European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2019:T176415.20190219 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 19 Februar 2019 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1764/15 | ||||||||
Anmeldenummer: | 09800023.5 | ||||||||
IPC-Klasse: | A61K 9/46 A61K 31/58 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | PHARMAZEUTISCHE FORMULIERUNG ZUR BEHANDLUNG DES OBEREN VERDAUUNGSTRAKTES | ||||||||
Name des Anmelders: | Dr. Falk Pharma GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Generics [U.K.] Limited Fickert, Stefan |
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Kammer: | 3.3.07 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (nein) Spät eingereichte Hilfsanträge 1 bis 3 Spät eingereichte Hilfsanträge - zugelassen (nein) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Das europäische Patent Nr. 2 306 988 wurde mit 10 Ansprüchen erteilt.
II. Gegen die Erteilung des Patents wurde von zwei Einsprechenden Einspruch eingelegt. Als Einspruchsgründe wurden fehlende Neuheit und fehlende erfinderische Tätigkeit unter Artikel 100 a) EPÜ sowie unzureichende Offenbarung unter Artikel 100 b) EPÜ angeführt.
Im Verlauf des Einspruchsverfahrens wurden u.a. die folgenden Beweismittel genannt:
D2: Elad et al. (2003), Oral Surg Oral Med Oral Pathol Oral Radiol Endod, 95: Seiten 308 bis 311
D13: Sari et al. (2007), Am J Hematology, 82: Seiten 349 bis 356
D16: Bericht der Beschwerdegegnerin "Vergleichende Versuche zur Herstellung einer Mundspüllösung - Stand der Technik versus EP 2 306 988", eingereicht am 19. März 2015
III. Die Beschwerden der Einsprechenden 01 (nachfolgend Beschwerdeführerin 01) und des Einsprechenden 02 (nachfolgend Beschwerdeführer 02) richten sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, die Einsprüche zurückzuweisen.
IV. Der unabhängige Anspruch 1 in der erteilten Fassung lautete wie folgt:
"Brausetablette enthaltend Budesonid zur Zubereitung einer oral verabreichbaren Mundspüllösung zur Anwendung in der Behandlung von entzündlichen Veränderungen des oberen Verdauungstraktes."
V. In der angefochtenen Entscheidung kam die Einspruchsabteilung zu dem Ergebnis, dass das Patent in der erteilten Fassung den Erfordernissen des EPÜ genüge.
In Bezug auf erfinderische Tätigkeit führte die Einspruchsabteilung insbesondere folgendes in ihrer Entscheidung aus:
Anspruch 1 in der erteilten Fassung unterscheide sich vom nächstliegenden Stand der Technik D2 oder D13 dadurch, dass anstelle einer budesonidhaltigen beschichteten Kapsel eine budesonidhaltige Brausetablette zur Zubereitung einer Mundspüllösung bereitgestellt werde. Aufgrund der damit verbundenen, experimentell gestützten technischen Wirkungen einer verbesserten normierten Wasserlöslichkeit und Freisetzung des Budesonids sei die objektive technische Aufgabe als die Bereitstellung einer Zubereitung mit erhöhter Freisetzung des Budesonids zu definieren. Die gemäß Anspruch 1 des Patents vorgeschlagene Lösung sei durch den von den Einsprechenden herangezogenen Stand der Technik nicht nahegelegt.
VI. Gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung legten beide Einsprechenden Beschwerde ein.
Mit ihrer Beschwerdebegründung reichte die Beschwerdeführerin 01 folgendes Beweismittel ein:
D20: Die Tablette: Handbuch der Entwicklung, Herstellung und Qualitätssicherung; Bauer-Brandl und Ritschel (2002), Editio Cantor Verlag, Aulendorf, zweite Auflage, Seiten 32 bis 35
Mit seiner Beschwerdebegründung reichte der Beschwerdeführer 02 folgende Beweismittel ein:
D21: Seema et al. (2007), Am J Gastroenterol, 102: Seiten 2271-2279
D22: US 2007/0111978
VII. In ihrer Beschwerdeerwiderung vom 16. März 2016 beantragte die Patentinhaberin (nachfolgend Beschwerdegegnerin), die Beschwerden zurückzuweisen und das Patent in der erteilten Fassung aufrechtzuerhalten (Hauptantrag).
VIII. Mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2018 reichte die Beschwerdegegnerin drei Hilfsanträge (nachfolgend "Hilfsanträge 1 bis 3") ein.
Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 lautet wie folgt:
"Brausetablette enthaltend Budesonid und Polyvinylpyrrolidon in einer Konzentration von 0,5 bis 10 Gew.-%, bezogen auf das Gewicht der Brausetablette sowie Docusat-Natrium in einer Konzentration von 0,1 (see PDF) bis 5,0 (see PDF) Gewicht. bezogen auf die Brausetablette zur Zubereitung einer oral verabreichbaren Mundspüllösung zur Anwendung in der Behandlung von entzündlichen Veränderungen des oberen Verdauungstraktes, wobei die entzündliche Veränderung des oberen Verdauungstraktes im Bereich der Mundhöhle und/oder des Pharynx lokalisiert ist."
Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 lediglich dadurch, dass er auf die Behandlung von entzündlichen Veränderungen des oberen Verdauungstraktes gerichtet ist, die durch Mukositis, eine Autoimmunerkrankung der Mundhöhle, Morbus Crohn im oberen Verdauungstrakt oder eosinophile Ösophagitis verursacht werden.
Anspruch 1 des Hilfsantrags 3, wiederum, unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 ausschließlich dadurch, dass er auf die Behandlung von entzündlichen Veränderungen des oberen Verdauungstraktes gerichtet ist, die durch eine Chemotherapie hervorgerufen wurden.
IX. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK vom 18. Januar 2019 erläuterte die Kammer unter anderem ihre vorläufige Einschätzung, dass der Hauptantrag nicht erfinderisch sei.
X. Mit Schriftsatz vom 29. Januar 2019 reichte die Beschwerdegegnerin folgendes Beweismittel ein:
D24: Kommentar zum Europäischen Arzneibuch; Bracher, Heisig, Langguth u.a. (2017), Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 56. Aktualisierung, erste Seite der Monographie "Budesonid"
XI. Die mündliche Verhandlung fand am 19. Februar 2019 in Anwesenheit aller Parteien statt.
XII. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführer lassen sich wie folgt zusammenfassen:
a) Hauptantrag - Anspruch 1 wie erteilt - Artikel 56 EPÜ
Ausgehend von D13 als nächstliegendem Stand der Technik unterscheide sich der Gegenstand des Anspruchs 1 von diesem dadurch, dass anstelle einer budesonidhaltigen beschichteten Kapsel eine budesonidhaltige Brausetablette zur Zubereitung einer Mundspüllösung bereitgestellt werde. Die mit diesem Unterschied einhergehende und glaubhaft dargelegte technische Wirkung sei einzig und allein eine verbesserte Löslichkeit des Budesonids in Wasser. Die objektive Aufgabe bestehe somit in der Bereitstellung einer budesonidhaltigen Darreichungsform, welche eine höhere Wasserlöslichkeit des Budesonids gewährleiste. Die vorgeschlagene Lösung gemäß Anspruch 1 sei naheliegend im Lichte des allgemeinen Fachwissens, belegt u.a. durch D20.
b) Zulässigkeit der Hilfsanträge 1 bis 3
Diese Anträge seien aus mehreren Gründen als unzulässig zurückzuweisen. So seien sie verspätet, nicht konvergierend, und nicht konform mit Artikel 123 (2) EPÜ. Ferner habe die Beschwerdegegnerin in ihrem Schreiben vom 18. Dezember 2018 nicht dargelegt, welchem Zweck die vorgenommenen Änderungen dienten, und wie diese den von den Beschwerdeführern erhobenen Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit des Anspruchs 1 des Hauptantrags ausräumten. Stattdessen habe die Beschwerdegegnerin erstmalig in der mündlichen Verhandlung behauptet, dass der beanspruchte Gegenstand aufgrund der in den Hilfsanträgen vorgenommenen Änderungen einen synergistischen Effekt aufweise. Dies sei ein komplett neuer Sachverhalt, so dass die Hilfsanträge 1 bis 3 auch aus diesem Grund nicht zuzulassen seien.
XIII. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdegegnerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:
a) Hauptantrag - Anspruch 1 wie erteilt - Artikel 56 EPÜ
Anspruch 1 unterscheide sich vom nächstliegenden Stand der Technik D13 dadurch, dass eine Brausetablette zur Zubereitung einer Mundspüllösung bereitgestellt werde. Die Daten der Tabelle 3 der D16 sowie die Abbildung 1 des Streitpatents zeigten glaubhaft, dass die mit dem Unterscheidungsmerkmal einhergehende technische Wirkung die Bereitstellung einer budesonidhaltigen Suspension sei, die gegenüber D13 eine signifikant verbesserte Bioverfügbarkeit aufweise, und dadurch einen deutlichen Therapieerfolg beim Patienten erziele, wie insbesondere Beispiel 4, Absatz 0041 des Streitpatents belege. Unter Berücksichtigung dieser technischen Wirkungen sei die objektive Aufgabe entsprechend zu formulieren. Die vorgeschlagene Lösung gemäß Anspruch 1 sei durch den vorgelegten Stand der Technik nicht nahegelegt.
Des Weiteren sei der beanspruchte Gegenstand auch dann erfinderisch, wenn die objektive Aufgabe lediglich die Bereitstellung einer budesonidhaltigen Darreichungsform sei, welche eine höhere Wasserlöslichkeit des Budesonids gewährleiste. Der Grund dafür bestehe darin, dass der zitierte Stand der Technik dem Fachmann keinerlei Anreiz dafür biete, unter der Vielzahl der ihm zur Verfügung stehenden, gleichwertigen Darreichungsformen gezielt Brausetabletten auszuwählen. Im Gegenteil, aufgrund der allgemein bekannten geringen Wasserlöslichkeit des Budesonids würde der Fachmann Brausetabletten als für diesen Wirkstoff ungeeignet betrachten, und stattdessen auf andere Darreichungsformen zurückgreifen.
b) Zulässigkeit der Hilfsanträge 1 bis 3
Diese Hilfsanträge stellten eine legitime Reaktion auf die Einreichung der D20 dar. Dies Druckschrift hätten die Beschwerdeführer erst mit ihren Beschwerdebegründungen vorgelegt, obwohl sie diese bereit im Einspruchsverfahren hätten einreichen können. Folglich seien die Hilfsanträge 1 bis 3 aus Gründen der Fairness ebenfalls zuzulassen. Des Weiteren räumten die vorgenommenen Änderungen den von den Beschwerdeführern erhobenen Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit aus, da die in Anspruch 1 der drei Hilfsanträge aufgenommenen Zusatzstoffe synergistisch wirkten. Im Übrigen beruhe der beanspruchte Gegenstand ausschließlich auf erteilten, abhängigen Ansprüchen und sei somit schon immer Bestandteil des Beschwerdeverfahrens gewesen, aber erst in der mündlichen Verhandlung selbst von den Beschwerdeführern beanstandet worden.
XIV. Anträge
Die Beschwerdeführer beantragten die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents. Darüber hinaus beantragten sie während der mündlichen Verhandlung, dass die Hilfsanträge 1 bis 3 nicht in das Verfahren zugelassen werden.
Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerden zurückzuweisen und das Patent in der erteilten Fassung aufrechtzuerhalten (Hauptantrag). Hilfsweise beantragte sie die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Basis einer der Hilfsanträge 1 bis 3. Als letzten Hilfsantrag beantragte sie während der mündlichen Verhandlung, dass die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung über die Hilfsanträge an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen wird.
Entscheidungsgründe
Hauptantrag - Anspruch 1 - Artikel 56 EPÜ
1. Nächstliegender Stand der Technik
1.1 Alle Parteien betrachteten u.a. D13 als geeigneten Ausgangspunkt für die beanspruchte Erfindung. Die Kammer ist der gleichen Auffassung.
1.1.1 D13 beschreibt eine Studie zur Untersuchung der Wirksamkeit und Sicherheit von budesonidhaltigen Mundspüllösungen in Patienten mit einer oralen chronischen Graft-versus-host disease (nachfolgend "cGvHD").
1.1.2 In der mündlichen Verhandlung bestand unter allen Beteiligten Einigkeit darüber, dass D13 die medizinische Verwendung einer budesonidhaltigen Mundspüllösung gemäß Anspruch 1 in der erteilten Fassung offenbart, und dass die für die Zubereitung der Mundspüllösung zu verwendende Darreichungsform des Budesonids den einzigen Unterschied zwischen dem beanspruchten Gegenstand und D13 bildet. Während die in D13 verwendete Mundspüllösung mittels Zerkleinerung einer beschichteten budesonidhaltigen Kapsel hergestellt wird (siehe Seite 351, Spalte 2, erster Absatz), wird gemäß Anspruch 1 eine Brausetablette für die Zubereitung der Mundspüllösung eingesetzt.
2. Objektive technische Aufgabe und vorgeschlagene Lösung
2.1 Als Grundlage für die Definition der objektiven technischen Aufgabe ist im Rahmen des Aufgabe-Lösungs-Ansatzes zunächst festzustellen, welche technische Wirkung durch das Unterscheidungsmerkmal über die gesamte Breite des Anspruchs 1 erzielt wird.
2.2 Die Beschwerdegegnerin vertrat die Ansicht, dass eine Brausetablette eine deutlich höhere Löslichkeit des Budesonids in Wasser gewährleiste als eine zerkleinerte budesonidhaltige Kapsel gemäß D13. Als Beleg für diese technische Wirkung verwies sie auf die Säulen "G0397X417" und "04J07107L" der Abbildung 1 des Streitpatents sowie auf die Tabelle 3 der D16. Letztere zeige insbesondere, dass erfindungsgemäße Rezepturen mindestens 79,40 % des Budesonids in Wasser freisetzten, während die Kapseln der D13 nach Zerkleinerung mittels eines der auf Seite 5 der D16 offenbarten Verfahren B) oder D) nur 0,50% bzw. 1,95% des Budesonids in Wasser freisetzten (siehe Spalte 2 der Tabelle 3).
Der Beschwerdegegnerin zufolge spiegele sich die mittels der beanspruchten Brausetablette erzielte, extrem verbesserte Wasserlöslichkeit des Budesonids in einer höheren Bioverfügbarkeit desselbigen in vivo wider. Diese signifikant verbesserte Bioverfügbarkeit, wiederum, sorge für eine verbesserten Therapieerfolg in der Behandlung von entzündlichen Veränderungen des oberen Verdauungstraktes, wie insbesondere die experimentellen Daten des Beispiels 4, Absatz [0041] des Streitpatents anhand der schweren Erkrankung der oralen cGvHD auf beeindruckende Weise belegten.
2.3 Die Beschwerdeführer, hingegen, argumentierten, dass die Beschwerdegegnerin die gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik angeblich deutlich verbesserte Löslichkeit des Budesonids in Wasser nicht glaubhaft gezeigt habe, geschweige denn den von ihr behaupteten Kausalzusammenhang zwischen dieser höheren Löslichkeit und einer erhöhten Bioverfügbarkeit bzw. einer verbesserten therapeutischen Wirksamkeit in vivo. Abbildung 1 des Streitpatent belege lediglich eine marginal verbesserte Wasserlöslichkeit des Budesonids im Vergleich zum nächstliegenden Stand der Technik.
2.4 Die Kammer teilt die Auffassung der Beschwerdegegnerin dahingehend, dass Beispiel 1 und Abbildung 1 des Streitpatents eine im Vergleich zum nächstliegenden Stand der Technik verbesserte Wasserlöslichkeit des Budesonids glaubhaft darlegen.
2.4.1 Ein Beleg für eine deutlich verbesserte Wasserlöslichkeit des Budesonids liegt hingegen nach Ansicht der Kammer nicht vor. Die Beschwerdegegnerin verwies in diesem Zusammenhang auf die Daten der Tabelle 3 der D16. Jedoch spiegeln die darin genannten Rezepturen 1 bis 4 nicht den Wortlaut des Anspruchs 1 wider. Insbesondere enthalten die Rezepturen 1, 2 und 4 Hilfsstoffe, die die Freisetzung des Budesonids in Wasser steigern aber nicht in Anspruch 1 aufgeführt sind, während Rezeptur 3 in Form eines nicht anspruchsgemäßen Brausegranulats getestet worden ist.
Folglich kann die Kammer die behauptete, deutlich verbesserte Wasserlöslichkeit des Budesonids mangels eines entsprechenden Nachweises dafür nicht bei der Formulierung der objektiven technischen Aufgabe berücksichtigen.
2.4.2 Ferner mangelt es im vorliegenden Fall an einem Beleg für den von der Beschwerdegegnerin geltend gemachten Kausalzusammenhang zwischen der gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik höheren Wasserlöslichkeit des Budesonids und einer erhöhten Bioverfügbarkeit bzw. einer verbesserten therapeutischen Wirksamkeit dieses Wirkstoffes.
Insbesondere genügen die oben unter Punkt 2.4 angeführten In-vitro-Daten hinsichtlich der Wasserlöslichkeit des Budesonids für sich allein nicht, um diesen Kausalzusammenhang plausibel darzulegen. Der Grund hierfür besteht darin, dass die budesonidhaltige Mundspüllösung der D13 in Patienten mit resistenter oraler cGvHD bereits zu einem sehr hohen Therapieerfolg führt, obwohl diese Formulierung - wie von der Beschwerdegegnerin in der mündlichen Verhandlung selbst vorgetragen - aufgrund der Art und Weise ihrer Zubereitung mit hoher Wahrscheinlichkeit eine geringere Wirkstoffdosis in vivo zur Verfügung stellt als eine Mundspüllösung, die aus einer anspruchsgemäßen, die gleiche Budesonidausgangsdosis (i.e. 3 mg) aufweisenden Brausetablette hergestellt ist. Der in D13 beschriebene Therapieerfolg spiegelt sich insbesondere in der in Tabelle VI der D13 offenbarten Gesamtansprechrate der mit der budesonidhaltigen Mundspüllösung behandelten Gruppe A von 83% wider, die mit der gleichen Bewertungsskala gemessen worden ist wie die entsprechenden Daten des Beispiels 4 des Streitpatents (vgl. hierzu Seite 351, Spalte 2, zweiter Absatz der D13 und Absatz [0041] des Streitpatents). Angesichts dieser Tatsache kann das Argument der Beschwerdegegnerin, dass die in D13 zur Beurteilung der therapeutischen Wirkung verwendete Methode nicht ausreichend objektiviert sei, nicht durchgreifen.
Aufgrund des bereits im nächstliegenden Stand der Technik festgestellten, sehr hohen Therapieerfolgs ist es somit vorliegend fraglich, ob eine noch bessere Wasserlöslichkeit des Budesonids dessen therapeutische Wirksamkeit in vivo noch weiter steigern kann.
Folglich bedarf es im vorliegenden Fall eines Beleges in Form vergleichender In-vivo-Daten einer mit einer Mundspüllösung gemäß D13 behandelten Patientengruppe, um den von der Beschwerdegegnerin geltend gemachten Kausalzusammenhang plausibel darlegen zu können. Jedoch ist kein solcher Beleg seitens der Beschwerdegegnerin geliefert worden, so dass die Kammer die mit der verbesserten Wasserlöslichkeit des Budesonids angeblich einhergehende erhöhte Bioverfügbarkeit bzw. verbesserte therapeutische Wirksamkeit dieses Wirkstoffes bei der Formulierung der objektiven technischen Aufgabe nicht berücksichtigen kann.
Die Beschwerdegegnerin führte in diesem Zusammenhang an, dass eine Vergleichsstudie zwischen der beanspruchten Behandlung und der im nächstliegenden Stand der Technik D13 verabreichten Therapie bei Patienten mit oraler cGhVD aus ethischen Gründen nicht durchgeführt werden könne.
Dieses Argument vermag die Kammer jedoch nicht zu überzeugen. Insbesondere hat die Beschwerdegegnerin die mit solch einer Studie angeblich verbundene ethische Problematik nicht weiter begründet. Des Weiteren spricht die Tatsache, dass die in D13 beschriebene klinische Studie durchgeführt und sogar veröffentlicht worden ist, gegen das von der Beschwerdegegnerin vorgetragene Argument. An dieser Studie haben Patienten mit einer resistenten oralen cGvHD teilgenommen, deren klinisches Erscheinungsbild nach der Behandlung mit der budesonidhaltigen Mundspüllösung signifikant verbessert war (siehe Seite 354, Tabelle VI, Gruppe A und Seite 355, Spalte 1, erster vollständiger Absatz). Zudem raten die Autoren der D13 im letzten Absatz dieser Druckschrift explizit zu weiteren klinischen Studien mit topischen Therapien. Folglich erscheint es der Kammer zweifelhaft, dass die Beschwerdegegnerin aus ethischen Gründen die obig erwähnte Vergleichsstudie nicht hätte durchführen können.
2.4.3 Aufgrund des dargelegten Sachverhalts ist die Kammer somit der Auffassung, dass die einzige dem Unterscheidungsmerkmal zuzuschreibende, glaubhaft gezeigte technische Wirkung eine verbesserte Wasserlöslichkeit des Budesonids ist.
2.4.4 Entsprechend ergibt sich als objektive technische Aufgabe die Bereitstellung einer pharmazeutischen Darreichungsform zur Zubereitung einer oral verabreichbaren Mundspüllösung zur Anwendung in der Behandlung von entzündlichen Veränderungen des oberen Verdauungstraktes, wobei diese Darreichungsform eine bessere Löslichkeit des Budesonids in Wasser gewährleistet als die beschichteten Kapseln des nächstliegenden Standes der Technik.
Die gemäß Anspruch 1 vorgeschlagene Lösung ist eine budesonidhaltige Brausetablette.
3. Naheliegen der Lösung
3.1 Dem Fachmann ist aus seinem allgemeinen Fachwissen bekannt, dass sich Brausetabletten in Wasser rasch auflösen, wobei das entstehende Gas die Granulatkörner und Partikel förmlich aus der Tablette heraussprengt (siehe D20: Seite 32, den die linke und rechte Spalte übergreifenden Absatz). Unter Verwendung von Gemischen von Carbonaten und Säuren mit höherem als stöchiometrisch erforderlichen Anteil wird gemäß Seite 32, Spalte 2, dritter vollständiger Absatz der D20 sogar eine vollständige Auflösung der Tablette erreicht. Im Lichte dieses Wissens würde der Fachmann somit erwarten, dass Brausetabletten eine bessere Löslichkeit des Budesonids in Wasser erzielen als die Kapseln des nächstliegenden Standes der Technik. Dementsprechend würde er diese auswählen, um die obig genannte Aufgabe zu lösen, so dass der beanspruchte Gegenstand keine erfinderische Tätigkeit begründen kann.
3.2 Die Beschwerdegegnerin brachte vor, dass der Fachmann zwecks Lösung seiner Aufgabe eine Reihe von unterschiedlichen, gleichwertigen Darreichungsformen zur Auswahl habe, darunter insbesondere auch flüssige Zubereitungen wie beispielsweise die Formulierungen der D21 und der D22. Einen Anreiz, unter dieser Vielzahl von Möglichkeiten ausgerechnet Brausetabletten auszuwählen, um die obig genannte technische Aufgabe zu lösen, liefere der Stand der Technik dem Fachmann indes nicht. Im Gegenteil, in Anbetracht der u.a. aus D24 allgemein bekannten schweren Wasserlöslichkeit des Budesonids und auch dessen Unvermögen, Salze in Lösung zu bilden, würde der Fachmann Budesonid als ungeeignet für Brausetabletten erachten, da diese Darreichungsform gemäß dem durch D20, Seite 32, zweite Spalte, Zeilen 2 bis 5 dokumentierten Fachwissen Wirkstoffe erfordere, die entweder leicht löslich seien oder zumindest beim Auflösungsprozeß Salze bilden. Folglich würde der Fachmann ausschließlich mit erfinderischem Zutun zu dem beanspruchten Gegenstand gelangen.
3.3 Die Kammer pflichtet der Beschwerdegegnerin dahingehend bei, dass dem Fachmann zwecks Lösung seiner Aufgabe eine Reihe von alternativen Darreichungsformen zur Verfügung stehen. Jedoch schließen diese auch Brausetabletten mit ein. Insbesondere würde die Tatsache, dass Budesonid eine geringe Wasserlöslichkeit besitzt, den Fachmann nicht davon abhalten, Brausetabletten als eine für seine Aufgabe geeignete Lösung zu erachten. Der Grund dafür besteht darin, dass dem Fachmann bereits aus D13 bekannt ist, dass eine feste, pharmazeutische Darreichungsform trotz der geringen Wasserlöslichkeit des darin enthaltenen Budesonids eine wässrige Mundspüllösung bereitstellen kann, die einen hohen Therapieerfolg in Patienten mit einer schweren entzündlichen Veränderung des oberen Verdauungstraktes in Form der resistenten oralen cGvHD erzielt. Angesichts dieser Lehre würde die geringe Wasserlöslichkeit des Budesonids den Fachmann in der Auswahl der ihm zwecks Lösung seiner Aufgabe als geeignet erscheinenden Darreichungsformen nicht in dem Maße einschränken, dass er Brausetabletten für den angestrebten Zweck nicht berücksichtigen würde.
Dass der Stand der Technik dem Fachmann keine besondere Anregung liefert, gezielt Brausetabletten unter der Mehrzahl der ihm zur Verfügung stehenden alternativen Darreichungsformen auszuwählen, bestreitet die Kammer nicht. Jedoch ist der beanspruchte Gegenstand im vorliegenden Fall auch ohne eine solche Anregung naheliegend. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass der Fachmann keinerlei Einschränkungen in Bezug auf die Auswahl der ihm zwecks Lösung seiner Aufgabe zur Verfügung stehenden Darreichungsformen unterliegt, so dass er all die in Betracht kommenden Darreichungsformen inklusive der beanspruchten Brausetabletten als gleichwertige Lösungen der gestellten Aufgabe betrachten würde. Entsprechend liegt die bloße Wahl der anspruchsgemäßen Brausetabletten als einer dieser Lösungen auf der Hand, so dass sich der Gegenstand gemäß Anspruch 1 in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt.
3.4 Demzufolge genügt der Hauptantrag nicht den Erfordernissen des Artikels 56 EPÜ.
Hilfsanträge 1 bis 3
4. Zulassung dieser Hilfsanträge
4.1 Diese drei Hilfsanträge reichte die Beschwerdegegnerin mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2018 und somit mehr als zweieinhalb Jahre nach ihrer Beschwerdeerwiderung ein. Inhaltlich beschränkte sich der Vortrag der Beschwerdegegnerin in diesem Schriftsatz im Wesentlichen auf die Angabe einiger Stellen der Patentschrift, welche nach ihrer Auffassung die in den Hilfsanträgen vorgenommenen Änderungen offenbarten.
4.2 In der mündlichen Verhandlung gab die Beschwerdegegnerin an, dass die drei Hilfsanträge in Reaktion auf die Lehre der D20 eingereicht worden seien. Diese Druckschrift sei von den Beschwerdeführern erst mit ihren Beschwerdebegründungen eingereicht worden, obwohl sie bereits im Einspruchsverfahren hätte vorgetragen werden können. Folglich entspreche es dem Gebot der Fairness, dass die Hilfsanträge 1 bis 3 in das Verfahren zugelassen werden.
In Bezug auf den Inhalt der in den Hilfsanträgen vorgenommenen Änderungen trug die Beschwerdegegnerin in der mündlichen Verhandlung vor, dass die wesentlichen Zusatzstoffe der beanspruchten Tablette in Anspruch 1 der drei Hilfsanträge aufgenommen worden seien, um den beanspruchten Gegenstand besser gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik abzugrenzen. Zudem weise der beanspruchte Gegenstand einen synergistischen Effekt auf.
4.3 Gemäß Artikel 13 (1) VOBK steht es im Ermessen der Kammer, Änderungen des Vorbringens eines Beteiligten nach Einreichung der Beschwerdeerwiderung zuzulassen. Bei der Ausübung des Ermessens werden insbesondere die Komplexität des neuen Vorbringens, der Stand des Verfahrens und die gebotene Verfahrensökonomie berücksichtigt.
4.3.1 In Bezug auf den Zeitpunkt der Einreichung der Hilfsanträge 1 bis 3 stellt die Kammer fest, dass die Beschwerdeführer D20 bereits mit ihren Beschwerdebegründungen eingereicht haben, so dass die Beschwerdegegnerin die Hilfsanträge 1 bis 3 in Reaktion auf die D20 und dem damit verbundenen Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit des Hauptantrags bereits mit ihrer Beschwerdeerwiderung hätte vorlegen können und sollen (Artikel 12 (2) VOBK).
4.3.2 Zudem hat die Beschwerdegegnerin in ihrem Schriftsatz vom 18. Dezember 2018 nicht hinreichend substantiiert, zu welchem Zweck sie die den Hilfsanträgen zugrundeliegenden Änderungen vorgenommen hat, und in welcher Weise dadurch den von den Beschwerdeführern erhobenen Einwänden bezüglich mangelnder erfinderischer Tätigkeit des Anspruchs 1 des Hauptantrags begegnet wird, ohne neue Fragen aufzuwerfen. Zwar beruht der in den Hilfsanträgen beanspruchte Gegenstand auf erteilten, abhängigen Ansprüchen, und ist somit schon immer Bestandteil des Beschwerdeverfahrens gewesen. Jedoch hat die Beschwerdegegnerin erst in der mündlichen Verhandlung die vorgenommenen Änderungen näher erläutert, und in diesem Zusammenhang einen zuvor nie erwähnten synergistischen Effekt geltend gemacht (siehe oben unter Punkt 4.2). Folglich würden bei Zulassung dieser drei Hilfsanträge sowohl die Beschwerdeführer als auch die Kammer selbst in einem sehr fortgeschrittenen Stadium des Verfahrens mit einem komplexen, bisher nicht diskutierten Sachverhalt konfrontiert.
4.3.3 Angesichts dieser Umstände lässt die Kammer in Ausübung ihres Ermessens gemäß dem Artikel 13 VOBK die Hilfsanträge 1 bis 3 nicht zum Verfahren zu.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.