T 1510/15 () of 7.11.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T151015.20191107
Datum der Entscheidung: 07 November 2019
Aktenzeichen: T 1510/15
Anmeldenummer: 11450001.0
IPC-Klasse: G07F 17/32
G07F 17/34
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren und System zur Auszahlung von Guthaben durch Spielautomaten
Name des Anmelders: Novomatic AG
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.4.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Mischung technischer und nichttechnischer Merkmale
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde betrifft die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die europäische Patentanmeldung mit der Nummer 11450001 wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit zurückzuweisen.

II. Während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer beantragte die Beschwerdeführerin, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf Basis der mit Schreiben vom 09.02.2015 eingereichten Patentansprüche 1 bis 12 zu erteilen. Diese Ansprüche entsprechen dem in der mündlichen Verhandlung vor der Prüfungsabteilung behandelten Hauptantrag.

III. Es wird auf das folgende Dokument verwiesen:

D1: US2006/049624 A1

IV. Anspruch 1 des einzigen Antrags hat den folgenden Wortlaut:

Verfahren zur Auszahlung von Guthaben mittels eines Systems umfassend einen Server (1) und eine Anzahl von mit dem Server (1) verbundenen und einem Spieler bedienbaren Spielautomaten (2),

- wobei zumindest ein Spielautomat (2) eine Spieleinheit (20) und eine von einem Spieler betätigbare Auszahlungseinheit (21) zur Auszahlung eines Guthabens in Form eines Bestätigungstickets (3) oder Speichermediums aufweist; und

- wobei die Spieleinheit (20) bei Vorliegen eines Guthabens die Durchführung eines Spiels ermöglicht, und

- wobei bei Vorliegen eines Guthabens und Betätigung der Auszahlungseinheit (21) ein Datensatz (41) an den Server (1) übermittelt wird, wobei der Datensatz (41) die Höhe des Guthabens umfasst,

- wobei der Datensatz (41) bei seinem Einlangen beim Server (1) abgespeichert wird und im Falle der erfolgreichen Abspeicherung ein Freigabedatensatz (42) an den Spielautomaten (2) rückübermittelt wird,

- wobei bei Einlangen des Freigabedatensatzes (42) beim jeweiligen Spielautomaten (2) ein Bestätigungsticket (3) bereitgestellt und an den Spieler abgegeben wird,

wobei der Datensatz (41) vom Server (1) zum Ausdruck zur Verfügung gehalten wird,

- wobei der Datensatz (41) auf einem mit dem Server (1) verbundenen Drucker (5) ausgedruckt wird und/oder dass der Datensatz (41) in einem im Server (1) abgespeicherten elektronischen Dokuments eingefügt wird, das zum Ausdruck zur Verfügung gehalten wird, und

- wobei der Datensatz (41) in der Zeit zwischen dem Einlangen des Datensatzes (41) beim Server (1) und der Übermittlung des Freigabedatensatzes (42) an den Spielautomaten (2) ausgedruckt und/oder am Ende des elektronischen Dokuments eingefügt wird

V. Die Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen.

a) Die Erfindung gehe von einem System aus, in dem in den einzelnen Spielautomaten Belege gedruckt und gesammelt würden. Durch das zentrale Drucken und Sammeln der Belege durch einen Server in einem gesicherten Raum entfiele die notwendige sichere Aufbewahrung der Belege in den Spielautomaten. Zusätzlich würden Probleme mit Stauungen und Zerstörungen von Belegen vermieden.

b) D1 offenbare zwar eine zentrale Speicherung von Datensätzen, verwende diese aber nur zur Überprüfung von Daten mit Hilfe eines validation code. Ein Drucker sei zwar an sich ebenfalls offenbart, es gebe aber keine Offenbarung, dass Belege tatsächlich gedruckt würden. Dies würde durch D1 auch nicht nahegelegt, es sei denn in rückschauender Betrachtungsweise.

c) D1 offenbare auch den Zeitpunkt eines möglichen Druckens der Belege nicht. Dass dies erfindungsgemäß vor der Übermittlung des Freigabedatensatzes an den Spielautomaten geschehe, erhöhe die Manipulationssicherheit des Systems.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Stand der Technik / D1

D1 offenbart ein System, bei dem eine Mehrzahl von Spielautomaten mit einem zentralen Serversystem verbunden sind (siehe Figur 2). Die Auszahlung von Guthaben kann durch die Spieler an den jeweiligen Spielautomaten initiiert werden. Eine entsprechende Anfrage wird von dem jeweiligen Spielautomaten an das Serversystem gesendet. Dieses erzeugt eine Kontrollnummer (validation number), die zusammen mit anderen notwendigen Informationen wieder an den Spielautomaten übermittelt wird (siehe [59]). Das zentrale Serversystem kann dabei auch Buchhaltungsfunktionen (accounting services) übernehmen (siehe [53]). Hierzu werden unter anderem Berichte erzeugt, die die ausgezahlten Guthaben betreffen (ticket issuance reports).

In der angefochtenen Entscheidung wird D1 als nächstliegender Stand der Technik betrachtet. Dies wurde von der Beschwerdeführerin nicht bestritten. Die Kammer sieht keinen Grund, dies anders zu sehen.

3. Im Wortlaut des Anspruchs 1 offenbart D1 ein

Verfahren zur Auszahlung von Guthaben mittels eines Systems umfassend einen Server (110, siehe [48]) und eine Anzahl von mit dem Server verbundenen und einem Spieler bedienbaren Spielautomaten (10),

- wobei zumindest ein Spielautomat (10) eine Spieleinheit (siehe Figur 2) und eine von einem Spieler betätigbare Auszahlungseinheit (zur Auszahlung eines Guthabens (,,cash out", button or other input device) in Form eines Bestätigungstickets oder Speichermediums (printed ticket or cashless instrument) aufweist (siehe [59]); und

- wobei die Spieleinheit bei Vorliegen eines Guthabens die Durchführung eines Spiels ermöglicht (dies ist Spielautomaten immanent), und

- wobei bei Vorliegen eines Guthabens und Betätigung der Auszahlungseinheit ein Datensatz (cash out request) an den Server (110) übermittelt wird (cash out request is transmitted to a server, [59]), wobei der Datensatz die Höhe des Guthabens umfasst (da der Server den auszuzahlenden Betrag nach [59] an den Spielautomaten sendet, muss er ihn vorher erhalten haben),

- wobei der Datensatz bei seinem Einlangen beim Server (110) abgespeichert wird (im System der D1 werden zu Back-up-, Buchungs- und Kontrollzwecken sämtliche Daten serverseitig abgespeichert: Database 90 is preferably adapted to store many or all files containing pertinent data or information regarding cashless instruments such as printed tickets, among other potential items, [43] und: In addition, cashless instrument transaction information may be stored at a cashless server, such as EZ Pay ® server 110, [48]) und im Falle der erfolgreichen Abspeicherung ein Freigabedatensatz an den Spielautomaten (10) rückübermittelt wird (The CVT 160, server 110, or other central device then transmits the validation number and any other necessary information to the pertinent gaming machine 165-169, such as the date, time, appropriate monetary amount, validation and so forth, as desired, [59]),

- wobei bei Einlangen des Freigabedatensatzes beim jeweiligen Spielautomaten (165-169) ein Bestätigungsticket (printed ticket or cashless instrument) bereitgestellt und an den Spieler abgegeben wird (vorletzter Satz in [59]),

wobei der Datensatz vom Server (110) zum Ausdruck zur Verfügung gehalten wird (da die Daten im Server gespeichert werden, stehen sie auch, nach einer entsprechenden Aufbereitung, zum Ausdrucken bereit).

Dies wurde von der Beschwerdeführerin nicht bestritten.

Bevor Daten aus einer Datenbank ausgedruckt werden, müssen sie in der Regel für den Druck aufbereitet werden. Durch diese Aufbereitung entsteht typischerweise ein elektronisches Dokument, das dann ausgedruckt wird. Der ticket issuance report genannte Bericht, der in D1 erwähnt wird (siehe [53]), kann als ein solches Dokument angesehen werden. Allerdings ist der D1 nicht eindeutig und zweifelsfrei entnehmbar, inwiefern dieser Bericht zum Ausdruck zur Verfügung gehalten wird.

Im Gegensatz zur Meinung der Prüfungsabteilung (letzter Absatz des Abschnitts 3.1 der angefochtenen Entscheidung) ist die Kammer daher der Ansicht, dass die Speicherung von Datensätzen in einer Datenbank nicht dem Einfügen in ein abgespeichertes elektronisches Dokument, welches zum Ausdruck zur Verfügung gehalten wird, entspricht.

4. Unterscheidende Merkmale

Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von der D1 daher durch die Merkmale

(a) wobei der Datensatz auf einem mit dem Server verbundenen Drucker ausgedruckt wird und/oder dass der Datensatz in einem im Server abgespeicherten elektronischen Dokument eingefügt wird, das zum Ausdruck zur Verfügung gehalten wird, und

(b) wobei der Datensatz in der Zeit zwischen dem Einlangen des Datensatzes beim Server und der Übermittlung des Freigabedatensatzes an den Spielautomaten ausgedruckt und/oder am Ende des elektronischen Dokuments eingefügt wird.

Die Kammer stimmt daher der Beschwerdeführerin zu, dass D1 den tatsächlichen Druck (beziehungsweise dessen Vorbereitung) von Datensätzen nicht offenbart und dementsprechend auch zum Zeitpunkt keine Angaben macht, zu dem dies erfolgen soll (siehe die Punkte V.b) und c) oben).

5. Erfinderische Tätigkeit

5.1 Nicht-technische Aspekte

Alle Arten geschäftlicher Tätigkeit, auch das Betreiben von Spielautomaten, werden grundsätzlich immer dokumentiert. Diese Dokumentation betrifft keine technische Daten, sondern dient buchhalterischen, steuerlichen und anderen verwaltungstechnischen Zwecken und weist für sich genommen keine technischen Aspekte auf.

Zwecke, die für sich genommen keine technischen Aspekte aufweisen, können nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern keine erfinderische Tätigkeit begründen und können stattdessen als Bedingung in die Formulierung der technischen Aufgabe mit einfließen (Rechtsprechung der Beschwerdekammer, 9. Auflage 2019, Abschnitt I.D.9.1., Ende des ersten Absatzes).

Davon abgesehen werden Maßnahmen zur Dokumentation in D1 auch ausdrücklich erwähnt. Zum Beispiel werden nach D1 die relevanten Daten zentral gespeichert (siehe [43]) und Berichte erzeugt, die sich auf die ausgegebenen/gedruckten Tickets beziehen (ticket issuance reports; [53]).

5.2 Merkmal (a)

Der technische Effekt des unterscheidenden Merkmals (a) besteht darin, dass die Dokumentation der ausgezahlten Guthaben durch die spezielle Maßnahme des Ausdruckens oder die konkrete Vorbereitung des Ausdruckens (durch das Einfügen in das elektronische Dokument in der zweiten Alternative oder) erfolgt.

Das zu lösende objektive technische Problem kann unter Einbeziehung der nicht-technischen Aspekte als Bedingung daher so formuliert werden, dass eine Dokumentation der ausgezahlten Guthaben technisch umgesetzt werden soll.

Das Ausdrucken von zu dokumentierenden Daten ist jedoch seit langem üblich und geht daher über eine naheliegende technische Umsetzung der rein buchhalterischen Bedingung einer Dokumentation an sich nicht hinaus. Je nach den Umständen wird diese spezielle Form der technischen Umsetzung einer Dokumentation sogar gesetzlich vorgeschrieben sein (siehe [10] der veröffentlichten Anmeldung).

Ausgehend von D1 müsste der Fachmann, wenn er die in Verbindung mit dem Server gespeicherten Daten ausdrucken wollte, auch keinerlei technische Schwierigkeiten überwinden, die die Ausübung einer erfinderischen Tätigkeit erfordern würden.

Stattdessen sind im System der D1 sogar ausdrücklich in Verbindung mit dem Server ein oder mehrere Drucker 83 vorgesehen (siehe [43] und Figur 2), welche für diesen Zweck genutzt werden könnten.

Aus diesem Grund kann die Kammer, anders als von der Beschwerdeführerin vorgebracht (siehe Punkt V.b) oben), hier auch keine rückschauende Betrachtungsweise erkennen.

Das Merkmal (a) kann daher keine Anerkennung einer erfinderischen Tätigkeit begründen.

5.3 Merkmal (b)

Die Wirkung des unterscheidenden Merkmals (b) ist, dass die Dokumentation eines auszuzahlenden Guthabens erfolgt, bevor das Guthaben ausgezahlt wird.

Dies mag zwar durchaus die Manipulationssicherheit des Systems erhöhen, wie von der Beschwerdeführerin vorgebracht (siehe Punkt V.c) oben). Diese Erhöhung der Manipulationssicherheit wird jedoch durch eine rein buchhalterische Maßnahme erzielt, die letztendlich nur die übliche kaufmännische Vorsicht repräsentiert.

In ähnlicher Weise ist es zum Beispiel beim Umtausch von Produkten üblich, dass die umtauschende Person mit ihrer Unterschrift den Erhalt des neuen Produkts bestätigen muss, bevor es ihr ausgehändigt wird. Ähnliches gilt für die Abholung eines Wagens bei einer Autovermietung. Bei über das Internet bestellten Produkten, bei denen Vorkasse verlangt wird, erfolgt eine Verbuchung/Dokumentation der eingegangenen Zahlung ebenfalls vor dem Versenden der Produkte.

Die Erhöhung der Manipulationssicherheit kann also im vorliegenden Fall nicht als ein technischer Effekt angesehen werden. Ein technischer Aspekt des Zeitpunkts der Dokumentation nach Merkmal (b) ist daher nicht zu erkennen (dies entspricht der Argumentation der Prüfungsabteilung unter Punkt 3.3 der angefochtenen Entscheidung).

Entsprechend kann dieser Zeitpunkt lediglich als zusätzliche Bedingung in das zu lösende objektive technische Problem, eine Dokumentation der ausgezahlten Guthaben technisch umzusetzen, mit aufgenommen werden. Insofern gilt das unter Punkt 5.2 Ausgeführte.

Daher kann auch das Merkmal (b) keine Anerkennung einer erfinderischen Tätigkeit begründen.

5.4 Lokale Aufbewahrung gedruckter Tickets (siehe Punkt V.a) oben)

Das Argument der Beschwerdeführerin, dass durch den zentralen Ausdruck der Datensätze die Schwierigkeiten vermieden werden können, die mit der lokalen Aufbewahrung der gedruckten Tickets in den Spielautomaten zusammenhängen, kann nur gültig sein, sofern der nächstliegende Stand der Technik eine solche lokale Aufbewahrung vorsieht. Dies ist bei der D1 jedoch nicht der Fall. Daher stellt sich das von der Beschwerdeführerin angegebene Problem ausgehend von der D1 nicht.

Unabhängig davon ist die Forderung der lokalen Aufbewahrung der Tickets nach der Anmeldung lediglich die Folge gesetzlicher Vorschriften ohne technischen Hintergrund (siehe [10] der veröffentlichten Anmeldung).

5.5 Schlussfolgerung

Aus den obigen Gründen beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 des einzigen Antrags nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit nach Artikel 56 EPÜ.

6. Da Anspruch 1 des einzigen Antrags die Bedingungen des EPÜ nicht erfüllt, kann die Beschwerde keinen Erfolg haben.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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