European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2019:T184315.20190606 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 06 Juni 2019 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1843/15 | ||||||||
Anmeldenummer: | 09153846.2 | ||||||||
IPC-Klasse: | C08J 3/14 B29C 67/00 C08G 69/02 C08G 69/08 C08G 69/26 C08G 69/14 C08G 69/36 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Copolyamidpulver und dessen Herstellung, Verwendung von Copolyamidpulver in einem formgebenden Verfahren und Formkörper, hergestellt aus diesem Copolyamidpulver | ||||||||
Name des Anmelders: | Evonik Degussa GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | ARKEMA France | ||||||||
Kammer: | 3.3.09 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Spät eingereichtes Dokument - zugelassen (nein) Spät vorgebrachte Argumente - zugelassen (nein) Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (nein) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch zurückzuweisen.
II. Die Einsprechende hatte den Widerruf des Patents im gesamten Umfang auf Grundlage der Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a) (mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit), Artikel 100 b) EPÜ und Artikel 100 c) EPÜ beantragt.
III. Die im Rahmen des Einspruchsverfahrens vor der Einspruchsabteilung eingereichten Dokumente umfassten:
D1: WO 2009/101320 A2
D2: US 2007/0197692 A1
D3: US 6,245,281 B1
D5: DE 10 2004 010 160 A1
D6: US 4,386,197
D7: US 6,149,836
D8: FR 2 873 380 A1
D30: US 2006/0071359 A1
D31: WO 2005/105891 A1
D32: WO 2006/037615 A1
D36: experimenteller Bericht (thermische Eigenschaften
von PA 11/1012, PA 11/1010, PA 12/1012)
D37: experimenteller Bericht (Verwendung von
PA 1010/11 auf einer Maschine Formiga P100)
D38: Versuchsablauf Copolyamidpulver EP 2 103 643 B1.
IV. Das Patent enthält 18 Ansprüche, wobei der einzige unabhängige Anspruch wie folgt lautet:
"1. Schichtweise arbeitendes Verfahren zur Herstellung von dreidimensionalen Bauteilen unter Verwendung von Copolyamidpulver, bei dem selektiv Bereiche der jeweiligen Pulverschicht durch den Eintrag elektromagnetischer Energie aufgeschmolzen werden, dadurch gekennzeichnet, dass das Pulver unter Verwendung der Monomerbausteine
- Laurinlactam oder omega-Aminoundecansäure, und entweder
- Dodekandisäure oder Sebazinsäure und entweder
- Dekandiamin oder Dodekandiamin
hergestellt wurde."
Die Ansprüche 2 bis 18 sind abhängige Ansprüche.
V. Die Entscheidung der Einspruchsabteilung kann wie folgt zusammengefasst werden:
- Von den nach Ablauf der Einspruchsfrist (Artikel 99(1) EPÜ) eingereichten Dokumenten wurden, unter anderem, D31, D32 und D36 bis D38 zum Verfahren zugelassen.
- Die erteilten Ansprüche 4, 8 und 13 bis 18 des angegriffenen Patents enthalten keine unzulässige Änderung.
- Das Patent offenbare die Erfindung ausreichend, so dass ein Fachmann die Erfindung ausführen könne.
- Der beanspruchte Gegenstand sei gegenüber D1, D2, D3, D5 und D30 neu.
- Der beanspruchte Gegenstand beruhe gegenüber D5 als nächstliegendem Stand der Technik, allein oder in Kombination mit einem der Dokumente D2, D3, D6, D7, D30, D31 oder D32, auf einer erfinderischen Tätigkeit.
- D31 sah die Einspruchsabteilung nicht als nächstliegenden Stand der Technik an. Aber selbst wenn davon ausgegangen würde, beruhe der beanspruchte Gegenstand auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
VI. Gegen diese Entscheidung der Einspruchsabteilung legte die Einsprechende (nachfolgend "Beschwerdeführerin") Beschwerde ein und beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das angegriffene Patent vollständig zu widerrufen. Weiterhin beantragte sie, das von der Einspruchsabteilung zum Verfahren zugelassene Dokument D38 wieder aus dem Verfahren zu nehmen.
VII. Die Patentinhaberin (nachfolgend "Beschwerdegegnerin") beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen (Hauptantrag).
VIII. Die Beschwerdeführerin hat mit Schreiben vom 15. November 2018 einen weiteren sehr ausführlichen Schriftsatz und die folgenden neuen Dokumente eingereicht:
D40: experimenteller Bericht zu PA 1010/11 (von der
Beschwerdeführerin als D39 bezeichnet)
D41: WO 2005/111119 A1 (von der Beschwerdeführerin als
D40 bezeichnet).
IX. In Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung hat die Kammer am 29. März 2019 eine Mitteilung erlassen, worin sie ihre vorläufige Meinung erläutert hat.
X. Mit Schreiben vom 8. April 2019 reichte die Beschwerdegegnerin D42 und die Hilfsanträge 1 bis 8 ein.
D42: DSC-Verläufe zu der Probe PA 12/1012 (96:4).
Sie beantragte darüber hinaus, D40 und D41 nicht zum Verfahren zuzulassen.
XI. In Ihrer Erwiderung auf dieses Schreiben der Beschwerdegegnerin (vom 8. April 2019) hat die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 9. Mai 2019 einen weiteren Schriftsatz und D43a und D43b eingereicht.
D43a: "Selective Laser Sintering Materials", von Axis
Prototypes
D43b: Datenblatt zu FR 106.
XII. Am 6. Juni 2019 fand die mündliche Verhandlung vor der Kammer statt. Die Beschwerdeführerin hielt an Ihren schriftlich gestellten Anträgen fest. Auch die Beschwerdegegnerin hielt an Ihren schriftlich gestellten Anträgen fest und beantragte darüber hinaus, D43a und D43b sowie das über die Beschwerdebegründung hinausgehende, danach eingereichte Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht zum Verfahren zuzulassen. In der mündlichen Verhandlung nahm die Beschwerdegegnerin alle Hilfsanträge zurück, so dass der Hauptantrag der einzige im Verfahren verbleibende Antrag war. Am Ende der Verhandlung wurde die Entscheidung verkündet.
XIII. Die Argumente der Beschwerdeführerin können, soweit für die vorliegende Entscheidung relevant, wie folgt zusammengefasst werden:
- Die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das erst in der mündlichen Verhandlung eingereichte Dokument D38 als Reaktion auf D37 zuzulassen, sei nicht korrekt gewesen. D38 könne nicht als Reaktion auf D37 angesehen werden, da D38 nicht die in D37 getesteten Copolyamide verwendet habe. Somit sollte D38 wieder aus dem Verfahren genommen werden.
- D40, D41, D43a und D43b sollten zum Verfahren zugelassen werden. D40 sei als Reaktion auf die Argumentation der Beschwerdegegnerin anzusehen, wonach es unmöglich sei, ein schichtweise arbeitendes Verfahren durchzuführen, bei dem der Teilchendurchmesser des Pulvers über der beabsichtigten Schichtdicke liege. D41 sei auf den ersten Blick für die Frage der erfinderischen Tätigkeit relevant, da es sich auch mit einem verbreiterten Verarbeitungsfenster beschäftige. D43a und D43b seien eine direkte Reaktion auf das Schreiben der Beschwerdegegnerin vom 8. April 2019. Diese Dokumente zeigen, dass auch mit einem Teilchendurchmesser (D90) von 151 mym eine Schichtdicke von etwa 100 mym hergestellt werden könne.
- Das Vorbringen vom 15. November 2018, insofern es über die Beschwerdebegründung hinausgehe, beruhe überwiegend auf Dokumenten, wie D8 oder D31, die bereits im Verfahren waren. Somit sollte dieses Vorbringen zum Verfahren zugelassen werden.
- Das beanspruchte Verfahren beruhe gegenüber D5 als nächstliegendem Stand der Technik in Kombination mit D30 oder D31 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Es liege kein Effekt gegenüber D5 (Beispiel 4) vor, der das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit stützen könnte. Zumindest sei jedoch nicht glaubhaft, dass ein Effekt über den gesamten beanspruchten Bereich erzielt werden könne. Somit sei die objektive technische Aufgabe ausgehend von D5 lediglich in der Bereitstellung eines alternativen Verfahrens zu sehen. Ein Fachmann erhalte aus D30 oder D31 eine Anregung, ein Copolyamid gemäß Anspruch 1 des angegriffenen Patents einzusetzen. Somit beruhe der beanspruchte Gegenstand gegenüber D5 als nächstliegendem Stand der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
XIV. Die Argumente der Beschwerdegegnerin können, soweit für die vorliegende Entscheidung relevant, wie folgt zusammengefasst werden:
- D38 sei als Reaktion auf D37 anzusehen und somit sei die Entscheidung der Einspruchsabteilung, D38 zum Verfahren zuzulassen, nicht zu beanstanden.
- D40, D41, D43a und D43b sollten nicht zum Verfahren zugelassen werden. D40 sei lediglich eine Wiederholung der Experimente aus D37. Ferner sei D40 sehr spät, d.h. knapp drei Jahre nach der Beschwerdebegründung, eingereicht worden. Die Beschwerdegegnerin hatte somit keine Gelegenheit, Gegenexperimente durchzuführen. Ein Sieb von 160 mym (wie in D40 beschrieben) lasse noch immer größere Teilchen als die beabsichtige Schichtdicke von 100 mym zu, so dass die Einwände zu D37 noch immer zutreffend seien. D41 sei nicht relevanter als die anderen, im Verfahren befindlichen Dokumente. Außerdem sei D41 der Beschwerdeführerin seit langem bekannt gewesen, da sie am 25. März 2015 einen Einspruch gegen den europäischen Teil von D41 eingelegt habe. D43a und D43b seien nachveröffentlicht und somit nicht zuzulassen.
- Das über die Beschwerdebegründung hinausgehende Vorbringen vom 15. November 2018, z.B. die neuen Angriffe gegen die erfinderische Tätigkeit ausgehend von D8, D31 oder D41, sollte nicht zum Verfahren zugelassen werden.
- Der beanspruchte Gegenstand beruhe gegenüber D5 als nächstliegendem Stand der Technik auf einer erfinderischen Tätigkeit. Das erfindungsgemäße Verfahren unterscheide sich von D5 dadurch, dass in D5 kein Copolyamid zur Verwendung in einem schichtweise arbeitenden Verfahren beschrieben sei, in dem die Monomerbausteine Dekandiamin oder Dodekandiamin vorhanden seien (vgl. das Beispiel 6 von D5). Aus diesem Unterschied resultiere ein schichtweise arbeitendes Verfahren, in dem aufgrund des eingesetzten Copolyamidpulvers ein verbreitertes Verarbeitungsfenster generiert und die Prozesssicherheit erhöht werden könne. Somit sei die ausgehend von D5 zu formulierende objektive technische Aufgabe in der Bereitstellung eines Verfahrens zu sehen, in dem ein breiteres Verarbeitungsfenster generiert und eine erhöhte Prozesssicherheit erreicht werden könne. Aus keinem der von der Beschwerdeführerin zitierten Dokumente sei eine Anregung zu erhalten, dass dieser gegenüber D5 gezeigte Effekt durch Austausch von Isophorondiamin (d.h. dem Diamin gemäß Beispiel 6 von D5) gegen Dekandiamin oder Dodekandiamin erreicht werden könnte. Somit beruhe der beanspruchte Gegenstand gegenüber D5 als nächstliegendem Stand der Technik, allein oder in Kombination mit einem der weiteren Dokumente, auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Entscheidungsgründe
HAUPTANTRAG (DAS PATENT WIE ERTEILT)
1. Ermessensausübung der Einspruchsabteilung hinsichtlich der Zulassung von D38
Die Einspruchsabteilung wertete das Einreichen von D38 als angemessene Reaktion auf das späte Vorbringen von D37 und entschied somit, D38 zum Verfahren zuzulassen.
In D38 wurden Pulver aus PA 12/1012 (75:25) getestet, wohingegen in D37 Pulver aus PA 1010/11 (80:20) untersucht wurden. In D38 wurden somit verglichen mit D37 völlig unterschiedliche Copolyamide untersucht. Der deutlich vor D37 eingereichte Testbericht D36 betrifft DSC-Messungen, in denen auch ein Pulver aus PA 12/1012 (75:25) - wie in D38 - untersucht wurde.
D38 ist somit nicht als Reaktion auf das kurz vor der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereichte Dokument D37, sondern als Reaktion auf das deutlich länger im Verfahren befindliche Dokument D36 anzusehen. Dies stellt nach Ansicht der Kammer keine direkte Reaktion auf eine durch eine neue Stellungnahme einer Partei verursachte Änderung des Sachverhalts dar. Die in D38 untersuchten Copolyamide unterscheiden sich auch nur unwesentlich von den in den Beispielen 13 und 14 des Patents beschriebenen Copolyamiden, so dass D38 nicht mehr Aussagekraft besitzt als die bereits im Patent selbst erwähnten Beispiele.
Nach Ansicht der Kammer hat die Einspruchsabteilung ihr Ermessen, D38 als Reaktion auf D37 zuzulassen, nicht nach den richtigen Kriterien ausgeübt. Somit wird diese Entscheidung der Einspruchsabteilung aufgehoben. D38 ist folglich nicht länger im Verfahren.
2. Zulassung von D40, D41, D43a, D43b und des (neuen) Vorbringens der Beschwerdeführerin vom 15. November 2018
2.1 D40
Nach Ansicht der Beschwerdeführerin sei D40 als Reaktion auf die Argumentation der Beschwerdegegnerin zur Problematik des Teilchendurchmessers des Copolyamidpulvers eingereicht worden. Es wäre einige Zeit nötig gewesen, um diese Experimente durchzuführen, so dass das verspätete Einreichen dadurch zu rechtfertigen sei. D40 sei jedoch nicht besonders komplex und die Beschwerdegegnerin hätte genügend Zeit gehabt, um auf D40 reagieren zu können. Somit sollte D40 zum Verfahren zugelassen werden.
Die Kammer kann sich aus folgenden Gründen dieser Ansicht nicht anschließen.
D40 wurde knapp drei Jahre nach Einreichen der Beschwerdebegründung eingereicht und ist somit nicht Teil des Vorbringens gemäß Artikel 12(2) VOBK. Somit steht es im Ermessen der Kammer, Änderungen des Vorbringens nach Einreichen der Beschwerdebegründung zuzulassen (Artikel 13(1) VOBK).
D40 basiert auf dem experimentellen Bericht D37 und verwendet das gleiche Copolyamid (PA 1010/11 (80:20)) wie D37. D40 und D37 scheinen sich maßgeblich dadurch zu unterscheiden, dass in D40 ein Copolyamid mit einem Teilchendurchmesser Dv50 von 81,1 mym erwähnt ist, das mit einem 160 mym Sieb gesiebt worden ist, wohingegen in D37 ein mittlerer Teilchendurchmesser von ungefähr 150 mym angegeben ist. Somit ist D40 als Reaktion auf die Entscheidung der Einspruchsabteilung zu werten, worin die Aussagekraft des experimentellen Berichts D37 kritisiert wurde. Die Entscheidung der Einspruchsabteilung war der Beschwerdeführerin aber schon seit über drei Jahren bekannt gewesen.
D40 ist nicht durch eine neue Stellungnahme der Beschwerdegegnerin oder eine anderweitig verursachte Änderung des Sachverhalts veranlasst gewesen. Auch die Argumentation der Beschwerdegegnerin, dass bei Verwendung eines Pulvers mit einem Durchmesser von 150 mym in einem schichtweise arbeitenden Verfahren keine Schichtdicke von 100 mym erzeugt werden könne, wurde bereits im erstinstanzlichen Einspruchsverfahren vorgebracht und war der Beschwerdeführerin bereits seit vielen Jahren bekannt.
Nach Ansicht der Kammer hätte D40 wesentlich früher eingereicht werden können und auch müssen. Für die Kammer erschließt sich nicht, warum dieser experimentelle Bericht nicht bereits mit Einreichen der Beschwerdebegründung eingereicht worden ist. Es ist keinesfalls plausibel, dass es etwa drei Jahre dauert, um die entsprechenden Experimente durchzuführen. Wenn man zugunsten der Beschwerdeführerin anerkennen würde, dass ein Zeitraum von drei Jahren ein zu rechtfertigender Zeitraum wäre, um neue Experimente einzureichen, so wäre es im Einklang mit einem fairen Verfahren und der Gleichbehandlung der Parteien auch erforderlich, der Beschwerdegegnerin genau so viel Zeit einzuräumen, um entsprechende Gegenexperimente durchzuführen. Vor diesem Hintergrund kann die Kammer der Ansicht der Beschwerdeführerin, es sei genügend Zeit gewesen (d.h. vom 15. November 2018 bis zum Tag der Verhandlung am 6. Juni 2019), um als Beschwerdegegnerin entsprechend darauf reagieren zu können, nicht folgen.
Auch der Ansicht der Beschwerdeführerin, dass D40 nicht besonders komplex sei, kann die Kammer nicht folgen. Keinesfalls ist D40 ein Testbericht, der auf den ersten Blick, ohne tiefgreifende Überlegungen in seiner Aussagekraft einfach beurteilt werden kann. Vielmehr ist die Aussagekraft von D40 nach Ansicht der Kammer erst nach eingehender Analyse zu erfassen und somit als durchaus komplex einzustufen.
Zwar sind die bei der Ausübung des Ermessens zu berücksichtigenden Kriterien in Artikel 13(1), zweiter Satz, VOBK nicht abschließend aufgeführt. Die Relevanz des Vorbringens ist jedoch kein in Artikel 13(1), zweiter Satz, VOBK ausdrücklich erwähntes Kriterium. Selbst wenn D40 als relevant einzustufen wäre, was dahinstehen kann, könnte dies nichts daran ändern, dass dieser experimentelle Bericht hätte früher eingereicht werden müssen, um berücksichtigt werden zu können.
Zur Sicherung eines fairen Verfahrens und in Anbetracht des fortgeschrittenen Verfahrensstadiums hat die Kammer entschieden, D40 nicht zum Verfahren zuzulassen (Artikel 13(1) VOBK).
2.2 D41, D43a und D43b
D41 war - wie von der Beschwerdegegnerin vorgetragen und von der Beschwerdeführerin nicht bestritten worden ist - der Beschwerdeführerin seit vielen Jahren bekannt, da sie am 25. März 2015 einen Einspruch gegen den europäischen Teil von D41 eingelegt hat. D41 hätte also bereits wesentlich früher eingereicht werden können. Ein plausibler Grund, der das späte Einreichen dieses Dokuments rechtfertigen könnte, wurde von der Beschwerdeführerin nicht vorgetragen.
D43a und D43b wurden - wie D40 - ebenfalls in Reaktion auf die Entscheidung der Einspruchsabteilung bzw. die Kritik der Beschwerdegegnerin eingereicht, dass in einem schichtweise arbeitenden Verfahren, das ein Pulver mit einem Durchmesser von 150 mym (wie in D37) verwendet, keine Schichtdicke von 100 mym realisiert werden könne. Wie bereits in Bezug auf D40 ausgeführt, geht dies auf Argumente aus dem erstinstanzlichen Einspruchsverfahren zurück. Somit hätten auch die nachveröffentlichten Dokumente D43a und D43b früher eingereicht werden müssen. Ob diese Dokumente als nachveröffentlichte Dokumente überhaupt verwendbar sind kann somit dahinstehen.
Somit hat die Kammer entschieden, auch die Dokumente D41, D43a und D43b nicht zum Verfahren zuzulassen (Artikel 13(1) VOBK).
2.3 (Neues) Vorbringen der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 15. November 2018
Die in der Beschwerdebegründung enthaltenen Ausführungen zu den Einspruchsgründen gemäß Artikel 100 b) EPÜ und Artikel 100 a) EPÜ i.V.m. Artikel 56 EPÜ basieren im wesentlichen auf Argumenten und Dokumenten, die im erstinstanzlichen Einspruchsverfahren vorgebracht wurden, und ergänzen diese teilweise. Im Gegensatz dazu stützte sich das (knapp drei Jahre später eingereichte) Vorbringen vom 15. November 2018 im Rahmen des Einwands mangelnder Ausführbarkeit maßgeblich auf einen neuen experimentellen Bericht D40, und es wurden außerdem drei neue Angriffe gegen die erfinderische Tätigkeit ausgehend von D8, D31 und D41 als nächstliegendem Stand der Technik vorgetragen.
Wie vorstehend unter den Punkten 2.1 und 2.2 ausgeführt, wurden D40 und D41 nicht zum Verfahren zugelassen. Somit können bereits aus diesem Grund die dazugehörigen Argumentationslinien nicht zum Verfahren zugelassen werden.
Darüber hinaus entsteht nach Ansicht der Kammer durch das neue Vorbringen vom 15. November 2018 ein völlig neuer Fall, der nicht nur die bereits in der Beschwerdebegründung vorgebrachten Angriffslinien ergänzt, sondern gänzlich neue Angriffe einführt und neue Fragen aufwirft. Die Kammer wertet dieses neue Vorbringen wie das Einreichen einer (neuen) zweiten Beschwerdebegründung. Das Vorbringen (i) des neuen Angriffs gegen die Ausführbarkeit gestützt auf D40 und (ii) der neuen Angriffe gegen die erfinderische Tätigkeit ausgehend von D8, D31 und D41 als nächstliegendem Stand der Technik knapp drei Jahre nach Einreichen der Beschwerdebegründung ist nach Ansicht der Kammer nicht im Einklang mit einem fairen Verfahren, in dem die Parteien den vollständigen Sachvortrag bereits mit der Beschwerdebegründung (bzw. der Erwiderung darauf) vorbringen müssen und alle Tatsachen, Argumente und Beweismittel anführen sollen. Auch im Hinblick auf das fortgeschrittene Verfahrensstadium kann dieses Vorbringen keine Berücksichtigung mehr finden.
Dieses (neue) Vorbringen der Beschwerdeführerin vom 15. November 2018, d.h. (i) der neue Angriff gegen die Ausführbarkeit gestützt auf D40 und (ii) die neuen Angriffe gegen die erfinderische Tätigkeit ausgehend von D8, D31 und D41 als nächstliegendem Stand der Technik, wurde somit nicht zum Verfahren zugelassen (Artikel 13(1) VOBK).
3. Merkmalsanalyse von Anspruch 1 (wie erteilt)
(1) Schichtweise arbeitendes Verfahren zur Herstellung
von dreidimensionalen Bauteilen
(2) unter Verwendung von Copolyamidpulver,
(3) bei dem selektiv Bereiche der jeweiligen
Pulverschicht durch den Eintrag
elektromagnetischer Energie aufgeschmolzen werden,
(4) wobei das Pulver unter Verwendung der
Monomerbausteine:
(4a) Laurinlactam (4a1) oder omega-Aminoundecansäure (4a2),
und
(4b) entweder Dodekandisäure (4b1) oder Sebazinsäure
(4b2) und
(4c) entweder Dekandiamin (4c1) oder Dodekandiamin
(4c2)
hergestellt wurde.
4. Interpretation von Anspruch 1
4.1 Die Beschwerdeführerin war der Ansicht, dass das in Anspruch 1 beschriebene Pulver hinsichtlich der Zusammensetzung des Copolyamids offen auszulegen sei, so dass zusätzlich zu den drei erwähnten Monomerbausteinen (Merkmale (4a) bis (4c)) noch weitere Monomerbausteine vorhanden sein können.
Die Beschwerdegegnerin war zunächst der Ansicht, dass das Copolyamid gemäß Anspruch 1 offen definiert sei, änderte jedoch im Laufe der mündlichen Verhandlung Ihre Meinung und argumentierte dann, gestützt auf Abschnitt [0028] des Patents, dass nur Copolyamide aus lediglich drei Monomerbausteinen, wie PA 12/1012, gemeint seien.
4.2 Folglich ist die Formulierung "das Pulver unter Verwendung der Monomerbausteine Laurinlactam oder omega-Aminoundecansäure, und entweder Dodekandisäure oder Sebazinsäure und entweder Dekandiamin oder Dodekandiamin hergestellt wurde" in Anspruch 1 dahingehend zu untersuchen, ob das Copolyamid die Anwesenheit weiterer Monomerbausteine eindeutig ausschließt oder ob weitere Monomerbausteine vorhanden sein können.
Nach Ansicht der Kammer schließt sie Formulierung "unter Verwendung der Monomerbausteine ... hergestellt wurde" in Anspruch 1 nicht aus, dass weitere Monomerbausteine vorhanden sein können. Eine eindeutig abschließend auszulegende Formulierung, wie "bestehend aus", "nur aus" bzw. "ausschließlich aus", findet sich in Anspruch 1 nicht.
Die Beschwerdegegnerin berief sich auf einen Satz in Abschnitt [0028] des Patents, der wie folgt lautet:
"Die Verwendung von einem Laurinlactam oder omega-Aminoundecansäure, und entweder Dodekandisäure oder Sebazinsäure und entweder Dekandiamin oder Dodekandiamin in der Polykondensation führt zu einem Copolyamid mit sehr speziellen Eigenschaften."
Diese Textstelle bezieht sich zwar auf Copolyamide, die aus nur drei Monomerbausteinen hergestellt sind. Daraus ergibt sich jedoch nicht, dass die anspruchsgemäß einzusetzenden Copolyamide nur aus drei Monomerbausteinen bestehen müssen.
Ein weiterer, anschließender Satz in Abschnitt [0028], den die Beschwerdegegnerin erwähnt hat, lautet wie folgt:
"Nach der Nomenklatur gemäß ISO 1874 handelt es sich dabei um Copolyamide mit der Bezeichnung PA 12/1012, PA 12/1212, PA 11/1012, PA 11/1212, PA 11/1010, PA 12/1010, PA 11/1210, PA 12/1210, je nach Zusammensetzung der Monomerbausteine. Das durch Polykondensation erhaltene Copolyamid ist statistisch aufgebaut."
In diesem Satz ist erwähnt, dass es sich nach der Nomenklatur gemäß ISO 1874 bei den erwähnten Copolyamiden, die die drei angegebenen Monomerbausteine enthalten, um Copolyamide mit einer Bezeichnung, wie PA 12/1012 etc., handelt. Auch diese Textstelle ändert jedoch nichts an der nicht eindeutig abschließenden Definition der Copolyamide in Anspruch 1.
Somit ist Anspruch 1 hinsichtlich der Definition des Copolyamids offen definiert und die Anwesenheit weiterer Monomerbausteine (zusätzlich zu (4a) bis (4c)) ist nicht ausgeschlossen.
5. Erfinderische Tätigkeit
5.1 Nächstliegender Stand der Technik
Beide Parteien waren der Ansicht, dass D5 einen geeigneten nächstliegenden Stand der Technik darstelle.
D5 beschreibt ein Verfahren zur Herstellung von Formkörpern durch ein schichtweise arbeitendes Verfahren, bei dem selektiv Bereiche der jeweiligen Polymerpulverschicht aufgeschmolzen werden, wobei die Selektivität durch einen fokussierten Laserstrahl erfolgt (vgl. Anspruch 20 von D5). Dabei kommt ein Polymerpulver zum Einsatz, das zumindest ein thermoplastisches Copolymer aufweist. In den Beispielen 2, 4 und 6 kommen Copolyamide, die Merkmal (4a) (d.h. Laurinlactam (4a1)) und Merkmal (4b) (Dodekandisäure (4b1)) erfüllen, zum Einsatz. Die Pulver der Beispiele 2, 4 und 6 werden auf einer Laser-Sinter-Maschine zu dreidimensionalen Bauteilen verarbeitet (vgl. Abschnitt [0068] von D5) und in der Tabelle 1 von D5 sind mechanische Eigenschaften dieser Bauteile (einschließlich der Verarbeitungstemperatur) zusammengefasst.
Beide Parteien sahen den Unterschied zwischen dem Gegenstand von Anspruch 1 und D5 darin, dass in D5 kein Copolyamid beschrieben sei, in dem Merkmal (4c) verwirklicht sei. Diese Ansicht teilt die Kammer.
5.2 Die zu lösende Aufgabe
5.2.1 Es bestand Uneinigkeit zwischen den Parteien, ob aus dem Unterschied gegenüber D5 ein Effekt gezeigt wurde.
Von Seiten der Beschwerdeführerin wurde argumentiert, dass kein Effekt gegenüber Beispiel 4 von D5 gezeigt worden sei. Sie verwies in diesem Zusammenhang auch darauf, dass in Beispiel 13 des Patents eine Verarbeitungstemperatur angegeben sei, die über dem Schmelzpunkt liege, was aus technischer Sicht unmöglich sei. Aus Abschnitt [0042] des Patents ergebe sich ferner, dass nur auf spezifische Weise gefällte Copolyamide geeignet seien, in dem Verfahren eingesetzt zu werden, nicht aber beliebige Copolyamide, die lediglich die Merkmale (4a) bis (4c) von Anspruch 1 erfüllen.
Die Beschwerdegegnerin leitete aus einem Vergleich von Beispiel 6 von D5 mit den Beispielen 13 und 14 des Patents den Effekt eines verbreiterten Verarbeitungsfensters und einer erhöhten Prozesssicherheit ab.
Folglich ist zu untersuchen, ob gegenüber D5 ein Effekt gezeigt worden ist und ob dieser über die gesamte Breite glaubhaft ist.
5.2.2 Nach Ansicht der Kammer ist Abschnitt [0042] des Patents bei der Beantwortung dieser Frage relevant.
Der einleitende Teil von Abschnitt [0042] des Patents lautet wie folgt:
"Die Copolyamide werden durch Polykondensation der C11- bzw. C12-Lactame bzw. omega-Aminocarbonsäuren mit den genannten C10 bzw. C12-Diaminen und -Dicarbonsäuren in annähernd äquimolarem Verhältnis nach dem Stand der Technik hergestellt. Ein nicht erfindungsgemäßes Pulver daraus kann nach den nach dem Stand der Technik bekannten Verfahren wie beispielsweise Kaltvermahlung, aber auch andere, erhalten werden. Zur Erhaltung erfindungsgemäßer Pulver werden die speziellen Copolyamide aber gefällt. Die Copolyamid-Granulate werden in heißem Lösemittel, beispielsweise Ethanol, gelöst und anschließend ausgefällt, um pulverförmige Partikel zur Verwendung im erfindungsgemäßen Verfahren zu erhalten." (Unterstreichung hinzugefügt)
Aus dieser Textstelle von Abschnitt [0042] ergibt sich, dass ein durch Kaltvermahlung aber auch durch andere Verfahren erhaltenes Copolyamidpulver, selbst wenn es die in Anspruch 1 geforderten Monomerbausteine (Merkmale (4a), (4b) und (4c)) aufweist, zu einem nicht erfindungsgemäßen Pulver führt, das denkgesetzlich auch nicht die gewünschten Eigenschaften erzielen kann. Ein erfindungsgemäßes Pulver scheint nur durch Fällung der speziellen Copolyamide, wie beispielhaft in den Beispielen 13 und 14 gezeigt, erhältlich zu sein.
Der Einfluss der Fällung auf wesentliche Eigenschaften des Copolyamidpulyers (wie Schmelzpunkt) wird auch durch die Beispiele des angegriffenen Patents gestützt. In Beispiel 6 des Patents ist die Herstellung eines Granulats aus PA 12/1012 (90:10) beschreiben. Exakt dieses Ausgangsgranulat aus Beispiel 6 wird in Beispiel 13 des Patents durch ein spezifisches Fällungsverfahren zu einem Pulver verarbeitet, das mit 178°C einen deutlich höheren Schmelzpunkt als das Ausgangsgranulat nach Beispiel 6 (173°C) aufweist. Gleiches gilt für die Beispiele 7 und 14, wobei das Ausgangsgranulat aus PA 12/1012 (95:5) des Beispiels 7 (Schmelzpunkt: 174°C) nach Fällung sogar einen Schmelzpunkt von 182°C ergibt. Aus einem Vergleich der Beispiele 6 und 13 bzw. der Beispiele 7 und 14 ist somit ableitbar, dass der Schmelzpunkt des entsprechenden Copolyamids - und damit auch die geeignete Verarbeitungstemperatur - signifikant von den Herstellungsbedingungen abhängt.
Die Bedenken der Beschwerdeführerin hinsichtlich der Aussagekraft von Beispiel 13 des Patents teilt die Kammer, da eine Verarbeitungstemperatur von z.B. 181°C (Beispiel 13), d.h. oberhalb des Schmelzpunkts von 178°C, in einem schichtweise arbeitenden Verfahren aus technischer Sicht tatsächlich unmöglich erscheint. Die Erklärung der Beschwerdegegnerin, wonach die Angabe der Verarbeitungstemperatur oberhalb des Schmelzpunktes des Copolyamids in Beispiel 13 auf eine unterschiedliche Kalibrierung des Messgeräts zurückzuführen sei, überzeugt die Kammer nicht. Beispiel 13 ist aus diesen Gründen nicht verwendbar und kann keinen Effekt gegenüber D5 zeigen.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass nicht jedes beliebige Copolyamidpulver, das lediglich die Merkmale (4a) bis (4c) erfüllt, geeignet ist, um in dem erfindungsgemäßen Verfahren eingesetzt zu werden und die gewünschten Eigenschaften (wie ein verbreitertes Verarbeitungsfenster) zu erreichen. Bereits aus diesen, auf Abschnitt [0042] des Patents selbst gestützten Schlussfolgerungen ist es nicht glaubhaft, dass ein verbreitertes Verarbeitungsfenster über die gesamte beanspruchte Breite vorliegt.
5.2.3 Die Beschwerdeführerin und die Beschwerdegegnerin wählten bei der Diskussion, ob ein Effekt gegenüber D5 gezeigt worden ist, unterschiedliche Beispiele in D5 aus (siehe den vorstehenden Punkt 5.2.1). Nach Ansicht der Kammer ist jedoch nicht ersichtlich, warum Beispiel 6, nicht aber Beispiel 4 die in D5 beschriebene nächstkommende Ausführungsform sein soll, da beide Beispiele Copolyamidpulver zeigen, die in einem schichtweise arbeitenden Verfahren eingesetzt wurden. Angesichts der offen auszulegenden Definition des Copolyamids in Anspruch 1 (siehe den vorstehenden Punkt 4.) weisen die Beispiele 4 und 6 von D5 auch die gleiche Anzahl gemeinsamer Merkmale mit dem Erfindungsgegenstand auf. Somit ist die Kammer der Ansicht, dass Beispiel 4 von D5 bei der Untersuchung, ob ein technischer Effekt aus dem Unterscheidungsmerkmal (4c) resultiert, verwendbar ist.
Nach Ansicht der Kammer wird aus einem Vergleich von Beispiel 14 des Patents mit Beispiel 4 von D5 deutlich, dass in Beispiel 14 kein verbreitertes Verarbeitungsfenster gezeigt ist. In Beispiel 4 von D5 wird ein Verarbeitungsfenster von 16°C erhalten, das sogar breiter ist als das Verarbeitungsfenster von 10°C in Beispiel 14 des Patents. Somit ist selbst aus Beispiel 14 des Patents kein technischer Effekt ableitbar.
Für die Annahme, dass eine verbesserte Prozesssicherheit bzw. höhere Formstabilität gegenüber D5 vorliegt, wie von der Beschwerdegegnerin argumentiert, gibt es im vorliegenden Fall keinen Hinweis. Aus Abschnitt [0039] des Patents selbst ist ableitbar, dass eine größere Prozesssicherheit bei der Verarbeitung eines Pulvers auf ein verbreitertes Verarbeitungsfenster zurückzuführen ist. Somit sind die Prozesssicherheit und das Verarbeitungsfenster keine voneinander getrennten Eigenschaften. In Abwesenheit entsprechender Vergleichstests kann auch das Argument der Beschwerdegegnerin, dass Copolyamide gemäß Anspruch 1 eine verbesserte Formstabilität gegenüber den in D5 beschriebenen Copolyamiden zeigen, nicht durchgreifen. Aus dem angegriffenen Patent allein ist eine verbesserte Formstabilität nicht erkennbar.
Die Beschwerdegegnerin argumentierte auch, dass die Verwendung von Caprolactam, wie in Beispiel 4 von D5, zu einer erhöhten Wasseraufnahme und dadurch in einem schichtweise arbeitenden Verfahren - verglichen mit den anspruchsgemäßen Copolyamiden - zu schlechteren Eigenschaften führe. In Abwesenheit entsprechender experimenteller Beweise kann die Kammer auch diesem Argument nicht folgen.
5.3 Somit wird die objektive technische Aufgabe ausgehend von D5 in der Bereitstellung eines alternativen schichtweise arbeitenden Verfahrens zur Herstellung von dreidimensionalen Bauteilen gesehen.
5.4 Naheliegen der Lösung
Es bleibt nun zu prüfen, ob es für einen Fachmann aus einem der von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Dokumente naheliegend war, ein anspruchsgemäßes Copolyamid mit den Merkmalen (4a) bis (4c) in einem schichtweise arbeitenden Verfahren einzusetzen.
D30 betrifft - wie D5 auch - ein schichtweise arbeitendes Verfahren, in dem Copolyamide angewendet werden können (vgl. Anspruch 23 von D30). In Abschnitt [0060] von D30 sind Copolyamide erwähnt, die alle drei Monomerbausteine gemäß Anspruch 1 (Merkmale (4a) bis (4c)) aufweisen können. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass sich auch das Copolyamid des Beispiels 4 von D5 innerhalb der breiten Definition der Copolyamide in Abschnitt [0060] von D30 bewegt. Dies stützt, dass die Kombination von D5 mit D30 keine willkürliche Zusammenschau zweier Dokumente ist. Vielmehr sind in D5 (Beispiel 4) und D30 (Abschnitt [0060]) dieselbe Art von Copolyamiden erwähnt. Dekamethylendiamin (eine synonyme Bezeichnung für Dekandiamin, d.h. Merkmal (4c1)) bzw. Dodekamethylendiamin (eine synonyme Bezeichnung für Dodekandiamin, d.h. Merkmal (4c2)) in Abschnitt [0060] von D30 als zusätzlichen Monomerbaustein für ein Copolyamid wie in Beispiel 4 von D5 auszuwählen bzw. ein Copolyamid, das die Merkmale (4a) bis (4c) erfüllt, in Abschnitt [0060] von D30 als alternatives Copolyamid in Betracht zu ziehen, ist für einen Fachmann auf der Suche nach alternativen Copolyamiden für ein schichtweise arbeitendes Verfahren eine naheliegende Auswahl.
Somit beruht der Gegenstand von Anspruch 1 gegenüber D5 in Kombination mit D30 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde erfinderische Tätigkeit) steht somit der Aufrechterhaltung des angegriffenen Patents entgegen. Da die Kombination der Dokumente D5 und D30 den Erfindungsgegenstand bereits nahelegt, erübrigt sich die Frage, ob auch andere Angriffslinien geeignet sein könnten, um zu demselben Ergebnis zu gelangen.
6. Angesichts der Tatsache, dass der Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde erfinderische Tätigkeit) der Aufrechterhaltung des angegriffenen Patents im Umfang des Hauptantrags entgegensteht, ist es nicht erforderlich, auf die weiteren von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Einspruchsgründe (Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit), Artikel 100 b) EPÜ und Artikel 100 c) EPÜ) näher einzugehen. Außerdem ist festzustellen, dass der Hauptantrag der einzige im Verfahren verbleibende Antrag ist, da die Beschwerdegegnerin in der mündlichen Verhandlung die Hilfsanträge 1 bis 8, eingereicht mit Schreiben vom 8. April 2019, zurückgenommen hat.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.