European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2021:T175015.20210204 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 04 Februar 2021 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1750/15 | ||||||||
Anmeldenummer: | 06761706.8 | ||||||||
IPC-Klasse: | A61L31/12 A61L31/18 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | STABFÖRMIGER KÖRPER | ||||||||
Name des Anmelders: | MaRVis Interventional GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e.V. | ||||||||
Kammer: | 3.3.10 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Zulässigkeit der Beschwerde - Beschwerdebegründung Neuheit des erteilten Patents und der Hilfsanträge 1 und 2 Neuheit - (nein) Hilfsanträge 3 und 4 eingereicht kurz vor der mündlichen Verhandlung - zugelassen (nein) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Beschwerdeführerinnen richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Europäische Patent EP 1 896 089 unter Artikel 103(3)(a) EPÜ in geänderter Form aufrechtzuerhalten.
II. Im Einspruchsverfahren war das Patent unter Artikel 100(a) EPÜ wegen mangelnder Neuheit (Artikel 54 EPÜ) und mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ) angegriffen worden.
Dabei wurde unter anderem auf folgende Dokumente Bezug genommen:
D1: US 5,750,014
D2: US 4,257,421
D6: WO 02058779
D8: DE-U-20019484
III. In ihrer Entscheidung kam die Einspruchsabteilung zu dem Schluss, Anspruch 1 des erteilten Patents sowie des ihr vorliegenden ersten Hilfsantrags sei nicht neu gegenüber D1. Demgegenüber seien die beiden unabhängigen Ansprüche 1 und 8 des zweiten Hilfsantrags neu gegenüber D1, D2 und D8 (Artikel 54 EPÜ). Diese Ansprüche seien auch erfinderisch gegenüber einer Kombination aus D1 und D6 (Artikel 56 EPÜ). Ebenso seien die Ansprüche nicht unerlaubt geändert worden (Artikel 123(2) EPÜ). Das Patent könne daher gemäß Artikel 103(3)(a) EPÜ auf Basis des zweiten Hilfsantrags in geänderter Form aufrechterhalten werden.
IV. In ihrer Beschwerdebegründung brachte die Patentinhaberin vor, der Neuheitseinwand gegenüber D1 bezüglich Anspruch 1 des erteilten Patents sei nicht gerechtfertigt. Zusätzlich reichte sie einen neuen ersten Hilfsantrag zur Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Form ein und brachte Argumente für Neuheit und erfinderische Tätigkeit dieses Antrags vor.
V. In ihrer Beschwerdebegründung brachte die Einsprechende vor, die unabhängigen Ansprüche 1 und 8 der aufrechterhaltenen Fassung seien nicht neu gegenüber D1, D2 und D8. Argumente betreffend mangelnde erfinderischer Tätigkeit dieses Anspruchssatzes wurden ebenfalls unterbreitet.
In der Antwort auf die Beschwerdebegründung der Patentinhaberin brachte die Einsprechende vor, die Beschwerde der Patentinhaberin setze sich nicht mit allen Widerrufsgründen auseinander (Regel 99(2) EPÜ) und sei daher unzulässig. Der erste Hilfsantrag der Beschwerdeführerin sei verspätet eingereicht und daher unter Artikel 12(4) VOBK 2007 nicht ins Verfahren zuzulassen. Darüber hinaus sei der jeweilige Anspruch 1 der beiden Anträge nicht neu gegenüber D1 und die anderen unabhängigen Ansprüche, da inhaltsgleich mit denen des zweiten Hilfsantrags, nicht neu gegenüber D1, D2 und D8.
VI. Die Kammer setzte für den 24. März 2020 eine mündliche Verhandlung an, die im weiteren Verlauf auf den 4. Februar 2021 verlegt wurde.
In einer Mitteilung unter Artikel 15(1) VOBK 2007 vom 16. September 2019 wurden die Parteien über die vorläufige Einschätzung der Kammer informiert.
Die Kammer war unter anderem der vorläufigen Ansicht, dass die Beschwerde der Patentinhaberin zulässig sei. Anspruch 1 des erteilten Patents schiene nicht neu gegenüber D1, der erste Hilfsantrag würde möglicherweise nicht ins Verfahren zugelassen. In Bezug auf den von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Hilfsantrag 2 sah die Kammer Neuheit gegenüber D1 und D2 vorläufig als gegeben an, Neuheit gegenüber D8 müsse allerdings in der Verhandlung diskutiert werden.
VII. Mit Schreiben vom 21. Februar 2020 brachte die Patentinhaberin Argumente vor, weshalb ihrer Ansicht nach der neue erste Hilfsantrag rechtzeitig eingereicht worden war und daher ins Verfahren zuzulassen sei.
Mit Schreiben vom 1. Februar 2021 reichte sie zusätzliche Hilfsanträge 3 und 4 ein.
VIII. Anträge der Parteien:
Die Beschwerdeführerin-Patentinhaberin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückweisung des Einspruchs, d.h. Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt, hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents im Umfang eines der Hilfsanträge 1 bis 4, wobei die Hilfsanträge 1 und 2 mit der Beschwerdebegründung vom 3. November 2015 und die Hilfsanträge 3 und 4 mit Schreiben vom 1. Februar 2021 eingereicht wurden.
Die Beschwerdeführerin-Einsprechende beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents im vollen Umfang. Sie beantragte, die Beschwerde der Patentinhaberin als unzulässig zu verwerfen. Weiters beantragte sie die Nichtzulassung des Hauptantrags sowie der Hilfsanträge 1-4.
IX. Am 4. Februar 2021 fand die mündliche Verhandlung statt. Am Ende der Verhandlung wurde die Entscheidung verkündet.
X. Anspruch 1 des dieser Entscheidung zugrundeliegenden zweiten Hilfsantrags lautet wie folgt:
"MRT-kompatibler Führungsdraht, bestehend aus mindestens einem Stab, der aus
einem oder mehreren nicht-metallischen Filamenten und einem nicht-ferromagnetischen Matrixwerkstoff,
wobei der Matrixwerkstoff das oder die Filamente umschließt und/oder miteinander verklebt, und
einer in den Matrixwerkstoff eingebrachten Dotierung aus magnetresonanztomografisch Artefakte erzeugenden Partikeln besteht, und
einem nicht-ferromagnetischen Matrixwerkstoff,
wobei dieser Matrixwerkstoff den oder die Stäbe umschließt und/oder miteinander verklebt."
In Anspruch 1 des dritten und vierten Hilfsantrags ist die Option "einem oder" gestrichen, so dass die Stäbe mehrere nicht-metallische Filamente enthalten müssen.
Entscheidungsgründe
1. Zulässigkeit der Beschwerden
1.1 Die Zulässigkeit der Beschwerde der Einsprechenden wurde nicht bestritten. Auch die Kammer sieht keine Gründe, deren Zulässigkeit in Zweifel zu ziehen.
1.2 Die Zulässigkeit der Beschwerde der Patentinhaberin wurde von der Einsprechenden bestritten.
1.2.1 Nach Ansicht der Einsprechenden hat die Patentinhaberin sich nicht zu allen von der Einspruchsabteilung aufgeführten Argumenten geäußert, die in der Einspruchsentscheidung in Bezug auf die mangelnde Neuheit von Anspruch 1 des erteilten Patents gegenüber D1 maßgeblich waren. Mit Verweis auf T 1045/02 und T 509/07 (hier Punkt 2 der Entscheidungsgründe) argumentierte sie daher, dass die Beschwerdeschrift den in Regel 99(2) EPÜ gestellten Anforderungen nicht genüge. Die Beschwerde sei daher gemäß Regel 101(1) EPÜ als unzulässig zu verwerfen.
1.2.2 Die Kammer folgt dieser Einschätzung nicht.
Gemäß Artikel 108 EPÜ, Satz drei, ist die Beschwerde nach Maßgabe der Ausführungsordnung zu begründen. Regel 99(2) EPÜ verlangt hierzu, dass der Beschwerdeführer darlegt, aus welchen Gründen die angefochtene Entscheidung aufzuheben oder abzuändern ist, und auf welche Tatsachen und Beweismittel er seine Beschwerde stützt.
In der angefochtenen Entscheidung wurden die Ansprüche des erteilten Patents als nicht neu gegenüber D1 angesehen. Die Beschwerdebegründung der Patentinhaberin setzt sich mit der Frage der Neuheit gegenüber D1 auseinander. Dies ist nach Ansicht der Kammer ausreichend, um den Erfordernissen der Regel 99(2) EPÜ genüge zu tun. Ob die Argumente der Patentinhaberin inhaltlich überzeugend sind bzw. sich mit allen Aspekten der Begründung der Einspruchsentscheidung befassen, ist eine Frage der materiellrechtlichen Beurteilung der Beschwerde, d.h. eine Frage der Begründetheit und nicht der Zulässigkeit.
Der Verweis der Einsprechenden auf die beiden Entscheidungen T 1045/02 und T 509/07 ändert daran nichts. In dem T 1045/02 zugrundeliegenden Fall enthielt die Beschwerdeschrift in Bezug auf den Neuheitseinwand gegenüber einem bestimmten Dokument überhaupt kein Argument. Dies ist vorliegend nicht der Fall. In der angegebenen Stelle der T 509/07 geht es um die Frage, ob ein bestimmter Antrag ins Verfahren zugelassen wird; die Beschwerde an sich war zulässig.
1.3 Beide Beschwerden sind daher zulässig.
2. Zulässigkeit der Anträge der Patentinhaberin
2.1 Hauptantrag, erster und zweiter Hilfsantrag
Da die Beschwerde der Patentinhaberin zulässig ist, ist auch ihr Hauptantrag, d. h. die Zurückweisung des Einspruchs, zulässig. Dieser Antrag lag der angefochtenen Entscheidung zugrunde, wurde abschlägig beschieden, war von einer Begründung begleitet und ist daher gemäß Artikel 12(2) und (4) VOBK 2020 Teil des Beschwerdeverfahrens.
Der erste Hilfsantrag der Patentinhaberin wurde mit der Beschwerdebegründung eingereicht. Die Einsprechende hat beantragt, ihn unter Artikel 12(4) VOBK 2007, der aufgrund der Übergangsbestimmung in Artikel 25(2) VOBK 2020 einschlägig ist, nicht ins Verfahren zuzulassen. Da, wie weiter unten ausgeführt, dieser Antrag ohnehin wegen mangelnder Neuheit nicht gewährbar ist, kann die Frage seiner Zulässigkeit dahingestellt bleiben.
Der zweite Hilfsantrag lag ebenfalls der angefochtenen Entscheidung zugrunde. Auf Basis dieses Antrags wurde das Patent aufrechterhalten. Die Einsprechende hat vorgebracht, dass die Patentinhaberin bezüglich dieses Antrags nicht beschwert ist. Dies mag an sich richtig sein, falls die Patentinhaberin alleinige Beschwerdeführerin wäre, ist aber vorliegend unerheblich. Zum Zeitpunkt der Einreichung dieses Antrags hatte die Einsprechende bereits ihre eigene Beschwerde eingereicht und den Antrag auf diese Weise zum zulässigen Streitgegenstand des Verfahrens gemacht. Der Antrag auf Aufrechterhaltung des Patents mit diesem Hilfsantrag ist nicht als Beschwerde, sondern als Beschwerdeerwiderung zu werten. Der Antrag ist daher gemäß Artikel 12(1)-(3) VOBK 2020 Bestandteil des Beschwerdeverfahrens.
2.2 Dritter und vierter Hilfsantrag
2.2.1 Diese Anträge wurden am 1. Februar 2021, d. h. drei Tage vor der mündlichen Verhandlung eingereicht.
Nachdem die erste Ladung zur mündlichen Verhandlung vor Inkrafttreten der revidierten Verfahrensordnung erging, kommt gemäß der Übergangsbestimmung in Artikel 25(3) VOBK 2020 im vorliegenden Fall Artikel 13 VOBK 2007 zur Anwendung. Dies war unstrittig.
Artikel 13(1) VOBK 2007 legt die Zulassung geänderten Vorbringens ins Ermessen der Kammer. Bei der Ermessensausübung sollen insbesondere die Komplexität des neuen Vorbringens, der Verfahrensstand und die gebotene Verfahrensökonomie berücksichtigt werden. Gemäß Artikel 13(3) VOBK 2007 werden Änderungen nicht zugelassen, wenn sie Fragen aufwerfen, deren Behandlung der Kammer oder den anderen Beteiligten ohne Verlegung der Verhandlung nicht zuzumuten sind.
2.2.2 Die Anträge wurden in einem sehr späten Verfahrensstadium, nämlich drei Tage vor der mündlichen Verhandlung, eingereicht. Die Änderungen in den Anträgen bestehen darin, dass die unabhängigen Ansprüche durch Streichen der Option "einem oder" auf Stäbe mit mehreren Filamenten beschränkt wurden.
Die Patentinhaberin hat vorgebracht, die Änderungen seien leicht erfassbar, sachdienlich und würfen keine unzumutbaren Fragen auf. Sie seien daher zuzulassen.
2.2.3 Die Kammer kann diesen Argumenten nicht folgen.
Es mag sein, dass die Änderungen an sich nicht komplex sind. Dies ist aber nicht allein entscheidend; entscheidend ist auch, ob die durch die Änderungen aufgeworfenen Fragen komplex sind.
Neuheit und erfinderische Tätigkeit auf Basis des Merkmals, dass Stäbe mehrere Filamente enthalten müssen, waren im Verfahren vorher nicht diskutiert worden. Kein Antrag, nicht einmal ein abhängiger Anspruch, war auf einen solchen Gegenstand gerichtet. Es ist daher durchaus so, dass neue Fragen aufgeworfen werden, die in der Kürze der Zeit nicht in zumutbarer Weise behandelt werden können.
Die neuen Anträge können auch nicht als angemessene Reaktion auf den Verfahrensverlauf gewertet werden. Die Frage der Neuheit gegenüber D8, die den Änderungen zugrunde liegt, ist bereits seit Anfang des Einspruchsverfahrens im Verfahren. Die Mitteilung der Kammer unter Artikel 15(1) VOBK 2007 zur Vorbereitung der Verhandlung erging über ein Jahr vor dem Datum des Einreichens der neuen Hilfsanträge. Eingaben der Einsprechenden, auf die etwa reagiert werden hätte müssen, gab es keine.
Diese Hilfsanträge werden daher nach Artikel 13 VOBK 2007 nicht ins Verfahren zugelassen.
3. Neuheit (Artikel 54 EPÜ)
3.1 Die Kammer behandelt zunächst die Frage, ob die in der Einspruchsentscheidung aufrechterhaltenen Ansprüche gegenüber dem zitierten Stand der Technik neu sind. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Einsprechenden. Die aufrechterhaltene Fassung entspricht dem zweiten Hilfsantrag der Patentinhaberin.
Die Einspruchsabteilung war der Ansicht, Anspruch 1 dieses zweiten Hilfsantrags sei neu gegenüber D1, D2 und D8.
3.1.1 D8 offenbart in Abbildung 1 unbestrittenerweise einen MR-kompatiblen Führungsdraht. Die technischen Merkmale dieses Führungsdrahts sind einerseits auf der vierten Seite der Beschreibung, vorletzter Absatz, und andererseits in Anspruch 2 offenbart.
Der in Abbildung 1 mit Ziffer 3 bezeichnete nicht-ferromagnetische, vorzugsweise aus Kunststoff bestehende Träger entspricht dabei dem im vorliegenden Anspruch verlangten Filament.
Dieser Träger (3) ist abschnittsweise mit einem Gemisch aus Eisenpulver und Trägermaterial markiert (Anspruch 2 der D8, Ziffer 2 in Abbildung 1), und zwar dergestalt, dass dieses Gemisch den Träger (3) ringförmig umschließt, wie aus der Abbildung des Längs- und Querschnitts hervorgeht. Das Trägermaterial entspricht dabei dem im Anspruch verlangten, das Filament umschließenden Matrixwerkstoff, der durch die magnetresonanztomografisch Artefakte erzeugenden Eisenpartikel dotiert ist. Zusammen mit dem Filament definiert diese Teilstruktur den im Anspruch verlangten Stab.
Des weiteren enthält der Führungsdraht eine Füllmasse (4), die den Stab umschließt und dem nicht-ferromagnetischen Matrixwerkstoff im letzten Teil des vorliegenden Anspruchs entspricht.
3.1.2 Die Patentinhaberin hat drei Argumente vorgebracht, weshalb ihrer Ansicht nach der beanspruchte Führungsdraht in D8 nicht direkt und unmittelbar offenbart ist.
a) Ein Argument bezieht sich auf den im ersten Teil des Anspruchs verlangten Matrixwerkstoff, der das Filament umschließt. Nach Ansicht der Patentinhaberin muss dieses Merkmal so gelesen werden, dass der Matrixwerkstoff eine Matrix für das Filament bildet. Dies werde insbesondere aus den Absätzen [0015] und [0016] des Streitpatents klar, da dort beschrieben sei, dass die Kombination des Matrixwerkstoffs mit dem(n) Filament(en) die Materialeigenschaften verbessere. Es handle sich daher um ein Verbundmaterial. Demgegenüber bilde das Trägermaterial in D8 zwar eine Matrix für das Eisenpulver, aber nicht für den Träger (3).
b) Des weiteren argumentiert die Patentinhaberin, der Träger (3) sei ein Hohlkörper und daher kein Filament im Sinne des vorliegenden Anspruchs.
c) Das dritte Argument der Patentinhaberin bezieht sich auf die Offenbarung von Abbildung 1 und des diese Abbildung erklärenden Absatzes auf der vierten Seite der Beschreibung einerseits und des Anspruchs 2 andererseits. In der Beschreibung der Abbildung fehlt das dem Matrixwerkstoff entsprechende Trägermaterial, es ist nur angegeben, dass der Träger (3) in regelmäßigen Abständen mit Haufen aus ferromagnetischen Partikeln markiert ist. Nach Ansicht der Patentinhaberin könnten diese Partikel auch ohne Trägermaterial, etwa in Pulverform auf einen oberflächlich nicht vollständig ausgehärteten Träger (3) aufgebracht oder direkt in diesen eingebracht werden. Ein dem im Anspruch verlangten Matrixwerkstoff entsprechendes Trägermaterial werde zwar in Anspruch 2 offenbart. Allerdings seien dies zwei isolierte Offenbarungen. Eine Kombination dieser Offenbarungen sei D8 nicht direkt und unmittelbar zu entnehmen.
3.1.3 Die Einsprechende hat zu diesen Punkten im wesentlichen folgendes vorgebracht:
a) Der Anspruch verlange kein Verbundmaterial, sondern einen dotierten Matrixwerkstoff. Dabei sei auch keine durchgehende Dotierung verlangt, auch punktuell eingebrachtes Material sei vom Anspruch erfasst.
b) Hohle Filamente seien vom Anspruch mitumfasst.
c) Es handle sich nicht um getrennte Offenbarungen, ein Fachmann würde die offenbarten Merkmale in Kombination lesen.
3.1.4 Die Kammer folgt der Argumentation der Einsprechenden.
a) Der Anspruch verlangt einen Matrixwerkstoff mit einer eingebrachten Dotierung, der das Filament umschließt. Dies ist durch das abschnittsweise um den Träger (3) ringförmig angeordnete Trägermaterial im Gemisch mit dem Eisenpulver als Dotierung in Abbildung 1 der D8 erfüllt. Der Anspruch verlangt nicht, dass das Filament komplett in den Matrixwerkstoff eingebettet ist und so eine Art Verbundwerkstoff bildet. In Absatz [0015] ist eine solche Bedingung ebenso wenig beschrieben. Auch die in Absatz [0015] beschriebenen Materialeigenschaften (etwa die Steifigkeit) finden sich nicht im Anspruch und lassen sich auch nicht in implizite technische Merkmale des beanspruchten Führungsdrahts übersetzen, die in den Anspruch hineingelesen werden müssten. Ein Führungsdraht wie im Anspruch definiert muss natürlich eine gewisse Steifigkeit besitzen. Diese Steifigkeit kann aber auch durch andere, im Anspruch definierte Merkmale bewirkt werden, etwa durch den den Stab umschließenden Matrixwerkstoff, der in D8 der Füllmasse (4) entspricht.
b) Filamente sind im allgemeinen Sprachgebrauch faserförmige, d. h. im Vergleich zu ihrem Durchmesser lange, Gebilde. Die Beschreibung des Patents enthält keine spezielle Definition dieses Begriffs, es werden in Absatz [0019] etwa Filamente aus Kunststoff in verschiedenen Längen und Dicken oder Glasfasern als Beispiele genannt. Der Träger (3) in D8 ist zylinderförmig, besteht aus Kunststoff und ist als Kern des in D8 beschriebenen Führungsdrahts von langer und dünner Gestalt. Er ist daher ein Filament im Sinne des Anspruchs. Selbst wenn, was aus D8 nicht eindeutig hervorgeht, dieser Träger hohl sein sollte, so sind Hohlfasern als Filamente vom Anspruch nicht ausgeschlossen.
c) Die Patentinhaberin hat korrekterweise ausgeführt, dass Abbildung 1 aus D8 in Kombination mit der entsprechenden Beschreibung auf der vierten Seite kein dotiertes Matrixmaterial offenbart. Dort wird nur beschrieben, dass sich die ferromagnetischen Partikel in Haufen in regelmäßigen Abständen auf dem Träger befinden. Allerdings ist Anspruch 2 die einzige Stelle in D8, an der der Fachmann Informationen bekommt, wie dies zu bewerkstelligen ist, nämlich durch punktuelles Aufbringen eines Gemischs von Eisenpulver und einem Trägermaterial (d. h. einem Matrixwerkstoff). Ein Fachmann würde daher diese Information verwenden, da ihm in D8 keine andere angeboten wird. Anspruch 2 steht auch nicht im Widerspruch zu der in der Abbildung gezeigten Ausführungsform. Dass der Fachmann vielleicht auch andere Möglichkeiten in Betracht ziehen könnte, um die Partikel auf dem Träger zu befestigen, mag sein, ist aber nicht entscheidend. Entscheidend ist die Offenbarung von D8, und dass solche andere Möglichkeiten in D8 nicht beschrieben sind. D8 offenbart daher die Merkmale des beanspruchten Führungsdrahts in Kombination und nimmt ihn neuheitsschädlich vorweg.
3.2 Da zumindest Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags nicht neu gegenüber D8 ist, kann das Patent nicht auf Basis dieses Antrags aufrechterhalten werden.
Ob mit D1 und D2 weitere neuheitsschädliche Offenbarungen vorliegen, wie von der Einsprechenden vorgebracht, kann daher dahingestellt bleiben.
3.3 Anspruch 1 der aufrechterhaltenen Fassung, d. h. des zweiten Hilfsantrags ist inhaltsgleich zu Anspruch 10 des ersten Hilfsantrags sowie des Hauptantrags bzw. wird von diesen umfasst. Dies war zwischen den Parteien unstrittig. Daher leidet auch der vorliegende Hauptantrag sowie Hilfsantrag 1 gegenüber D8 an mangelnder Neuheit.
4. Zusammenfassend ist festzustellen, dass keiner der im Verfahren befindlichen Anträge der Patentinhaberin gewährbar ist. Das Patent ist daher unter Artikel 101(2) und Artikel 101(3)(b) EPÜ zu widerrufen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
Das Patent wird widerrufen.