T 1909/15 () of 4.10.2017

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2017:T190915.20171004
Datum der Entscheidung: 04 October 2017
Aktenzeichen: T 1909/15
Anmeldenummer: 10718138.0
IPC-Klasse: F26B 1/00
F26B 3/28
F26B 9/10
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 343 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VERFAHREN ZUR GLEICHZEITIGEN LAGERUNG UND TROCKNUNG VON KLÄRSCHLAMM
Name des Anmelders: TSP GmbH
Name des Einsprechenden: IST-Anlagenbau GmbH
Huber SE
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(4)
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention Art 84
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Neu eingereichter Antrag - zugelassen (ja)
Änderungen - zulässig (ja)
Patentansprüche - Klarheit nach Änderung (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Das europäische Patent EP-B1-2 389 554 betrifft ein Verfahren zur gleichzeitigen Lagerung und Trocknung von Klärschlamm.

Gegen das erteilte Patent hatte die Einsprechende 1 (IST-Anlagenbau GmbH) und die Einsprechende 2 (Huber SE) Einspruch eingelegt und ihn auf die Gründe der Artikel 100 a), b) und c) EPÜ gestützt.

II. Die Einspruchsabteilung hat entschieden, das Patent zu widerrufen.

III. Gegen diese Entscheidung hat die Patentinhaberin (die Beschwerdeführerin) Beschwerde eingelegt.

IV. In der als Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung gemäß Artikel 15(1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) teilte die Kammer den Beteiligten ihre vorläufige Einschätzung des der Beschwerde zugrunde liegenden Sachverhalts mit.

V. Eine mündliche Verhandlung fand am 04. Oktober 2017 statt.

VI. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufrechterhaltung des Patents auf Grundlage des Hauptantrags, der dem mit dem Schreiben vom 22. Mai 2017 eingereichten I. Hilfsantrag entspricht.

Die Beschwerdegegnerinnen 1 and 2 (Einsprechende 1 und Einsprechende 2) beantragten die Zurückweisung der Beschwerde.

VII. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:

"Verfahren zur gleichzeitigen Lagerung und Trocknung von Klärschlamm mit folgenden Schritten:

a) mechanisches Entwässern des Klärschlamms bis zu einem Trockensubstanzgehalt von 10% bis 30%,

b) Aufbringen des entwässerten Klärschlamms auf einen Boden einer gewächshausartigen Trocknungshalle mittels mindestens einer Pumpe, bei welcher der Boden von einer transparenten Gebäudehülle überdacht ist,

c) Trocknen des Klärschlamms unter Ausnutzung von in die Trocknungshalle einstrahlender Sonnenstrahlung,

d) mechanisches Entwässern von weiterem Klärschlamm bis zu einem Trockensubstanzgehalt von 10% bis 30%,

e) Einbringen des entwässerten weiteren Klärschlamms in die Trocknungshalle mittels der mindestens einen Pumpe oder einer weiteren Pumpe und Vermischen des weiteren Klärschlamms mit dem in der Trocknungshalle bereits vorhandenen Klärschlamm,

f) Trocknen der dadurch entstandenen Mischung unter Ausnutzung von in die Trocknungshalle einstrahlender Sonnenstrahlung und

g) Ausräumen der Mischung aus der Trocknungshalle oder Wiederholen der Schritte d) bis f), wobei bei Schritt e) der weitere Klärschlamm mit der in der Trocknungshalle bereits vorhandenen Mischung statt mit dem in der Trocknungshalle bereits vorhandenen Klärschlamm vermischt wird,

wobei der Klärschlamm und der weitere Klärschlamm aus einer Kläranlage stammen und von dort, so wie sie in der Kläranlage anfallen, ohne Zwischenlagerung direkt bei Schritt a) und/oder d) in das Verfahren eingebracht werden, wobei das mechanische Entwässern weitgehend kontinuierlich erfolgt, wobei bei Schritt g) die Schritte d) bis f) mindestens 5 Mal wiederholt werden, bevor die Mischung aus der Trocknungshalle ausgeräumt wird, wobei das Ausräumen der Mischung nur einmal pro Jahr erfolgt, wobei im Klärschlamm und im weiteren Klärschlamm Mikroorganismen aus einem Belebungsbecken der Kläranlage vorhanden sind, durch die während der Trocknung eine Nachstabilisierung erfolgt,

wobei der Klärschlamm und die Mischung während der Schritte c) und f) gewendet und dadurch belüftet wird."

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 13 gemäß Hauptantrag betreffen bevorzugte Ausführungsformen des in

Anspruch 1 definierten Verfahrens.

VIII. Stand der Technik

Auf folgende Dokumente wird in dieser Entscheidung Bezug genommen:

E2: Auszug einer Angebotsanforderung der Stadt Wyk

auf Föhr vom 13. Juni 2008

E11: DE 10 2008 052 111

E24: Auszug aus "Klärschlammentsorgung",

ISBN 3-924511-87-X; 1998

E25: Auszug aus "ATV-Handbuch Klärschlamm",

ISBN 3-433-00909-0; 4. Auflage, 1996

E27: Wikipedia-Eintrag zum Thema "Kläranlage" vom

29. Mai 2009

(https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Kl

%C3%A4ranlage&oldid=60553764)

IX. Das schriftsätzliche und mündliche Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich, soweit es für diese Entscheidung relevant ist, wie folgt zusammenfassen:

Die mit dem Schreiben vom 22. Mai 2017 eingereichten Anträge entsprächen im Wesentlichen den mit der Beschwerdebegründung vorgelegten Anträgen, wobei Einwänden der Beschwerdegegnerin 2 Rechnung getragen worden sei. Die Anträge stellen daher keinen Verfahrensmissbrauch dar und seien in das Verfahren zuzulassen.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe auf einer Kombination der ursprünglich eingereichten Ansprüche 1, 3, 5, 7 und 16 sowie Merkmalen, die in der ursprünglichen Anmeldung direkt und unzweideutig beschrieben werden.

Das beanspruchte Verfahren sei für den Fachmann klar definiert, da dem Fachmann geläufig sei, welche Mikroorganismen unter aeroben Bedingungen eine Nachstabilisierung ermöglichen.

E2 offenbare kein Verfahren, bei dem der eingesetzte Klärschlamm noch biologisch aktive Mikroorganismen enthalte.

Weder E2 noch ein weiteres zitiertes Dokument legten nahe, dass das in E2 beschriebene Verfahren dadurch verbessert werden könne, dass der zu trocknende Klärschlamm Mikroorganismen enthalte, die eine Nachstabilisierung des Klärschlamms und dabei durch die entstehende Wärme eine schnellere Trocknung ermöglichen.

X. Das schriftsätzliche und mündliche Vorbringen der Beschwerdegegnerin 2 (Einsprechende 2) lässt sich, soweit es für diese Entscheidung relevant ist, wie folgt zusammenfassen:

Die mit dem Schreiben vom 22. Mai 2017 eingereichten Anträge hätten bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgebracht werden sollen und sollten daher von der Kammer aus dem Verfahren ausgeschlossen werden.

Der Einsatz einer Pumpe zum Befüllen werde nur im Kontext einer bestimmten Vorrichtung (Anspruch 16) in der ursprünglichen Anmeldung beschrieben. Ferner werde das Merkmal "weitgehend kontinuierlich" nur im Rahmen eines konkreten Ausführungsbeispiels offenbart, dessen Merkmale nicht alle im Anspruch 1 aufgelistet werden.

Anspruch 1 definiere den Gegenstand durch die zu erzielende Aufgabe (Nachstabilisierung des Klärschlamms mittels Mikroorganismen) und sei daher unklar.

Der in E2 einzusetzende Klärschlamm enthalte inhärent zumindest geringe Mengen an Mikroorganismen, die eine Nachstabilisierung ermöglichen. Ferner sei es naheliegend, dass eine Nachstabilisierung des Klärschlamms mittels Mikroorganismen aus dem Belebungsbecken erzielt werden könne.

XI. Die Beschwerdegegnerin 1 (Einsprechende 1) nahm an der sachlichen Diskussion in diesem Beschwerdeverfahren nicht teil.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit des Hauptantrags

Der Hauptantrag wurde im Rahmen des Beschwerdeverfahrens eingereicht und entspricht dem mit dem Schreiben vom 22. Mai 2017 eingereichten I. Hilfsantrag.

Artikel 12(4) VOBK stellt es in das Ermessen der Kammer, Anträge nicht zuzulassen, die bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätten vorgebracht werden können.

Hierauf beruft sich die Beschwerdegegnerin, die der Meinung ist, dass ein entsprechender Antrag bereits während des Einspruchsverfahrens hätte eingereicht werden können.

Für die Frage, ob neue Anträge im Beschwerdeverfahren berücksichtigt werden, hat die Kammer im Rahmen der Ausübung ihres Ermessens insbesondere die Verfahrensökonomie und die Frage eines Verfahrensmissbrauchs zu überprüfen.

Der letzte Punkt erscheint klar in diesem Fall als nicht gegeben, denn der Umstand, dass ein Beteiligter einen Antrag in Kenntnis der Entscheidungsgründe anders beurteilt und deswegen im Beschwerdeverfahren unter Berücksichtigung dieser neue Anträge als Verteidigungssmittel seines Patents einsetzt, ist ein Vorgang, der für sich besehen und ohne Hinzutreten weiterer Umstände kein Indiz für einen Verfahrensmissbrauch ist.

Die Kammer sieht deshalb davon ab, ihr Ermessen gemäß Artikel 12 (4) VOBK zulasten der Beschwerdeführerin auszuüben.

2. Änderungen (Artikel 123(2) EPÜ)

2.1 Anspruch 1 des Hauptantrags basiert auf dem ursprünglich eingereichten Anspruch 1 wobei Schritte b) und e) des beanspruchten Verfahrens dahingehend konkretisiert wurden, dass das Einbringen des Klärschlamms mittels einer Pumpe erfolgt.

Anspruch 16 der ursprünglich eingereichten Anmeldung offenbart für das in Anspruch 1 definierte Verfahren eine Vorrichtung umfassend eine Wendevorrichtung, eine Pumpe und eine Fördereinrichtung.

Die Wendevorrichtung und die Fördereinrichtung stehen allerdings in keinerlei Wechselbeziehung zu der Pumpe zum Einbringen des Klärschlamms.

Daher wird durch die Aufnahme der Pumpe in den Wortlaut des Anspruchs 1 keine neue technische Lehre generiert.

Zudem ist es gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags erforderlich, dass im Rahmen des Verfahrens "der Klärschlamm und die Mischung während der Schritte c) und f) gewendet und dadurch belüftet wird". Dieses Merkmal basiert auf dem ursprünglichen Anspruch 3 und bedingt, dass in dem Verfahren gemäß Anspruch 1 notwendigerweise auch eine im ursprünglichen Anspruch 16 offenbarte Wendevorrichtung eingesetzt wird. Ferner wird in jedem Verfahren gemäß Anspruch 1 auch implizit immer eine Fördereinrichtung zum Einsatz gelangen.

Die technische Lehre des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag geht daher in Hinblick auf den Einsatz einer Pumpe nicht über die technische Lehre der ursprünglichen Anmeldung hinaus.

2.2 Ferner wurden in Anspruch 1 folgende Merkmale aufgenommen:

"wobei der Klärschlamm und der weitere Klärschlamm aus einer Kläranlage stammen und von dort, so wie sie in der Kläranlage anfallen, ohne Zwischenlagerung direkt bei Schritt a) und/oder d) in das Verfahren eingebracht werden,

wobei das mechanische Entwässern weitgehend kontinuierlich erfolgt,

wobei bei Schritt g) die Schritte d) bis f) mindestens 5 Mal wiederholt werden, bevor die Mischung aus der Trocknungshalle ausgeräumt wird,

wobei das Ausräumen der Mischung nur einmal pro Jahr erfolgt,

wobei im Klärschlamm und im weiteren Klärschlamm Mikroorganismen aus einem Belebungsbecken der Kläranlage vorhanden sind, durch die während der Trocknung eine Nachstabilisierung erfolgt,

wobei der Klärschlamm und die Mischung während der Schritte c) und f) gewendet und dadurch belüftet wird."

2.2.1 Das Merkmal "wobei bei dem Verfahren der Klärschlamm und der weitere Klärschlamm aus einer Kläranlage stammen und von dort ohne Zwischenlagerung direkt bei Schritt a) und d) in das Verfahren eingebracht werden" findet sich auf Seite 9, Zeilen 24 bis 27 der ursprünglichen Anmeldung (es wird auf die entsprechende A-Publikation Bezug genommen).

2.2.2 Das Merkmal "wobei das mechanische Entwässern weitgehend kontinuierlich erfolgt" wird im Zusammenhang mit einer Ausführungsform auf Seite 11, Zeilen 11 bis 19 der ursprünglichen Anmeldung offenbart.

Die mit diesem Merkmal verbundene Wirkung des nicht stoßweise anfallenden Filtrats mag zwar mittels einer bestimmten Ausführungsform beobachtet und im Rahmen dieser in der ursprünglichen Anmeldung beschrieben worden sein. Es ist allerdings nicht zwingend an die darin konkret beschriebenen Rahmenbedingungen (Trockensubstanzgehalt, Jahreszeit, Wochentage, eingesetzte Mengen, etc.) geknüpft.

Die auf Seite 11 der ursprünglichen Anmeldung beschriebene Wirkung "Durch das weitgehend kontinuierliche Entwässern des Klärschlamms wird das stoßweise Anfallen großer Mengen des Filtrats vermieden" wird daher als allgemeine technische Lehre angesehen. Der Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag gibt diesbezüglich die notwendigen technischen Merkmale an und vermittelt daher keine Lehre, die über das hinausgeht, was in der ursprünglichen Anmeldung beschrieben wird.

2.2.3 Die Anzahl der Wiederholung der Schritte d) bis f) und die Häufigkeit des Ausräumens der Mischung wird in den ursprünglichen Ansprüchen 5 und 7 offenbart.

2.3 Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ erfüllt.

3. Klarheit (Artikel 84 EPÜ)

Anspruch 1 ist auf ein Verfahren gerichtet, bei dem im eingesetzten Klärschlamm "Mikroorganismen aus einem Belebungsbecken der Kläranlage vorhanden sind, durch die während der Trocknung eine Nachstabilisierung erfolgt".

Dieses Merkmal wurde aus der Beschreibung in den Anspruchswortlaut aufgenommen. Daher kann die Klarheit dieses Merkmals im Rahmen dieses Beschwerdeverfahrens geprüft werden.

Das Merkmal verweist zwar auf ein zu erzielendes Resultat, nämlich auf eine Nachstabilisierung des Klärschlamms mittels Mikroorganismen, definiert allerdings auch, wie dieses Resultat erzielt werden kann, nämlich mittels Mikroorganismen, die aus einem Belebungsbecken einer Kläranlage stammen.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 lässt für den Fachmann daher keine Zweifel, wie das Verfahren diesbezüglich zu führen ist.

Ferner ist es dem Fachmann bekannt, welche Verfahrensschritte in einer Kläranlage der biologischen Aktivität der Mikroorganismen abträglich sind. So ist es beispielsweise bekannt, dass Klärschlamm nach dem Verlassen eines Faulturms nach entsprechender Verweildauer biologisch inaktiv ist (siehe Absatz [0004] in E11).

Die Kammer kann daher keine Unklarheit erkennen, die durch die Aufnahme des Merkmals "Mikroorganismen aus einem Belebungsbecken der Kläranlage vorhanden sind, durch die während der Trocknung eine Nachstabilisierung erfolgt" aus der Beschreibung in den Wortlaut des erteilten Anspruchs entsteht.

Die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ werden daher von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag erfüllt.

4. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)

4.1 Anspruch 1 ist auf ein Verfahren zur gleichzeitigen Trocknung und Lagerung von Klärschlamm gerichtet.

Die Verfahrensbeteiligten sehen E2 als einen geeigneten Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit an.

E2 ist ein Auszug einer Angebotsanforderung der Stadt Wyk auf Föhr vom 13. Juni 2008 für eine Klärschlammtrocknungshalle, wobei auch der zukünftige beabsichtigte Betrieb der Trocknungshalle beschrieben wird.

E2 betrifft daher den gleichen Sachverhalt wie

Anspruch 1 des Hauptantrags. Die Kammer stimmt daher den Beteiligten zu, dass E2 als nächstliegender Stand der Technik in Betracht gezogen werden kann.

4.2 E2 offenbart ein

Verfahren zur gleichzeitigen Lagerung (vgl. Seite 23, 5. Spiegelstrich) und Trocknung (vgl. Seite 23, 2. Spiegelstrich) von Klärschlamm mit folgenden Schritten:

a) mechanisches Entwässern des Klärschlamms bis zu einem Trockensubstanzgehalt von 10% bis 30%

(vgl. Seite 22, Punkt 21.1, 2. Satz),

b) Aufbringen des entwässerten Klärschlamms auf einen Boden einer gewächshausartigen Trocknungshalle

(vgl. Seite 23, 4. Spiegelstrich),

bei welcher der Boden von einer transparenten Gebäudehülle überdacht ist

(vgl. Seite 25, Punkt 21.2.2, 1. Spiegelstrich),

c) Trocknen des Klärschlamms unter Ausnutzung von in die Trocknungshalle einstrahlender Sonnenstrahlung

(vgl. Seite 23, 2. Spiegelstrich),

d) mechanisches Entwässern von weiterem Klärschlamm bis zu einem Trockensubstanzgehalt von 10% bis 30%

(vgl. Seite 22, Punkt 21.1, 2. Satz),

e) Einbringen des entwässerten weiteren Klärschlamms in die Trocknungshalle mittels der mindestens einen Pumpe

(vgl. Seite 23, 4. Spiegelstrich)

und Vermischen des weiteren Klärschlamms mit dem in der Trocknungshalle bereits vorhandenen Klärschlamm

(vgl. Seite 28, Punkt 21.2.3, 1. Spiegelstrich),

f) Trocknen der dadurch entstandenen Mischung unter Ausnutzung von in die Trocknungshalle einstrahlender Sonnenstrahlung

(vgl. Seite 23, 2. Spiegelstrich) und

g) Ausräumen der Mischung aus der Trocknungshalle

(vgl. Seite 23, 5. Spiegelstrich)

oder Wiederholen der Schritte d) bis f), wobei bei Schritt e) der weitere Klärschlamm mit der in der Trocknungshalle bereits vorhandenen Mischung statt mit

dem in der Trocknungshalle bereits vorhandenen Klärschlamm vermischt wird

(im Zusammenhang mit Seite 28, Punkt 21.2.3,

1. Spiegelstrich).

E2 beschreibt ferner, dass das Ausräumen einmal pro Jahr zu erfolgen hat (Seite 3, 1. Spiegelstrich;

Seite 23, Punkt 21.2.1, 5. Spiegelstrich).

4.3 Streitig zwischen den Beteiligten ist unter anderem, ob bei dem in E2 beschriebenen Verfahren die Trocknungshalle mit Klärschlamm beschickt wird, der Mikroorganismen aus einem Belebungsbecken der Kläranlage enthält, durch die während der Trocknung eine Nachstabilisierung erfolgt.

Die Kammer stellt fest, dass die in E2 beschriebene Trocknungshalle gemäß Seite 22, Punkt 21.1, zweiter Satz mit Klärschlamm beschickt werden soll, der zuvor in zwei hintereinander durchflossenen Faultürmen ausgefault wurde.

Der Fachmann erhält durch diese Angabe die eindeutige Lehre vermittelt, dass technisch stabilisierter Klärschlamm eingesetzt wird, der keine nennenswerten Mengen an aktiven Mikroorganismen enthält.

Diese Auffassung wird durch das allgemeine Fachwissen gestützt, das durch E11 und E24 reflektiert wird. E11 bestätigt in Absatz [0004], das ausgefaulter Klärschlamm, der einen Faulturm verlässt, biologisch nicht mehr aktiv ist. Auch E24 bestätigt in Punkt 4.2.1, 2. Absatz, dass Klärschlamm in Faultürmen bis zu einer technischen Stabilisierungsgrenze abgebaut wird.

Es mag sein, dass sich bedingt durch Kurzschlussströme noch Krankheitserreger in Klärschlamm befinden können, wenn dieser einen Faulturm verlässt (siehe E25, Punkt 4.1.5).

Allerdings gelten für den Nachweis von Krankheitserregern andere Nachweisgrenzen als für Mikroorganismen, die in einem technischen Prozess zur Schlammstabilisierung eingesetzt werden sollen.

Auch stellen theoretisch mögliche Fehlströme oder Fehlfunktionen einer Kläranlage keine direkte Anweisung dafür dar, eine Kläranlage so zu betreiben, dass die vorhandenen Faultürme nicht bestimmungsgemäß eingesetzt werden.

Daher enthält E2 keine eindeutige Offenbarung, dass die Trocknungshalle mit Klärschlamm beschickt wird, der Mikroorganismen aus dem Belebungsbecken enthält, die noch eine Nachstabilisierung ermöglichen.

4.4 Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag unterscheidet sich daher mindestens dadurch von dem in E2 offenbarten Verfahren, dass Klärschlamm eingesetzt wird, der Mikroorganismen aus dem Belebungsbecken enthält, die eine Nachstabilisierung des Klärschlamms ermöglichen.

4.5 Die objektive technische Aufgabe kann im weitesten Sinne darin gesehen werden, ein Trocknungsverfahren bereitzustellen, das eine Nachstabilisierung des Klärschlamms ermöglicht (siehe Absatz [0013] des Streitpatents).

4.6 Um Klärschlamm zu erhalten, bei dem eine Nachstabilisierung mittels Mikroorganismen im Trocknungsschritt noch in technisch sinnvollem Rahmen stattfinden kann, müsste ausgehend von E2 auf das Ausfaulen in den Faultürmen verzichtet werden.

Eine derartige Ausführungsform widerspricht der direkten Anweisung auf Seite 22, Punkt 21.1 der E2, ausgefaulten Klärschlamm einzusetzen und ist für den Fachmann daher nicht naheliegend.

4.7 Auch die weiteren, von der Beschwerdegegnerin zitierten Dokumente weisen dem Fachmann nicht den Weg zum Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag.

Das Dokument E11 beschreibt, dass in Kläranlagen ein aerober Abbau organischer Bestandteile gebräuchlich ist. Auch ist es allgemein bekannt, dass Klärschlamm in einem Belebungsbecken unter aeroben Bedingungen abgebaut werden kann, siehe E27, Seite 4, Abschnitt "Belebtbecken".

Allerdings schlägt keines dieser zitierten Dokumente vor, darauf zu achten, dass die entsprechenden Mikroorganismen noch während der Trocknung des Klärschlamms vorhanden sein sollten, um eine Nachstabilisierung mittels aerober Bakterien durchzuführen.

Daher findet sich auch in diesen Dokumenten kein Hinweis darauf, dass ein Trocknungsverfahren unter Verwendung der in E2 beschriebenen Anlage durchgeführt werden kann, bei dem keine völlige Ausfaulung des Klärschlamms in den beiden Faultürmen erfolgt.

4.8 Darüber hinaus hat die Beschwerdeführerin nachvollziehbar argumentiert, dass sich der Klärschlamm durch die biologische Aktivität in der Trocknungshalle erwärmt und damit die Trocknung unterstützt.

Daher kann das beanspruchte Verfahren auch nicht als willkürliche Abänderung eines Trocknungsverfahrens erachtet werden, die durch den künftigen Betrieb der Kläranlage gemäß E2 beschrieben wird.

4.9 Zusammenfassend kommt die Kammer daher zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 ausgehend von E2 nicht naheliegend ist und daher die Erfordernisse des Artikels 56 erfüllt.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung

zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent auf

Grundlage der Ansprüche 1 bis 13 gemäß dem Hauptantrag

(entsprechend dem am 22. Mai 2017 eingereichten

I. Hilfsantrag), einer noch anzupassenden Beschreibung

und Figur 1 wie erteilt aufrechtzuerhalten.

Quick Navigation