T 1661/15 () of 2.8.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T166115.20180802
Datum der Entscheidung: 02 August 2018
Aktenzeichen: T 1661/15
Anmeldenummer: 06013562.1
IPC-Klasse: B41F 33/00
B41F 13/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Druckkorrektur
Name des Anmelders: Bosch Rexroth Aktiengesellschaft
Name des Einsprechenden: manroland sheetfed GmbH
Siemens Aktiengesellschaft
Kammer: 3.2.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (ja: Hauptantrag)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung über die Fassung, in der das europäische Patent Nr. 1 759 844 die Erfordernisse des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) erfüllt.

Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags sowie der Hilfsanträge 1 bis 4 nicht erfinderisch seien. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 5 wurde von der Einspruchsabteilung hingegen als erfinderisch angesehen.

Dabei zog die Einspruchsabteilung insbesondere folgende Druckschriften in Betracht:

E1: EP 0 812 682 B1;

E2: EP 0 812 683 B1;

E3: DE 102 46 072 A1.

II. Die mündliche Verhandlung vor der Kammer fand am 2. August 2018 statt.

III. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent auf der Grundlage des Hauptantrags, oder eines der Hilfsanträge 1 bis 3, alle eingereicht mit Schriftsatz vom 20. Oktober 2015, aufrechtzuerhalten.

Die Beschwerdegegnerinnen I und II (Einsprechende 1 und 2) beantragten, die Beschwerde zurückzuweisen.

IV. Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt (die von der Einspruchsabteilung verwendete Merkmalsgliederung ist in eckigen Klammern eingefügt):

"1. [A] Verfahren zur Drucklängenkorrektur [B] mit einer Registerregeleinrichtung für eine Mehrfarben-Druckmaschine mit einzelnen Druckwerken, [C] bei dem auf einem Bedruckstoff (10) Druckmarken aufgebracht werden, [D] die mittels Sensoren detektiert werden, wobei [E] eine Drucklänge korrigiert wird, indem der Bedruckstoff (10) relativ zu einem Druckwerk bewegt wird, wobei [F] von einem Druckwerk mindestens eine erste Druckmarke (51) und eine zweite Druckmarke (52) in Materialflussrichtung (20) pro Produkt und Druckvorgang aufgedruckt und diese erfasst werden, dadurch gekennzeichnet, dass [G] die Positionen der erfassten Druckmarken (51, 52) zur Drucklängenkorrektur mit Referenzpunkten verglichen werden, wobei [H] die Drucklängenkorrektur innerhalb vorgebbarer Korrekturbereiche (40) auf dem Bedruckstoff (10) durchgeführt wird."

V. Die Beschwerdeführerin hat Folgendes vorgetragen:

a) Auslegung von Anspruch 1

Der Begriff "Drucklänge" bezeichne die Länge eines Druckbildes, die sich durch das Abrollen einer Druckform bzw. eines Druckklischees ergebe.

Die Drucklänge sei je nach Ausgestaltung der Maschine nicht konstant, weil die Druckform durch das Aufspannen unterschiedliche Dehnungen erfahren könne und das Papier durch Wasser- oder Farbeintrag verändert werden könne. Diese Veränderung werde korrigiert, und zwar durch eine Schlupfbewegung zwischen der Druckform und dem Stoff. Der "Korrekturbereich" sei ein Bereich, in dem ein solcher Schlupf stattfinde. Unabhängig davon habe die Druckform Druckbereiche, in denen der eigentliche Druck auf das Papier stattfinde. Der Schlupf werde dadurch erzeugt, dass die Geschwindigkeit entweder des Papiers oder der Druckwalze verändert werde. Dies sei für einen Leser, der das Patent mit Wohlwollen und fachmännischem Verstand lese, klar.

In der Figur 2 des Patents befänden sich die Korrekturbereiche 41 und 42 jeweils zwischen Druckbereichen. Letztere seien an den Druckmarken 51 und 52 erkennbar.

"Vorgebbar" sei der Korrekturbereich insofern, als der Anwender in der Lage ist, den Ort der Schlupfbewegung frei vorzugeben, und insbesondere außerhalb des Druckbereichs bzw. in Druckbereichen, in denen eine Verschmierung leichter hingenommen werden könne, zu verlegen.

Auf eine Frage der Kammer hin erklärte die Beschwerdeführerin, dass sie versucht habe, mit dem Merkmal E das Vorhandensein einer Schlupfbewegung zwischen Druckwalze und Bedruckstoff zum Ausdruck zu bringen. Dies sei leider nicht gelungen. Das Merkmal sei zwar unglücklich formuliert, für den Fachmann aber dennoch verständlich.

b) Offenbarung der Druckschrift E3

Im Stand der Technik werde im gesamten Druckbereich korrigiert. Die relative Unabhängigkeit von Druckbereich und Korrekturbereich sei dort nicht offenbart.

Die Einspruchsabteilung habe die Druckschrift E3 nicht richtig analysiert. Diese Druckschrift offenbare die Merkmale E, G und H nicht.

- Merkmal E: Wie von der Einspruchsabteilung richtig dargelegt wurde, sei dieses Merkmal nicht offenbart.

- Merkmal G: Die Druckschrift E3 offenbare keinen Vergleich mit Referenzpunkten. Der Registersensor mache nur die Registermarken und nicht die Passmarken ausfindig.

- Merkmal H: Die Druckschrift E3 offenbare nur eine Korrektur über den gesamten Umfang des Formzylinders. Eine Vorgebbarkeit im Sinne des Patents sei nicht eindeutig und unmittelbar offenbart. Der Fachmann entnehme dem Streitpatent eindeutig, dass die Vorgebbarkeit unabhängig vom Druckbereich ist, sodass der Fachmann entscheiden könne, wo er die Korrektur durchführt. Dies sei in der Druckschrift E3 nicht offenbart, da dort ein zwingender Zusammenhang zwischen dem Druckbereich und dem Korrekturbereich bestehe. Dem reinen Wortlaut nach sei zwar eine Vorgebbarkeit vorhanden (wenn der Druckbereich verändert werde, ändere sich automatisch auch der Korrekturbereich), aber das entspreche nicht der Vorgebbarkeit im Sinne des Patents. Darin bestehe der entscheidende Unterschied zur Druckschrift E3. Der Hinweis der Beschwerdegegnerin II auf den Absatz [0011] der Druckschrift E3 beruhe auf einer rückschauenden Betrachtungsweise. Es sei dort nicht offenbart, dass der Schlupf zu einem beliebigen Zeitpunkt einsetze. Es sei abwegig, aus dem Hinweis auf das Einsetzen eine Lehre für den Fachmann abzuleiten.

Eine Kombination der Druckschriften E3 und E1 führe nicht zum Gegenstand von Anspruch 1, zumal die Druckschrift E1 die Merkmale G und H nicht offenbare.

c) Erfinderische Tätigkeit

Mit dem Merkmal H werde erreicht, dass der Anwender es in der Hand habe, die Relativbewegung gezielt so einzusetzen, dass das Druckbild möglichst wenig durch die Korrektur gestört werde, im Gegensatz zum Stand der Technik, wo es überall gleichmäßig zu Verschmierungen komme. Man könne also die Bereiche, die sich im Druckbild stark auswirken, weniger verschmieren. Insgesamt werde die Qualität verbessert. Darin sei die objektive technische Aufgabe zu sehen. Diese Maßnahme sei in der Druckschrift E3 nicht offenbart, da dort die Schlupfbewegung kontinuierlich über den gesamten Druckbereich stattfinde. In der Druckschrift E3 gebe es auch keine Anregung, daran etwas zu ändern. Dasselbe gelte für die anderen Druckschriften im Verfahren. Der Fachmann finde die Lösung der Aufgabe also nicht im Stand der Technik.

VI. Die Beschwerdegegnerin II hat Folgendes vorgetragen:

a) Auslegung von Anspruch 1

Die Beschwerdegegnerin II schloss sich den Ausführungen der Beschwerdeführerin zur Definition der "Drucklänge" an.

Es sei der Figur 2 des Patents nicht zu entnehmen, wo die Druckbereiche liegen. Ob innerhalb der Korrekturbereiche 41 und 42 gedruckt würde oder nicht, das bleibe offen. Dem gesamten Patent sei eine klare Abhängigkeit zwischen Druckbereich und Korrekturbereich zu entnehmen. Im Absatz [0017] sei eine Variante offenbart, in der der gesamte Druckbereich als Korrekturbereich diene. Alternativ sei offenbart, dass der Korrekturbereich gerade außerhalb des Druckbereichs liege. Eine variable Unabhängigkeit sei vorstellbar, aber nicht offenbart.

Die Beschwerdeführerin habe dargelegt, dass der Korrekturbereich jener Bereich sei, in dem der Schlupf stattfinde. Die Offenbarung des Patents sei in dieser Hinsicht aber in sich widersprüchlich, da in der Figur 1 der Bereich 40 als Korrekturbereich bezeichnet werde. Der Fachmann würde normalerweise unter dem Korrekturbereich den Bereich verstehen, in dem sich eine Beeinflussung der Drucklänge auch tatsächlich ergibt. Insofern gehöre auch der Bereich 40 der Figur 1 des Patents zum Korrekturbereich, da er für die Korrektur sehr wichtig sei. Sowohl der Bereich, in dem der Schlupf stattfindet, als auch der Bereich, in dem rückgestellt werde, trage einen Teil zur Korrektur bei.

Es sei erforderlich, den Anspruch gemäß seinem Wortlaut auszulegen; Anspruch 1 des Hauptantrags sei so breit gefasst, dass er beide im Patent offenbarten Varianten umfasse. Das Merkmal, dass der Korrekturbereich außerhalb des Druckbereichs liege, sei nicht Teil des Anspruchs und könne nicht mit Verweis auf die in der Beschreibung offenbarte Variante in den Anspruch hineingelesen werden.

b) Offenbarung der Druckschrift E3

Die Druckschrift E3 offenbare die Merkmale E, G und H.

Es sei nicht richtig, dass in der Druckschrift E3 der Korrekturbereich und der Druckbereich zusammenfallen. In diesem Zusammenhang verwies die Beschwerdegegnerin II auf Absatz [0011] der Druckschrift E3. Dort sei eine Ausführungsform offenbart, bei der nicht von vorneherein ein Voreilen oder Nacheilen bestehe. Dies werde auch vom Absatz [0031] gestützt.

Merkmal E: Eine erfolgreiche Registerregelung sei nur möglich, wenn der Bedruckstoff relativ zum Druckwerk bewegt würde. Somit sei das Merkmal E zumindest implizit in der Druckschrift E3 offenbart.

Merkmale G und H: Der Registersensor erfasse notwendigerweise den Abstand (b2-b1) der Druckmarken (Figur 3). Dabei komme es zu einem Vergleich mit einem Referenzpunkt. Es sei nicht richtig, dass die Druckschrift E3 keine vorgebbaren Korrekturbereiche offenbart. Dem widerspreche schon die Figur 4, bei der eine Korrektur der Winkelstellung in einem abgegrenzten Bereich (zwischen DE und DA auf der phiÜ) erfolge. Es sei dem Fachmann klar, dass eine Korrektur der Winkelstellung oder der Drehgeschwindigkeit einer Druckwalze nur in Bereichen erfolgen dürfe, in denen nichts gedruckt würde.

c) Erfinderische Tätigkeit

Ausgehend von der Druckschrift E3 bestehe die Aufgabe darin, die Qualität des Druckbildes zu verbessern. Auch wenn der Korrekturbereich in der Druckschrift E3 nicht explizit vorgebbar sei, werde dort der Fachmann angewiesen, den Korrekturbereich an den jeweiligen Druckfall anzupassen. Dies gehe aus dem Hinweis auf "laufende" Korrekturen im Absatz [0031] hervor, wo es darum geht, flexibel auf Abweichungen zu reagieren, sowie aus dem Absatz [0011], wo offenbart sei, dass es wichtig ist, den Korrekturbereich an den Druckbereich anzupassen. Es sei der Fall offenbart, in dem der gesamte Druckbereich zur Korrektur genutzt werde, aber es sei auch vorstellbar, die Korrekturen erst später vorzunehmen, um einen empfindlichen Bereich, in dem die Qualität besonders wichtig sei, zu schonen. Dies lege dem Fachmann nahe, den Korrekturbereich vorgebbar zu gestalten. Es bestehe für den Fachmann keine Notwendigkeit, den Korrekturbereich in irgendeiner Form zu beschränken. Die Druckschrift E3 enthalte keinen Hinweis, dass der gesamte Bereich als Korrekturbereich dienen müsse. Dies sei sicher in vielen Fällen sinnvoll, aber der Fachmann erkenne, dass er nicht auf diesen Fall beschränkt sei. Der Hinweis auf das verzögerte Einsetzen in Absatz [0011] führe in schon in diese Richtung.

VII. Die Beschwerdegegnerin I hat sich dem Vortrag der Beschwerdegegnerin II angeschlossen.

Entscheidungsgründe

1. Anzuwendendes Recht

Die Anmeldung, auf deren Grundlage das Patent erteilt wurde, wurde am 30. Juni 2006 eingereicht. Deshalb ist im vorliegenden Fall in Anwendung von Artikel 7 der Akte zur Revision des EPÜ vom 29. November 2000 (ABl. EPA 2007, Sonderausgabe Nr. 4, 217) und des Beschlusses des Verwaltungsrats vom 28. Juni 2001 über die Übergangsbestimmungen nach Artikel 7 der Akte zur Revision des EPÜ vom 29. November 2000 (ABl. EPA 2007, Sonderausgabe Nr. 4, 219) der Artikel 56 EPÜ 1973 anzuwenden.

2. Einspruchsgründe im Beschwerdeverfahren

Die Einspruchsabteilung hat den ihr vorliegenden Hauptantrag und die Hilfsanträge 1 bis 4 wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit zurückgewiesen und die Einwände der Einsprechenden gemäß Artikel 100 b) und c) EPÜ zurückgewiesen. In ihrer Beschwerdeerwiderung hat die Beschwerdegegnerin keine Einwände bezüglich der Änderungen und der Ausführbarkeit mehr erhoben. Diese Einwände sind somit nicht mehr im Verfahren (Artikel 12 (2) VOBK). Daher beschränkt sich die Kammer auf die Frage der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit der ihr vorliegenden Anträge.

3. Auslegung der Ansprüche

3.1 Drucklängen und ihre Korrektur

Anspruch 1 betrifft ein Verfahren zur Drucklängenkorrektur. Das Streitpatent definiert den Begriff "Drucklänge" nicht. In der Regel versteht man auf dem Gebiet des Rotationsdrucks unter "Drucklänge" die Länge des durch das vollständige Abrollen des Druckzylinders auf dem Bedruckstoff erzeugten Druckbildes. Diese Deutung des Begriffs "Drucklänge" ist im Einklang mit seiner Verwendung im Streitpatent (siehe insbesondere Absatz [0003] sowie Absatz [0001] der ursprünglichen Anmeldung) und war auch nicht strittig.

Wie z.B. in Absatz [0002] der Druckschrift E3 erklärt wird, können sich die Bogenabmessungen - und somit die Drucklänge - im Laufe des Druckvorgangs ändern, zum Beispiel durch die Pressung und den Einfluss des Feuchtmittels. Das erfindungsgemäße Verfahren soll solche Änderungen korrigieren. Diese Korrektur wird mittels einer Schlupfbewegung zwischen dem Druckzylinder und dem Bedruckstoff erreicht.

3.2 Merkmal E

Gemäß Merkmal E wird eine Drucklänge korrigiert, "indem der Bedruckstoff relativ zu einem Druckwerk bewegt wird".

"Bedruckstoff" bezeichnet im gegenwärtigen Kontext das Material, das bedruckt werden soll (z.B. Papier).

Unter "Druckwerk" versteht man in der Regel eine Baugruppe der Druckmaschine. Im Fall des Offsetdrucks besteht das Druckwerk aus dem Farb- und Feuchtwerk, dem Plattenzylinder mit der Druckplatte, dem Gummizylinder mit seinem Gummituch und dem (Gegen-)Druckzylinder. Ein Druckvorgang, in dem es keine Relativbewegung zwischen dem Bedruckstoff und dem Druckwerk gibt, ist kaum vorstellbar. Die Eigenheit von Merkmal E scheint darin zu bestehen, dass diese Relativbewegung zur Korrektur der Drucklänge genutzt wird.

Das Merkmal E hat keine wortwörtliche Entsprechung in der ursprünglichen Anmeldung. Die Anmelderin (jetzt: Beschwerdeführerin) erklärte vor der Prüfungsabteilung, dass sich das Merkmal auf den letzten Absatz auf Seite 7 der Anmeldung stütze (siehe Schriftsatz vom 25. Juli 2011, Seite 2, zweiter Absatz). Dieser Absatz, der dem Absatz [0028] des Streitpatents entspricht, beschreibt die Figur 1:

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

und lautet wie folgt:

"Mit einer Drucklängenkorrektur ergibt sich typischerweise ein Bewegungsprofil mit Korrektur 70, dass [sic] in einem Druckbereich 30 eine zunächst konstante, gegenüber dem Bewegungsprofil ohne Korrektur 60 etwas erhöhte Geschwindigkeit aufweist. In einem Korrekturbereich 40, der sich nach [sic] dem Druckbereich 30 anschließt, wird der Bedruckstoff 10 zunächst abgebremst und anschließend wieder beschleunigt, bis die notwendige zuvor ermittelte Drucklängenkorrektur erreicht wurde. Ein entsprechendes Geschwindigkeitsprofil mit Korrektur 80 ist ebenfalls in diesem Diagramm dargestellt." (Hervorhebung durch die Kammer)

Dies lässt sich so verstehen, dass die Kompensation des Drucklängenunterschieds über eine Variation der Geschwindigkeit der Vorwärtsbewegung des Bedruckstoffes erreicht wird.

Der Wortlaut des Merkmals E ist allerdings allgemeiner gehalten; dort ist nur von einer Relativbewegung des Bedruckstoffs relativ zu einem Druckwerk die Rede.

Die Beschwerdeführerin räumte ein, dass das Merkmal E unglücklich formuliert sei. Sie erklärte, es sei ihre Absicht gewesen, mit der Einfügung des Merkmals E die Lehre des oben zitieren Absatzes zum Ausdruck zu bringen, also die Tatsache, dass der Bedruckstoff relativ zur Druckwalze abgebremst oder beschleunigt (und nicht nur relativ zum gesamten Druckwerk bewegt) werde.

Es ist dennoch nicht möglich, den an sich klaren Hinweis auf eine Relativbewegung im Merkmal E einschränkend zu deuten, nur weil die Beschwerdeführerin die Einführung des Merkmals auf eine Stelle gestützt hat, in der eine Variation der Geschwindigkeit der Vorwärtsbewegung des Bedruckstoffes beschrieben wird.

Das Merkmal wird daher gemäß seinem Wortlaut derart gedeutet, dass es ganz allgemein verlangt, dass im Zusammenhang mit der Drucklängenkorrektur der Bedruckstoff relativ zum Druckwerk bewegt wird.

3.3 Merkmal H

Merkmal H verlangt, dass die Drucklängenkorrektur "innerhalb vorgebbarer Korrekturbereiche auf dem Bedruckstoff" durchgeführt wird.

3.3.1 Durchführung der Korrektur

Unter der Durchführung der Korrektur im Sinne des Patents ist das Ausführen von Maßnahmen zu verstehen, die gewährleisten, dass eine Änderung der Drucklänge sich nicht als Registerabweichung bemerkbar macht.

3.3.2 "innerhalb ... Korrekturbereiche auf dem Druckstoff"

Es stellt sich die Frage, wie zu verstehen ist, dass die Korrektur (also ein Vorgang, der mehrere Maschinenbauteile betrifft) innerhalb eines räumlichen Bereiches auf dem Bedruckstoff stattfinden soll.

Absatz [0021] des Patents offenbart dazu Folgendes:

"Wird die Korrektur innerhalb vorgebbarer Korrekturbereiche auf dem Bedruckstoff durchgeführt, so ergibt sich daraus der Vorteil, dass beispielsweise die Korrektur gezielt außerhalb des Druckbereichs durchgeführt werden kann. Ein "Verschmieren" des Druckes wird damit vermieden. Ebenso ist eine Verlagerung der Korrekturbereiche in Druckbereiche möglich, in denen eine geringfügige Korrektur nur wenig stört und sich damit nur minimal auf das Druckergebnis auswirkt."

Die Wirkung der Maßnahme, dass die Korrektur innerhalb vorgebbarer Korrekturbereiche durchgeführt wird, besteht demnach darin, dass es möglich ist, die Korrektur gezielt auf gewisse Bereiche innerhalb oder auch außerhalb des Druckbereichs zu beschränken.

3.3.3 "vorgebbar"

Es bleibt noch zu klären, inwiefern die Tatsache, dass die Korrekturbereiche "vorgebbar" sind, den Anspruchsgegenstand definiert.

Das Patent definiert diesen (nur im oben zitierten Absatz [0021] verwendeten) Begriff nicht, weshalb auf den allgemeinen Wortsinn zurückzugreifen ist. Der Duden definiert das Verb "vorgeben" als "etwas ansetzen, festlegen, bestimmen". Dementsprechend wäre unter einem "vorgebbaren" Bereich ein Bereich zu verstehen, der (hier: vom Betreiber der Druckmaschine) festgelegt oder bestimmt werden kann.

Bei der Deutung des Merkmals ist auch zu berücksichtigen, dass der Anspruch 1 ein Verfahrensanspruch ist. Die Kammer deutet das Merkmal der Vorgebbarkeit deshalb so, dass dem Betreiber der Druckmaschine bei der Ausführung des Verfahrens die Möglichkeit gegeben wird, den Korrekturbereich festzulegen.

4. Erfinderische Tätigkeit des Gegenstands von Anspruch 1

4.1 Ausgangspunkt

Die Einspruchsabteilung hat die Druckschrift E3 als Ausgangspunkt für die Prüfung der erfinderischen Tätigkeit verwendet. Diese Wahl ist nicht unvernünftig; sie wurde von den Parteien auch nicht angefochten.

4.2 Unterschiede

Es ist unbestritten, dass die Druckschrift E3 die Merkmale A bis D sowie F offenbart. Strittig war nur, ob sie auch die Merkmale E, G und H offenbart.

4.2.1 Merkmal E

Dieses Merkmal verlangt, dass eine Drucklänge korrigiert wird, indem der Bedruckstoff relativ zu einem Druckwerk bewegt wird (siehe dazu auch Punkt 3.2).

Die Druckschrift E3 offenbart ein Rotationsdruck-verfahren, das eine Drucklängenkorrektur während eines Druckzyklus ermöglicht (siehe Absatz [0009]). Dies wird dadurch erreicht, dass bei jedem Umlauf der Differenzwinkel zwischen einem Formzylinder und einem zugeordneten Druckzylinder von Null beginnend stetig verlaufend auf einen Maximalwert eingestellt und wieder auf Null zurückgestellt wird. Die Druckschrift E3 lehrt auch, dass das "Vor- bzw. Nacheilen der Formzylinder ... laufend korrigiert werden [kann], wenn anhand der Auswertung der Signale des Registersensors 35 in der Registersteuerung 39 eine Drucklängenänderung festgestellt wird" (Spalte 5, Zeilen 11-14). Diese Feststellung beruht auf der Prüfung der Registermarken 36 der bedruckten Bogen 37, wie sie in der Figur 3 dargestellt sind (Spalte 3, Zeilen 50-52). Diese Korrektur der Drucklänge verlangt, dass der Bedruckstoff relativ zum Druckwerk bewegt wird.

Die Druckschrift E3 offenbart das Merkmal E daher implizit.

4.2.2 Merkmal G

Das Merkmal G verlangt, dass die Positionen der erfassten Druckmarken zur Drucklängenkorrektur mit Referenzpunkten verglichen werden.

Die Absätze [0032] und [0033] der Druckschrift E3 offenbaren Folgendes:

"[0032] In Fig. 3.1 ist ein Bogen 37 mit aufgedruckten Paßmarken und Registermarken 36 ohne Anwendung des erfindungsgemäßen Verfahrens gezeigt. Die am Druckanfang DA liegenden Paßmarken 61-66 zweier Druckwerke liegen übereinander und weisen den gleichen Abstand zur Bogenkante 67 auf (a1 = a2). Aufgrund der pressungsbedingten Längenzunahme des Bogens 37 liegen in Druckrichtung 68 die an der Hinterkante 69 gedruckten Paßmarken 70-75 in Druckrichtung weiter auseinander als die etwa in der Bogenmitte gedruckten Paßmarken 76-81. Die Paßmarken 70-75 besitzen in Bezug auf die Vorderkanten 67 einen Abstand von (c2-c1) und die Paßmarken 76-81 einen Abstand von (b2-b1)."

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

"[0033] Bei Anwendung des erfindungsgemäßen Verfahrens werden die Paßmarken 61-66, 70-81, wie in Fig. 3.2 dargestellt, exakt übereinandergedruckt. Durch die unterschiedliche Ansteuerung der Formzylinder 1-4 in den Druckwerken wurden die Paßmarken 76, 78, 80 und 70, 72, 74 jeweils um den Abstand (b2-b1), und (c2-c1) in Druckrichtung 68 versetzt gedruckt."

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Die Beschwerdegegnerin I hat dargelegt, der Absatz [0032] offenbare Druckmarken, die zueinander einen Abstand (b2-b1) haben. Damit bezieht sie sich unzweifelhaft auf die Passmarken 76-81. Nach Auffassung der Beschwerdegegnerin I wird dieser Abstand notwendigerweise durch den Registersensor erfasst. Dazu ist allerdings festzustellen, dass der Registersensor 35 laut Spalte 3, Zeilen 50-52, auf die Registermarken 36 und somit nicht auf die Passmarken 76-81 gerichtet ist. Dessen ungeachtet ist davon auszugehen, dass die Registermarken 36 ebenso wie die Passmarken 76-81 verschoben sind, und dass der Registerregler die Registerkorrektur aus der Verschiebung einer Registermarke 36 nahe der Hinterkante 69 bezüglich der vom vorangehenden Druckwerk aufgebrachten Registermarke 36 errechnet, also einen Vergleich mit Referenzpunkten anstellt.

Daher ist auch das Merkmal G in der Druckschrift E3 offenbart.

4.2.3 Merkmal H

Das Merkmal H verlangt, dass die Drucklängenkorrektur innerhalb vorgebbarer Korrekturbereiche auf dem Bedruckstoff durchgeführt wird. Zur Auslegung dieses Merkmals hat die Kammer in Punkt 3.3 Stellung genommen.

Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass dieses Merkmal in der Druckschrift E3 offenbart ist. Sie hat dazu Folgendes ausgeführt:

"Weiterhin wird in den Figuren 2 bis 5 und den Absätzen 0028 bis 0030 und 0032 ausführlich dargestellt, dass entsprechend dem Merkmal (h) die Drucklängenkorrektur innerhalb vorgebbarer Korrekturbereiche, siehe z.B. Druckanfang und Druckende insbesondere auch in Verbindung mit Figur 4, durchgeführt wird."

In der Druckschrift E3 wird die Drucklänge derart korrigiert, dass in jedem Umlauf der Differenzwinkel zwischen dem Formzylinder und dem ihm zugeordneten Druckzylinder von Null beginnend stetig verlaufend auf einen Maximalwert eingestellt und wieder auf Null zurückgestellt wird (siehe Anspruch 1).

Die Figur 4 zeigt einen Fall, in dem der Formzylinder zwischen dem Druckanfang DA und dem Druckende DE des Bogens mit erhöhter Geschwindigkeit rotiert (siehe auch Spalte 4, Zeilen 35-37 und 40-43) ; nach Erreichen des Druckendes DE und vor Beginn des Druckanfangs DA des nachfolgenden Bogens wird die Geschwindigkeit stark vermindert (siehe Spalte 4, Zeilen 59-63).

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Es ist eindeutig, dass die Korrektur hier in einem abgegrenzten Bereich erfolgt. Die Frage nach der Abgrenzung dieses Bereichs lässt sich auf mehrere Arten beantworten.

Zum einen scheint es naheliegend, den Bereich zwischen DA und DE als Korrekturbereich anzusehen, da die eigentliche Drucklängenkorrektur durch den Betrieb des Formzylinders mit erhöhter Geschwindigkeit erreicht wird; ihre Wirkung ist de facto im Punkt DE abgeschlossen.

Zugleich ist aber der darauf folgende Bereich zwischen DE und DA, in dem die Geschwindigkeit des Formzylinders in Hinblick auf den nachfolgenden Druckvorgang heruntergefahren wird, wichtig für die Korrektur und kann daher auch als Korrekturbereich angesehen werden, zumal das Patent in seiner Figur 1 gerade diesen Bereich als Korrekturbereich 40 bezeichnet.

Deshalb wäre es auch nicht abwegig, den gesamten Bereich vom Punkt DA bis zum darauffolgenden Punkt DA als Korrekturbereich anzusehen.

Angesichts der Unbestimmtheit des Begriffs "Korrekturbereich" im Patent und der daraus folgenden Möglichkeit, den Begriff auf verschiedene Art auszulegen, ist es nicht möglich, daraus einen Unterschied zur Lehre der Druckschrift E3 abzuleiten.

Anders verhält es sich jedoch mit dem Merkmal, dass der Korrekturbereich "vorgebbar" sein muss. Wie in Punkt 3.3.3 dargelegt wurde, ist das Merkmal so zu deuten, dass dem Betreiber der Druckmaschine bei der Ausführung des Verfahrens die Möglichkeit gegeben wird, den Korrekturbereich festzulegen. Dies ist jedoch in der Druckschrift E3 nicht offenbart.

Gemäß Absatz [0011] der Druckschrift E3 erfolgt der Antrieb der Zylinder derart, "dass am Druckanfang Synchronlauf jeweils zwischen Formzylinder und Übertragungszylinder besteht, dass beim weiteren Umlauf der Zylinder das Vor- bzw. Nacheilen einsetzt, dass am Druckende im Zentel [sic] Millimeterbereich das Vor- bzw. Nacheilen endet und dass bei weiteren [sic] Umlauf der Zylinder ... am Druckanfang erneut Synchronlauf zu den Übertragungszylindern eingestellt wird" (Unterstreichung durch die Kammer). Die Kammer versteht dies so, dass die Geschwindigkeitserhöhung nicht sofort erfolgt, sondern erst nach einer gewissen Zeit greift. Daraus lässt sich aber nicht ableiten, dass der Moment des Einsetzens vom Benutzer in irgendeiner Art und Weise gesteuert oder festgelegt wird.

Auch die Offenbarung von Absatz [0031] ("... Das Vor- bzw. Nacheilen der Formzylinder 2-4 kann laufend korrigiert werden ..."; Unterstreichung durch die Kammer) führt zu keinem anderen Schluss. Die nächstliegende Deutung dieser Aussage besteht darin, dass im Laufe des Druckvorgangs bei Bedarf jederzeit nachkorrigiert werden kann, wenn es erneut zu Änderungen der Drucklänge kommen sollte. Eine Lehre zur Vorgebbarkeit des Korrekturbereichs lässt sich daraus nicht unmittelbar und eindeutig ableiten.

4.2.4 Ergebnis

Die Druckschrift E3 offenbart alle Merkmale von Anspruch 1 mit Ausnahme des Merkmals, dass die Drucklängenkorrektur innerhalb vorgebbarer Korrekturbereiche auf dem Bedruckstoff durchgeführt wird.

4.3 Objektive technische Aufgabe

Die Parteien waren sich einig, dass die objektive technische Aufgabe darin besteht, die Qualität des Druckbildes zu verbessern.

4.4 Naheliegen

Die Druckschrift E3 selbst suggeriert nicht, dass der Benutzer den Korrekturbereich vorgeben könnte. Die Tatsache, dass Absatz [0011] offenbart, dass das Vor- bzw. Nacheilen eines Zylinders nicht sofort einsetzt, würde der Fachmann nur als eine Feststellung verstehen und nicht als eine Anregung dazu, diese Versetzung als einen frei wählbaren Parameter zu verwenden, zumal die Druckschrift E3 keinen Vorteil mit dem versetzten Einsetzen der Schlupfbewegung verbindet. Auch der Hinweis auf die Möglichkeit laufender Korrekturen im Absatz [0031] würde er nicht in diesem Sinne deuten.

Die Beschwerdeführerinnen haben keine anderen Offenbarungsstellen des Standes der Technik oder Belege für ein einschlägiges Fachwissen des Fachmanns angegeben, die es dem Fachmann nahelegen würden, die Korrekturbereiche vorgebbar zu machen.

Die Kammer ist daher zum Schluss gelangt, dass die Beschwerdegegnerinnen nicht überzeugend dargelegt haben, dass der Fachmann, der von der Lehre der Druckschrift E3 ausgeht und sich die Aufgabe stellt, die Qualität des Druckbildes zu verbessern, angesichts des Standes der Technik und seines allgemeinen Fachwissens in naheliegender Art und Weise zum Gegenstand von Anspruch 1 gelangen würde.

In Anwendung von Artikel 56 EPÜ 1973 hat der Gegenstand von Anspruch 1 daher als erfinderisch zu gelten.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in geändertem Umfang in folgender Fassung aufrechtzuerhalten:

- Beschreibung:

Seiten 2 - 5 der Patentschrift, wobei Absatz [0012] der Patentschrift durch den in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Absatz [0012] ersetzt wird.

- Ansprüche:

Nr. 1 - 17, eingereicht mit Schreiben vom 20. Oktober 2015 als Hauptantrag.

- Zeichnungen:

Fig. 1 - 3 der Patentschrift.

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