T 1876/15 () of 16.5.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T187615.20190516
Datum der Entscheidung: 16 Mai 2019
Aktenzeichen: T 1876/15
Anmeldenummer: 07019792.6
IPC-Klasse: G02B 21/00
G01B 9/02
A61B 19/00
A61B 5/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Operationsmikroskop mit OCT-System
Name des Anmelders: Carl Zeiss Meditec AG
Name des Einsprechenden: Möller-Wedel GmbH & Co. KG /
OptoMedical Technologies GmbH
Kammer: 3.4.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention Art 100(c)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(4)
Schlagwörter: Neuheit - Hauptantrag (nein)
Änderungen - unzulässige Erweiterung (ja)
Änderungen - Zwischenverallgemeinerung
Änderungen - 1. und 3. Hilfsantrag
Erfinderische Tätigkeit - (nein)
Erfinderische Tätigkeit - 2. Hilfsantrag
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Patent Nr. 1918753 zu widerrufen, Beschwerde eingelegt.

II. Mit dem Einspruch war das gesamte Patent nach Artikel 100(a) EPÜ in Verbindung mit den Artikeln 52(1), 54(1) und 56 EPÜ, sowie nach Artikel 100(c) EPÜ in Verbindung mit Artikel 123(2) EPÜ angegriffen worden.

III. Die Einspruchsabteilung entschied, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung gemäß Hauptantrag nicht neu sei. Der Gegenstand der Ansprüche 1 der Hilfsanträge gehe über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglichen Fassung hinaus (damalige Hilfsanträge 1 bis 4) oder ergebe sich auf naheliegende Weise aus dem Stand der Technik (damalige Hilfsanträge 5 bis 7).

IV. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK, die als Anlage einer Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügt war, teilte die Kammer den Beteiligten ihre vorläufige und unverbindliche Meinung zu bestimmten, wesentlichen Aspekten des Beschwerdeverfahrens mit.

V. Die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer fand vom 14. bis 16. Mai 2019 statt.

VI. Mit ihren Schlussanträgen beantragte die Patentinhaberin die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückweisung des Einspruchs (Hauptantrag) oder, hilfsweise, die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang mit den Ansprüchen gemäß:

- Hilfsantrag 1,

- Hilfsantrag 2, ursprünglich in der Beschwerdebegründung als Hilfsantrag 5 bezeichnet,

- Hilfsantrag 3, ursprünglich in der Beschwerdebegründung als Hilfsantrag 2 bezeichnet,

alle Hilfsanträge eingereicht mit der Beschwerdebegründung vom 24. November 2015.

VII. Die Einsprechenden (Beschwerdegegnerinnen) beantragten, die Beschwerde zurückzuweisen.

VIII. In der vorliegenden Entscheidung wird auf folgende Dokumente Bezug genommen:

E1: EP 0 697 611 A2

E6: "Non-invasive intraoperative optical coherence tomography of the resection cavity during surgery of intrinsic brain tumors", A. Giese et al., Proc. of SPIE Vol. 6078, 2006, Seiten 1 bis 8.

E12: US 6,485,413 B1

IX. Der Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag lautet (die aus der angefochtenen Entscheidung bekannte Nummerierung A bis G der Merkmale des Anspruchs 1 wird übernommen und dem eigentlichen Wortlaut der jeweiligen Merkmale des Anspruchs 1 vorangestellt):

"Operationsmikroskop (100, 600, 700) mit

- [A] einem Beobachtungsstrahlengang (106, 203, 606, 705, 706); und

- [B] einem Mikroskop-Hauptobjektiv (101, 601, 701), das von dem Beobachtungsstrahlengang (106, 203, 606, 705, 706) durchsetzt wird; und

- [C] einem OCT-System (120, 620, 720, 780) zur Untersuchung eines Objektbereichs (108, 608, 708), [D] wobei das OCT-System (120, 620, 720, 780) einen OCT-Abtaststrahlengang (123, 623, 723, 783) aufweist, der durch das Mikroskop-Hauptobjektiv (101, 601) geführt ist,

dadurch gekennzeichnet, dass

- [E] in dem Beobachtungsstrahlengang (106) ein Einkoppelelement (150, 650, 750) vorgesehen ist, um den OCT-Abtaststrahlengang (123, 623, 723, 783) in den Beobachtungsstrahlengang (106, 606, 705, 706) einzukoppeln und durch das Mikroskop-Hauptobjektiv (101, 601, 701) zum Objektbereich (108, 608, 708) zu führen,

- [F] das Einkoppelelement als Teilerspiegel ausgebildet ist, der im Beobachtungsstrahlengang (106) angeordnet ist und der im Wesentlichen durchlässig ist für den für den Menschen sichtbaren Spektralbereich von Beobachtungslicht,

- [G] der Teilerspiegel den OCT-Abtaststrahlengang reflektiert und diesen dem Beobachtungsstrahlengang (106, 606, 705, 706) überlagert."

Hilfsantrag 1

Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags nur durch das Hinzufügen der folgenden, unterstrichenen Wörter in den Merkmalen E und G (die entsprechenden Merkmale im Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags sind als E' und G' gekennzeichnet):

[E'] in dem Beobachtungsstrahlengang (106) ein Einkoppelelement (150, 650, 750) vorgesehen ist, um den OCT-Abtaststrahlengang (123, 623, 723, 783) in den Beobachtungsstrahlengang (106, 606, 705, 706) einzukoppeln und dem Beobachtungsstrahlengang überlagert durch das Mikroskop-Hauptobjektiv (101, 601, 701) zum Objektbereich (108, 608, 708) zu führen,

[G'] der Teilerspiegel den OCT-Abtaststrahlengang reflektiert und diesen dem Beobachtungsstrahlengang (106, 606, 705, 706) am Teilerspiegel überlagert.

Hilfsantrag 2

Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags nur durch das Hinzufügen des folgenden Merkmals am Ende des Anspruchs 1:

"wobei in dem OCT-Abtaststrahlengang (623) für das Einstellen einer geometrischen Abbildung eines Austrittsendes eines Lichtleiters (622) in eine OCT-Abtastebene (660) ein verstellbares optisches Element (630, 631) vorgesehen ist, um die OCT-Abtastebene (660) des Operationsmikroskops relativ zur Beobachtungsebene des Beobachtungsstrahlengangs zu verlagern."

Hilfsantrag 3

Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags nur durch das Hinzufügen des folgenden Merkmals am Ende des Anspruchs 1:

"wobei in dem OCT-Abtaststrahlengang (623) ein erstes OCT-Linsensystem (630) und ein zweites OCT-Linsensystem (631) angeordnet sind, wobei das erste OCT-Linsensystem (630) und das zweite OCT-Linsensystem (631) eine Zwischenabbildung eines Austrittsendes eines Lichtleiters (622) des OCT-Systems in einer Ebene (633) bewirken, die zu der OCT-Abtastebene (660) im Objektbereich (660) konjugiert ist."

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag - Neuheit

1.1 Das beanspruchte Operationsmikroskop mit den Merkmalen A bis G wird durch die Offenbarung des Dokuments E1 vorweggenommen (Artikel 100 a) und 54(1) EPÜ 1973).

1.1.1 Es wurde von der Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung nicht bestritten, dass E1, im Zusammenhang mit der Figur 1 und dessen Beschreibung, insbesondere Spalte 5, Zeilen 40 bis 44, die Merkmale A bis D und F wenigstens implizit offenbart.

1.1.2 Wie die Kammer während der mündlichen Verhandlung erläuterte, beschreibt der Begriff "Strahlengang" den allgemeinen, optischen Weg eines Lichtstrahls und hat daher eine breitere Bedeutung als der konkrete Lichtstrahl als solcher. Wie aus der Figur 1 von E1 ersichtlich, wird der optische Weg (400; "OCT-path") des OCT-Abtaststrahls (410) von dem Teilerspiegel (120) reflektiert, so dass er nach der Reflexion entlang des optischen Weges des Beobachtungsstrahls verläuft. Der optische Weg des Beobachtungsstrahls (500, "viewing path"; 140; 120; 110) verläuft zwischen dem Beobachtungsobjekt (1000) und dem Okular (180) des Mikroskops. Daraus ergibt sich, dass das als Teilerspiegel (120) ausgeführte Einkoppelelement von E1 den OCT-Abtaststrahlengang in den Beobachtungsstrahlengang einkoppelt, d.h. dass das Merkmal E in E1 offenbart ist.

1.1.3 Wie aus dem in der Figur 1 von E1 gezeigten Verlauf der Strahlengänge ersichtlich, reflektiert der Teilerspiegel (120) den OCT-Abtaststrahlengang (400), so dass er zunächst in den Bobachtungsstrahlengang eingekoppelt und spätestens im Objektbereich (1000) dem Bobachtungsstrahlengang überlagert wird. Der OCT-Abtaststrahlengang beleuchtet den Ort im Objekt anhand eines Strahls mit einer gewissen radialen Ausdehnung, den der Benutzer anhand eines Strahls des Beobachtungsstrahlengangs beobachtet. Somit nimmt E1 das Merkmal G des Anspruchs 1 vorweg.

1.2 Gegenargumente der Patentinhaberin

1.2.1 Laut Patentinhaberin ist die "einzige sinnvolle Interpretation [der Merkmale E bis G], dass der OCT-Abtaststrahlengang unmittelbar am Ort der Reflexion am Teilerspiegel dem Beobachtungsstrahlengang überlagert wird" (siehe Beschwerdebegründung, Punkte II.1.2 a) bis c)).

Die Kammer kann sich dieser Meinung der Patentinhaberin nicht anschließen. Anspruch 1 definiert einen Teilerspiegel, der einerseits den OCT-Abtaststrahlengang reflektiert und andererseits diesen dem Beobachtungsstrahlengang überlagert. Wo genau die im Merkmal G definierte Überlagerung der Strahlengänge stattfindet, bleibt dem Wortlaut des Merkmals G nach offen. Unter Anderem ist eine Überlagerung unmittelbar am Ort der Reflexion nicht zwingend von dem Wortlaut des Merkmals G, auch nicht im Zusammenhang des gesamten Anspruchs 1, vorgesehen.

1.2.2 Die Patentinhaberin verweist auf die Rechtsprechung der Beschwerdekammern und auf Artikel 69 EPÜ um zu erklären, dass die Beschreibung und die Zeichnungen des Patents zur Auslegung der Ansprüche heranzuziehen sind. Dabei würde sich eindeutig herausstellen, dass der Beobachtungsstrahlengang und der OCT-Abtaststrahlengang am Teilerspiegel durch Reflexion des OCT-Abtaststrahlengangs einander überlagert werden, und die beiden Strahlengänge einander überlagert das Mikroskop-Hauptobjektiv durchsetzen (siehe Beschwerde-begründung, Punkte II.1.2 d) bis f)).

Wie von der Einspruchsabteilung überzeugend in der angegriffenen Entscheidung, Punkt 5.2.1.3, dargelegt, gibt es in dem vorliegendem Fall "keinen Grund für eine einschränkende Auslegung des Anspruchs 1 unter Heranziehung der Beschreibung und der Zeichnungen. Anspruch 1 ist so deutlich und eindeutig abgefasst, dass der Fachmann ihn problemlos verstehen kann". Daher muss Anspruch 1 seinem Wortlaut nach so breit ausgelegt werden, dass der Ort der Überlagerung der beiden Strahlengänge undefiniert ist.

2. Erster Hilfsantrag

Der Gegenstand des Anspruchs 1 geht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglichen Fassung hinaus (Artikel 123(2) EPÜ).

2.1 Gemäß den hinsichtlich des Anspruchs 1 des Hauptantrags hinzugefügten Änderungen im vorliegendem Anspruch 1 ist der OCT-Abtaststrahlengang beim Durchführen durch das Mikroskop-Hauptobjektiv (Merkmal E') und am Teilerspiegel (Merkmal G') dem Beobachtungsstrahlengang überlagert. Es gibt keine ausdrückliche Basis in der ursprünglichen Beschreibung für diese geänderten Merkmale hinsichtlich des genauen Ortes der Überlagerung der beiden Strahlengänge im Zusammenhang mit den anderen Merkmalen des Anspruchs 1. Lediglich das in Figur 7 gezeigte Operationsmikroskops mit zwei stereoskopischen Beobachtungsstrahlengängen für Mitbeobachtung (705, 706) offenbart schematisch eine Überlagerung der beiden OCT-Abtaststrahlengänge (723, 783) und der beiden entsprechenden Beobachtungsstrahlengänge (705, 706) beim Durchführen durch das Mikroskop-Hauptobjektiv (701) und am Teilerspiegel (750).

Anspruch 1 ist jedoch breiter als dieses spezielle Ausführungsbeispiel der Figur 7. Insbesondere ist Anspruch 1, entgegen dem Ausführungsbeispiel der Figur 7, nicht auf eine Einkoppelung des OCT-Abtaststrahlengangs in den Mitbeobachtungsstrahlengang eingeschränkt. Aus der gesamten ursprünglich eingereichten Anmeldung geht eindeutig hervor, dass der OCT-Abtaststrahlengang immer in den Mitbeobachtungsstrahlengang eingekoppelt wird (siehe alle drei in den Figuren 1, 6 und 7 dargestellten Ausführungsbeispiele und deren Beschreibung in der ursprünglichen Anmeldung). Das Herausgreifen eines einzelnen Teilmerkmals, d.h. der genaue Ort der Einkoppelung des OCT-Abtaststrahlengangs und der Überlagerung der beiden Strahlengänge, welches nur in enger funktionaler und struktureller Beziehung mit den anderen Merkmalen des Ausführungsbeispiels der Figur 7 offenbart ist, ist nicht zulässig.

Wie beispielsweise von der Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung, Punkt 6.3.2, argumentiert, ergeben sich unterschiedliche Anforderungen hinsichtlich der optischen Abbildungsqualität des Haupt- und Mitbeobachtungsstrahlengang. Im Hauptbeobachtungsstrahlengang ist eine maximale Abbildungsqualität erforderlich. Demgegenüber sind gewisse, dem Teilerspiegel geschuldete Qualitätseinbußen für den Mitbeobachtungsstrahlengang akzeptabel. Die Einkoppelung des OCT-Abtaststrahlengangs in den Mitbeobachtungsstrahlengang in allen Ausführungsbeispielen der ursprünglichen Anmeldung ist daher bewusst und nicht willkürlich.

Es wird in der ursprünglichen Anmeldung auch nicht offenbart, wie das OCT-Abtastsystem konkret in den Hauptbeobachtungsstrahlengang eingekoppelt wird. Es wird u.a. nicht offenbart, ob das OCT-Abtastsystem in einen einzelnen der beiden stereoskopischen Strahlengänge des Hauptbeobachtungssystems oder in beide gleichzeitig eingekoppelt wird. Die konkrete Art der Einkoppelung und Überlagerung des OCT-Strahlengangs wird in der ursprünglichen Anmeldung nur in dem Ausführungsbeispiel der Figur 7 im Zusammenhang mit dem Mitbeobachtungsstrahlengang offenbart.

Da es in der ursprünglichen Anmeldung keine Grundlage gibt für eine Verallgemeinerung hinsichtlich eines Operationsmikroskops, bei dem der Ort der Einkoppelung und der Überlagerung des OCT-Abtaststrahlengangs wie im Anspruch 1 definiert ist, stellen die geänderten Merkmale des Anspruchs 1 eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung dar.

Gegenargumente der Patentinhaberin

2.2 Die Patentinhaberin verweist auf Seite 3, zweiter Absatz, der ursprünglichen Anmeldung. Gemäß diesem Absatz gebe es eine allgemeine Lehre, dass der OCT-Abtaststrahlengang anhand eines Einkoppelelements in einen Beobachtungsstrahlengang eingekoppelt werde, ohne dass es sich dabei um einen Mitbeobachtungsstrahlengang handeln müsse.

Dieses Argument überzeugt die Kammer nicht, denn, wie von den Einsprechenden vorgetragen, bezieht sich dieser Absatz auf den ursprünglich eingereichten Anspruch 1, der ein allgemeines Operationsmikroskop, bei dem der Ort der Überlagerung des OCT-Abtaststrahlengangs offen bleibt, definiert.

2.3 Die Patentinhaberin bestreitet, dass es einen "engen strukturellen und funktionellen Zusammenhang zwischen den in den Patentanspruch 1 aufgenommenen Merkmalen und dem Merkmal der Einkoppelung des OCT-Abtaststrahlengangs in den Mitbeobachtungsstrahlengang" gibt (siehe Beschwerdebegründung, Punkt III.1.2.2). Insbesondere bestreitet die Pateninhaberin, dass sich für den Haupt- und den Mitbeobachtungsstrahlengang grundsätzlich unterschiedliche Anforderungen ergeben, da sie "nur hinsichtlich der subjektiven Umstände ihrer Nutzung unterschiedlich [sind], nämlich der eine dient für den Einblick des Hauptbeobachters und der andere für den Einblick des Mitbeobachters".

Die Kammer folgt jedoch der Meinung der Einsprechenden (siehe Beschwerdeerwiderung, Punkt III.2), dass die in der ursprünglichen Anmeldung verwendeten Begriffe "Hauptbeobachtung" und "Mitbeobachtung" eindeutig eine Rangfolge definieren. Die Kammer folgt ebenfalls der Meinung der Einspruchsabteilung, dass sich eine solche Rangfolge in Bezug auf die optische Abbildungsqualität der beiden Strahlengänge ergibt (siehe angefochtenen Entscheidung, Punkt 6.3.2).

2.4 Laut Patentinhaberin wird an keiner Stelle der ursprünglichen Beschreibung erklärt, dass es wesentlich sei, dass der OCT-Abtaststrahlengang in den Mitbeobachtungsstrahlengang eingekoppelt werde. Im Gegenteil, die technische Wirkung der Einkoppelung des OCT-Abtaststrahlengangs entfalte sich unabhängig davon, ob der Ort der Einkoppelung im Haupt- oder im Mitbeobachtungsstrahlengang stattfinde.

Die Kammer schließt sich der Meinung der Einsprechenden (Beschwerdeerwiderung, Punkt III.2) an, dass es für die Frage der ursprünglichen Offenbarung unerheblich sei, ob es für den Fachmann ersichtlich wäre, den OCT-Abtaststrahlengang in den Hauptbeobachtungsstrahlengang einzukoppeln und dort zu überlagern. Dies ist nämlich eine Frage der erfinderischen Tätigkeit. "Hingegen kommt es bei der ursprünglichen Offenbarung darauf an, was 'unmittelbar und eindeutig' offenbart ist. Gerade diese unmittelbare und eindeutige Offenbarung, dass bestimmte technische Erfolge sich im Strahlengang für Hauptbeobachtung genauso einstellen können wie im Strahlengang für Mitbeobachtung, fehlt aber im Streitpatent". In diesem Sinne spielt es eine untergeordnete Rolle, dass die ursprüngliche Beschreibung keinen Hinweis hinsichtlich der Wesentlichkeit der Einkoppelung in den Mitbeobachtungsstrahlengang enthält.

3. Zweiter Hilfsantrag

3.1 Zulassung des zweiten Hilfsantrags

Die Einsprechenden haben während der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer ihren Antrag, den vorliegenden zweiten Hilfsantrag wegen fehlender Konvergenz mit den höherrangigen Hilfsanträgen nicht zuzulassen, zurückgezogen.

Die Kammer übt ihr Ermessen unter Artikel 12(4) VOBK dahingehend aus, den vorliegenden zweiten Hilfsantrag zuzulassen, weil dieser Antrag als damaliger fünfter Hilfsantrag bereits während des erstinstanzlichen Verfahrens eingereicht und von der Einspruchsabteilung verbeschieden wurde (siehe angefochtene Entscheidung, Entscheidungsgründe, Punkt 10).

3.2 Zulassung des Dokuments E12

Das außerhalb der Einspruchsfrist eingereichte Dokument E12 wird wegen dessen Prima-facie-Relevanz in das Beschwerdeverfahren zugelassen.

3.2.1 Obwohl die in der angefochtenen Entscheidung, Punkt 10.1.2., gegebene Begründung der Einspruchsabteilung für die Zulassung des Dokuments E12, es gebe in der Einspruchsschrift keine Notwendigkeit, auf die abhängigen Ansprüche einzugehen, nicht nachvollziehbar ist, kommt auch die Kammer zu der Schlussfolgerung, dass das Dokument E12 zuzulassen ist, und zwar wegen dessen Prima-facie-Relevanz. In der Tat offenbart E12, im Zusammenhang mit den Figuren 9a und 9b, das in Anspruch 1 neu hinzugekommene Merkmal, d.h. ein verstellbares, optisches Element im OCT-Abtaststrahlengang, welches dazu geeignet ist, die OCT-Abtastebene relativ zur Beobachtungsebene zu verlagern.

3.2.2 Die Patentinhaberin trug vor, dass der vorliegende Anspruch 1 de facto nur eine Kombination aus den erteilten Ansprüchen 1 und 10 sei. Das zusätzliche, aus der Beschreibung, Seite 4, dritter Absatz, stammende Merkmal des Anspruchs 1 "um die OCT-Abtastebene (660) des Operationsmikroskops relativ zur Beobachtungsebene des Beobachtungsstrahlengangs zu verlagern" sei nur eine "Weiterführung" oder "Wirkungsangabe" des erteilten Unteranspruchs 10. Es gebe daher keinen gültigen Grund für die Einsprechenden, E12 nach der neunmonatigen Einspruchsfrist einzureichen.

Darüber hinaus sei E12 nicht prima facie relevant, weil es keinen eindeutigen Neuheitsangriff auf den beanspruchten Gegenstand erlaube.

3.2.3 Die Argumente der Patentinhaberin überzeugen die Kammer nicht.

Grundsätzlich müssen zwar alle Dokumente der Einsprechenden innerhalb der neunmonatigen Einspruchsfrist eingereicht werden. Nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern kann bei einer Ermessensentscheidung für die Frage der Berücksichtigung eines verspätet vorgelegten Stands der Technik jedoch dessen Prima-facie-Relevanz den Ausschlag geben. Dabei spielt es keine Rolle, ob E12 im Zusammenhang mit mangelnder Neuheit oder mangelnder erfinderischer Tätigkeit genannt wurde.

Zusätzlich zu dem ausschlaggebenden Kriterium der Prima-facie-Relevanz von E12, stellt die Kammer fest, dass die Änderungen des Anspruchs 1 nicht ausschließlich aus erteilten Ansprüchen bestehen. Auch sieht die Kammer weder eine Verfahrensverzögerung noch einen Verfahrensmissbrauch aufgrund des verspäteten Einreichens von E12: Das Dokument E12 wurde mit Schreiben der Einsprechenden vom 21. Juni 2013 lange vor der erstinstanzlichen, am 12. Juni 2015 stattfindenden, mündlichen Verhandlung eingereicht.

3.3 Erfinderische Tätigkeit

Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, weil er sich für den Fachmann auf naheliegende Weise aus den Dokumenten E6 und E12 ergibt (Artikel 56 EPÜ 1973).

3.3.1 E6 stellt den nächstliegenden Stand der Technik dar. Insbesondere hat die Patentinhaberin im Beschwerdeverfahren ihren vor der Einspruchsabteilung vorgetragenen Einwand (siehe angefochtene Entscheidung, Punkt 4), dass nicht nachgewiesen sei, dass das Veröffentlichungsdatum von Dokument E6 vor dem Prioritätsdatum des Patents liege, nicht aufrechterhalten.

3.3.2 Merkmale A bis C

Wie von den Einsprechenden in der Beschwerdeerwiderung, Punkt I.4, und während der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer vorgetragen, offenbart E6 in Zusammenhang mit der Figur 4B eine Kombination aus einem Operationsmikroskop und einem OCT-System (Merkmale A und C). Aus der Beschreibung von E6, Seite 5, letzter Absatz, geht hervor, dass es sich beim Operationsmikroskop um ein solches vom Typ Möller-Wedel HI R-20-1000 in kommerzieller Fassung handelt. Wie jedes Operationsmikroskop verfügt das Operationsmikroskop vom Typ Möller-Wedel HI R-20-1000 über ein Mikroskop-Hauptobjektiv, das von dem Beobachtungsstrahlengang durchsetzt wird (Merkmal B). Daher sind die Merkmale A bis C nicht neu gegenüber E6.

3.3.3 Merkmal D

Das OCT-System benutzt die gleiche Optik wie das Mikroskop ("same optic as the microscope"; siehe E6, Seite 3, vierter Absatz). Das bedeutet, dass der OCT-Abtaststrahlengang u.a. durch das Mikroskop-Hauptobjektiv geführt wird. Daher ist das Merkmal D nicht neu gegenüber E6.

3.3.4 Merkmale E und G

Aus E6, Seite 5, letzter Absatz, Seite 3, vierter Absatz, und der Bildunterschrift der Figur 4B geht hervor, dass das OCT-System an den Seiteneinblick ("side view") des Operationsmikroskops angeschlossen ist, die gleiche Optik wie das Mikroskop ("same optic as the microscope") benutzt und in dessen optischen Weg integriert ist ("OCT unite [sic] integrated into the optical path"). Daraus ergibt sich zwangsläufig, dass im Beobachtungsstrahlengang ein Einkoppelelement vorgesehen ist, um den OCT-Abtaststrahlengang durch Reflexion in den Beobachtungsstrahlengang einzukoppeln und durch das Mikroskop-Hauptobjektiv, den Beobachtungsstrahlengang überlagernd, zum Objektbereich zu führen. Dadurch sind die Merkmale E und G des Anspruchs 1 - die Ausführung des Einkoppelelements als Teilerspiegel ausgenommen - implizit in E6 offenbart und nicht neu gegenüber E6.

3.3.5 Merkmale F und G

Die Einsprechenden argumentierten während der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer, dass E6 ein Standard-Operationsmikroskop vom Typ Möller-Wedel HI R-20-1000 in kommerzieller Fassung offenbare, wobei ein OCT-System an den Kameraport des Operationsmikroskops angeschlossen sei. Da es sich um ein Standard-Operationsmikroskop mit bekanntem inneren Aufbau handele, sei dem Fachmann bekannt, dass das Einkoppelelement ein Teilerspiegel sei, der im Wesentlichen durchlässig für den sichtbaren Spektralbereich des Beobachtungslichts und reflektierend für das Licht des Kamera- bzw. OCT-Strahlengangs sei. Daher seien die Merkmale F und G nicht neu gegenüber E6.

Die Kammer hat Zweifel hinsichtlich der zwangsläufigen Ausführung des Einkoppelelements als spektraler Teilerspiegel. Sie ist jedoch überzeugt, dass der in Merkmal F definierte spektrale Teilerspiegel eine naheliegende Ausführungsform des Einkoppelelements für eine Einkoppelung eines OCT-Strahls in einen Beobachtungsstrahlengang unterschiedlicher Wellenlänge darstellt.

Daher trägt der in den Merkmalen F und G definierte, spektrale Teilerspiegel nichts zur erfinderischen Tätigkeit gegenüber E6 bei.

3.3.6 Merkmal "Verstellbares optisches Element im OCT-Abtaststrahlengang"

a) Es handelt sich um das folgende, gegenüber dem erteilten Anspruch 1 hinzugefügte Merkmal:

"wobei in dem OCT-Abtaststrahlengang (623) für das Einstellen einer geometrischen Abbildung eines Austrittsendes eines Lichtleiters (622) in eine OCT-Abtastebene (660) ein verstellbares optisches Element (630, 631) vorgesehen ist, um die OCT-Abtastebene (660) des Operationsmikroskops relativ zur Beobachtungsebene des Beobachtungsstrahlengangs zu verlagern".

b) Wie von den Einsprechenden während der mündlichen Verhandlung vorgetragen, hat das unterscheidende Merkmal der verstellbaren Linse im OCT-Strahlengang den technischen Effekt, die Bildebene mit der höchsten OCT-Bildauflösung unabhängig von dem Beobachtungsstrahlengang zu verschieben. Die objektive technische Aufgabe besteht daher darin, eine parallele Darstellung eines OCT-Bilds und eines optischen Beobachtungsbilds in gleich hoher Qualität zu ermöglichen.

c) Wie weiterhin von den Einsprechenden während der mündlichen Verhandlung vorgetragen, wird das Operationsmikroskop von E6 für die Operation von Gehirntumoren verwendet (siehe Titel von E6: "surgery of intrinsic brain tumors"). Da Gehirngewebe für sichtbares Licht nicht transparent ist, ist die Beobachtung anhand des Beobachtungsstrahlengangs auf die Oberfläche des zu untersuchenden Objekts beschränkt. Im Gegensatz dazu dringt der OCT-Strahl in einen Tiefenbereich von 1-3,5 mm und einer Ortsauflösung von 4-15 mym ein (siehe E6, Seite 1, Zusammenfassung). Um die bestmögliche OCT-Bildauflösung über den gesamten Tiefenbereich von 1-3,5 mm zu erreichen, müsste der OCT-Strahl in der in der Mitte des Tiefenbereichs von 1-3,5 mm liegenden Ebene anstatt auf der Oberfläche - wie der Beobachtungsstrahl - fokussiert werden. Ausgehend von E6 stellt sich somit dem Fachmann auf überzeugende Weise die oben in Punkt b) beschriebene Aufgabe, die OCT-Abtast- und Beobachtungsstrahlengänge in unterschiedlichen Ebenen zu fokussieren.

d) Aus diesem Anlass heraus sucht der Fachmann nach einer Lösung und findet sie in dem Dokument E12, wo beispielsweise in dem die Spalten 24 und 25 überbrückenden Satz angeregt wird, die Bildebene des OCT-Strahls innerhalb ("sub-surface imaging") und die des Beobachtungsstrahls an der Oberfläche ("en face surface profile") des Objekts anzuordnen. Anhand eines solchen axialen Versatzes der Bildebenen der OCT-Abtast- und Beobachtungsstrahlengänge wird eine Verbesserung der jeweiligen Bildqualität erreicht. Um die Flexibilität des OCT-Abtastsystems zu erhöhen, ist der axiale Versatz nicht fest eingestellt sondern anhand eines verstellbaren optischen Elements variierbar (siehe z.B. Spalte 26, Zeilen 3 bis 7; Figur 9a und deren Beschreibung in Spalte 15, Zeile 60 bis Spalte 16, Zeile 47; siehe Beschwerdeerwiderung der Einsprechenden, Punkt VII.4).

e) Den Hinweis der Verwendung eines verstellbaren optischen Elements im OCT-Abtaststrahlengang zur Lösung der Aufgabe, eine parallele Darstellung eines OCT-Bilds und eines optischen Beobachtungsbilds in gleich hoher Qualität zu ermöglichen, erhält der Fachmann somit aus E12. Die konkrete Ausführung des optischen OCT-Systems, die es erlaubt, den OCT-Fokuspunkt mit wenigstens einem verstellbaren optischen Element zu verschieben, stellt eine rein handwerkliche Maßnahme für den Fachmann dar.

3.3.7 Da somit alle Merkmale des Anspruchs 1 entweder nicht neu gegenüber E6 sind oder aber nichts zur erfinderischen Tätigkeit gegenüber E6 in Kombination mit E12 beitragen, gelangt der Fachmann auf naheliegende Weise zu dem Operationsmikroskop des Anspruchs 1.

Gegenargumente der Patentinhaberin

3.3.8 Während der mündlichen Verhandlung (vgl. auch Beschwerdebegründung, Punkt II.3.2) trug die Patentinhaberin vor, dass die Merkmale D bis G des Anspruchs 1 nicht in E6 offenbart seien. Das Operationsmikroskop von E6 sei wegen der Benutzung mit einem OCT-System kein Standard-Operationsmikroskop. Änderungen des optischen Systems des Operationsmikroskops seien nicht ausgeschlossen. Daher könnten die Merkmale D bis G auch nicht implizit in dem Operationsmikroskop von E6 offenbart sein.

Die Kammer ist von diesem Argument nicht überzeugt. Die Vermutung der Patentinhaberin, der standardmäßige Aufbau des Operationsmikroskops von E6 vom Typ Möller-Wedel HI R-20-1000 im Rahmen des in E6 geschilderten Experiments hätte in seinen optischen Grundzügen verändert werden können, ist durch den Hinweis in E6 auf Seite 5, dass es sich bei dem in der Figur 4B gezeigten Mikroskop um ein Mikroskop in kommerzieller Fassung handele, ausgeschlossen.

3.3.9 Während der mündlichen Verhandlung wurde von der Patentinhaberin vorgetragen, E6 offenbare keine konkreten Details über das optische System des OCT-Abtaststrahlengang. Es sei unbekannt, ob die Kollimationsoptik von E6 überhaupt in dem in der Figur 4B von E6 gezeigten Gehäuse vorhanden sei und ob die kollimierenden Linsen der Kollimationsoptik von E6 vor oder nach einem OCT-Scanner angeordnet seien. Ohnehin würde in den Vorrichtungen der Figuren 9a und 9b von E12 nie eine kollimierende Linse einer Kollimationsoptik verschoben; vielmehr treffe das stets auf andere Linsen zu: In der Figur 9a von E12 würde die kollimierende Linse (156) nicht verschoben; in der Figur 9b gebe es überhaupt keine Kollimationsoptik. Daher könne der Fachmann nicht wissen, welche Linsen des OCT-Abtaststrahlengangs von E6 zu verstellen seien. Auch die in E12 in der Figur 14 gezeigte Vorrichtung zum Verschieben des Fokuspunkts gebe keine eindeutigen Aufschlüsse, wie der OCT-Fokuspunkt relativ zur Beobachtungsebene des Beobachtungsstrahlengangs zu verlagern sei.

Die Kammer kann sich auch diesem Argument nicht anschließen, weil die Verschiebung eines Fokuspunkts anhand optischer Elemente, beispielsweise anhand wenigstens einer Linse, als eine rein handwerkliche Maßnahme anzusehen ist.

3.3.10 Gemäß der Beschwerdebegründung, Punkt II.3.2, Seite 14, zweiter Absatz, ist E6 hinsichtlich des Merkmals G des Anspruchs 1 "keine Überlagerung des OCT-Abtaststrahlengangs mit dem Beobachtungsstrahlengang am Teilerspiegel noch im Mikroskop-Hauptobjektiv zu entnehmen", auch nicht der Passage "uses the same optic as the microscope" in E6, Punkt 2.5, zweiter Absatz.

Wie bereits oben in Punkt 1.2.1 erläutert, kann sich die Kammer dieser Ansicht nicht anschließen, weil der genaue Ort, an dem die im Merkmal G definierte Überlagerung der Strahlengänge stattfindet, dem Wortlaut des Merkmals G nach offen bleibt. Dass eine Überlagerung der beiden Strahlengänge spätestens am Ort des zu beobachtenden Objekts stattfindet, wurde nicht bestritten.

3.3.11 Die Argumente der Patentinhaberin (Punkte 3.3.8 bis 3.3.10) zu Gunsten einer erfinderischer Tätigkeit konnten die Kammer nicht überzeugen. Daher ist die Kammer der Meinung, dass das Operationsmikroskop des Anspruchs 1 durch die Lehre von E6, in Kombination mit E12, aus den in den Punkten 3.3.1 bis 3.3.7 besprochenen Gründen nahegelegt ist.

4. Dritter Hilfsantrag

4.1 Zulassung des dritten Hilfsantrags

Zu dem Antrag der Einsprechenden, den vorliegenden dritten Hilfsantrag wegen fehlender Konvergenz mit den höherrangigen Hilfsanträgen nicht zuzulassen, weist die Kammer darauf hin, dass dieser Antrag nach dem Wortlaut von Artikel 12(4) VOBK Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist ("wird ... von der Kammer berücksichtigt"). Denn dieser mit der Beschwerdebegründung eingereichte Antrag wurde als damaliger dritter Hilfsantrag bereits während des erstinstanzlichen Verfahrens eingereicht und von der Einspruchsabteilung verbeschieden siehe angefochtene Entscheidung, Entscheidungsgründe, Punkt 8).

4.2 Änderungen

Der Gegenstand des Anspruchs 1 geht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglichen Fassung hinaus (Artikel 123(2) EPÜ).

4.2.1 Die hinsichtlich des Anspruchs 1 des Hauptantrags hinzugefügten Merkmale des vorliegenden Anspruchs 1 definieren zwei im OCT-Abtaststrahlengang angeordnete OCT-Linsensysteme, welche eine Zwischenabbildung eines Austrittsendes des OCT-Lichtleiters in einer zu der OCT-Abtastebene konjugierten Ebene bewirken. Die mögliche Grundlage für diese hinzugefügten Merkmale sind in dem in der Figur 6 gezeigten Ausführungsbeispiel zu suchen. Siehe insbesondere die Beschreibung auf Seite 12, zweiter Absatz, in der ursprünglichen Anmeldung.

Wie von den Einsprechenden, Punkt IV.1 der Beschwerdeerwiderung, und von der Einspruchsabteilung, Punkt 8.2 der angefochtenen Entscheidung, argumentiert, sind diese hinzugefügten Merkmale des vorliegenden Anspruchs 1 nur im Zusammenhang mit weiteren Merkmalen (c bis e) in der ursprünglich eingereichten Anmeldung offenbart, und zwar wie folgt:

"c. die Scanspiegel für den OCT-Abtaststrahl zwischen den Linsensystemen angeordnet sind (siehe Fig. 6; S. 12, Z. 3-5),

d. das Austrittsende des Lichtleiters und die beiden OCT-Linsensysteme verstellbar ausgebildet sind (siehe Fig. 6; S. 12, Z. 11-12),

e. die Einkoppelung des OCT-Abtaststrahlengangs in den Beobachtungsstrahlengang für die Mitbeobachtung erfolgt (siehe Fig. 6)".

Wie mit Bezug auf die im Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags vorgenommenen Änderungen erläutert (siehe oben Punkt 2.), ist die Kammer der Meinung, dass alle Ausführungsbeispiele der ursprünglich eingereichten Anmeldung (siehe Figuren 1, 6 und 7) ein OCT-Abtastsystem offenbaren, das in einen Mitbeobachtungsstrahlengang eingekoppelt wird. Ähnlich wie bereits oben in Punkt 2.1 geschildert, ist das Herausgreifen eines einzelnen Teilmerkmals (zwei OCT-Linsensysteme) welches nur in enger funktionaler und struktureller Beziehung mit den anderen Merkmalen des Ausführungsbeispiels der Figur 6 offenbart ist, nicht zulässig. Insbesondere ist die Einkoppelung des OCT-Abtastsystem mit einer gewissen Bildqualitätseinbuße verbunden, wodurch die Einkoppelung des OCT-Abtaststrahlengangs in den Mitbeobachtungsstrahlengang in allen Ausführungsbeispielen der ursprünglichen Anmeldung bewusst und nicht willkürlich ist (Merkmal e).

Da es in der ursprünglichen Anmeldung keine Grundlage für eine Verallgemeinerung hinsichtlich eines Operationsmikroskops mit zwei im OCT-Abtaststrahlengang angeordneten OCT-Linsensysteme gibt, welche eine Zwischenabbildung eines Austrittsendes des OCT-Lichtleiters in einer zu der OCT-Abtastebene konjugierten Ebene bewirken, stellen die geänderten Merkmale des Anspruchs 1 eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung dar.

4.2.2 Die Patentinhaberin argumentierte, dass durch die alleinige Bezeichnung der Strahlengänge als Haupt- und Mitbeobachtungsstrahlengang keine unterschiedliche technische Wirkung zwischen den Strahlengängen definiert werde. Es sei eine rein subjektive Beurteilung, wer Hauptbeobachter oder Mitbeobachter sei. Zwischen den beiden Strahlengängen gebe es keinen quantitativen Unterschied. Es spiele daher keine Rolle, ob die Einkoppelung in dem Haupt- oder Mitbeobachtungsstrahlengang stattfinden würde.

Aus den in den Punkten 2.3 und 2.4 oben beschriebenen Gründen, teilt die Kammer die Meinung der Patentinhaberin nicht.

5. Aus den oben dargelegten Gründen kommt die Kammer zum Schluss, dass keiner der Anträge der Pateninhaberin gewährbar ist und deshalb das Patent widerrufen werden muss.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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