European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2019:T171115.20190319 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 19 März 2019 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1711/15 | ||||||||
Anmeldenummer: | 02781243.7 | ||||||||
IPC-Klasse: | H04L 29/06 G07F 19/00 G07C 13/00 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Identifikation eines Benutzers eines Mobilterminals und Generierung einer Aktionsberechtigung | ||||||||
Name des Anmelders: | Modulatec GmbH Mega-Tel AG |
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Name des Einsprechenden: | Swisscom (Schweiz) AG | ||||||||
Kammer: | 3.5.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Einspruchsgründe - Gegenstand geht über den Inhalt der früheren Anmeldung hinaus (nein) | ||||||||
Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent Nr. 1 525 731 zu widerrufen, legte die Patentinhaberinnen Beschwerde ein. Die Entscheidung wurde damit begründet, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Patents über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung hinausgeht (Artikel 100 (c) EPÜ).
II. Mit ihrer Beschwerdebegründung beantragten die Patentinhaberinnen (Beschwerdeführerinnen), die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und den Einspruch unter weiterer Entscheidung über die Einspruchsgründe nach Artikel 100 (a) und (b) EPÜ zurückzuweisen, hilfsweise die Angelegenheit zur Entscheidung über diese weiteren Einspruchsgründe an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen.
III. Die Einsprechende (Beschwerdegegnerin) beantragte mit ihrer Erwiderung, die Beschwerde zurückzuweisen.
IV. Beide Parteien beantragten hilfsweise eine mündliche Verhandlung.
V. In einer der Ladung zur mündlichen Verhandlung folgenden Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK nahm die Kammer zum Sachverhalt, insbesondere zu der Frage, ob der Einspruchsgrund nach Artikel 100 (c) EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents entgegensteht, Stellung.
VI. Mit Schreiben vom 8. Februar 2019 nahmen die Patentinhaberinnen den Antrag auf mündliche Verhandlung zurück und teilten mit, dass sie nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen werden. Die Patentinhaberinnen beantragten, der Beschwerde stattzugeben und die Sache zur weiteren Entscheidung an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen.
VII. Am 19. März 2019 fand in Abwesenheit der Patentinhaberinnen eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.
Die Beschwerdeführerinnen beantragten schriftlich, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen.
Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.
Am Ende der Verhandlung verkündete der Vorsitzende die Entscheidung der Kammer.
VIII. Der unabhängige Anspruch 1 des Patents lautet wie folgt:
"Verfahren zur Identifizierung eines Benutzers (1) und Generierung einer Aktionsberechtigung für den Benutzer (1) unter Zuhilfenahme eines Mobilterminals (11) und eines Identifikationsmoduls (2),
aufweisend die folgenden Schritte:
a) Übersendung (5) einer Aktionsberechtigungs-Anforderung zusammen mit einem Identifikationscode von dem Mobilterminal (11) an das Identifikationsmodul (2), wobei die Aktionsberechtigungs-Anforderung die Art und wenigstens einen Parameter der angeforderten Aktionsberechtigung angibt. [sic]
b) Überprüfung durch das Identifikationsmodul (2), ob für den Identifikationscode eine Aktionsberechtigung mit dem wenigstens einen Parameter zulässig ist, und für den Fall der Zulässigkeit:
c) Generierung (6) eines Transaktionscodes für die angeforderte Aktionsberechtigung durch das Identifikationsmodul (2), wobei der Transaktionscode gegenüber wenigstens einer dritten Stelle eine Freigabe der Aktion mit dem wenigstens einen Parameter durch das Identifikationsmodul dokumentiert, und
d) Übersendung (7) des Transaktionscodes von dem Identifikationsmodul (2) an das Mobilterminal (11),
wobei die dritte Stelle der Server einer Bank ist, dass der Transaktionscode ein Streichlistencode für das E-Banking ist, der zu der Durchführung einer E-Banking-Aktion berechügt [sic], dass der Transaktionscode von dem Identifikationsmodul zusätzlich an den Bankserver bzw. ein Terminal des Bankservers übermittelt wird, dass der Transaktionscode nur einmal nutzbar ist, und dass der Transaktionscode nach Übersendung an das Mobilterminal eine zeitlich begrenzte Gültigkeitsdauer hat, dass bei der Übersendung des Transaktionscodes an den Bankserver bzw. ein Terminal des Bankservers zusätzlich eine dem Benutzer bekannte Identifikationsnummer mitgesendet wird und zur Terminierung der Aktion von dem Benutzer eine Nachricht an den Bankserver bzw. ein Terminal des Bankservers gesendet wird, welche neben dem Transaktionscode die Identifikationsnummer enthält."
Entscheidungsgründe
1. Anspruch 1 - Artikel 100 (c) EPÜ
1.1 Das Verfahren nach Anspruch 1 richtet sich auf die Identifizierung eines Benutzers und die Generierung einer Aktionsberechtigung und umfasst stark zusammengefasst die folgenden Schritte:
- Übersendung einer Anforderung für eine Aktionsberechtigung von einem Mobilterminal an ein Identifikationsmodul,
- Generierung eines Transaktionscodes, der gegenüber einem Bankserver die Freigabe einer Aktion dokumentiert, durch das Identifikationsmodul,
- Übersendung des Transaktionscodes an das Mobilterminal und an den Bankserver bzw. ein Terminal des Bankservers, und
- Übersendung des Transaktionscodes an den Bankserver bzw. das Terminal des Bankservers durch den Benutzer.
1.2 Anspruch 1 umfasst dabei genauer das Merkmal, dass "der Transaktionscode nach Übersendung an das Mobilterminal eine zeitlich begrenzte Gültigkeitsdauer hat".
Die Kammer versteht diese Merkmal dahingehend, dass der Transaktionscode zumindest nach dem Übersenden an das Mobilterminal zeitlich begrenzt gültig ist. Die Einsprechende hat dieser Auslegung nicht widersprochen.
1.2.1 Die Beschwerdegegnerin argumentiert, dass die ursprünglich eingereichte Anmeldung keine Grundlage für das Hinzufügen des in Punkt 1.1 genannten Merkmals biete. Aufgrund der hinzugefügten zeitlichen Bedingung sei nun sichergestellt, dass der Benutzer einen gültigen Aktionscode erhält. Das ohne dieses Merkmal bestehende Risiko, dass der Benutzer aufgrund fehlgeschlagener oder zu später Übersendung keinen gültigen Transaktionscode erhält, werde eliminiert. Die Patentinhaberin habe sich somit Ihre Position verbessert. Die ursprüngliche Anmeldung offenbare nicht, dass die Gültigkeitsdauer immer nach dem Übersenden des Transaktionscodes ablaufen muss. Die Aufnahme des Merkmals stelle daher eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung dar.
Die Kammer ist von dem Argument aus folgenden Gründen nicht überzeugt:
Der ursprünglich eingereichte Anspruch 1 und der darauf rückbezogenen Anspruch 2 offenbaren ein Verfahren mit einem Schritt der Generierung des Aktionscodes beziehungsweise Transaktionscodes, wobei die Gültigkeit des Transaktionscodes zeitlich begrenzt ist. Der Beginn und die Dauer der Gültigkeit sind offen gelassen. Der Transaktionscode kann somit zum Zeitpunkt des Übersendens an das Mobilterminal gültig oder bereits abgelaufen sein. Das Verfahren nach dem ursprünglich eingereichten Anspruch 2 umfasst, abhängig von einer erfolgreichen Übersendung des Transaktionscodes beziehungsweise der Zeitdauer bis zu dessen Versendung, somit Fälle, in denen der Benutzer einen gültigen Transaktionscode erhält, und Fälle, in denen er keinen gültigen Transaktionscode erhält.
In Bezug auf die zeitliche Begrenzung sagt Seite 16, Zeilen 5 bis 9 der ursprünglich eingereichten Beschreibung weiter aus: "Die Zeitbeschränkung kann dabei beliebig fixiert sein. Beispielsweise kann die Zeitbeschränkung im Falle eines Zahlungsvorganges an einer Supermarkt-Kasse 15 Minuten betragen. Die Dauer der Zeitbeschränkung ist zweckmäßigerweise in Abhängigkeit der Aktion gewählt.".
Da die genannte Aktion nur mit gültigem Transaktionscode möglich ist, bietet die ursprünglich eingereichte Anmeldung eine Grundlage für Fälle, in denen der Transaktionscode nach der Übersendung noch gültig ist. Da ferner dem Benutzer der Transaktionscode erst ab dessen Übersendung zur Verfügung stehen kann, ist zumindest implizit offenbart, dass nach der Übersendung die Gültigkeit des Transaktionscodes für den erfolgreichen Abschluss des Verfahrens wesentlich ist.
Durch die Aufnahme des in Punkt 1.1 genannten Merkmals wurde demzufolge der Gegenstand des Anspruchs 1 auf eine Untermenge der ursprünglich offenbarten Fälle mit Hilfe einer zeitlichen Bedingung eingeschränkt, die aufgrund dem grundlegenden Konzept des Verfahrens implizit offenbart war.
1.2.2 Die Einspruchsabteilung argumentierte in ihrer Entscheidung in Punkt 2.2.6, dass das in Punkt 1.1 genannte Merkmal vom Fachmann so gelesen würde, als ob erst mit der Versendung die Gültigkeitsdauer beginnen würde, da dies für den Fachmann vom Inhalt mit erfasst sei.
Nach Ansicht der Kammer sagt das betreffende Merkmal nur aus, dass der Transaktionscode im Zeitraum, der nach der Übersendung liegt, eine zeitlich begrenzte Gültigkeit hat. Das Merkmal macht keine Aussage darüber, wann die zeitlich begrenzte Gültigkeit beginnt. Ob ein Ausführungsbeispiel, in dem die Gültigkeitsdauer mit der Übersendung beginnt, in den Schutzbereich des Anspruchs 1 fällt, ist unerheblich.
Weiter argumentierte die Einspruchsabteilung in Punkt 2.2.7 der Entscheidung, dass die Formulierung mit einschließt, dass vor der Übersendung keine begrenzte Gültigkeitsdauer vorliegt. Auch für diese Schlussfolgerung sieht die Kammer keinen Grund, da die Formulierung in Anspruch 1 keine Aussage zum Beginn der Gültigkeitsdauer oder zum Zeitraum vor der Übersendung macht, sondern nur feststellt, dass nach der Übersendung eine begrenzte Gültigkeit vorliegt.
1.3 Die Einsprechende argumentierte weiter, dass in der Formulierung "Bankserver bzw. ein Terminal eines Bankservers" des Anspruchs 1 das "bzw." als und/oder auszulegen sei und dass die ursprünglich eingereichte Anmeldung keine Grundlage dafür biete, dass in dem Fall, in dem der Transaktionscode ein Streichlistencode für das E-Banking ist, das Identifikationsmodul den generierten Transaktionscode zusätzlich an den Bankserver und/oder ein Terminal des Bankservers übermittelt.
Die Kammer ist von diesem Argument aus folgenden Gründen nicht überzeugt. Die Verknüpfung "beziehungsweise" ist nach Ansicht der Kammer im vorliegenden Fall nur als "oder" zu interpretieren, da ein Bankserver und ein Terminal eines Bankservers Alternativen zueinander sind, deren gleichzeitige Verwendung abwegig wäre. In den ursprünglich eingereichten Ansprüchen sind Streichlistencodes im Rahmen des E-Banking in Anspruch 34 erwähnt, der auf Anspruch 14 rückbezogen ist, in dem die Übersendung des Transaktionscodes an ein Terminal der dritten Stelle offenbart ist. Durch den Bezug zum E-Banking ist implizit offenbart, dass die dritte Stelle der Server einer Bank ist, so dass die genannten Ansprüche eine Grundlage für die Alternative "Terminal eines Bankservers" bieten.
Die ursprünglich eingereichte Anmeldung offenbart weiter auf Seite 17, Zeilen 1 bis 7 und 17, der Beschreibung, dass der generierte Transaktionscode, der auch als TRX bezeichnet wird (Seite 14, Zeilen 4 bis 6), an einen Internet-Server geschickt wird. Durch den Bezug zum E-Banking in Anspruch 1 wird implizit deutlich, dass der Internet-Server der Server einer Bank ist.
1.4 Weiter argumentierte die Einsprechende, dass das Merkmal in Anspruch 1, "dass der Transaktionscode ein Streichlistencode für das E-Banking ist", eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung sei. Es sei in den ursprünglich eingereichten Unterlagen auf Seite 31 und in Anspruch 34 nur zusammen mit anderen, im Anspruch 1 nicht enthaltenen Merkmalen offenbart, nämlich dass in Schritt a) zur Anforderung des Transaktionscodes Angaben über die betreffende Bank und das betreffende Konto gesendet werden.
Die Kammer ist von diesem Argument aus folgenden Gründen nicht überzeugt. Die Durchführung einer Aktion im Rahmen des E-Banking ist immer auf ein bestimmtes Konto gerichtet, für das die Aktion durchgeführt werden soll. Ferner wird ein Konto immer bei einem entsprechenden Institut beziehungsweise einer Bank angesiedelt sein. Die Kammer merkt weiter an, dass in Schritt a) in Anspruch 1 die übersendete Anforderung der Aktionsberechtigung die Art und wenigstens einen Parameter der angeforderten Aktionsberechtigung angibt. Da nach Ansicht der Kammer E-Banking grundsätzlich Angaben zum betreffenden Konto und zur betreffenden Bank erfordert, umfasst eine übersendete Anforderung einer Aktionsberechtigung im Rahmen des E-Banking in Schritt a) als Parameter implizit diese vorgenannten unverzichtbaren Angaben.
1.5 Die Kammer kommt daher zum Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht (Artikel 100 (c) EPÜ).
2. Abhängige Ansprüche
In Bezug auf die abhängigen Ansprüche wurden weder von der Einsprechenden noch von der Einspruchsabteilung Einwände vorgebracht. Die Kammer sieht auch keine Gründe, Einwände gegen die abhängigen Ansprüche zu erheben.
3. Zurückverweisung (Artikel 111 (1) EPÜ)
Da die Kammer zum Schluss kommt, dass der Einspruchsgrund nach Artikel 100 (c) EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents nicht entgegensteht, wird die Angelegenheit zur Prüfung der Entscheidungsgründe nach Artikel 100 (a) und (b) EPÜ an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.