European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2019:T206015.20190910 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 10 September 2019 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 2060/15 | ||||||||
Anmeldenummer: | 06024496.9 | ||||||||
IPC-Klasse: | G01N 27/411 G01N 33/20 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Messsonde zur Messung in Metall- oder Schlackeschmelzen | ||||||||
Name des Anmelders: | Heraeus Electro-Nite International N.V. | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.4.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit (nein) Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag, 1. und 2. Hilfsantrag Spät eingereichte Hilfsanträge - Änderungen nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung Spät eingereichte Hilfsanträge - 3. Hilfsantrag Spät eingereichte Hilfsanträge - zugelassen (nein) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Anmelderin hat gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung über die Zurückweisung der europäischen Patentanmeldung Nr. 06024496.9 Beschwerde eingelegt. Die Prüfungsabteilung war zur Auffassung gekommen, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem einzigen Antrag dem Erfordernis des Artikels 56 EPÜ 1973 nicht genüge.
II. Am 10. September 2019 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.
III. Mit ihren Schlussanträgen beantragte die Anmelderin, die Zurückweisung aufzuheben und ein Patent auf folgender Grundlage zu erteilen:
- Patentansprüche 1 bis 8, eingereicht mit Schreiben vom 14. Februar 2012 (Hauptantrag),
- Patentansprüche 1 bis 7, eingereicht mit Schreiben vom 27. Juni 2019 (Hilfsantrag I),
- Patentansprüche 1 bis 6, eingereicht mit Schreiben vom 27. Juni 2019 (Hilfsantrag II),
- Patentansprüche 1 bis 7, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 10. September 2019 (Hilfsantrag III).
IV. Es wird auf die folgenden Druckschriften Bezug genommen:
D1: FR 2547656
D2: FR 2785391
D5: FR 1540657.
V. Der Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag lautet:
"Messsonde zur Messung in Metall- oder Schlackeschmelzen mit einem Messkopf (1), welcher ein Eintauchende und ein rückseitiges Ende aufweist, wobei am Eintauchende Sensoren (3) angeordnet sind mit Signalleitungen (11), die durch Kanäle (2) durch den Messkopf (1) geführt sind, wobei für jeden Sensor (3) ein separater Kanal (2) vorgesehen ist, wobei an dem dem Eintauchende abgewandten Ende eines Kanals (2) die Signalleitungen (11) des zugehörigen Sensors (3) mit einem Kontaktstück (10) verbunden sind und dass jedes Kontaktstück (10) an jeweils einem Kanal (2) angeordnet und an dem dem Eintauchende abgewandten Ende des Kanals (2) fixiert ist, dadurch gekennzeichnet, dass am Messkopf (1) zusätzlich ein Badkontakt und/oder eine Probenkammer (6) angeordnet sind."
- Der Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß dem ersten Hilfsantrag lautet:
"Messsonde zur Messung in Metall- oder Schlackeschmelzen mit einem Messkopf (1), welcher ein Eintauchende und ein rückseitiges Ende aufweist, wobei am Eintauchende Sensoren (3) angeordnet sind mit Signalleitungen (11), die durch Kanäle (2) durch den Messkopf (1) geführt sind, wobei für jeden Sensor (3) ein separater Kanal (2) vorgesehen ist, wobei am Messkopf (1) zusätzlich ein Badkontakt und/oder eine Probenkammer (6) angeordnet sind, dadurch gekennzeichnet, dass an dem dem Eintauchende abgewandten Ende eines Kanals (2) die Signalleitungen (11) des zugehörigen Sensors (3) mit einem Kontaktstück (10) verbunden sind und dass jedes Kontaktstück (10) an jeweils einem Kanal (2) angeordnet und an dem dem Eintauchende abgewandten Ende des Kanals (2) fixiert ist und dass das dem Eintauchende abgewandte Ende eines Kanals (2) in eine seitlich an dem Messkopf (1) angeordnete Nische (13) mündet, wobei die Nischen (13) an dem rückseitigen Ende des Messkopfes (1) angeordnet sind und die Kontaktstücke (10) das dem Eintauchende abgewandte Ende der Kanäle (2) verschließen."
- Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags unterscheidet sich von Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags im Wesentlichen dadurch, dass der folgende Wortlaut am Ende des Anspruchs 1 hinzugefügt ist:
"gekennzeichnet durch ein Trägerrohr (15), wobei der Messkopf (1) in einer Öffnung des Trägerrohres (15) angeordnet ist und die Nischen von dem Trägerrohr (15) abgedeckt sind."
- Anspruch 1 des dritten Hilfsantrags unterscheidet sich von Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags dadurch, dass der folgende Wortlaut am Ende des Anspruchs 1 hinzugefügt ist:
"wobei die Kanäle (2) mit feuerfestem Zement gefüllt sind, so dass die Sensoren (3) fixiert sind."
Entscheidungsgründe
1. Hauptantrag
1.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist durch die Offenbarung der Druckschrift D1 in Kombination mit Fachwissen nahegelegt (Artikel 56 EPÜ 1973).
1.1.1 D1 offenbart, in Zusammenhang mit der Figur 1, eine Messsonde zur Messung in Metall- oder Schlackeschmelzen (siehe Titel von D1) mit einem Messkopf:
- wobei an dem Eintauchende der Messsonde Sensoren (9 bis 11) mit Signalleitungen angeordnet sind, die durch Kanäle (12) durch den Messkopf (1) geführt werden [siehe Figur 1],
- wobei für jeden Sensor (9 bis 11) ein separater Kanal (12) vorgesehen ist [siehe Figur 1],
- wobei an dem dem Eintauchende abgewandten Ende eines Kanals (12) die Signalleitungen des zugehörigen Sensors mit einem Kontaktstück verbunden sind [implizites Merkmal: jede Signalleitung ist mit einem Bauteil, z.B. einem Stecker oder einer Lötstelle, elektrisch verbunden, um das elektrische Signal weiter zu befördern; siehe auch die mit "évidement (29)" bezeichnete Aussparung in der Figur 3 von D1, welche geeignet ist, ein Kopplungselement, d.h. ein Kontaktstück im Sinne des Anspruchs 1, für die Signalleitungen zu erhalten],
- und wobei am Messkopf zusätzlich ein Badkontakt (10) angeordnet ist.
Wie auch die Anmelderin in der Beschwerdebegründung (Seite 1, erster Absatz) anmerkte, bleibt in dem Ausführungsbeispiel der Figur 1 von D1 offen, wo genau das implizit offenbarte Kontaktstück, mit dem die Signalleitungen (9 bis 11) verbunden werden, angeordnet ist und wie es konkret angefertigt ist. Insbesondere geht nicht aus der Figur 1 von D1 hervor, dass "jedes Kontaktstück an jeweils einem Kanal angeordnet sein soll".
1.1.2 Die beanspruchte Messsonde unterscheidet sich daher von der aus D1 bekannten Messsonde nur dadurch, dass jedes Kontaktstück an jeweils einem Kanal angeordnet und an dem dem Eintauchende abgewandten Ende des Kanals fixiert ist. Dies wurde von der Anmelderin, auf ausdrückliche Nachfrage des Vorsitzenden während der mündlichen Verhandlung, bestätigt.
1.1.3 Die objektive technische Aufgabe besteht somit darin, die losen Signalleitungen des Ausführungsbeispiels der Figur 1 von D1 an ein Kontaktstück anzuschließen.
1.1.4 Um diese Aufgabe zu lösen, stehen dem Fachmann nur zwei, an sich bekannte Möglichkeiten zur Verfügung: entweder alle Signalleitungen an ein einziges Kontaktstück oder die Signalleitungen jedes Sensors an ein separates Kontaktstück anzuschließen.
Die erste Variante scheint beispielsweise in dem Ausführungsbeispiel der Figur 3 von D1 angewendet worden zu sein: ein einzelnes Kontaktstück (29) dient der Koppelung der Signalleitungen der verschiedenen Sensoren. Es hat den offensichtlichen Vorteil, die Anzahl der Stecker zu minimieren und dadurch Platz und Herstellungskosten zu sparen. Die zweite Variante wird beispielsweise in dem Ausführungsbeispiel der Figur 1 von D5 angewendet und ermöglicht eine gesonderte Handhabung jeder einzelnen Signalleitung (optimierte Anpassung des Kontaktstücks an die jeweilige Signalleitung; modulare Benutzung mehrerer Sensoren). Abhängig von den Gegebenheiten und Spezifikationen der jeweiligen Anwendung der Messsonde, würde der Fachmann ohne erfinderische Tätigkeit die jeweils günstigste Variante auswählen.
Die Auswahl zwischen zwei bekannten, offensichtlichen Möglichkeiten, Signalleitungen an ein Kontaktstück anzuschließen, entbehrt jeglicher erfinderischer Tätigkeit.
Insbesondere wenn eine gesonderte Handhabung der Signalleitungen gewünscht ist, würde der Fachmann die zweite Variante auswählen und die Signalleitungen jedes Sensors mit jeweils einem Kontaktstück verbinden. Das jeweilige Kontaktstück würde dabei offensichtlich am Kanalende des zugehörigen Sensors fixiert sein, um lose Signalleitungen in dem Messkopf zu vermeiden. Siehe beispielsweise die Fixierung der Kontaktstücke 131 und 132 in der Figur 1 von D5; siehe auch D2, Seite 3, Zeilen 17 bis 23 und Figur 1: Die Signalleitungen des Thermoelements (34) sind mit dem an einem Kanalende fixierten Kontaktstück (36) verbunden.
1.2 Die Anmelderin trug in ihren beiden schriftlichen Eingaben und während der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen die folgenden Argumente vor, um zu belegen, dass der beanspruchte Gegenstand nicht von D1 nahegelegt sei.
1.2.1 Die Anmelderin argumentierte, dass die einzige Offenbarung eines Kontaktstücks in D1 in der Figur 3 zu finden sei und dass "dies nur den Schluss zulässt, dass auch die Ausführungsform gemäß Figuren 1 und 2 der D1 ein solches gemeinsames Kontaktstück aufweisen" (siehe den Satz, der die Seiten 1 und 2 der Beschwerdebegründung verbindet).
Die Kammer ist nicht von diesem Argument überzeugt, weil auch eine explizite Offenbarung einer der beiden offensichtlichen Varianten, Signalleitungen an Kontaktstücke anzuschließen, nicht die Offensichtlichkeit der anderen Variante ausschließt. Wie oben im Punkt 1.1.4 ausgeführt, entbehrt die Auswahl einer aus zwei wohl bekannten Möglichkeiten, Signalleitungen zu verkabeln, einer erfinderischen Tätigkeit.
1.2.2 Des Weiteren argumentierte die Anmelderin (siehe Seite 2 der Beschwerdebegründung, vierter und fünfter Absatz), dass die beanspruchte Anordnung "eine einfachere und fehlerfreie Montage mit speziell auf die Sensoren abgestimmten Kontaktstücken in sogenannter Modulbauweise" ermögliche. Verwechslungen von Anschlüssen würden dadurch vermieden.
Ob die Montage bei der beanspruchten Anordnung tatsächlich ohne Verwechslungen "einfacher und fehlerfrei" vonstatten geht, ist für die Kammer nicht erwiesen. Beispielsweise ist eine Verkabelung mehrerer, eventuell identischer Kontaktstücke nicht grundsätzlich einfacher und weniger fehlerbehaftet als diejenige eines einzigen Kontaktstücks. Die beiden Varianten unterscheiden sich in dieser Hinsicht nicht eindeutig. Dem offensichtlichen Vorteil der Modularität der beanspruchten Anordnung steht dessen offensichtlicher Nachteil, mehrere Stecker zu benötigen, gegenüber. Wie oben im Punkt 1.1.4 ausgeführt, würde der Fachmann, in Kenntnis der bekannten Vor- und Nachteile der beiden Varianten und ohne erfinderisch tätig zu werden, diejenige Anordnung auswählen, die die fallabhängigen Spezifikationen am Besten erfüllt.
1.2.3 Bezüglich D5 war die Anmelderin der Meinung (siehe Seite 2 der Beschwerdebegründung, vorletzter Absatz bis Seite 3, erster Absatz), dass der Fachmann hieraus "keine Anregung zur Gestaltung des Gegenstands des Anspruchs 1 entnehmen" könne, weil der "in D5 offenbarte Aufbau [...] in keiner Weise mit der in D1 offenbarten, üblichen elektrochemischen Messzelle kompatibel" sei.
In ihrem Schreiben vom 27. Juni 2019, Punkt I, sowie während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer, erklärte die Anmelderin, die technische Offenbarung der Druckschrift D5 und die Unterschiede zwischen den Messsonden von D1 und D5. Insbesondere bestehe der Sensor in D5 aus der Kombination eines Elektrolyten und eines Kurzschlusskontakts mit jeweils zugehörigem Kanal und Kontaktstück. Aus D5 ginge daher "nicht hervor, dass die Signalleitungen eines Sensors durch jeweils einen Kanal geführt sind. Die Signalleitungen sind auch nicht mit nur einem Kontaktstück verbunden, sondern in Dokument D5 werden mehrere Kontaktstücke pro Sensor gezeigt". Die Anmelderin schlussfolgerte, dass "der Fachmann keine Veranlassung [hätte] die Dokumente D1 und D5 miteinander zu kombinieren".
Die Kammer ist nicht von diesem Argument überzeugt, weil es sich nicht um die Frage handelt, ob der Fachmann die komplette Anordnung der D5 übernehmen würde, sondern lediglich um eine beispielhafte Bestätigung in D5, dass Signalleitungen von Sensoren an getrennte Kontaktstücke, anstatt an demselben Kontaktstück, angeschlossen werden können. Diese allgemeine Feststellung ist unabhängig davon, welche Art von Signalen in den Leitungen übertragen werden, ob der einzelne Sensor mehrere Signalleitungen benötigt oder ob der gesamte Aufbau der Messsonde von D5 mit der in D1 offenbarten Messsonde vereinbar ist. Darüber hinaus ist anzumerken, dass sowohl der Elektrolyt als auch der Kurzschlusskontakt in D5 eine elektrische Spannung in Abhängigkeit der Metallschmelze erfassen und somit beide für sich alleine unter den Begriff "Sensor" im breitesten Sinne des Anspruchs 1 fallen.
1.3 Aus diesen Gründen folgt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber der Offenbarung von D1 in Kombination mit Fachwissen keine erfinderische Tätigkeit aufweist.
2. Erster Hilfsantrag
2.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist durch die Offenbarung der Druckschrift D1 in Kombination mit Fachwissen nahegelegt (Artikel 56 EPÜ 1973).
2.1.1 Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags darin, dass das Kanalende in eine seitlich an dem rückseitigen Ende des Messkopfs angeordnete Nische mündet und dass die Kontaktstücke das Kanalende verschließen.
2.1.2 In der Figur 1 von D1 ist die konkrete Verbindung der Signalleitungen zu einem Kontaktstück nicht explizit dargestellt. Die Signalleitungen hängen lose aus den jeweiligen Kanälen heraus. Wie oben im Punkt 1.1.4 erläutert, ist es jedoch naheliegend, die jeweiligen Signalleitungen einzeln mit Kontaktstücken zu verbinden. Diese Anschlüsse dann in schützende Nischen des Messkopfs anzuordnen, ist nach Auffassung der Kammer ein fachübliches Vorgehen, um die ansonsten hervorstehenden Anschlüsse vor Beschädigungen während der Montage oder der Benutzung des Messkopfs zu schützen (siehe beispielsweise D2, Figur 1: Das dem Eintauchende abgewandte Ende des Kanals mündet in eine Nische (38), in der das Kontaktstück (36) schützend angeordnet ist; siehe auch beispielsweise D5, Figur 1: Die Kontaktstücke (131, 132) sind ebenfalls innerhalb eines schützenden Zylinders angeordnet).
2.1.3 Ob die Kanäle speziell am hinteren oder am seitlichen Ende des Messkopfs in eine Nische münden, hängt von der gewünschten mechanischen Ausgestaltung des Messkopfs ab. Die Auswahl einer seitlichen Mündung ist eine offensichtliche Möglichkeit ohne überraschenden Effekt.
2.1.4 Um zu vermeiden, dass die Signalleitungen sich lose und ungeschützt zwischen dem Kanalende und dem Kontaktstück im Messkopf befinden, ist es für den Fachmann eine naheliegende Möglichkeit, das Kontaktstück direkt am Kanalende anzuordnen. Dadurch verschließen die Kontaktstücke das dem Eintauchende abgewandte Ende der Kanäle, so wie in den Ausführungsbeispielen von D2 und D5.
2.1.5 Die Kammer kommt somit zum Schluss, dass der Fachmann im Laufe der Weiterentwicklung der Messsonde von D1 durch routinemäßiges Konzipieren und Gestalten einer Messsonde auf offensichtliche Weise zu dem Gegenstand des Anspruchs 1 gelangt.
2.2 Die Anmelderin trug in ihren beiden schriftlichen Eingaben und während der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen die folgenden Argumente vor, um zu belegen, dass der beanspruchte Gegenstand nicht von D1 nahegelegt sei.
2.2.1 Gemäß der Beschwerdebegründung, Seite 3, fünfter Absatz, liegt der technische Effekt der Mündung der Kanäle in einer seitlichen Nische darin, die Beschädigung der Kontaktstücke zu vermeiden. Gemäß dem Schreiben vom 27. Juni 2019, Seite 3, dritter Absatz, liegt der kombinierte Effekt der Unterscheidungsmerkmale darin, "dass die Montagezeit verkürzt wird, sowie gleichzeitig Ausschuss reduziert wird". Im vierten Absatz dieses Schreibens erläutert die Anmelderin, dass die Unterscheidungsmerkmale verhindern, "dass beim Zusammenfügen des Trägerrohrs mit dem Messkopf, weder Leitungen gequetscht werden noch die Kontaktstücke beschädigt werden". Weiterhin vermeide das Verschließen der Kanäle mit den Kontaktstücken, dass die Sensoren beim Zusammenfügen mit dem Trägerrohr durch einen Luftstoß herausgedrückt werden. Während der mündlichen Verhandlung bemerkte die Anmelderin, dass das Kontaktstück (131) in D5 den Kanal nicht verschließen darf, weil Gas aus dem Elektrolyten (16) ausströmen soll.
2.2.2 Die Kammer ist von diesen Argumenten, die belegen sollen, dass die Unterscheidungsmerkmale eine erfinderische Tätigkeit aufweisen, nicht überzeugt. Wie bereits im Punkt 2.1.2 oben dargelegt, handelt es sich bei dem Vorsehen von Nischen zur Anordnung der Kontaktstücke um fachübliche Überlegungen des Fachmanns zur Vermeidung von hervorstehenden Bauteilen, die ansonsten bei der Montage der Messsonde oder bei deren konkreter Verwendung beim Messen in Metallschmelzen beschädigt werden könnten. Inwiefern eine seitliche Montage und ein Verschließen der Kanäle mit den Kontaktstücken die Montagezeit verkürzt oder der Ausschuss reduziert wird, ist für die Kammer nicht nachvollziehbar und wurde auch von der Anmelderin nicht anhand konkreter Ausführungen weiter erläutert. In welcher Hinsicht die Sensoren durch eine Luftstoß herausgedrückt werden, hängt konkret von verschiedenen Parametern ab, die nicht im Anspruch 1 definiert sind, wie beispielsweise die Befestigungsart der Sensoren am Eintauchende des Kanals, die jeweiligen Durchmesser des Trägerrohrs und des Messkopfs, die Art des Zusammenfügens des Trägerrohrs und des Messkopfs und die Frage, ob die Kanäle luftdicht verschlossen sind. Daher wäre der angebliche technische Effekt, dass die Sensoren nicht herausgedrückt werden, nicht geeignet, eine erfinderische Tätigkeit zu begründen. Anspruch 1 definiert ein allgemeines, nicht unbedingt luftdichtes Verschließen der Kanäle durch die Kontaktstücke. Das Entweichen eines Gases aus dem Kanal ist nicht vom Wortlaut des Anspruchs 1 ausgeschlossen.
2.2.3 Die Kammer kann sich der Behauptung der Anmelderin, dass "[d]as Anordnen von Nischen und das gleichzeitige Verschließen der Kanäle mit den Kontaktstücken [...] nicht zum Standardrepertoire des Fachmanns [gehört]" (Schreiben vom 27. Juni 2019, Seite 3, fünfter Absatz) nicht anschließen. Sie ist der Meinung, dass es sich bei den Unterscheidungsmerkmalen des Anspruchs 1 um eine Auswahl aus fachüblichen Ausgestaltungen der Verkabelung von Sensoren in einer Messsonde unter Berücksichtigung der in einer Metallschmelze vorherrschenden Umstände handelt.
2.3 Daher weist die Messsonde des Anspruchs 1 keine erfinderische Tätigkeit gegenüber der Offenbarung der Druckschrift D1 in Kombination mit Fachwissen auf.
3. Zweiter Hilfsantrag
3.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist durch die Offenbarung der Druckschrift D1 in Kombination mit Fachwissen nahegelegt (Artikel 56 EPÜ 1973).
3.1.1 Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags unterscheidet sich von Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags im Wesentlichen durch ein Trägerrohr, in dessen Öffnung der Messkopf angeordnet ist und der die Nischen abdeckt.
3.1.2 Das Ausführungsbeispiel von D1, Figur 1, weist ein Trägerrohr (14', 14'') auf. Da die Kammer der Ansicht ist, dass seitlich angeordnete Nischen am Messkopf naheliegend sind (Punkt 2.1.3), ist es implizit, dass das Trägerrohr (14', 14'') die seitlichen Nischen abdeckt.
3.2 Die Anmelderin hat keine spezifischen Gegenargumente vorgetragen.
4. Dritter Hilfsantrag
Der dritte Hilfsantrag wird gemäß Artikel 13(3) VOBK nicht zu dem Verfahren zugelassen.
4.1 Der dritte Hilfsantrag wurde erst während der mündlichen Verhandlung eingereicht. Nach Artikel 13(3) VOBK werden Änderungen des Vorbringens nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung nicht zugelassen, wenn sie Fragen aufwerfen, deren Behandlung der Kammer ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht zuzumuten ist.
Die vorliegende, erst in der mündlichen Verhandlung eingereichte Änderung des Anspruchs 1 gegenüber dem Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags beziehen sich auf das Merkmal "wobei die Kanäle (2) mit feuerfestem Zement gefüllt sind, so dass die Sensoren (3) fixiert sind". Dieses Merkmal stammt nicht aus einem Unteranspruch der ursprünglichen Anmeldung sondern aus deren Beschreibung. Es ist daher fraglich, ob dieses Merkmal recherchiert worden ist. Auch schlägt die Anmelderin mit dieser Änderung über die Zementierung der Kanäle eine neue Richtung in der Verteidigung der erfinderischen Tätigkeit des beanspruchten Gegenstands ein, die wesentlich von der bisherigen Verteidigungslinie der Anmelderin anhand der Spezifizierung von Nischen und Kontaktstücken abweicht. Somit wurde die Kammer während der mündlichen Verhandlung zum ersten Mal mit einem Aspekt der Erfindung konfrontiert, der Fragen zu dessen Beitrag zur erfinderischen Tätigkeit der Erfindung aufwirft, deren Behandlung der Kammer ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung bzw. ohne Zurückverweisung der Angelegenheit an die erste Instanz nicht zuzumuten ist.
Unter diesen Gesichtspunkten wäre es folglich notwendig, die Angelegenheit an die erste Instanz zurückzuverweisen. Eine derartige Zurückverweisung an die erste Instanz wegen verspätet eingereichter Hilfsanträge würde aus Sicht der Kammer der Zielsetzung von Artikel 13(3) VOBK, zu einer Entscheidung über die Angelegenheit in der mündlichen Verhandlung zu gelangen, widersprechen. Daher kann die Kammer den dritten Hilfsantrag nicht in das Verfahren zulassen.
4.2 Die Anmelderin führte aus, dass erst nach nochmaliger, intensiver Diskussion mit den Entwicklern der Erfindung kurz vor der mündlichen Verhandlung diese neue Verteidigungslinie entdeckt worden sei.
Aus Sicht der Kammer läuft es der Zielsetzung von Artikel 13 (3) VOBK entgegen, neue Überlegungen, die in einen neuen Antrag münden, so spät anzustellen, dass die Zulassung des Antrags - wie hier - eine Sachentscheidung in der mündlichen Verhandlung verhindern würde.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.