nach einer Lösung der objektiven Aufgabe auf die Vorteile einer vollständigen Offenbarung des ersten räumlichen Teilbereichs im Sinne der D5 nicht verzichten. Der D6 würde sie entnehmen, dass Kenntnisse über den Überwachungsbereich wie z.B. dessen räumlichen Aufbau erworben werden können, wenn lediglich bestimmte Objekte maskiert werden. Diese Lehre würde sie im Sinne der objektiven Aufgabe auf den maskierten Teilbereich der D5 übertragen.
11. Im Hinblick auf die Notwendigkeit sowohl im Sinne der D5 als auch der Erfindung, den Schutz der Privatsphäre von Personen zu gewährleisten, würde sie sich ein Kriterium aussuchen, das die Identifizierung von Personen zum Zwecke deren Maskierung ermöglicht. Dieses Kriterium wird sie jedoch schon D6 entnehmen, in dem Personen als bewegte Objekte identifiziert werden (vgl. Absatz [0011]).
12. Aufgrund einer analogen Analyse erscheint der beanspruchte Gegenstand auch nicht erfinderisch im Hinblick auf eine Kombination der D5 und D7 (siehe D7, Zusammenfassung, Absätze [0047], [0057]). In diesem Zusammenhang ist auch zu unterstreichen, dass D7 die Identifizierung von Personen ebenfalls auf der Grundlage ihrer Bewegungen vornimmt (vgl. Absätze [0001], [0031]).
13. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag ergibt sich somit in naheliegender weise aus dem Stand der Technik. Er ist nicht erfinderisch im Sinne des Artikels 56 EPÜ.
14. Das gleiche gilt für die Gegenstände der unabhängigen Ansprüche 11 und 12, die ebenfalls nicht erfinderisch im Sinne des Artikels 56 EPÜ sind.
Hilfsantrag 1
15. Anspruch 1 enthält das zusätzliche Merkmal, dass das Maskierungsmodul eine Modelleinrichtung, welche ein 3D-Modell der Überwachungsszene umfasst, wobei das den selektierten Teilbereich bildende mindestens eine 3D-Objekt aus dem 3D-Modell selektierbar ist, umfasst.
16. Im Gegensatz zur Auffassung der Beschwerdeführerin geht das Verfahren der D5 über eine einfache Segmentierung der Umgebungsbilder hinaus.
17. Ob ein bewegtes Objekt demaskiert wird, hängt in D5 von seiner Position ab. Diese Position wird in der Form von 3D-Koordinaten bestimmt (vgl. Absätze [0006], [0018], [0027]). Falls die ermittelte Position im nichtmaskierten Teilbereich liegt, wird das Objekt unmaskiert dargestellt.
18. Die Ermittlung der 3D-Koordinaten der bewegten Objekte zur Bestimmung ihrer Zugehörigkeit (maskierter bzw. unmaskierter Teilbereich) setzt in D5 voraus, dass das Maskierungsmodul über ein 3D-Modell der Überwachungsszene verfügt. Jedes 3D-Abbildungsverfahren, das in der lage ist, zwischen verschiedenen Bereiche zu unterscheiden, wird nämlich als 3D-Modellierung im Sinne der Erfindung verstanden.
19. Die Fachperson hätte keinen Grund, nach einer Alternative zu der in D5 implizit vorhandenen 3D-Modellierung zu suchen. Sie hätte erkannt, dass die in D5 offenbarte Unterscheidung anhand der Modelleinrichtung sowohl für das Demaskieren von bewegten Objekten wie in der D5, als auch für ein Demaskieren von Objekten im Sinne von D6 verwendet werden könnte.
20. Aus diesem Grund gilt die für Anspruch 1 des Hauptantrags dargelegte Analyse auch für Anspruch 1 des Hilfsantrags 1.
21. Das Gleiche gilt für die unabhängigen Ansprüche 10 und 11.
Hilfsantrag 2
22. Anspruch 1 definiert im Vergleich zu Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 zwei weitere Merkmale, dass nämlich:
- eine Maskierungseinrichtung ausgebildet ist, zunächst alle Objekte in dem beobachteten Überwachungsbereich zu maskieren,
- eine Demaskierungseinrichtung ausgebildet ist, die Maskierung der maskierten Objekte aufzuheben, die nicht zu den Auswahlobjekten gehören.
23. Die hinzugefügten Merkmale entsprechen funktionellen Definitionen der Maskierungsvorrichtung bzw. der Demaskierungsvorrichtung. Aus dem Wortlaut des Anspruchs entstehen diesbezüglich keine Zweifel, was dessen Kategorie betrifft (Artikel 84 EPÜ).
24. Die beanspruchte Erfindung entspricht einer von zwei denkbaren Möglichkeiten. Eine dritte Alternative, in der alle bewegten Objekte zuerst nicht maskiert, dann aber die ausgewählten maskiert gezeigt werden, ist ausgeschlossen, da der Schutz der Privatsphäre dabei nicht gewährleistet wäre. Ob ausschließlich die ausgewählten bewegten Objekte maskiert werden oder ob alle bewegten Objekte zunächst einmal maskiert und dann die nicht ausgewählten demaskiert werden, scheint im Hinblick auf die zu lösende objektive Aufgabe, wie oben definiert, keine Rolle zu spielen.
25. Ob eine weitere Aufgabe gelöst wird, hängt von der Frage ab, ob eine weitere technische Wirkung aus der beanspruchten Merkmalskombination hervorgeht.
26. Dass die Computerressourcen effizienter ausgenutzt werden, ist nicht gezeigt worden. Die Beschwerdeführerin weist selbst darauf hin, dass die beanspruchte Lösung diesbezüglich aufwändiger ist.
27. Darüber hinaus ergibt sich die beanspruchte Merkmalskombination in naheliegender Weise aus der Kombination der D5 und D6. Es ist insbesondere auf die in D6 offenbarten Maßnahmen zur selektiven Demaskierung von Objekten hinzuweisen (siehe D6, Absätze [0022], [0031], [0032]).
28. Die Beschwerdeführerin sieht demgegenüber keinen Anlass für die Fachperson, ausgehend von D5/D6/D7 die beanspruchte technische Lösung auszuwählen. Die Auffassung der Prüfungsabteilung wie auch der Kammer, wonach die vorliegende Lösung nur eine von zwei denkbaren Möglichkeiten wäre, entspreche einer rückschauenden Betrachtungsweise. Der Schutz der Privatsphäre stehe im Vordergrund der Erfindung. Mit der beanspruchten Lösung sei sichergestellt, dass nicht versehentlich eine Maskierung unterbleibe.
29. Das kann nicht überzeugen. Die in Betracht kommende Alternative, in der ausschließlich die ausgewählten bewegten Objekte maskiert werden, bevor sie ausgegeben werden, unterscheidet sich von der beanspruchten Lösung nur durch die Reihenfolge der Verfahrensschritte. Die Kriterien, die zur Auswahl der bewegten Objekte, die maskiert dargestellt werden bzw. maskiert bleiben, sind die gleichen. Für beide Alternativen geht es nämlich darum, als erstes zu ermitteln, ob die Objekte sich bewegen, und danach, ob sie sich im fraglichen selektierten räumlichen Teilbereich befinden. Ob die Überwachungsszenen nach dem ersten Schritt oder nach den beiden Schritten ausgegeben werden, ändert nichts am Endergebnis, d.h. an den am Ende des Prozesses tatsächlich maskierten Objekten.
30. Die Anzahl der Schritte, die ausgehend von D5 notwendig sind, um zur beanspruchten Lösung zu gelangen, könnte auch nicht als Beweis für eine erfinderische Tätigkeit herangezogen werden. Dabei geht es einzig und allein darum, ob die beanspruchten Schritte sich in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergeben.
31. Aus der Merkmalskombination des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 ist kein erfinderisches Zutun erkennbar.
Hilfsantrag 3
32. Die im Hinblick auf Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 oben dargestellte Analyse gilt gleichermaßen für das entsprechende im Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 definierte Verfahren. Auch im Verfahren ist kein erfinderisches Zutun zu erkennen. Ein verbesserter Schutz der Privatsphäre ist nicht belegt. Die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Wirkung gilt zwar gegenüber einem Verfahren, in dem alle bewegten Objekte vorerst nicht maskiert und dann die ausgewählten Objekte maskiert werden; gegenüber einem Verfahren, in dem zunächst einmal alle bewegten Objekte maskiert werden, wie in D5, ist diese Wirkung jedoch nicht vorhanden.
Hilfsantrag 4
33. Das Verfahren des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 4 enthält das weitere Merkmal, dass die Demaskierungseinrichtung zusätzlich die Demaskierung von maskierten Objekten anhand des Objektverhaltens des maskierten Objekts durchführt.
34. Dem Anspruchswortlaut ist jedoch nicht zu entnehmen, was mit dem Begriff des Objektverhaltens zum Ausdruck gebracht werden sollte. Dass dieser eine eindeutige anerkannte Bedeutung auf dem Gebiet hätte, wurde nicht behauptet und ist auch nicht der Fall.
35. Es folgt, dass Anspruch 1 die Bedingung des Artikels 84 EPÜ nicht erfüllt.
36. Auch aus der Beschreibung ist im Übrigen keine eindeutige Bedeutung für den fraglichen Begriff herleitbar.
37. Aus der Beschreibung geht hervor, dass das Objektverhalten aus der Bewegung des Objekts bestimmt wird, und aus der Beurteilung, ob diese Bewegung "abnormal oder auffällig" erscheint (siehe Seite 9, Zeilen 20-31); darüber hinaus wird auf Seite 6, Zeilen 12-19, lediglich auf die Bestimmung des Objektverhaltens anhand beispielhaft vorgegebener Verhaltensmuster eingegangen.
38. Aus dieser Liste möglicher Verhaltensmuster lässt sich jedoch ebenfalls keine eindeutige Bedeutung herleiten. Insbesondere ist etwa unklar, wie z.B. ein "Herumlungern" von langsamem Gehen abzugegrenzen wäre. Der Hinweis auf die "Position eines maskierten Objekts" als weiteren Beispiels für ein mögliches Verhaltensmuster, auf dessen Grundlage eine Maskierung aufgehoben wird, trägt darüber hinaus weiter zur Unsicherheit bei, indem der Begriff Objektverhalten nun auf einen Ort bezogen wird und somit der Definition eines "bewegten Objekts", und die Art wie ein solches Objekt in erster Limie erkannt wird, widerspricht.
Hilfsantrag 5
39. Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 5 unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4, indem das Merkmal der Demaskierungseinrichtung genauer definiert wird:
... wobei eine Demaskierungseinrichtung (9) die Maskierung der maskierten Objekte aufhebt, die nicht zu den Auswahlobjekten (16) gehören, wobei die Demaskierungseinrichtung (9) zusätzlich die Demaskierung von maskierten Objekten anhand des Objektverhaltens des maskierten Objekts derart durchführt, dass die Maskierung aufgehoben wird, falls das Objektverhalten einen vorgegebenen Verhaltensmuster entspricht.
40. Der Hilfsantrag 5 wurde erst im Laufe des Beschwerdeverfahrens eingereicht, und zwar erst nach der Ladung zur mündlichen Verhandlung. Er stellt eine Änderung des Beschwerdev orbringens im Sinne des Artikels 13 VOBK 2020 dar.
41. Es steht im Ermessen der Kammer, solche Änderungen nur unter den dort genannten Kriterien zuzulassen, wobei insbesondere die Verfahrensökonomie sowie die Eignung einer Änderung, aufgeworfene Fragen auszuräumen, ohne Anlass zu neuen Einwänden zu geben, tragende Rollen spielen (s. Artikel 13(1) VOBK 2020).
42. Der Hilfsantrag 5 ist eine Reaktion auf die erstmals in der Mitteilung der Kammer geäußerten Bedenken bezüglich Artikel 84 EPÜ zu Hilfsantrag 4.
43. Auch wenn das in Hilfsantrag 5 geänderte Merkmal zu einer Klarstellung des Verfahrens beitragen könnte, bliebe Anspruch 1 immer noch unklar, was die Bedeutung des Begriffs Verhaltensmuster im Hinblick auf die Passage der Beschreibung auf Seite 6, Zeilen 12-19, betrifft. Es bliebe nämlich zumindest unklar, welches Verhaltensmuster auf eine Position hinweisen kann.
44. Der Einwand fehlender erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ) wäre ebenfalls nicht ausgeräumt. Es wird in diesem Zusammenhang auf Dokument D7 hingewiesen, in dem ebenfalls gewisse Verhaltensmuster erkannt werden und zu einer Demaskierung des entsprechenden Objekts führen.
45. Auch wenn dieses Merkmal in D7 als nachteilig betrachtet wird, das zu vermeiden oder zumindest einzuschränken wäre, würde die Fachperson erkennen, dass dieses Merkmal auch zum Vorteil genutzt werden kann.
46. Daher ist Hilfsantrag 5 schon aus diesen Gründen nicht im Verfahren zu berücksichtigen, ohne dass auf die weiteren Voraussetzungen des Artikels 13(2) VOBK 2020 einzugehen wäre.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.