European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2017:T181215.20170720 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 20 Juli 2017 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1812/15 | ||||||||
Anmeldenummer: | 08101638.8 | ||||||||
IPC-Klasse: | E05D 15/10 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Beschlag für einen Schiebeflügel von Fenster oder Tür | ||||||||
Name des Anmelders: | HAUTAU GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.2.08 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Änderungen - zulässig (ja) Änderungen - unzulässige Erweiterung (nein) Erfinderische Tätigkeit - (ja) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Mit der am 9. Juli 2015 zur Post gegebenen Entscheidung hat die Prüfungsabteilung die europäische Patentanmeldung No. 08 101 638.8 zurückgewiesen.
II. Die Prüfungsabteilung war zu der Auffassung gekommen, dass Anspruch 1 gemäß dem damals gültigen Hauptantrag gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
III. Gegen diese Entscheidung der Prüfungsabteilung hat die Beschwerdeführerin (Patentanmelderin) form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt.
IV. Am 20. Juli 2017 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.
Hinsichtlich der zu Beginn der mündlichen Verhandlung gestellten Anträge, sowie hinsichtlich des Verlaufs der Verhandlung wird auf das Protokoll Bezug genommen.
V. Am Ende der mündlichen Verhandlung war die Antragslage wie folgt:
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Erteilung eines Patents auf der Basis des während der mündlichen Verhandlung als neuen Hauptantrag eingereichten Anspruchssatzes nebst angepasster Beschreibung.
VI. Folgende Entgegenhaltungen waren für die vorliegende Entscheidung relevant:
D1: EP-A2-0 916 794;
D3: DE-C2-32 34 677;
D3': DE-A1-32 34 677.
VII. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:
"Beschlag für einen Schiebeflügel als Flügel eines Fensters oder einer Tür, mit unteren, auf einer am Blendrahmen (1) befestigbaren Laufschiene (1a; 44) verfahrbaren Laufwägen (6) und oberen, in einer am Blendrahmen befestigbaren Gleitschiene (1b; 41) verschiebbaren Gleitelementen (29),
- einem Griffelement (3), das ausschließlich zwei Schaltstellungen (I, II) aufweist, eine für die Verriegelung des Flügels in seiner Schließstellung und eine für seine Entriegelung zur Parallel-Abstellstellung des Flügels, aus welcher Abstelllage er dann seitlich verschiebbar ist;
- wobei der Flügel aus einer Schliessstellung im Blendrahmenfalz(raum) direkt in die Abstelllage und/oder zurück in seine Schliessstellung bewegbar ist;
und der Flügel mit den Laufwägen über untere Ausstellscheren (6a) verbunden ist, wobei jede Ausstellschere aus einem am Laufwagen (6) angelenkten Ausstellarm (8) und einen mit diesem gelenkig verbundenen Lenker (20) besteht,
im Flügelfalz(raum) lagerbare und durch das Griffelement (3) verschiebbare Treibstangen zum Verriegeln und Entriegeln des Flügels vorgesehen sind, und
- der Flügel mit den Gleitelementen über obere Ausstellscheren (31) verbunden ist oder der Flügel mit einem Gleitelement über eine obere Ausstellschere (31) und mit einem weiteren Gleitelement (29a) über einen an gelenkten Ausstellarm (28a) verbunden ist, wobei jede Ausstellschere aus einem am Gleitelement angelenkten Ausstellarm (28) und einen mit diesem gelenkig verbundenen Lenker oder Steuerarm (34) besteht."
VIII. Zur Stützung ihres Antrags hat die Beschwerdeführerin im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Erfinderische Tätigkeit
Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheide sich von der Offenbarung der als nächstliegender Stand der Technik anzusehenden D3/D3' jedenfalls durch die zwei Ausstellscheren an den unteren Laufwägen und die zumindest eine obere Ausstellschere an einem der oberen Gleitelemente.
Der genannte Unterschied löse die Aufgabe, die Handhabung des Fensters zu verbessern.
Ausgehend von D3/D3' habe der Fachmann allerdings keine Veranlassung gehabt, zusätzlich zu der einen, dort offenbarten Ausstellschere eine weitere untere, und mindestens eine obere Ausstellschere vorzusehen. D3' weise nämlich auf Seite 6, Zeilen 10-18 explizit darauf hin, dass eine Ausstellschere mit Sperrvorrichtung aufgrund der Steifigkeit des Flügels zum Absichern des gesamten Flügels vollständig ausreiche.
Selbst wenn der Fachmann auf die Idee kommen sollte, den Beschlag aus D3/D3' mit zusätzlichen Ausstellscheren zu versehen, um eine besonders steife und stabile Abstützung der entsprechenden zugeordneten Flügelecke(n) zu erreichen, so ordnete er diese auf keinen Fall dem weiteren unteren Laufwagen zu. Wie bereits auf Seite 6, dritter Absatz der Beschwerdeschrift ausgeführt, erfordere die Ausstellschere gemäß D3 einen ortsfesten Anschlag, um die Sperrvorrichtung zu lösen. Ein solcher Anschlag für den weiteren unteren Laufwagen müsste sich im Laufweg des ersten unteren Laufwagens befinden und behinderte somit eine Schiebebewegung.
Der Fachmann gelangte daher ausgehend von D3/D3' nicht zum beanspruchten Gegenstand, der somit auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Entscheidungsgründe
1. Artikel 123(2) EPÜ
Anspruch 1 des Hauptantrags beruht auf Anspruch 1 wie eingereicht, in Verbindung mit Paragraph [0009], [0014], [0018] und [0020] der Beschreibung.
Dabei ersetzt das Merkmal "wobei der Flügel aus einer Schliessstellung im Blendrahmenfalz(raum) direkt in die Abstelllage und/oder zurück in seine Schliessstellung bewegbar ist" das in Anspruch 1 wie eingereicht enthaltene funktionelle Merkmal, wonach "die Scheren und ihre Steuerelemente aufeinander abgestimmt und aneinander angeglichen sind, um den Flügel - unter Vermeidung einer Kippstellung - oben wie unten gleichförmig aus einer Schließstellung im Blendrahmendfalz(raum) direkt in seine Schiebestellung und/oder zurück in seine Schließstellung zu bewegen" (unter Streichung redundanter bzw. unklarer Merkmale).
Ferner definiert der Anspruch den unterschiedlichen Einsatz von Ausstellscheren und Ausstellarm am oberen und unteren Flügelrand gemäß den Figuren und den Absätzen [0018], [0020]. Eine Abstraktion von den dort weiter genannten Merkmalen (Steuerschlitz, Rastausnehmung etc.) ist gerechtfertigt, da diese im Begriff "Schere" bereits angelegt ist.
Die abhängigen Ansprüche 1-9 entsprechen den abhängigen Ansprüchen 1-7, 9, 10 wie eingereicht.
Die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ sind somit erfüllt.
2. Erfinderische Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ
2.1 Nächstliegender Stand der Technik ist Dokument D3/D3'. Im Folgenden wird auf D3' Bezug genommen.
2.2 Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von der Offenbarung der D3' jedenfalls darin, dass statt der einen, aus einem am Laufwagen angelenkten Ausstellarm und einen mit diesem gelenkig verbundenen Lenker bestehenden Ausstellschere (D3', Abbildung 5) jeweils zusätzliche derartige Ausstellscheren an den weiteren unteren Laufwägen, sowie mindestens an einem der oberen Gleitelemente vorgesehen sind. Der Beschlag gemäß der Erfindung weist daher mindestens 3 derartige Ausstellscheren auf, im Gegensatz zu der in D3' vorgesehenen, lediglich einen solchen Ausstellschere am linken unteren Laufwagen.
2.3 Durch die im Beschwerdeverfahren hinzugefügte, klarstellende Definition der Ausstellscheren (als "bestehend aus einem am Laufwagen/Gleitelement angelenkten Ausstellarm und einem mit diesem gelenkig verbundenen Lenker") greift die Argumentation der Prüfungsabteilung nicht mehr durch, wonach der Ausstellarm am rechten Laufwagen (D3', Figur 1, No. 8) als Ausstellschere anzusehen sei (Entscheidung, Seite 5, Zeilen 1 und 2).
2.4 Die mindestens drei Ausstellscheren bewirken eine stabilere Abstützung der entsprechenden Flügelecken und lösen dadurch unter anderem die im Patent formulierte Aufgabe, die Handhabung des Fensters zu verbessern.
2.5 Selbst wenn man davon ausgeht, dass es der Fachmann trotz des expliziten Hinweises auf eine bereits durch eine einzige mit einer Sperrvorrichtung versehene Ausstellschere erreichbare ausreichende Stabilität (D3', Seite 6, Zeilen 10-18) in Betracht zöge, zusätzliche derartige Ausstellscheren für die anderen Flügelecken vorzusehen, so ergäben sich daraus folgende konstruktive Schwierigkeiten:
Wie von der Beschwerdeführerin vorgebracht, gehört zu der in D3' offenbarten Ausstellschere ein das Regelglied 21 aufnehmender, am Rahmen befestigter Bock 33, welcher ein Auslösen der Sperrvorrichtung 28 bewirkt (Seite 17, zweiter Absatz). Da die besonders steife und stabile Abstützung der dem Ausstellarm zugeordneten Flügelecke nur in Zusammenhang mit einer Verrastung der Ausstellschere offenbart ist (Seite 7, 2. Absatz), müsste der Fachmann, wollte er zusätzlich eine derartige Ausstellschere am rechten unteren Laufwagen anbringen, auch für den rechten unteren Laufwagen einen solchen Bock vorsehen. Dieser befände sich jedoch in der Mitte der Laufschiene und verhinderte daher ein vollständiges Öffnen des Fensters. Zwar mag dieses Problem im Prinzip durch eine konstruktive Veränderung des Rastmechanismus zu lösen sein. Eine derartige konstruktive Veränderung erforderte es jedoch vom Fachmann, erfinderisch tätig zu werden. Der Fachmann würde somit davon abgehalten, am rechten unteren Laufwagen zusätzlich eine der am linken unteren Laufwagen vorgesehenen Schere entsprechende Ausstellschere anzubringen.
2.6 Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht daher ausgehend von D3/D3' in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen auf einer erfinderischen Tätigkeit.
2.7 D1 offenbart keine oberen Ausstellscheren im Sinne der anspruchsgemäßen Definition, sondern durch Synchronisation gemeinsam mit den unteren Ausstellscheren sich bewegende Ausstellarme. Das Dokument kann daher ausgehend von D3/D3' den Fachmann nicht dazu veranlassen, mindestens eine obere anspruchsgemäße Ausstellschere vorzusehen.
Geht man umgekehrt von D1 als nächstliegendem Stand der Technik aus, so gibt es keine Veranlassung, die bereits durch die Synchronisationstangen mittelbar verrastenden Ausstellarme durch eine der in D1 bzw. D3/D3' offenbarten unteren Ausstellscheren zu ersetzen, wobei hierbei aufgrund der Synchronisationsmittel zusätzlich erhebliche konstruktive Veränderungen notwendig würden, die vom Fachmann wiederum eine erfinderische Tätigkeit erforderten.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist daher auch erfinderisch über eine Kombination der D3/D3' mit der D1 oder umgekehrt.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Prüfungsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent auf der Basis der folgenden Unterlagen zu erteilen:
Ansprüche 1 bis 9 eingereicht als Hauptantrag während der mündlichen Verhandlung vom 20. Juli 2017;
Beschreibung Seiten 1 bis 6 eingereicht während der mündlichen Verhandlung vom 20. Juli 2017
Figuren 1 bis 7 wie veröffentlicht.