T 1687/15 () of 9.10.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T168715.20191009
Datum der Entscheidung: 09 October 2019
Aktenzeichen: T 1687/15
Anmeldenummer: 05004554.1
IPC-Klasse: F04D 17/16
F04D 29/16
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Mehrstufiges Sauggebläse
Name des Anmelders: Braun, Alfons
Walther, Frank
Walther, Rolf
Name des Einsprechenden: RESCHWITZER SAUGBAGGER PRODUKTIONS GMBH
Kammer: 3.2.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 111(1)
European Patent Convention Art 54(2)
Schlagwörter: Beschwerdeentscheidung - Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung (nein)
Neuheit - Hauptantrag (nein)
Neuheit - offenkundige Vorbenutzung (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0472/92
T 0782/92
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, zur Post gegeben am 1. Juli 2015, den Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 1571341 nach Artikel 101(2) EPÜ zurückzuweisen.

II. Der Einspruch war auf die Gründe Artikel 100 (a) i.V.m. Artikel 54 und 56 EPÜ gestützt. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass keiner dieser Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents entgegensteht.

In ihrer Entscheidung hat die Einspruchsabteilung unter anderem die folgenden Beweismittel gewürdigt:

E1 Lieferschein für einen Saugbagger der Firma

Reschwitzer Saugbagger Produktions GmbH (RSP)

E2 Empfangsbescheinigung über einen Saugbagger durch

die Firma AS-TER

E3 Bestätigungsschreiben der Firma AS-TER

E4 Konstruktionszeichnung eines Saugbaggers

Die folgenden Beweismittel aus dem Beschwerdeverfahren werden in der vorliegenden Entscheidung behandelt:

B5 Auslieferungsbeleg

B6-B8 Ausdrucke von Bildschirmansichten

des MAN Informationssystems

B10 Rechnung über den Einbau eines Tanks

B12 Ablauf bei einer Auftragseröffnung bei MAN

B13 vorläufige Zulassungen und endgültige Zulassung

B15 Email-Korrespondenz

III. Gegen diese Entscheidung hat die Einsprechende als Beschwerdeführerin am 25. August 2015 Beschwerde eingelegt und am selben Tag die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung wurde am 30. Oktober 2015 eingereicht.

IV. In einer Mitteilung der Beschwerdekammer gemäß Artikel 15(1) VOBK als Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 14. März 2019 teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Auffassung zu den Sachfragen mit. Die mündliche Verhandlung fand am 9. Oktober 2019 in Anwesenheit aller am Beschwerdeverfahren beteiligten Parteien statt.

V. Die Beschwerdeführerin Einsprechende beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents. Sie beantragt außerdem hilfsweise eine Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung.

VI. Die Patentinhaber als Beschwerdegegner beantragen die Zurückweisung der Beschwerde.

VII. Der unabhängige Anspruch 1 des Patents hat den folgenden Wortlaut:

"Saugbagger (18) mit einem mehrstufigen Sauggebläse mit mindestens zwei aus jeweils einem Gehäuse und einem darin angeordneten Flügelrad bestehenden, aufeinander folgend angeordneten, antreibbaren Radialgebläsen, wobei die Ausblasöffnung des jeweils ersten Radialgebläses mit der Einsaugöffnung des jeweils zweiten Radialgebläses durch jeweils einen Strömungskanal verbunden ist, und wobei die aufeinander folgend angeordneten und jeweils durch einen Strömungskanal (8,8') miteinander verbundenen Radialgebläse (3, 3a, 3b) relativ zueinander versetzt auf voneinander getrennten Antriebswellen (4, 4a, 4b) angeordnet sind, so dass in dem Strömungskanal (8) zwischen der Ausblasöffnung (6, 6a) des ersten bzw. vorhergehenden und der Einsaugöffnung (7) des zweiten bzw. nachfolgenden Radialgebläses (3, 3a, 3b) eine Strömungsumlenkung um weniger als 180° erfolgt."

VIII. Die Beschwerdeführerin Einsprechende hat zu den entscheidungserheblichen Punkten folgendes vorgetragen:

Die Vorbenutzung eines vor dem Prioritätstag des Streitpatents von der Firma RSP an die Firma AS-TER verkauften Saugbaggers gehöre zum Stand der Technik. Der Gegenstand von Anspruch 1 sei nicht neu gegenüber dieser Vorbenutzung.

IX. Die Beschwerdegegner Patentinhaber haben zu den entscheidungserheblichen Punkten folgendes vorgetragen:

Die Vorbenutzung gehöre nicht zum Stand der Technik. Alle mit der Vorbenutzung zusammenhängenden Dokumente seien nicht zum Verfahren zuzulassen, da ihre Echtheit bezweifelt werde oder da sie früher hätten vorgelegt werden können. Der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 sei neu.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Anwendungsgebiet der Erfindung

Das Streitpatent betrifft einen Saugbagger mit einem mehrstufigen Sauggebläse aus mindestens zwei aufeinander folgend angeordneten Radialgebläsen. Die Auslassöffnung des jeweils ersten Radialgebläses ist mit der Einsaugöffnung des jeweils zweiten Radialgebläses durch jeweils einen Strömungskanal verbunden. Dabei sind die aufeinander folgend angeordneten Radialgebläse relativ zueinander versetzt auf voneinander getrennten Antriebswellen angeordnet, so dass in dem Strömungskanal zwischen den beiden Radialgebläsen eine Strömungsumlenkung um weniger als 180° erfolgt. Durch die Verwendung zweier voneinander getrennter Antriebswellen statt einer gemeinsamen Antriebswelle wird der Winkel der Strömungsumlenkung gegenüber dem Stand der Technik um mindestens 90° verringert, so dass der Druckverlust sinkt und folglich der Wirkungsgrad des Sauggebläses steigt (Absätze 7 und 16 der Patentschrift).

3. Vorbenutzung - Stand der Technik

3.1 Die Neuheit von Anspruch 1 wurde gegenüber einer offenkundigen Vorbenutzung durch den Verkauf eines Saugbaggers "excavatrice-aspiratrice type ESE 26/7-2H" auf Basis eines LKW der Marke MAN durch die Beschwerdeführerin an die Firma AS-TER angegriffen. Zwischen den Parteien ist strittig, ob diese Vorbenutzung zum Stand der Technik gehört.

3.2 Nach ständiger Rechtsprechung hat der Einsprechende eine offenkundige Vorbenutzung dann lückenlos nachzuweisen, wenn praktisch alle Beweismittel dafür seiner Verfügungsmacht und seinem Wissen unterliegen und für den Patentinhaber kaum oder gar nicht zugänglich sind (T 472/92, ABl. 1998, 161; vgl. T 782/92, wo es heißt, der Nachweis müsse "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" erbracht werden). Dabei ist ein gegenüber dem Abwägen der Wahrscheinlichkeit strengeres, der festen Überzeugung gleichkommendes Kriterium anzulegen (RdBK, 9. Auflage 2019, III.G.4.3.2 b)). Im vorliegenden Fall betrifft die Vorbenutzung den Verkauf eines Saugbaggers durch die Beschwerdeführerin Einsprechende.

Da unbestritten alle zur Stützung der Vorbenutzung vorgebrachten Beweismittel der Verfügungsmacht und dem Wissen der Beschwerdeführerin unterliegen, müssen insbesondere der Zeitpunkt und die Umstände (d. h. wo, wie und durch wen der Gegenstand der Benutzung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde) zweifelsfrei nachgewiesen werden, um dem obigen Kriterium zu genügen.

3.3 Im Zusammenhang mit der Vorbenutzung hat die Beschwerdeführerin vorgetragen, dass AS-TER einen LKW bei MAN Alsace, Frankreich, erworben habe. Danach sei der LKW im Betrieb der Beschwerdeführerin, also bei der Firma RSP in Saalfeld, Deutschland, mit einem Saugbaggeraufbau versehen worden. Der fertige Saugbagger sei am 27. Februar 2004 in Saalfeld an Herrn Losser, einen Mitarbeiter von AS-TER, übergeben worden. Anschließend sei der Saugbagger auf eigener Achse nach Frankreich überführt worden, wo er bei MAN Alsace noch einmal geprüft und danach formell ausgeliefert und zugelassen worden sei. Sie belegte insbesondere an Hand eines Lieferscheins E1, einer Empfangsbestätigung E2, eines Bestätigungsschreibens E3 und einer Konstruktionszeichnung E4, dass ein Saugbagger des Typs ESE 26/7-2H auf einem MAN Fahrgestell mit Nummer WMAH17ZZ24W053380 durch Verkauf und Lieferung von der einsprechenden Firma RSP an die Firma AS-TER am 27. Februar 2004 in Verkehr gebracht wurde. Hierzu wurden im Einspruchsverfahren Zeugen, darunter Herr Losser, vernommen.

3.4 Die Abteilung befand dann in der angegriffenen Entscheidung (Gründe 15.1, Seite 8, 2. Absatz), dass der Lieferschein E1 und die Empfangsbescheinigung E2 bezüglich des Lieferorts im Widerspruch zur Aussage des Zeugen Herrn Losser standen, und dass dadurch Zweifel über Ort und Tag der Übergabe des Saugbaggers bestanden. Mangels einer zweifelsfreien Erklärung, die geeignet wäre, diesen Widerspruch aufzulösen (Gründe 15.1, Seite 8, 3. Absatz) sah sie die behauptete Vorbenutzung nicht als bewiesen an.

3.5 Mit ihrer Beschwerde will die Beschwerdeführerin unter Einreichung von weiteren Beweismitteln eine solche Erklärung vorlegen. Dabei soll insbesondere die von MAN Alsace erstellte Rechnung B10 über den Einbau eines zusätzlichen Tanks untermauern, dass AS-TER am 1. März 2004 über den gelieferten Saugbagger verfügte, weil er sich an diesem Tag zur Inspektion bzw. zur Prüfung eines zusätzlichen Kraftstofftanks bei MAN Alsace befand.

3.6 Die Beschwerdegegner bezweifeln den geschilderten Liefervorgang und legen dazu insbesondere die Beweismittel B6 bis B8 und B12 vor. Die Ausdrucke B6 bis B8 von Bildschirmansichten des MAN Informations-systems sollen belegen, dass der MAN LKW mit der Fahrgestellnummer WMAH17ZZ24W053380 am 3. März 2004 in der Werkstatt MAN Alsace einen Kilometerstand von 28 km hatte, was mit einer vorherigen Überführung auf eigener Achse von Saalfeld nach Frankreich nicht zu vereinbaren sei. Stattdessen vermuten sie, dass der Aufbau des Saugbaggers und die Übergabe danach stattgefunden haben, wie auch durch die im MAN Informationssystem verzeichnete Erstzulassung am 16. April 2004 (B7) belegt sei.

3.7 Nach Auffassung der Kammer stimmen der Lieferschein E1, die Empfangsbescheinigung E2 und das Bestätigungs-schreiben E3 hinsichtlich Ort und Zeit der Übergabe des Saugbaggers überein. Demnach wurde ein Saugbagger vom Typ 26/7-2H mit der Maschinennummer 20401140 (E1 bis E3) auf einem LKW vom Typ MAN 26.363, 6x2/2, 4200 (E1 und E2) mit der Fahrgestellnummer WMAH17ZZ24W053380 (E2 und E3) an die Firma AS-TER übergeben, und zwar am 27. Februar 2004 (E1, Seite 2: "Lieferzeit: ... am 27.02.2004", gleiches Datum in E2 und E3) in Saalfeld (E1, Seite 2: "Lieferzeit: Abholung ...", E2: "réception de l'Excavatrice-Aspiratrice ... Saalfeld, le 27. Februar 2004"; E3: "in Ihrem Haus").

3.8 Die Dokumente E1 bis E3 belegen übereinstimmend und schlüssig, dass der Saugbagger am 27. Februar 2004 in Saalfeld übergeben wurde. Die Kammer muss daher untersuchen, ob insbesondere die Zeugenaussage des Herrn Losser oder die Kilometerstände in B6-B8 begründete und ernsthafte Zweifel am Wahrheitsgehalt der E1-E3 wecken können.

3.9 Der Zeuge Losser machte bei seiner Zeugenaussage Angaben, die den in E1-E3 genannten Umständen der Übergabe des Saugbaggers zu widersprechen scheinen (Protokoll, Seite 4, Antwort auf die Frage nach der Abnahme der Maschine: "Die Maschine haben wir nicht geholt. Sie wurde über einen Fahrer gebracht."). Gleichwohl betonte der Zeuge innerhalb derselben Antwort, und ohne dass ihm eine Rückfrage gestellt wurde, dass er sich nicht mehr genau erinnern könne ("wie das dann am Ende gelaufen ist, das weiß ich aber nicht mehr"). Da der Zeuge seine Aussage zur Abnahme des Saugbaggers selbst relativiert hat, besitzt sie nach Auffassung der Kammer bereits aus diesem Grund nur eine schwache Beweiskraft.

Die Aussage des Zeugen Losser ist nicht dazu geeignet, den in E1-E3 genannten Zeitpunkt der Übergabe des Saugbaggers in Zweifel zu ziehen. Die von den Beschwerdegegnern angeführte Passage bezieht sich nämlich nicht auf den Tag der Übergabe, sondern nur auf den Ort ("...haben wir nicht geholt. Sie wurde ... gebracht..."). Zum Tag der Übergabe ist der Zeuge Losser gar nicht befragt worden. Dessen ungeachtet bestätigt die Zeugenaussage sogar indirekt diesen Tag. Der Zeuge Losser hat nämlich ausgesagt, dass er die E1 unterschrieben hat (Seite 3, vorletzte Frage), was auch unbestritten auf beiden Seiten der E1 zu erkennen ist. Da die zweite Seite der E1 eine Garantie von 12 Monaten für den Saugbaggeraufbau erwähnt, bestätigt diese Aussage nach Auffassung der Kammer den in E1 genannten Tag der Übergabe. Die Unterschrift markiert nämlich nach der allgemeinen Lebenserfahrung den Beginn der Garantie für den Saugbagger, so dass für die Kammer nicht erkennbar ist, warum der Zeuge eine Verkürzung der Garantie zu Lasten seines Arbeitgebers AS-TER durch ein falsches (weil zu frühes) Datum in E1 mit seiner Unterschrift hätte akzeptieren sollen.

Aus diesen Gründen gelangt die Kammer zum Zwischen-ergebnis, dass die Aussage des Zeugen Losser nicht dazu geeignet ist, ernsthafte Zweifel über den Wahrheits-gehalt der Dokumente E1-E3 entstehen zu lassen.

3.10 Auch die Kilometerstände und sonstigen Angaben in den Dokumenten B6-B8 führen zu keiner anderen Sichtweise:

B6 offenbart für einen LKW mit der auch in E2 oder E3 genannten Fahrgestellnummer WMAH17ZZ24W053380 am 3. März 2004 bzw. am 10. März 2004 einen Kilometerstand von 28 km (in den mit [3] und [11] bezeichneten Zeilen, wobei die Daten mit [4] und die Kilometerstände mit [5] markiert sind). Diese Angaben scheinen den in E1-E3 genannten Umständen der Übergabe des Saugbaggers zu widersprechen, da eine so geringe Laufleistung nicht mit der vorherigen Überführung des Saugbaggers auf eigener Achse von Saalfeld nach Frankreich vereinbar wäre.

Aus Sicht der Kammer lässt sich dieser vermeintliche Widerspruch auflösen. Dem Dokument B6 liegt nämlich ein Datensatz für den LKW des Saugbaggers zugrunde, der ausweislich der B7 und B8 erst am 20. Juli 2004 erstellt worden ist (schwarz gerahmter Kasten: "Angelegt am 20.07 2004..."). Daher gab es am 3. März 2004 bzw. am 10. März 2004 noch gar keinen Datensatz, in den an diesen Tagen Kilometerstände hätten eingetragen werden können. Somit sind die Kilometerstände von 28 km nachträglich in den Datenbestand eingeführt worden. Es liegt die Vermutung nahe, dass beim Anlegen des Datenbestands die Werkstattaufträge an den beiden Tagen nicht ohne die Angabe eines Kilometerstandes dem Datensatz zum LKW mit der Fahrgestellnummer WMAH17ZZ24W053380 zugeordnet werden konnten, und dass ein fiktiver Kilometerstand auf Grundlage anderer Daten eingetragen wurde. Dabei handelt es sich vermutlich um den Kilometerstand, der MAN Alsace bereits vom Einbau des zusätzlichen Kraftstofftanks gemäß B10 bekannt war, nämlich den Kilometerstand des LKW bei seiner Lieferung ab Werk. Ausweislich der B7 wurde der LKW am 13. Januar 2004 geliefert (B7, bei [13], Lieferung ab Werk), und sein Kilometerstand betrug 28 km (B10: "1ere Immat 13. Januar 2004 Klms 28").

Auch die von den Beschwerdegegnern vorgelegte B12 steht nicht im Widerspruch zu einem solchen Vorgang. Das Dokument betrifft den Ablauf einer Auftragseröffnung bei MAN, wobei im Falle einer Reparatur der Kilometerstand einzugeben ist (Seite 2: "Für jede Reparatur muss ein Reparaturauftrag mit folgenden Daten erstellt werden... Kilometerstand..."). Ob der Eintrag im MAN Informationssystem zum Einbau des zusätzlichen Kraftstofftanks am 3. März 2004 als Auftragseröffnung angesehen werden kann, ist unklar. Die entsprechende Rechnung B10 vom gleichen Datum scheint eher den Abschluss der Arbeiten zu belegen. B10 und B6 nennen beide die im Auslieferungsbeleg B5 aufgeführte Auftragsnummer 72038, der aber bereits am 1. März eröffnet worden zu sein scheint. Somit mag der vorgeschriebene Ablauf wohl nicht sehr präzise eingehalten worden sein. Dieses Vorgehen von MAN Alsace ändert aber nichts daran, dass zum Zeitpunkt des Tankeinbaus oder der Auslieferung, also den in Frage stehenden Tagen 3. März 2004 bzw. 10. März 2004 aus den im vorherigen Absatz der Entscheidung genannten Gründen noch gar kein Datensatz zum LKW des Saugbaggers angelegt war, in welchen diese Aufträge hätten eingetragen werden können.

3.11 Das weitere Beweismittel B10 bestätigt noch zusätzlich den Wahrheitsgehalt der Dokumente E1-E3. Die Rechnung B10 enthält nämlich dieselbe Fahrgestellnummer WMAH17ZZ24W053380 wie die Empfangsbescheinigung E2, so dass sie ebenfalls den in Frage stehenden Saugbagger betrifft. Außerdem wird die Auftragsnummer 72038 zum Einbau des zusätzlichen Kraftstofftanks (B10: "TRAVAUX EFFECTUES: POSE BICARBURANT DAKAR") im Ausdruck B6 des MAN Informationssystems im Zusammenhang mit dieser Fahrgestellnummer genannt (drittletzte Zeile der Liste in B6).

Wenn man dem Argument der Beschwerdegegner folgt, wonach es der allgemeinen Lebenserfahrung entspricht, dass eine Werkstattrechnung den Kilometerstand bei Annahme eines Fahrzeugs enthält, betrifft der in B10 genannte Kilometerstand von 28 km den Kilometerstand des LKW zu Beginn des Tankeinbaus. Die Frage ist nur, wann die Arbeiten zur Tankeinbau begonnen haben. Wie von Herrn Renger, Mitarbeiter der Firma RSP, während der Verhandlung vor der Kammer geschildert wurde, sei der zusätzliche Kraftstofftank zur Versorgung des Saugbaggers bereits bei MAN Alsace in den LKW eingebaut worden, bevor er zur Montage des Saugbaggeraufbaus nach Saalfeld geliefert wurde (den Beschwerdegegnern zufolge könne der Tank tatsächlich nur vor dem Saugbaggeraufbau eingebaut werden). Nach der Überführung des fertigen Saugbaggers nach Frankreich, so Herr Renger, sei der LKW samt Aufbau bei MAN Alsace wieder eingeliefert wurden und der Tankeinbau abgeschlossen und überprüft worden. Dieser Vorgang ist für die Kammer nachvollziehbar, und erklärt sehr plausibel, warum auf der Abschlussrechung B10, ein Kilometerstand von 28 km in der gleichen Zeile und ummittelbar neben dem Erstzulassungsdatum angegeben ist. Am Anfang der Arbeiten zum Tankeinbau kurz nach Lieferung des LKWs betrug der Kilometerstand 28 km. Da der LKW unbestritten von AS-TER mit der Absicht beschafft wurde, darauf einen Saugbagger aufbauen zu lassen, kann die Kammer keinen Grund erkennen, warum dieser LKW zwischen seiner Lieferung ab Werk an MAN Alsace und dem Einbau des zusätzlichen Kraftstofftanks bei MAN Alsace eine größere Strecke hätte zurücklegen sollen. Daher ist der in B10 genannte niedrige Kilometerstand zu Beginn des Tankeinbaus plausibel.

3.12 Außerdem ist das in B10 genannte Eingangsdatum von Bedeutung ("Date Entree 28. Februar 2004"). Da der LKW ausweislich der B7 bereits am 13. Januar 2004 an MAN Alsace geliefert worden ist, ist das Eingangsdatum in B10 nur so zu verstehen, dass der LKW irgendwann zwischen dem 13. Januar 2004 und diesem Eingangsdatum den Bestand von MAN Alsace verlassen hat. Das deckt sich mit dem Vortrag der Beschwerdeführerin, wonach der LKW in dieser Zeit in Saalfeld, Deutschland, mit einem Saugbaggeraufbau versehen worden sei. Das Eingangsdatum 28. Februar 2004 deckt sich auch mit dem weiteren Vortrag der Beschwerdeführerin, wonach der fertige Saugbagger am 27. Februar 2004 von AS-TER übernommen, auf eigener Achse nach Frankreich überführt, und dann bei MAN Alsace vor seiner endgültigen Zulassung noch einmal geprüft worden sei. Dies wird auch durch die vorläufigen Zulassung B13 für den Zeitraum vom 27. Februar 2004 bis 18. März 2004 belegt. Es folgten zwei weitere vorläufige Zulassungen (2. und 3. Blatt der B13), bis dann am 16. April 2004 die endgültige Zulassung folgte (4. Blatt der B13). Dieses Datum entspricht wiederum dem Zulassungsdatum auf der von den Beschwerdegegnern vorgelegten B7 (bei [13]).

Das weitere Beweismittel B10 bestätigt daher die Angaben in den Dokumenten E1-E3. Vor dem Hintergrund dieses Geschehens ist vollkommen unerheblich, dass die endgültige Zulassung des LKW am 16. April 2004 (B7: "Erstzulassung"; B13, 4. Blatt), und damit ca. sechs Wochen nach der Inspektion und der Kontrolle des zusätzlichen Tanks im Anschluss an die Überführung des fertigen Saugbaggers nach Frankreich erfolgte. Die Kammer muss folglich nicht die von den Beschwerdegegnern aufgeworfene Frage klären, ob der LKW erst in dieser Zeit mit dem Saugbagger ausgerüstet wurde.

3.13 Der Verkauf- und Liefervorgang, den die Beschwerdegegner schildern, ist für die Kammer nicht glaubhaft. Demzufolge stand das Fahrzeug mit nacktem Chassis zur Nachrüstung des Brennstofftanks am Mittwoch, dem 3. März, mit 28 km Laufleistung in der MAN Alsace Werkstatt, wurde erst danach ins Werk der Einsprechenden in Deutschland zur Aufrüstung als Saugbagger gefahren, um dann nach Frankreich zurückgefahren und ausgeliefert zu werden. Diese alternative Darstellung der Ereignisse basiert letztendlich nur auf dem nachträglich im MAN Datenbestand eingetragenen Kilometerstand von 28 km (B6) und dem Erstzulassungsdatum im gleichen Bestand (B7). Sie steht aber in starkem Widerspruch zu allen anderen Beweismitteln. Wie oben dargelegt lassen sich die Kilometerstände und Zulassungsdaten überzeugend anders erklären. Sie rufen bei der Kammer keine ernsthaften Zweifel über den Hergang bei Verkauf und Lieferung hervor, die überzeugend und schlüssig von den Beweismitteln belegt werden.

3.14 Die Beschwerdegegner erheben in ihren letztem Schreiben vom 26. September 2019, Seite 4, zweiter Absatz, nun den Einwand, dass alle von der Beschwerdeführerin vorgelegten Dokumente hinsichtlich der offenkundigen Vorbenutzung nicht zuzulassen sind, da bezweifelt werden müsse, dass überhaupt eines dieser Dokumente echt sei. Dieser Einwand wird damit begründet, dass der LKW mit der Fahrgestellnummer WMAH17ZZ24W053380 ausweislich der Email-Korrespondenz B15 bereits am 8. April 2004 zugelassen worden sei, und nicht - wie im von der Beschwerdeführerin eingereichten und in B13 enthaltenen Fahrzeugbrief angegeben - am 16. April 2004. Daher handele es sich bei dem Fahrzeugbrief um eine Fälschung.

Die Kammer kann sich dieser ziemlich krassen und pauschalen Behauptung nicht anschließen, da das im Fahrzeugbrief gemäß B13 genannte Zulassungsdatum 16. April 2016 schon im Dokument B7 enthalten ist, das von den Beschwerdegegnern selbst eingereicht worden ist. Es stellt sich somit die Frage, ob nicht B15 unrichtige Angaben enthält. Dessen ungeachtet sieht die Kammer auch keinen logischen Zusammenhang zwischen dem Verdacht, dass ein Beweismittel - der Fahrzeugbrief - gefälscht sein könne, und der Schlussfolgerung, dass deswegen auch alle anderen Beweismittel gefälscht seien. Da die Beschwerdegegner keinen Beleg für ihre Behauptungen erbracht haben, und diese sich auch nicht im Wege der Amtsermittlung belegen lassen, geht die Kammer davon aus, dass besagte Dokumente echt sind.

3.15 Im Lichte dieser Beweismittel und ihrer kohärenten und glaubhaften Darstellung der Tatsachen sieht die Kammer mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit diese als bewiesen an. Daher erachtet sie es als bewiesen, dass ein Saugbagger "excavatrice-aspiratrice type ESE 26/7-2H" gemäß der Konstruktionszeichnung E4 von der Beschwerdeführerin an die Firma AS-TER verkauft und am 27. Februar 2004 in Saalfeld übergeben wurde.

Nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern genügt ein einziger Verkauf, um der Öffentlichkeit den verkauften Gegenstand im Sinne des Art. 54 (2) EPÜ zugänglich zu machen (RdBK, I.C.3.3.1). Folglich betrachtet es die Kammer mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als durch die vorgelegten Beweismittel bewiesen, dass der Saugbagger "excavatrice-aspiratrice type ESE 26/7-2H" zum Stand der Technik gehört.

4. Zurückverweisung

4.1 Die Beschwerdekammer wird gemäß Artikel 111 (1) EPÜ entweder im Rahmen der Zuständigkeit des Organs tätig, das die Entscheidung erlassen hat, oder sie verweist die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an dieses Organ zurück. Es steht somit im Ermessen der Kammer, unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls darüber zu befinden, ob eine Sache zurückzuverweisen oder sachlich zu entscheiden ist.

Im vorliegenden Fall hat sich die Beschwerdeführerin Einsprechende in ihrer Beschwerdebegründung ausführlich zur Neuheit gegenüber der offenkundigen Vorbenutzung geäußert (Seiten 8-10). Die Beschwerdeführerin war somit vorbereitet, die Neuheit zu diskutieren. Letztlich besteht ein allgemeines öffentliches Interesse daran, möglichst schnell zu Rechtssicherheit in der Sache zu gelangen. Dem Patent mit Priorität aus 2004 verbleibt nur noch ein Viertel seiner Lebensdauer, so dass bei einer Zurückverweisung und einer möglichen nachfolgenden Beschwerde die Sache wahrscheinlich nicht vor Erlöschen des Patents endentschieden werden könnte. Damit wäre der Rechtssicherheit sicherlich nicht gedient.

4.2 Aus diesen Gründen entschied die Kammer in der mündlichen Verhandlung, die Sache nicht, wie von der Beschwerdeführerin Einsprechenden beantragt, an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen, sondern selbst die Neuheit zu prüfen und zu einer Endentscheidung in der Sache zu kommen. Die Parteien waren mit dieser Vorgehensweise der Kammer einverstanden.

5. Neuheit

5.1 Der offenkundig vorbenutzte Saugbagger "excavatrice-aspiratrice type ESE 26/7-2H" weist unbestritten ein zweistufiges Sauggebläse mit zwei aus jeweils einem Gehäuse und einem darin angeordneten Flügelrad bestehenden, aufeinander folgend angeordneten, antreibbaren Radialgebläsen auf, wobei die Ausblasöffnung des ersten Radialgebläses mit der Einsaugöffnung des zweiten Radialgebläses durch einen Strömungskanal verbunden ist. Siehe die Angaben "Doppelgebläse" im Dokument E1 (erster Spiegelstrich der dort genannten Ausrüstung des Saugbaggers) und "Radialgebläse" in E3. Die beiden miteinander verbundenen Radialgebläse sind auch im Dokument E4 in der oberen Heckansicht, und in der Seitenansicht bzw. der Draufsicht des LKW mit montiertem Saugbagger dargestellt.

5.2 Die Beschwerdegegner Patentinhaber bestreiten jedoch, dass die beiden durch einen Strömungskanal miteinander verbundenen Radialgebläse relativ zueinander versetzt auf voneinander getrennten Antriebswellen angeordnet sind, so dass in dem Strömungskanal zwischen der Ausblasöffnung des ersten bzw. vorhergehenden und der Einsaugöffnung des zweiten bzw. nachfolgenden Radialgebläses eine Strömungsumlenkung um weniger als 180° erfolgt.

5.3 Daher muss die Kammer nun prüfen, wie genau die beiden Sauggebläse beim Saugbagger "excavatrice-aspiratrice type ESE 26/7-2H" angeordnet sind, und welche Form der Strömungskanal zwischen den Radialgebläsen aufweist.

5.3.1 Keine der Parteien bestreitet, dass ein Radialgebläse eine in der Nähe der Längsachse seiner Antriebswelle angeordnete Einsaugöffnung und mindestens eine im Bereich des Außenumfangs des Gebläserades angeordnete Ausblasöffnung aufweist. Dieses allgemeine Fachwissen wird auch in der Patentschrift genannt (Absatz 4).

5.3.2 Im Lichte dieses Fachwissens erkennt ein Fachmann im Dokument E4 in der oberen Heckansicht zwei Radialgebläse. Dabei ist die Ausblasöffnung eines in Strömungsrichtung gesehen ersten, links angeordneten Radialgebläses mit der Einsaugöffnung eines zweiten, rechts angeordneten Radialgebläse verbunden. Die beiden Sauggebläse sind in der Heckansicht links und rechts voneinander angeordnet, so dass sie in Breitenrichtung des Saugbaggers zueinander versetzt sind. Außerdem erkennt der Fachmann in E4 durch Kombination der Draufsicht und der Seitenansicht des Saugbaggers, dass die beiden Radialgebläse auch in Längsrichtung des Saugbaggers zueinander versetzt sind. Das in Strömungsrichtung gesehen erste Radialgebläse ist nämlich weiter von der Fahrerkabine des LKW beabstandet als das zweite Radialgebläse. E4 offenbart daher, dass die beiden durch einen Strömungskanal miteinander verbundenen Radialgebläse relativ zueinander versetzt auf voneinander getrennten Antriebswellen angeordnet sind.

5.3.3 Gemäß der oberen Heckansicht in E4 sind die beiden Radialgebläse durch einen Strömungskanal miteinander verbunden. Dieser verläuft in Strömungsrichtung von der Ausblasöffnung des ersten, linken, zur Einsaugöffnung des zweiten, rechten Radialgebläses. Zusätzlich zeigt die Draufsicht auf den Saugbagger, dass die Ausblasöffnung des ersten Radialgebläses in dessen radialer Richtung angeordnet ist, während sich die Einsaugöffnung des zweiten Radialgebläses in der Nähe der Längsachse von dessen Antriebswelle befindet. Eine entsprechende Anordnung des Strömungskanals ist in Figur 1 der Patentschrift dargestellt. Laut der Patentschrift, siehe Absatz 26, bewirkt diese Anordnung eine Umlenkung der Luftströmung um 90°. Daher bewirkt der Strömungskanal des in E4 dargestellten Saugbaggers ebenfalls eine Strömungsumlenkung um 90°, und folglich von weniger als 180°.

5.4 Aus diesen Gründen gelangt die Kammer zum Schluss, dass der Saugbagger "excavatrice-aspiratrice type ESE 26/7-2H" alle Merkmale von Anspruch 1 des Streitpatents offenbart.

6. Die Kammer schließt aus den obengenannten Gründen, dass der Gegenstand von Anspruch 1 des Streitpatents nicht neu gegenüber dem offenkundig vorbenutzten Saugbagger ist, Artikel 100 (a) und 54 EPÜ. Im Gegensatz zum Befund der angegriffenen Entscheidung stellt die Kammer somit fest, dass ein Einspruchsgrund der Aufrechterhaltung des erteilten Patents entgegensteht, Artikel 101(2) EPÜ.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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