T 1838/15 () of 25.7.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T183815.20190725
Datum der Entscheidung: 25 Juli 2019
Aktenzeichen: T 1838/15
Anmeldenummer: 10010250.8
IPC-Klasse: C23C 14/06
C23C 14/00
C23C 30/00
C23C 14/02
C23C 14/58
C23C 14/32
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Werkstück mit AlCr-haltiger Hartstoffschicht und Verfahren zur Herstellung
Name des Anmelders: Oerlikon Surface Solutions AG, Pfäffikon
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 84
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 76
European Patent Convention Art 111(1)
Schlagwörter: Patentansprüche - Klarheit (ja)
Neuheit - (ja)
Teilanmeldung - Gegenstand geht über den Inhalt der früheren Anmeldung hinaus (ja)
Beschwerdeentscheidung - Zurückverweisung an die erste Instanz (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, mit der die Europäische Patentanmeldung Nr. 10010250.8 zurückgewiesen wurde.

II. In ihrer Entscheidung hat die Prüfungsabteilung festgestellt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 wie ursprünglich eingereicht nicht klar (Artikel 84 EPÜ) und nicht neu (Artikel 54 EPÜ) sei.

III. Hiergegen hat die Anmelderin (im Folgenden: die Beschwerdeführerin) Beschwerde eingelegt.

IV. In der als Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) teilte die Kammer der Beschwerdeführerin ihre vorläufige Einschätzung der Sachlage mit, dass der beanspruchte Gegenstand zwar die Erfordernisse der Artikel 84 und 54 EPÜ erfülle, nicht aber die Erfordernisse des Artikels 76 EPÜ.

V. Mit Schriftsatz vom 18. Juli 2019 teilte die Beschwerdeführerin mit, dass sie an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen werde.

VI. Die mündliche Verhandlung fand am 25. Juli 2019 in Abwesenheit der Beschwerdeführerin gemäß Artikel 15(3) VOBK und Regel 115(2) EPÜ statt. Die vorliegende Entscheidung wurde am Ende der mündlichen Verhandlung verkündet.

VII. Die Beschwerdeführerin beantragte schriftlich, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage der Ansprüche wie ursprünglich eingereicht (Hauptantrag) zu erteilen, hilfsweise, die Sache an die Prüfungsabteilung zur weiteren Prüfung zurückzuverweisen.

VIII. Anspruch 1 ist gerichtet auf eine

"Vakuumbeschichtungsanlage zur (sic) Abscheiden von Gradientenschichten, umfassend:

- eine Beschichtungskammer

- in der Beschichtungskammer angeordnete

Substrathalter, vorzugsweise zweifach rotierbar,

besonders bevorzugt dreifach rotierbar

- kathodische Arcquellen mit zumindest zwei Targettypen

dadurch gekennzeichnet, dass

die zwei Targettypen AlCr-Targets sind mit voneinander unterschiedlichen Al/Cr Verhältnissen besitzen und vorzugsweise legierte AlCr-Targets sind."

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 5 betreffen bevorzugte Ausführungsformen der Vakuumbeschichtungsanlage gemäß Anspruch 1.

IX. Entgegenhaltungen

In der angefochtenen Entscheidung sind folgende Entgegenhaltungen genannt:

D1: EP 0 885 981 A2;

D2: US 2003/0035894 A1;

D3: DE 198 33 056 A1;

D4: Kawate Masahiro et al: "Microhardness and

lattice parameter of Cr1-xAlxN films", Journal

of Vacuum Science and Technology A. Vacuum,

Surfaces and Films, American Institute of

Physics, New York, NY, US, Bd. 20, Nr. 2,

März 2002 (2002-03), Seiten 569 bis 571;

D5: Vetter J et al: "(Cr:Al)N coatings deposited by

the cathodic vacuum arc evaporation", Surface

and Coatings Technology Elsevier Switzerland,

Bd. 98, Nr. 1-3, Januar 1998 (1998-01),

Seiten 1233 bis 1239;

D6: US 2002/0102400 A1.

X. Vorbringen der Beschwerdeführerin in Bezug auf die Ansprüche wie ursprünglich eingereicht

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei eindeutig auf eine Anlage gerichtet, die durch Merkmale die Anlage betreffend charakterisiert werde. Der Wortlaut des Anspruchs weise insbesondere keine Merkmale auf, die eine Verwendung oder ein Verfahren beträfen.

Der Wortlaut des Anspruchs 1 sei daher klar.

Die Beschichtungsanlage gemäß Anspruch 1 werde durch die Präsenz zweier Targets mit unterschiedlichem Al/Cr-Verhältnis definiert. Auch wenn Targets einer Anlage prinzipiell austauschbar seien, umfasse Anspruch 1 lediglich Anlagen, die mit den genannten Targets bestückt seien. Keines der Dokumente offenbare eine Beschichtungsanlage mit zwei Targets, die ein unterschiedliches Al/Cr-Verhältnis aufwiesen.

Es sei zwar zutreffend, dass in der ursprünglichen Stammanmeldung keine Beschichtungsanlage mit zwei Targettypen mit unterschiedlichem Al/Cr-Verhältnis beansprucht werde. Eine derartige Ausführungsform werde allerdings auf Seite 7, Zeilen 20 bis 27, indirekt offenbart, da dort die Herstellung einer Gradientenschicht mittels zweier Targettypen mit unterschiedlichem Al/Cr-Verhältnis beschrieben werde.

Entscheidungsgründe

1. Artikel 84 EPÜ

1.1 Die Prüfungsabteilung argumentiert in Punkt 11 der Entscheidungsgründe, dass die Definition der Targettypen als AlCr-Targets mit voneinander unterschiedlichen Al/Cr-Verhältnissen eine besondere Verwendung der Vorrichtung betreffe und keine strukturelle Beschränkung der Vorrichtung darstelle. Daher bezögen sich einige der Merkmale des Vorrichtungsanspruchs 1 auf ein Verfahren zur Verwendung der Vorrichtung und nicht auf die Definition der Vorrichtung anhand ihrer technischen Merkmale.

Dieser Argumentation kann sich die Kammer nicht anschließen. Anspruch 1 gibt explizit an, dass die Vakuumbeschichtungsanlage zwei Targettypen mit voneinander unterschiedlichen Al/Cr-Verhältnissen aufweist.

Die Maßgabe, dass eine Vorrichtung bestimmte Teile aufweist, entspricht keinem Verfahrensschritt, sondern definiert nur genauer, in welcher Ausführungsform die Vorrichtung in den Schutzbereich des Anspruchs 1 fällt.

Es mag in der täglichen Praxis üblich sein, Targets einer Anlage je nach Bedarf einfach auszutauschen. Ein derartiger Austausch wird in Anspruch 1 aber nicht definiert.

Die Kammer kann daher keine Verwendungsmerkmale in Anspruch 1 identifizieren, die den Gegenstand des Anspruchs 1 unklar erscheinen lassen.

2. Artikel 54 EPÜ

In Punkt 13 der Entscheidungsgründe argumentiert die Prüfungsabteilung, dass Vakuumbeschichtungsanlagen mit einer Beschichtungskammer, darin angeordneten Substrathaltern und mindestens zwei kathodischen Arcquellen aus den Dokumenten D1 bis D6 bekannt sind.

Die Prüfungsabteilung zitiert allerdings keine konkreten Textstellen in den Dokumenten D1 bis D6, in denen eine Vakuumbeschichtungsanlage mit zwei AlCr-Targets unterschiedlicher Zusammensetzung beschrieben werden. Sie argumentiert vielmehr, dass die Targets lediglich austauschbare Zusätze seien und daher kein strukturelles Merkmal einer Vakuumbeschichtungsanlage darstellten.

Die Kammer kann sich dieser Argumentation nicht anschließen. Es mag sein, dass Targets in modernen Beschichtungsanlagen einfach ausgetauscht werden können. Dies ist aber in Hinblick auf den beanspruchten Gegenstand nicht relevant, da dieser explizit auf Anlagen beschränkt ist, die AlCr-Targets mit voneinander unterschiedlichen Al/Cr-Verhältnissen aufweisen und keine Beschichtungsanlagen mit leeren Targethaltern oder mit Targets anderer Zusammensetzung als in Anspruch 1 definiert umfasst.

Die zitierten Dokumente D1 bis D6 wiederum offenbaren jeweils keine Vorrichtung mit zwei AlCr-Targets mit voneinander unterschiedlichen Al/Cr-Verhältnissen.

Daher ist der Gegenstand des Anspruchs 1 neu und erfüllt die Erfordernisse des Artikels 54 EPÜ.

3. Artikel 76 EPÜ

3.1 Die vorliegende Anmeldung ist eine Teilanmeldung basierend auf der Europäischen Patentanmeldung Nr. 04722780.6 (Stammanmeldung). Diese wurde als Internationale Anmeldung mit der Veröffentlichungs-nummer WO 2004/059030 A2 veröffentlicht, auf die im Folgenden Bezug genommen wird.

3.2 Die Ansprüche und Beispiele der Stammanmeldung sind auf Werkstücke gerichtet, die eine (AlyCr1-y)X-Schicht mit hoher Verschleißfestigkeit aufweisen, und PVD-Verfahren zu deren Herstellung. Die Stammanmeldung offenbart in den Ansprüchen und den Beispielen weder eine konkrete Vakuumbeschichtungsanlage noch Werkstücke mit einer Gradientenschicht, die gemäß vorliegendem Anspruch 1 in einer Anlage mit zwei Targets mit unterschiedlichem Cr/Al-Verhältnis herstellbar sein sollen.

Ferner lassen weder die Definition der Erfindung auf Seite 1, Zeilen 11 bis 26, noch die auf Seite 2, Zeilen 17 bis 22 der Stammanmeldung definierte Aufgabenstellung erkennen, dass die Erfindung eine Vakuumbeschichtungsanlage umfasst.

Die einzige in der Stammanmeldung konkret beschriebene Vakuumbeschichtungsanlage wird auf Seite 2, Zeile 28 bis Seite 3, Zeile 3 offenbart. Dabei handelt sich um eine spezielle Beschichtungsanlage vom Typ RCS der Firma Balzers. Diese ist mit zwei Titan- und vier pulvermetallurgisch hergestellten Targets aus unterschiedlichen AlCr-Legierungen bestückt. Der darin eingesetzte Substrathalter ist je nach Durchmesser des Werkstücks zwei- oder dreifach rotierbar.

Die Stammanmeldung offenbart allerdings nicht allgemein eine Beschichtungsanlage mit Substrathaltern, die unabhängig vom Durchmesser des Werkstücks zweifach oder dreifach rotierbar sind, und mit zwei AlCr-Targets mit unterschiedlichem Al/Cr-Verhältnis gemäß der bevorzugten Ausführungsform des vorliegenden Anspruchs 1. Auch eine Anlage mit den Merkmalen der in den abhängigen Ansprüche 3 bis 5 definierten Ausführungsformen, gemäß derer kaltgepresste Targets, eine beliebige Heizung, Mittel zum Anlegen eines Substratbias und ein Einlass für Reaktivgase vorhanden sein müssen, wird in der Stammanmeldung in Bezug auf die beschriebene RCS-Anlage nicht offenbart.

Die in Anspruch 1 der Anmeldung definierte Beschichtungsanlage stellt daher eine Verallgemeinerung der in der Stammanmeldung beschriebenen, speziellen Anlage vom RCS-Typ dar, für die es keine weitere direkte und unmittelbare technische Lehre in der Stammanmeldung gibt.

3.3 Die Beschwerdeführerin argumentiert diesbezüglich, dass eine Beschichtungsanlage gemäß Anspruch 1 implizit auf Seite 7, Zeilen 20 bis 27 der Stammanmeldung offenbart werde, da dort die Möglichkeit beschrieben werde, Gradientenschichten mittels zweier AlCr-Targets mit unterschiedlichem Al/Cr-Verhältnis abzuscheiden.

Die Kammer stimmt der Beschwerdeführerin soweit zu, dass diese Textstelle auf Seite 7 im Kontext der übrigen Stammanmeldung als inhärente Offenbarung einer Vakuumbeschichtungsanlage mit zwei AlCr-Targets mit unterschiedlichem Al/Cr-Verhältnis angesehen werden kann.

Allerdings vermittelt diese Textstelle keine weitere, konkrete technische Lehre in Bezug auf die einzusetzende Anlage. Insbesondere ist eine Anlage gemäß der in Anspruch 1 der Anmeldung bevorzugt einsetzbaren zweifach und dreifach rotierbaren Substrathalterung nicht direkt und unzweideutig in der Textstelle auf Seite 7, Zeilen 20 bis 27 der Stammanmeldung offenbart. Ferner findet sich dort weder ein Hinweis auf eine ebenfalls gemäß Anspruch 1 bevorzugte Ausführungsform, wonach die Targets legierte AlCr-Targets sind, noch eine Lehre für eine Beschichtungsanlage mit den Merkmalen der weiteren Ausführungsformen gemäß den abhängigen Ansprüchen 2 bis 5 der Anmeldung.

3.4 Der Gegenstand der Ansprüche 1 bis 5 der Anmeldung wird daher nicht direkt und unmittelbar in der Stammanmeldung offenbart und erfüllt folglich nicht die Erfordernisse des Artikels 76 EPÜ.

4. Hilfsantrag - Zurückverweisung an die Prüfungsabteilung

Gemäß Artikel 111(1) EPÜ) liegt es im Ermessen der Beschwerdekammer, ob sie nach der Prüfung, ob die Beschwerde begründet ist, entweder im Rahmen der Zuständigkeit des Organs, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, tätig wird oder die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an dieses Organ zurückverweist.

Im vorliegenden Fall hielt es die Kammer für angebracht, im Rahmen der Überprüfung der Beschwerde auch zu evaluieren, ob die Erfordernisse gemäß Artikel 76 EPÜ von der Anmeldung erfüllt werden. Im Anhang zur Ladung hat sie der Beschwerdeführerin ihre vorläufige Meinung diesbezüglich mitgeteilt.

Während der Verhandlung am 25. Juli 2019 bestätigte die Kammer ihre Ansicht, dass der Gegenstand der Ansprüche der Anmeldung nicht die Erfordernisse des Artikels 76 EPÜ erfüllt. Folglich liegt kein gewährbarer Anspruchssatz vor, für den eine weitere Prüfung des beanspruchten Gegenstands nötig wäre.

Da die Beschwerde im Ergebnis mithin nicht erfolgreich ist, bleibt für eine Zurückverweisung der Sache zur weiteren Prüfung kein Raum.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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