European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2018:T162815.20181123 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 23 November 2018 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1628/15 | ||||||||
Anmeldenummer: | 04790111.1 | ||||||||
IPC-Klasse: | E04B 1/76 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
Download und weitere Informationen: |
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Bezeichnung der Anmeldung: | WÄRMEDÄMM-VERBUNDSYSTEME SOWIE DÄMMELEMENT, INSBESONDERE DÄMMELEMENT HIERFÜR | ||||||||
Name des Anmelders: | SAINT-GOBAIN ISOVER G+H AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Knauf Insulation ROCKWOOL INTERNATIONAL A/S |
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Kammer: | 3.2.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Anwendbares Recht Spät eingereichter Antrag - zugelassen (nein) Spät eingereichtes Dokument - zugelassen (ja) Ausreichende Offenbarung - (nein) Änderungen - zulässig (nein) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Das europäische Patent Nr. 1 678 387 (im Folgenden: Patent) betrifft ein Dämmelement aus Mineralfasern für ein Wärmedämmverbundsystem.
II. Das Patent beansprucht die Priorität der am 6. Oktober 2003 eingereichten europäischen Patentanmeldung Nr. 03022611.2 (im Folgenden: Erstanmeldung bzw. M1).
III. Gegen das Patent im gesamten Umfang wurden zwei Einsprüche eingelegt. Als Einspruchsgründe wurden geltend gemacht unzulässige Erweiterung des Gegenstands der Anmeldung (Artikel 100 c) EPÜ 1973), unzureichende Offenbarung (Artikel 100 b) EPÜ 1973) sowie mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit (Artikel 100 a) EPÜ 1973).
IV. Am Ende der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung kam diese zu folgenden Feststellungen:
a) der Prioritätstag vom 6. Oktober 2003 könne nicht wirksam in Anspruch genommen werden;
b) der Gegenstand des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung und des geänderten Anspruchs 1 gemäß dem damals geltenden Hilfsantrag 1 sei nicht neu im Hinblick auf die Veröffentlichung der Erstanmeldung (M1).
Die Einspruchsabteilung entschied daher, das Patent zu widerrufen.
V. Die Patentinhaberin (im Folgenden: Beschwerdeführerin) hat Beschwerde gegen diese Entscheidung eingelegt.
VI. In der Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) vom 2. Juli 2018 teilte die Kammer ihre vorläufige Einschätzung der Beschwerde mit.
VII. In Anwendung von Artikel 21 (4) (b) EPÜ und Artikel 9 VOBK wurde die Kammer um ein weiteres technisch vorgebildetes und ein weiteres rechtskundiges Mitglied erweitert.
VIII. Die mündliche Verhandlung fand am 23. November 2018 in Anwesenheit der Beschwerdeführerin und der Einsprechenden 1 und 2 (im Folgenden: Beschwerdegegnerinnen 1 und 2) statt. Zum Ablauf der mündlichen Verhandlung wird auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
IX. Anträge
Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geänderter Form auf der Grundlage der Ansprüche des während der mündlichen Verhandlung eingereichten Hauptantrags, hilfsweise auf der Grundlage der Ansprüche der mit der Beschwerdebegründung vom 21. Oktober 2015 eingereichten Haupt- und Hilfsanträge I bis III (während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer umnummeriert als Hilfsanträge I bis IV), aufrechtzuerhalten.
Die Beschwerdegegnerinnen 1 und 2 beantragten jeweils, die Beschwerde zurückzuweisen.
X. Anspruchssätze
a) Hauptantrag
Der geänderte Anspruch 1 lautet folgendermaßen (die Änderungen am erteilten Anspruch 1 sind wie folgt kenntlich gemacht: Gestrichene Passagen erscheinen im Text als durchgestrichen und neue Passagen erscheinen im Fettdruck):
Wärmedämm-Verbundsystem mit mindestens einem Dämmelement [deleted: für ein Wärmedämmverbundsystem] aus gebundenen, in einem physiologischen Milieu löslichen Mineralfasern, bei dem das Dämmelement insbesondere mehrfach an einer Gebäudewand (3) zu einer Dämmschicht angebracht ist, welche ggf. mittels Dübeln (2) am Untergrund der Gebäudewand (3) befestigt und mit mindestens einer vorzugsweise armierten Putzschicht (4) abgedeckt ist, wobei die Zusammensetzung der Mineralfasern ein Alkali/Erdalkali-Massenverhältnis von < 1 aufweist und die Faserstruktur des Dämmelements bestimmt ist durch einen mittleren geometrischen Faserdurchmesser <= 4 µm und eine Rohdichte im Bereich von 40 bis 100 kg/m3, dadurch gekennzeichnet, dass die Mineralfasern in einem physiologischen Milieu löslich sind und die Faserstruktur des Dämmelements bestimmt ist durch einen Anteil des Bindemittels bezogen auf die Fasermasse des Dämmelements im Bereich von 4,5 bis 7 Gew.-%.
b) Hilfsantrag I
Der geänderte Anspruch 1 lautet folgendermaßen (die Nummerierung der Merkmale wurde von der Kammer hinzugefügt; die Änderungen am Anspruch 1 in der erteilten Fassung sind wie folgt kenntlich gemacht: die neuen Passagen erscheinen im Fettdruck):
a) Dämmelement für ein Wärmedämmverbundsystem aus gebundenen Mineralfasern,
b) wobei die Zusammensetzung der Mineralfasern ein Alkali/Erdalkali-Massenverhältnis von < 1 aufweist
und
c) die Faserstruktur des Dämmelements bestimmt ist durch einen mittleren geometrischen Faserdurchmesser <= 4 µm und
d) eine Rohdichte im Bereich von 40 bis 100 kg/m**(3),
dadurch gekennzeichnet, dass
e) die Mineralfasern in einem physiologischen Milieu löslich sind und
f) die Faserstruktur des Dämmelements bestimmt ist durch einen Anteil des Bindemittels bezogen auf die Fasermasse des Dämmelements im Bereich von 4,5 bis 7 Gew.-%, und
g) dass der Perlenanteil des Dämmelements < 1 % ist.
c) Hilfsantrag II
Der geänderte Anspruch 1 lautet folgendermaßen (die Änderungen am Anspruch 1 in der erteilten Fassung sind wie folgt kenntlich gemacht: die neuen Passagen erscheinen im Fettdruck):
Dämmelement für ein Wärmedämmverbundsystem aus gebundenen Mineralfasern, wobei die Zusammensetzung der Mineralfasern ein Alkali/Erdalkali-Massenverhältnis von < 1 aufweist und die Faserstruktur des Dämmelements bestimmt ist durch einen mittleren geometrischen Faserdurchmesser <= 4 µm und eine Rohdichte im Bereich von 40 bis 100 kg/m**(3), dadurch gekennzeichnet, dass die Mineralfasern in einem physiologischen Milieu löslich sind und die Faserstruktur des Dämmelements bestimmt ist durch einen Anteil des Bindemittels bezogen auf die Fasermasse des Dämmelements im Bereich von 4,5 bis 7 Gew.-%, und dass das Dämmelement über den Querschnitt homogen ausgebildet ist.
d) Hilfsantrag III
Anspruch 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags II ausschließlich durch das zusätzliche Merkmal von Anspruch 1 des Hilfsantrags I, dass "der Perlenanteil des Dämmelements < 1 % ist".
e) Hilfsantrag IV
Der geänderte Anspruch 1 lautet folgendermaßen (die Änderungen am Anspruch 1 in der erteilten Fassung sind wie folgt kenntlich gemacht: die neuen Passagen erscheinen im Fettdruck):
Dämmelement für ein Wärmedämmverbundsystem aus gebundenen Mineralfasern, wobei die Zusammensetzung der Mineralfasern ein Alkali/Erdalkali-Massenverhältnis von < 1 aufweist, die Bestandteile SiO2, Na2O, K2O, Al2O3 und MgO beinhaltet und die Faserstruktur des Dämmelements bestimmt ist durch einen mittleren geometrischen Faserdurchmesser <= 4 µm und eine Rohdichte im Bereich von 40 bis 100 kg/m**(3), dadurch gekennzeichnet, dass die Mineralfasern in einem physiologischen Milieu löslich sind und die Faserstruktur des Dämmelements bestimmt ist durch einen Anteil des Bindemittels bezogen auf die Fasermasse des Dämmelements im Bereich von 4,5 bis 7 Gew.-%, und dass die Zusammensetzung der Mineralfasern einen Al2O3 Gehalt aufweist, der zwischen 16 und 27 %, vorzugsweise größer als 17 % und/oder vorzugsweise geringer als 25 % bei einer Summe der netzwerkbildenden Elemente SiO2 und Al2O3 von zwischen 57 und 75 % beträgt, vorzugsweise größer als 60 % und/oder vorzugsweise geringer als 72 %, mit einem Anteil einer Summe aus Na2O und K2O, der in einem Bereich von 10 - 14,7 %, vorzugsweise 10 - 13,5 % liegt, bei einem Magnesiumoxidanteil in einem Anteil von wenigsten 1 %.
XI. Entgegenhaltungen
a) In der Beschwerdebegründung und in den Beschwerdeerwiderungen haben die Beteiligten unter anderem auf die Veröffentlichung der Erstanmeldung Bezug genommen:
M1 EP 1 522 641 A1.
b) Die Beschwerdegegnerin 2 hat folgende Druckschriften erstmalig mit Schriftsatz vom 30. Oktober 2018 eingeführt:
M13 US 5,601,628;
M15 WO 93/02977;
D13 EP 0 583 791 A1.
XII. Das schriftsätzliche und mündliche Vorbringen der Beteiligten lässt sich, soweit es für diese Entscheidung relevant ist, wie folgt zusammenfassen:
a) Priorität
Das Unternehmen Saint-Gobain Isover G+H AG war Anmelderin der Erstanmeldung. Es ist zwischen den Beteiligten streitig, ob die Rechtsnachfolge von Saint-Gobain Isover G+H AG auf deren Mutterkonzern Saint-Gobain Isover, Anmelderin der Anmeldung, auf deren Basis das Patent erteilt wurde, hinreichend nachgewiesen wurde.
b) Neuheit im Hinblick auf M1
Die Beschwerdeführerin argumentierte in der Beschwerdebegründung, dass - entgegen der Auffassung der Einspruchsabteilung und der Beschwerdegegnerinnen - der Gegenstand von Anspruch 1 des im Einspruchsverfahren geltenden Hilfsantrags I im Hinblick auf M1 neu sei.
c) Zulassung des Hauptantrags ins Verfahren
Die Beschwerdeführerin führt aus, der Anspruchssatz gemäß Hauptantrag sei in direkter Reaktion auf die vorläufige Meinung der Kammer in der Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK vom 2. Juli 2018 eingereicht worden. Es handle sich im Wesentlichen um die erneute Stellung des mit Schriftsatz vom 6. Mai 2015 eingereichten Hilfsantrags I, später Hilfsantrag 2. Diese Änderung führe weder zu verfahrensrechtlichen noch zu materiellrechtlichen Komplikationen. Insbesondere könne die Sache zur weiteren Entscheidung an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen werden.
Die Beschwerdegegnerinnen argumentieren, dass der neue Hauptantrag nicht zugelassen werden dürfe, weil die Beschwerdeführerin ihn in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung bewusst zurückgezogen habe, um eine für sie ungünstige Entscheidung zu vermeiden, und er schon früher im Beschwerdeverfahren hätte eingereicht werden können, insbesondere unmittelbar nach Erhalt der Mitteilung vom 2. Juli 2018. Auch werfe der neue Hauptantrag Fragen auf, deren Behandlung den Beschwerdegegnerinnen nicht ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung zuzumuten sei.
d) Hilfsantrag I - Ausführbarkeit
Die Beschwerdegegnerinnen machen geltend, dem Patent sei keine Anleitung zur erfolgreichen Ausführung der beanspruchten Erfindung entnehmbar. Merkmal g) von Anspruch 1 (Perlenanteil < 1 %) sei aufgrund fehlender Angaben im Patent zur Definition der Perlen und zur Bestimmung des Perlenanteils nicht ausführbar. Das Patent nenne zwar ein Herstellungsverfahren, mit dem ein Perlenanteil < 1 % erreicht werden solle, nämlich eine innere Zentrifugierung im Schleuderkorb-Verfahren (Absatz 28 der Patentschrift). Im Hinblick auf den in Absatz 28 genannten Stand der Technik stelle sich aber heraus, dass für den Fachmann unzureichend offenbart sei, wie dieser extrem geringe Perlenanteil erreicht werden könne.
Die Beschwerdeführerin argumentiert, dass der Einwand der mangelnden Ausführbarkeit unbegründet sei. Absatz 2 der Patentschrift gebe eine klare Definition von Perlen vor. Demnach seien sog. "Perlen" unzerfasertes Material, d. h. gröbere Faserbestandteile, mit einer Partikelgröße von mindestens 50 mym. Absatz 28 der Patentschrift nenne ein konkretes Herstellungsverfahren, mit dem ein Anteil an Perlen mit einer Größe von über 50 µm von weniger als 1 Gew.-% erreichbar sei, nämlich eine innere Zentrifugierung im Schleuderkorb-Verfahren mit einer Temperatur am Schleuderkorb von mindestens 1.100 °C, wie in M13, M15 und D13 näher beschrieben wird. Dort werde offenbart, dass der Perlenanteil abhängig von der Temperatur bzw. der Viskosität des Schmelzmaterials sei und dass bei geeigneter Einstellung der Betriebsbedingungen ein Anteil an Perlen mit einer Größe von über 100 µm von weniger als 0,8 Gew.-% (M15, Seite 37, Zeile 17) und sogar weniger als 0,6 Gew.-% (D13, Seite 16, Zeile 6) erhalten werden könne. Ein erfindungsgemäßes Dämmelement lasse sich mithin durch einfaches Herumexperimentieren herstellen.
e) Hilfsantrag II - Klarheit
Die Beschwerdegegnerinnen führen aus, dass das in Anspruch 1 hinzugefügte Merkmal, dass "das Dämmelement über den Querschnitt homogen ausgebildet ist", zu einem Mangel an Klarheit führe. Die Beschwerdeführerin argumentiert, dass das Merkmal im Gesamtzusammenhang des Anspruchs bzw. des Patents klar und deutlich sei (Absatz 19 der Patentschrift).
f) Hilfsantrag III
Es wird auf das Vorbringen der Beteiligten zu Hilfsantrag I bzw. Hilfsantrag II verwiesen.
g) Hilfsantrag IV
Die Beschwerdeführerin argumentiert, dass die hinzugefügten Merkmale durch die allgemeine Lehre in Absatz 33 der Patentschrift gestützt seien. Die Beschwerdegegnerinnen führen aus, dass die Aufnahme dieser Merkmale in Anspruch 1 unzulässig nach Artikel 123 (2) EPÜ sei.
Entscheidungsgründe
1. Anwendbares Recht
1.1 Die Anmeldung, auf deren Grundlage das Patent erteilt wurde, ist am 4. Oktober 2004 eingereicht worden, d. h. vor dem Inkrafttreten des revidierten Übereinkommens (EPÜ 2000) am 13. Dezember 2007.
1.2 Deshalb sind im vorliegenden Fall in Anwendung des Artikels 1 (1) des Beschlusses des Verwaltungsrats vom 28. Juni 2001 über die Übergangsbestimmungen nach Artikel 7 der Akte zur Revision des Europäischen Patentübereinkommens vom 29. November 2000 (ABl. EPA 2007, Sonderausgabe Nr. 4, 139) unter anderem die Artikel 56, 83, 84, 100 und 114 (2) EPÜ 1973 sowie die Artikel 52, 54 und 123 EPÜ (2000) anzuwenden. Bezüglich potenziell kollidierender europäischer Anmeldungen im Sinne von Artikel 54 (3) EPÜ ist hingegen Artikel 54 (4) EPÜ 1973 anzuwenden. Da die Regel 23a EPÜ 1973 dem Artikel 54 (4) EPÜ 1973 zugeordnet ist, ist sie ebenfalls anwendbar (in Analogie zu J 10/07, ABl. EPA 2008, 567).
2. Relevanz von M1 und Priorität
2.1 In der Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK vom 2. Juli 2018 hat die Kammer den Beteiligten unter anderem mitgeteilt,
- dass M1 ein potentiell kollidierender Stand der Technik gemäß Artikel 54 (3) EPÜ und Artikel 54 (4) EPÜ 1973 ist (Punkt 8.1 der Mitteilung);
- dass die als Druckschrift M1 veröffentlichte Erstanmeldung wegen Nichtentrichtung der Benennungsgebühren aller Vertragsstaaten nach Ablauf der vorgeschriebenen 6-Monatsfrist am 14. Oktober 2005 als zurückgenommen galt (vgl. Rechtsverlustmitteilung nach Regel 69 (1) EPÜ 1973 vom 22. Februar 2006; Artikel 79 (3) EPÜ 1973), so dass diese Druckschrift kein Stand der Technik nach Artikel 54 (3) EPÜ und Artikel 54 (4) EPÜ 1973 sein kann (vgl. Regel 23a EPÜ 1973) (Punkt 8.2);
- dass M1 daher für die Beurteilung der Neuheit nicht relevant ist - entgegen der Auffassung der Einspruchsabteilung (vgl. Punkt 9.2); und
- dass die Frage der Gültigkeit der Priorität voraussichtlich dahingestellt bleiben kann (Punkt 6.3).
2.2 Die Beteiligten haben weder in ihren Erwiderungen auf diese Mitteilung der Kammer noch in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer auf diese vorläufige Meinung reagiert. Die Kammer sieht daher keinen Anlass, ihre vorläufige Meinung zu ändern. Das Dokument M1 ist kein Stand der Technik nach Artikel 54(3) EPÜ und Artikel 54(4) EPÜ 1973 und ist daher nicht für die Beurteilung der Neuheit heranzuziehen. Weiterhin sieht die Kammer im Hinblick auf die vorliegenden Anträge der Beteiligten keine Gründe, sich mit der Frage der Gültigkeit der Priorität, geschweige denn der Übertragung des Prioritätsrechts zu befassen.
3. Zulassung des Hauptantrags ins Verfahren
3.1 Der Hauptantrag der Beschwerdeführerin wurde zu Beginn der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereicht. Seine Zulassung ins Verfahren liegt gemäß Artikel 13 (1) und (3) VOBK im Ermessen der Kammer.
3.2 Der Hauptantrag unterscheidet sich vom mit der Beschwerdebegründung vom 21. Oktober 2015 eingereichten Hauptantrag darin, dass Anspruch 1 nicht mehr auf ein "Dämmelement für ein Wärmedämmverbundsystem" gerichtet ist, sondern auf ein "Wärmedämm-Verbundsystem mit mindestens einem Dämmelement", und dass das Merkmal, wonach "der Perlenanteil des Dämmelements < 1 % ist", gestrichen wurde.
3.3 Damit entspricht der neue Hauptantrag der Beschwerdeführerin im Wesentlichen ihrem mit Schriftsatz vom 6. Mai 2015 eingereichten Hilfsantrag, der zu Beginn der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung als Hilfsantrag 2 umnummeriert und am Ende der mündlichen Verhandlung zurückgenommen wurde, nachdem die Einspruchsabteilung verkündet hatte, dass der Gegenstand des geänderten Anspruchs 1 gemäß dem damals geltenden Hilfsantrag 1 nicht neu sei (siehe Punkte 1.1 und 5.1 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung).
3.4 Die erneute Stellung eines erstinstanzlich bewusst zurückgenommenen Antrags kann als unredliches Verhalten oder gar Missbrauch des Beschwerdeverfahrens bewertet werden (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 8. Aufl. 2016, Kapitel IV.E.4.3.2-d)).
3.5 Die Beschwerdeführerin erklärt, dass sie in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung gar keinen Bedarf sah, sie über den damals geltenden Hilfsantrag 2 entscheiden zu lassen, da er voraussichtlich - wie der damals geltende Haupt- bzw. Hilfsantrag 1 - wegen mangelnder Neuheit im Hinblick auf die Druckschrift M1 nicht gewährt worden wäre. Die Beschwerdeführerin führt aus, dass die Stellung des neuen Hauptantrags eine sachdienliche Reaktion auf die vorläufige Meinung der Kammer in der Mitteilung vom 2. Juli 2018 darstelle, dass - entgegen der in der Entscheidung geäußerten Auffassung der Einspruchsabteilung - M1 kein Stand der Technik nach Artikel 54 (3) EPÜ sein könne und mithin für die Beurteilung der Neuheit nicht relevant sei, und dass im Patent für den Fachmann unzureichend offenbart sei, wie ein Perlenanteil < 1 % erreicht werden könne.
3.6 Die Kammer kann den Vortrag ansatzweise nachvollziehen. Ferner mag es nicht unbedingt die Absicht der Beschwerdeführerin gewesen sein, eine Entscheidung der Einspruchsabteilung zu Hilfsantrag 2 zu vermeiden. Die Rücknahme dieses Antrags hatte dies jedoch unweigerlich zur Folge. Davon abgesehen hätte die Beschwerdeführerin den neuen Hauptantrag jedenfalls zeitnah nach Erhalt der Mitteilung vom 2. Juli 2018 und lange vor der mündlichen Verhandlung einreichen können. Stattdessen hat die Beschwerdeführerin ihren neuen Hauptantrag erst in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer, d. h. zum spätmöglichsten Zeitpunkt, eingereicht. Dieses Vorgehen hatte als Konsequenz, dass dieser neue Antrag sowohl für die Beschwerdegegnerinnen als auch für die Kammer völlig überraschend kam. Eine Vorbereitung hierzu war dementsprechend nicht möglich, so dass dann eine Behandlung dieses Antrags ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung sowohl für die Beschwerdegegnerinnen als auch für die Kammer unzumutbar gewesen wäre (Artikel 13 (3) VOBK).
3.7 Die Beschwerdeführerin stellte hilfsweise den Antrag, die Angelegenheit an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung über den neuen Hauptantrag zurückzuverweisen. Eine derartige Vorgehensweise würde jedoch der Zielsetzung von Artikel 13 (3) VOBK widersprechen.
3.8 Die Beschwerdeführerin machte auch geltend, die Einspruchsabteilung habe die mögliche Relevanz von M1 im Hinblick auf Artikel 54 (3) EPÜ fehlerhaft entschieden und mithin einen schweren Verfahrensfehler begangen, der die Stellung des neuen Hauptantrags rechtfertige. Die Kammer stimmt mit dieser Auffassung nicht überein. Das Einspruchsverfahren ist grundsätzlich als streitiges Verfahren zwischen Beteiligten anzusehen, die in der Regel gegenteilige Interessen vertreten (G 9/91 und G 10/91, ABl. EPA 1993, 408 und 420). Selbst wenn im Einspruchsverfahren der Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln ist (Artikel 114 (1) EPÜ 1973), obliegt es den Beteiligten, die notwendigen Argumente zur Stützung ihrer Position aus eigener Initiative und zum geeigneten Zeitpunkt vorzutragen. Im vorliegenden Fall hat die Einspruchsabteilung den Vortrag der Beteiligten zur Frage der mangelnden Neuheit im Hinblick auf M1 geprüft. Selbst wenn ihr dabei ein Fehler bezüglich der anzuwendenden Rechtsvorschriften unterlaufen ist, stellt dies keinen Verfahrensfehler dar, sondern allenfalls eine fehlerhafte Anwendung des materiellen Rechts.
3.9 Aus diesen Gründen und unter Berücksichtigung des Standes des Verfahrens und der gebotenen Verfahrensökonomie kam die Kammer zu dem Schluss, den neuen Hauptantrag nicht ins Verfahren zuzulassen (Artikel 114 (2) EPÜ 1973 und Artikel 13 (1) und (3) VOBK).
4. Zulassung der Dokumente M13, M15 und D13 ins Verfahren
4.1 Die Dokumente M13, M15 und D13 wurden erstmals nach der Ladung zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer und damit in einem späten Verfahrensstadium eingereicht.
4.2 Diese Dokumente sind jeweils von großer Bedeutung für die Frage, ob im Patent für den Fachmann ausreichend offenbart ist, wie ein geringer Perlenanteil < 1 % erreicht werden kann, und dienen nur dazu, das erstinstanzliche Vorbringen der Beschwerdegegnerinnen zu untermauern. M13, M15 und D13 gehören jeweils zur selben Patentfamilie wie die in Absatz 28 der Patentschrift genannten Anmeldungen EP 0 583 792 (M13), EP 0 551 476 (M15) bzw. WO 94/04468 (D13).
4.3 Die Kammer kam daher zu dem Schluss, diese Dokumente ins Verfahren zuzulassen und zu berücksichtigen (Artikel 114 (2) EPÜ 1973 und Artikel 13 (1) VOBK). Im Übrigen hat sich die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung nicht mehr gegen die Zulassung dieser Dokumente ins Verfahren ausgesprochen.
5. Hilfsantrag I - Anspruch 1
Anspruch 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 in der erteilten Fassung darin, dass das in Absatz 28 der Patentschrift offenbarte Merkmal aufgenommen worden ist, wonach "der Perlenanteil des Dämmelements < 1 % ist".
6. Hilfsantrag I - Artikel 100 b) EPÜ 1973
6.1 Nach Artikel 83 EPÜ 1973 ist die Erfindung so deutlich und vollständig zu offenbaren, dass ein Fachmann sie ausführen kann. Nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist diese Vorschrift so zu verstehen, dass ein beanspruchter Gegenstand anhand des Gesamtinhalts des Patents und mit Hilfe des allgemeinen Fachwissens ohne unzumutbaren Aufwand ausführbar sein muss.
6.2 Im vorliegenden Fall machen die Beschwerdegegnerinnen geltend, dass das Patent keine ausreichende Offenbarung enthalte für die Herstellung des in Anspruch 1 definierten Dämmelements.
6.3 Aus folgenden Gründen überzeugt der diesbezügliche Vortrag der Beschwerdegegnerinnen.
6.4 Der Gegenstand von Anspruch 1 ist ein Dämmelement für ein Wärmedämmverbundsystem aus gebundenen Mineralfasern mit den in Anspruch 1 detailliert angegebenen Eigenschaften b) bis g), insbesondere
- einem Alkali/Erdalkali-Massenverhältnis < 1 (vgl. Merkmal b));
- einem mittleren geometrischen Faserdurchmesser <= 4 µm (Merkmal c));
- einer Rohdichte von 40 bis 100 kg/m**(3) (Merkmal d));
- einem Bindemittelanteil im Bereich von 4,5 bis 7 Gew.-% (Merkmal f)); und
- einem Perlenanteil < 1 % (Merkmal g)).
6.5 Die Beschwerdegegnerinnen machen zunächst geltend, dass Merkmal g) keine nacharbeitbare technische Lehre vermittle, weil aufgrund der fehlenden Angabe zur Größe der Perlen der Fachmann nicht feststellen könne, ob er innerhalb oder außerhalb des beanspruchten Bereichs für den Perlenanteil arbeite.
Dies betrifft die Abgrenzung des Schutzbereichs und mithin eher die Klarheit (Artikel 84 EPÜ 1973) als die Ausführbarkeit der Erfindung (vgl. T 2290/12, Gründe Nr. 3.1; T 646/13, Gründe Nr. 3 und 4).
Davon abgesehen, kann die Kammer der Beschwerdeführerin folgen, dass der Fachmann, der gewillt ist, die beanspruchte Erfindung zu verstehen und umzusetzen, im Lichte der Beschreibungseinleitung des Patents erkennen wird, dass der gewünschte Perlenanteil < 1 % für Perlen mit einer Größe von über 50 µm zu erzielen ist (siehe Absatz 2 der Patentschrift).
6.6 Im Patent ist ein einziges, konkret beschriebenes Ausführungsbeispiel des erfindungsgemäßen Dämmelements offenbart, dessen Mineralfaserzusammensetzung ein Massenverhältnis von Alkali- (CaO + MgO) zu Erdalkalibestandteilen (Na2O + K2O) von 0,7 aufweist (Absatz 44 der Patentschrift, Spalte 4 der Tabelle 2), mit einem mittleren geometrischen Faserdurchmesser von 3,2 µm, einer Rohdichte von 85 kg/m**(3) und einem Bindemittelanteil von 5,5 Gew. -% (Absatz 43). Das Patent enthält keine Angaben über den erhaltenen Perlenanteil. Das Patent offenbart auch nicht wie das Ausführungsbeispiel tatsächlich hergestellt worden ist.
6.7 Hinweise, wie das erfindungsgemäße Dämmelement hergestellt werden kann, erhält der Fachmann ausschließlich aus Absatz 28 der Patentschrift. Dort heißt es:
"In vorteilhafter Weise sind die Mineralfasern des Dämmelements durch die an sich bekannte innere Zentrifugierung im Schleuderkorb-Verfahren mit einer Temperatur am Schleuderkorb von mindestens 1.100 °C hergestellt, wodurch sich in einfacher Weise Fasern mit dem anspruchsgemäss geringen Faserdurchmesser herstellen lassen. Ferner ist die dabei erzielte Mineralwolle praktisch perlenfrei, das heisst, der Anteil an Perlen ist < 1 % was einen weiteren wesentlichen Vorteil gegenüber herkömmlicher Steinwolle mit sich bringt. Das Verfahren der inneren Zentrifugierung im Schleuderkorb-Verfahren ist für Mineralfasern bereits bekannt, wozu ausdrücklich auf die EP 0 551 476, die EP 0 583 792, die WO 94/04468 und die US 6,284,684 wegen weiterer Einzelheiten verwiesen und Bezug genommen wird" (Hervorhebung durch die Kammer).
6.8 In den in Absatz 28 der Patentschrift zitierten Dokumenten erhält der Fachmann jedoch keine brauchbare Anleitung, um weniger als 1 Gew.-% Perlen mit einer Größe von über 50 µm zu erzeugen, geschweige denn um ein derartig extrem geringen Perlenanteil in Kombination mit einem Faserdurchmesser <= 4 µm zu erhalten. Insbesondere wird dort kein einziger, konkret beschriebener Weg zur Erzeugung eines Dämmelements mit diesen erwünschten Parametern offenbart.
Im Folgenden wird auf die Lehre von M15, M13 und D13 näher eingegangen, die in diesem Verfahren anstelle von EP 0 551 476, EP 0 583 792 und WO 94/04468 zitiert worden sind.
6.8.1 In M15 findet der Fachmann die allgemeine Lehre, dass durch innere Zentrifugierung im Schleuderkorb-Verfahren Mineralwollematten auf der Basis von Basalt, Stein oder ähnlichem hergestellt werden können, die bei geeigneter Einstellung der Betriebsbedingungen weniger als 5 Gew.-% Perlen mit einem Durchmesser von über 100 µm aufweisen (Seite 37, Zeilen 21 bis 25).
Zur Stützung dieser allgemeinen Lehre beschreibt M15 die Ergebnisse von Versuchen mit 27 unterschiedlichen Zusammensetzungen, die auf den Seiten 38 und 39 definiert sind und - mit Ausnahme der Zusammensetzung Nr. 8 - stets ein Alkali/Erdalkali-Massenverhältnis < 1 aufweisen, wie Merkmal d) von Anspruch 1 verlangt.
Auf Seite 11, Zeilen 1 bis 5 ist angegeben, dass mit den Zusammensetzungen Nr. 1, 2, 4 bis 7, 9 bis 11, 13 bis 16, 19 und 27 ein Anteil an Perlen mit einer Größe von über 100 µm von weniger als 10 Gew.-% und sogar weniger als 5 Gew.-% erhalten werden konnte, "was einen außerordentlich geringen Perlenanteil darstellt". M15 weist gleichzeitig darauf hin, dass mit traditionell für die Steinwolleherstellung verwendeten Zusammensetzungen ein Perlenanteil von z. B. bis zu 10 Gew.-% angenommen werden muss (Seite 11, Absatz 2). Mit den Zusammensetzungen Nr. 17, 18, 20, 24 und 25 wurde ein hoher Perlenanteil von beispielsweise mehr als 10 Gew.-% erhalten (Seite 27, Zeilen 7 bis 12).
Vergleichsversuche mit der Zusammensetzung Nr. 25 haben zu folgenden Perlenanteilen und Faserfeinheiten geführt (Tabelle auf Seite 26; in der Spalte "Beads" ist an erster Stelle der Anteil an Perlen mit einer Größe von über 100 µm, und in Klammern der Anteil an Perlen mit einer Größe von über 40 µm angegeben):
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Wie die vorstehende Tabelle zeigt, lag der Perlenanteil unabhängig von der Viskosität des Schmelzematerials ("Viscosity") und der Drehgeschwindigkeit des Schleuderorgans ("RPM") stets deutlich über 1 Gew.-%.
Auf Seite 37, Zeilen 7 bis 19 ist erwähnt, dass mit der Zusammensetzung Nr. 2 eine Basaltwolle mit einem Micronaire-Wert von 3/5g und einem Anteil an Perlen mit einer Größe von über 100 µm von weniger als 0,8 Gew.-% erzeugt wurde. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin lässt sich anhand der in der vorstehenden Tabelle genannten Perlenanteile für 100 µm und 40 µm nicht abschätzen, dass bei dieser Basaltwolle der Anteil an Perlen mit einer Größe von über 50 µm kleiner 1 Gew.-% war.
M15 enthält keine Angaben über den mittleren Durchmesser der in den genannten Versuchen erhaltenen Fasern, sondern lediglich über die Faserfeinheit, ausgedrückt durch den Micronaire-Wert (F) auf 5 g (rechte Spalte in der vorstehenden Tabelle). Je kleiner der Faserdurchmesser ist, desto geringer ist der Micronaire-Wert. Die ermittelten Micronaire-Werte lassen sich aber nicht direkt in mittlere Faserdurchmesser umrechnen.
6.8.2 In M13 und D13 ist jeweils offenbart, dass durch innere Zentrifugierung im Schleuderkorb Basalt- bzw. Steinwollematten hergestellt werden konnten, mit einem Perlenanteil < 10 Gew.-% bei einer Schmelzviskosität in der Größenordnung von 100 Poise und mit einem Perlenanteil < 5 Gew.-% bei einer Schmelzviskosität oberhalb von 320/350 Poise (M13, Spalte 3, Zeilen 43 bis 44; D13, Seite 6, Zeilen 2 bis 4).
6.8.3 M13 offenbart zudem, dass Versuche mit einer besonderen Zusammensetzung mit einem Alkali/Erdalkali-Massenverhältnis < 1 (Spalte 9, Zeilen 1 bis 13) zu folgenden Faserfeinheiten und Perlenanteilen geführt haben (vgl. Tabelle auf Spalte 10, insbesondere zwei letzten Zeilen):
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Wie die vorstehende Tabelle zeigt, lag der Perlenanteil stets deutlich über 1 Gew.-%. Die Tabelle enthält keine Angaben über den Faserdurchmesser, sondern über die Faserfeinheit (Micronaire-Wert F auf 5 g).
6.8.4 D13 beschreibt die Ergebnisse von Versuchen mit 27 unterschiedlichen Zusammensetzungen, die auf den Seiten 17 und 18 definiert sind und - mit Ausnahme der Zusammensetzung Nr. 8 - stets ein Alkali/Erdalkali-Massenverhältnis < 1 aufwiesen, wie Merkmal d) von Anspruch 1 verlangt. Vergleichsversuche mit der Zusammensetzung Nr. 2 haben zu folgenden Faserfeinheiten, Faserdurchmessern und Perlenanteilen geführt (Tabellen auf Seite 15, Zeilen 33 bis 36 und Seite 16):
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Mit Ausnahme des Tests 6 lag der Perlenanteil stets deutlich über 1 Gew.-%. Ein geringer Perlenanteil < 1 Gew.-% wurde im Test 6 zwar erhalten, jedoch nur für Perlen mit einer Größe von über 100 µm und nur in Kombination mit einem mittleren Faserdurchmesser über 4 µm.
Im Übrigen bestätigen die ermittelten Werte für die Faserfeinheit (F/5g) und den mittleren Faserdurchmesser, dass die Werte sich nicht direkt umrechnen lassen (Punkt 6.8.1 vorstehend).
6.9 Die Beschwerdeführerin argumentiert, dass die allgemeine Lehre von M15 und M13 den Fachmann in die Lage versetzt, die Erfindung im gesamten Bereich des Anspruchs auszuführen. Dies überzeugt die Kammer nicht.
6.10 In M15 bzw. M13 wird zwar allgemein gelehrt, dass der Perlenanteil mittels Vergrößerung des Produktes myV - wobei my die Viskosität des Schmelzematerials und V seine Geschwindigkeit im Moment seines Abschleuderns bezeichnen - reduziert werden kann, beispielweise durch Verminderung der Temperatur zur Erhöhung der Viskosität oder durch Erhöhung der Bewegungsgeschwindigkeit des Materials (M15, Seite 20, Zeilen 28 bis 32; M13, Spalte 4, Zeilen 51 bis 54). Allerdings weist M15 gleichzeitig darauf hin, dass eine Viskosität höher 3000 Poise den Durchtritt des Materials durch die umfangsseitigen Durchtrittsöffnungen des Schleuderkorbs und das Ausziehen der Fäden zu Fasern erschweren kann (Seite 7, Zeilen 20 bis 23; Seite 24, Zeilen 32 bis 36) und dass eine Verminderung der Temperatur des Schleuderkorbs zu einem Zusetzen von dessen Durchtrittsöffnungen führen kann (Seite 37, Zeilen 35 und 36).
6.11 Selbst unter Berücksichtigung dieser technischen Lehre von M15 bzw. M13 ist der Fachmann also gezwungen, durch Herumexperimentieren herauszufinden, welche Zusammensetzung mit einem Alkali/Erdalkali-Massenverhältnis von < 1 und welche Betriebsparameter zu verwenden sind, um den extrem geringen Perlenanteil < 1 Gew.-% und gleichzeitig den kleinen Faserdurchmesser <= 4 µm zu erhalten. Dies stellt einen unzumutbaren Aufwand dar.
6.12 Soweit die Beschwerdeführerin behauptet, dass das im Patent mit konkreten Angaben offenbarte Ausführungsbeispiel anhand der in Tabelle 2 definierten Zusammensetzung und mithilfe weniger Routineversuche zur Bestimmung der geeigneten Betriebsparameter der inneren Zentrifugierung im Schleuderkorb nacharbeitbar sei, fehlt dafür der Nachweis. Davon abgesehen ist der Wortlaut von Anspruch 1 nicht auf diese bevorzugte Zusammensetzung beschränkt (Merkmal b)) und die Kammer ist nicht davon überzeugt, dass die Nacharbeitung des einzigen Ausführungsbeispiels die Ausführung der Erfindung im gesamten beanspruchten Bereich ermöglichen kann.
6.13 Schließlich führt die Beschwerdeführerin aus, dass die Beschwerdegegnerinnen als Einsprechende die Beweispflicht für ihre Behauptung der unzureichenden Offenbarung nicht genügt haben. Die Kammer teilt diese Auffassung nicht, denn die Beschwerdegegnerinnen haben mit Verweis auf die in M13, M15 und D13 offenbarten Versuchsergebnisse ernsthafte, durch nachprüfbare Tatsachen untermauerte Zweifel an der Ausführbarkeit der beanspruchten Erfindung geweckt.
6.14 Folglich steht der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 b) EPÜ 1973 der Aufrechterhaltung des Patents in der Fassung des Hilfsantrags I entgegen.
7. Hilfsantrag II - Anspruch 1
Anspruch 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 in der erteilten Fassung darin, dass das in Absatz 12 der Patentschrift offenbarte Merkmal aufgenommen worden ist, wonach das Dämmelement "über den Querschnitt homogen" ausgebildet ist.
8. Hilfsantrag II - Artikel 84 EPÜ 1973
8.1 Diese Änderung führt einen Verstoß gegen Artikel 84 EPÜ 1973 ein, weil die in Anspruch 1 hinzugefügte Formulierung im Gesamtzusammenhang des Anspruchs unzureichend klar und deutlich ist.
8.2 Der Begriff "homogen" hat im relevanten Gebiet keine allgemein anerkannte eindeutige Bedeutung. Er könnte eine einheitliche bzw. gleichmäßige Verteilung der Fasern, der Rohdichte und/oder des Bindemittels über den Querschnitt des Dämmelements meinen. Der Fachmann kann deshalb nicht sicher beurteilen, wann er innerhalb oder außerhalb des Schutzbereichs des Anspruchs arbeitet.
8.3 Die Beschwerdeführerin verweist auf die Lehre in Absatz 19 der Patentschrift, wonach "das über den Querschnitt homogen ausgebildete Dämmelement ... keiner besonderen Behandlung, wie es im Falle von Fassadendämmplatten aus Glaswolle erforderlich ist, bei denen alkaliresistente Beschichtungen und das Einbetten von Gittergeweben oder eine entsprechend hydrophobe Ausrüstung von Glaswollefasern erforderlich ist" (Hervorhebung durch die Kammer). Diese besondere Bedeutung des Begriffs "homogen" ergibt sich aber nicht aus dem Wortlaut des Anspruchs.
8.4 Folglich ist Hilfsantrag II nicht gewährbar.
9. Hilfsantrag III
9.1 Anspruch 1 beinhaltet die Beschränkungen gemäß den Hilfsanträgen I und II, d. h.
- dass "der Perlenanteil des Dämmelements < 1 % ist" und
- dass das Dämmelement "über den Querschnitt homogen" ausgebildet ist.
9.2 Hilfsantrag III ist damit aus den gleichen Gründen wie die Hilfsanträge I und II nicht gewährbar.
10. Hilfsantrag IV
10.1 Anspruch 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 in der erteilten Fassung durch die zusätzlichen Merkmale, dass die Zusammensetzung der Mineralfasern
h) "die Bestandteile SiO2, Na2O, K2O, Al2O3 und MgO beinhaltet" und
i) "einen Al2O3 Gehalt aufweist, der zwischen 16 und 27 %, vorzugsweise größer als 17 % und/oder vorzugsweise geringer als 25 % bei einer Summe der netzwerkbildenden Elemente SiO2 und Al2O3 von zwischen 57 und 75 % beträgt, vorzugsweise größer als 60 % und/oder vorzugsweise geringer als 72 %, mit einem Anteil einer Summe aus Na2O und K2O, der in einem Bereich von 10 - 14,7 %, vorzugsweise 10 - 13,5 % liegt, bei einem Magnesiumoxidanteil in einem Anteil von wenigsten 1 %".
10.2 Diese Änderung stellt eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung der technischen Lehre in den ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen (veröffentlicht als WO 2005/035894 A1) und mithin einen Verstoß gegen Artikel 123 (2) EPÜ dar:
10.2.1 Die hinzugefügten Merkmale h) und i) sind ursprünglich nur für folgende bevorzugte Zusammensetzung der Mineralfasern offenbart worden (siehe Beschreibungsseite 9, Absatz 4 bis Beschreibungsseite 10, Absatz 2; siehe Anspruch 11):
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
10.2.2 Der Fachmann kann beim Lesen der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung nicht zweifelsfrei erkennen, dass die Merkmale h) und i) nicht in engem Zusammenhang mit den übrigen Merkmalen dieser Zusammensetzung stehen und dass sie eine technische Aufgabe vollständig lösen, auch wenn isoliert betrachtet. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin offenbart die Textstelle auf Seite 10, Absatz 4 keine eigene bevorzugte Zusammensetzung, sondern bezieht sich ausdrücklich auf die zuvor in Tabelle 1 definierte Zusammensetzung. Auf Seite 10, Absatz 5 heißt es lediglich, dass die zuvor offenbarten Zusammensetzungen sich durch ein beträchtlich verbessertes Verhalten bei sehr hohen Temperaturen auszeichnen.
10.3 Folglich ist Hilfsantrag IV nicht gewährbar.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.