T 1565/15 () of 2.7.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T156515.20190702
Datum der Entscheidung: 02 Juli 2019
Aktenzeichen: T 1565/15
Anmeldenummer: 04739287.3
IPC-Klasse: C07C 45/45
C07C 49/255
C07C 45/65
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VERFAHREN ZUR HERSTELLUNG VON ALKENONETHERN
Name des Anmelders: Solvay Fluor GmbH
Name des Einsprechenden: SYNGENTA LIMITED
Kammer: 3.3.10
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54(2)
Schlagwörter: Neuheit - (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Patent EP 1 644 306 unter Artikel 101(3)(a) EPÜ in veränderter Form aufrechtzuerhalten.

II. Im Einspruchsverfahren war das Streitpatent von der Beschwerdegegnerin unter den Artikeln 100(a)(b)(c) EPÜ wegen mangelnder Neuheit, mangelnder erfinderischer Tätigkeit, mangelnder Ausführbarkeit und unzulässiger Erweiterung angegriffen worden.

III. Die Einspruchsabteilung kam in der angefochtenen Entscheidung zu dem Schluss, dass einige abhängige Ansprüche des erteilten Patents gegen Artikel 123(2) verstießen. Die Ansprüche des im Einspruchsverfahren vorliegenden Hilfsantrags 1 seien hingegen nicht unzulässig erweitert und gingen mit Artikel 83 EPÜ konform, der unabhängige Anspruch 1 sei aber nicht neu gegenüber dem Dokument D1:

D1: EP 1 254 883

Der unabhängige Anspruch 1 dieses Hilfsantrags 1 entspricht dem Anspruch 1 des Streitpatents wie erteilt.

Das Patent wurde auf Basis des im Einspruchsverfahrens vorliegenden Hilfsantrags 2 aufrechterhalten.

IV. Anspruch 1 des erteilten Patents lautet wie folgt:

"Verfahren zur Herstellung von Alkenonen umfassend die Anlagerung von Carbonsäurehalogeniden an Vinylether und anschließende Halogenwasserstoffabspaltung, wobei man Alkenon der Formel (I) herstellt

R**(1)-C(O)-C(H)=C(H)-OR**(2) (I)

wobei R**(1) für mit mindestens 1 Fluoratom substituiertes Methyl, Ethyl oder Propyl steht oder wobei R**(1) für CF3C(O)CH2 steht und R**(2) für Aryl, substituiertes Aryl, eine C1-C4 Alkylgruppe oder für eine C1-C4-Alkylgruppe steht, die durch mindestens ein Halogenatom substituiert ist, wobei man ein Säurehalogenid der Formel (II)

R**(1)-C(O)X (II)

worin X für F, Cl, Br steht und R**(1) die oben genannte Bedeutung besitzt, mit einem Vinylether der Formel (III)

CH2=C(H)-OR**(2) (III)

worin R**(2) die obengenannte Bedeutung besitzt miteinander umsetzt, dadurch gekennzeichnet, dass man die Umsetzung in Abwesenheit eines Säurefängers für entstehenden Halogenwasserstoff durchführt."

V. Im Beschwerdeverfahren brachte die Beschwerdeführerin vor, Anspruch 1 des erteilten Patents sei neu gegenüber der Offenbarung von D1, und zwar aus zumindest einem der folgenden drei Gründe:

- Es handle sich um eine mehrfache Auswahl aus der Lehre der D1.

- Die Offenbarung in D1, das Verfahren könne auch ohne den Zusatz einer Base durchgeführt werden, sei fehlerhaft oder nicht ausführbar.

- Anspruch 1 beziehe sich auf ein zweistufiges Verfahren, das in D1 nicht offenbart sei.

VI. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt (Hauptantrag) oder, hilfsweise, Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Form auf Grundlage einer der Hilfsanträge 1 und 2, eingereicht mit der Beschwerdebegründung.

VII. Die Beschwerdegegnerin hat keine Anträge gestellt.

VIII. Am 2. Juli 2019 fand eine mündliche Verhandlung statt, wobei die Beschwerdegegnerin nicht vertreten war. Am Ende der Verhandlung wurde die Entscheidung verkündet.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Neuheit (Artikel 54(2) EPÜ)

2.1 Anspruch 1 des erteilten Patents sowie Anspruch 1 des hier vorliegenden ersten und zweiten Hilfsantrags sind identisch und entsprechen Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags des Einspruchsverfahrens, dem die Einspruchsabteilung die Neuheit gegenüber D1 abgesprochen hat.

2.2 D1 offenbart in Absatz [0014] eine dem vorliegenden Anspruch entsprechende Reaktion (I) + (II) -> (III). Dabei ist die vorliegend als R**(2) bezeichnete Gruppe als Alkylgruppe definiert, und die vorliegend als X bezeichnete Gruppe als Halogen. Über dem Reaktionspfeil steht "base".

In Absatz [0019] wird beschrieben, dass die Reaktion üblicherweise ("usually") in Gegenwart einer Base durchgeführt wird. Aus Absatz [0026] geht hervor, das das Verfahren auch in Abwesenheit einer Base durchgeführt werden kann ("use or non-use of the base").

Die im Oberbegriff des vorliegenden Anspruchs 1 definierte Reaktion entspricht derjenigen in Absatz [0014] der D1. Die in D1 in Absätzen [0011] und [0012] genannten bevorzugten Definitionen der Alkyl- und Halogengruppen fallen dabei unter die vorliegende Gruppen R**(2) und X, die in der Komponente (I) vorhandene CF3-Gruppe unter die vorliegende Gruppe R**(1). Der kennzeichnende Teil des Anspruchs, die Abwesenheit einer Base, ist in D1 ebenfalls offenbart, nämlich als eine von zwei Alternativen. Wie von der Einspruchsabteilung in zutreffender Weise festgestellt wurde (Punkt 5 der Entscheidungsgründe), ist der Anspruch daher nicht neu gegenüber D1.

2.3 Die Beschwerdeführerin hat drei Argumentationslinien vorgebracht, die ihrer Meinung nach geeignet sind, die Neuheit des vorliegenden Anspruchs gegenüber D1 zu belegen.

2.3.1 Auswahl aus D1

Die Beschwerdeführerin bringt vor, bei dem beanspruchten Verfahren handle es sich um eine neue Auswahl aus der Lehre der D1. Insbesondere sei aus den Definitionen in Absatz [0014] für Alkyl C1-C4-Alkyl ausgewählt worden, und für Halogen Chlor, Brom oder Fluor. Des weitere muss noch die Abwesenheit einer Base aus den zwei in D1 erwähnten Alternativen ausgewählt werden.

Eine neuheitsbegründende Auswahl ist für die Kammer jedoch nicht zu erkennen. Zum Einen werden keine spezifischen Merkmale ausgewählt und in einer nicht vorbeschriebenen Weise miteinander kombiniert, sondern die Auswahl bleibt selbst noch generisch (F/Cl/Br aus "halogen", C1-C4-Alkyl aus "alkyl"). Zum Anderen ist die auf die Gruppen X (halogen) und R**(2) (alkyl) bezogene Auswahl schon in D1 vorbeschrieben, nämlich in Absätzen [0011] und [0012], wo als besonders bevorzugte Bedeutungen Chlor bzw. Ethyl genannt sind. Dem Argument der Beschwerdeführerin, die dort beschriebenen bevorzugten Definitionen gälten nicht für die in Absatz [0014] beschriebene Reaktion, vermag die Kammer nicht zu folgen, denn diese Passage bezieht sich direkt auf Verbindungen (I), (II) und (III), d. h. auf die Reaktanden und Produkte, die auch in Absatz [0014] beschrieben sind. Die bloße Auswahl einer von zwei als alternative Möglichkeiten offenbarten Verfahrensweisen, d. h. die Verwendung oder Nicht-Verwendung einer Base, fügt dem Stand der Technik keine neue Lehre hinzu und kann daher keine Neuheit begründen.

2.3.2 Fehler in der Offenbarung der D1

Die Beschwerdeführerin bringt vor, die Bemerkungen in Absätzen [0019] ("usually") und [0026] ("use or non-use of the base") widersprächen der Lehre der D1 und wären daher vom Fachmann als fehlerhaft erkannt und ignoriert worden. In der breitesten Offenbarung von D1 in Absätzen [0005] bis [0007] werde immer mit Base gearbeitet; die folgende detaillierte Beschreibung der einzelnen Ausführungsformen, zu denen auch die in Absätzen [0019] und [0026] offenbarten Reaktionsbedingungen gehören, sei daher immer im Rahmen dieser Offenbarung zu interpretieren. Auch die Beispiele arbeiteten alle in Anwesenheit einer Base. Überdies würde die in den Beispielen der D1 beschriebene Reaktion bei Weglassen der Base nicht mehr funktionieren. Dazu sei nämlich eine zweistufige Verfahrensführung mit höherer Temperatur in der zweiten Stufe notwendig, wie in den Beispielen des Streitpatents durchgeführt. Ein Verfahren zur Herstellung der Verbindungen (I) in Abwesenheit einer Base sei daher in D1 für den Fachmann nicht offenbart.

Die Kammer folgt diesen Argumenten nicht. Es ist zwar richtig, dass die allgemeine Beschreibung der Reaktion in D1 in Absätzen [0005] und [0007] die Verwendung einer Base vorsieht. Allerdings sehen die detaillierten Beschreibungen der Reaktionsbedingungen in Absätzen [0019] und [0026] eben auch vor, dass die Base weggelassen werden kann. Ein Fachmann hätte keinen offensichtlichen Grund, diese Informationen als fehlerhaft anzusehen. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, die in D1 beschriebene Reaktionen würden ohne Anwesenheit einer Base nicht funktionieren, ist spekulativ; es liegen hierzu weder Daten noch andere technische Beweise vor. Es kann daher nicht davon gesprochen werden, eine derartige Reaktion sei in D1 nicht ausreichend offenbart. Im übrigen fallen diese Reaktionen ja unter den vorliegenden Anspruch 1, so dass in einem solchen Falle der vorliegende Anspruch ebenfalls mangelhaft offenbart wäre.

2.3.3 Zweistufiges Verfahren

Die Beschwerdeführerin bringt vor, Anspruch 1 definiere ein zweistufiges Verfahren, nämlich (i) die Anlagerung von Carbonsäurehalogeniden an Vinylether und (ii) die anschließende Halogenwasserstoffabspaltung. Ein solches Verfahren sei in D1 nicht offenbart; dort würde im Gegenteil eine Eintopfreaktion beschrieben.

Dieses Argument ist nicht stichhaltig. Anspruch 1 definiert keine zweistufige Verfahrensführung, wie etwa der abhängige Anspruch 7. Anspruch 1 definiert nur, wie die Reaktion mechanistisch abläuft, d. h. dass zuerst eine Anlagerung von (II) and (III) stattfindet und danach Halogenwasserstoff abgespalten wird. Dies ist auch in D1 der Fall. Halogenwasserstoff ist in Absatz [0014] als Abgangsprodukt erwähnt und daher eliminiert worden; eine vorherige Anlagerung hat demnach auch stattgefunden. Anspruch 1 umfasst sowohl Eintopfreaktionen als auch mehrstufige Verfahrensweisen.

2.4 Das in Anspruch 1 aller vorliegenden Anträge definierte Verfahren ist daher nicht neu gegenüber D1.

3. Die Patentinhaberin ist alleinige Beschwerdeführerin. Wegen des Verschlechterungsverbots (G 9/92) ist daher das Patent in der aufrechterhaltenen Fassung gemäß der Zwischenentscheidung im Einspruchsverfahren nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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