T 1439/15 (Mikrokapsel/BASF) of 5.10.2017

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2017:T143915.20171005
Datum der Entscheidung: 05 October 2017
Aktenzeichen: T 1439/15
Anmeldenummer: 09702437.6
IPC-Klasse: B01J 13/14
C11D 3/37
C11D 3/50
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: DUFTSTOFFENTHALTENDE MIKROKAPSELN MIT VERBESSERTEM FREISETZUNGSVERHALTEN
Name des Anmelders: BASF SE
Name des Einsprechenden: Encapsys, LLC
Kammer: 3.3.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54(1)
European Patent Convention Art 54(2)
European Patent Convention Art 54(3)
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 100(a)
European Patent Convention Art 100(b)
Schlagwörter: Ausreichende Offenbarung - (ja)
Neuheit - Auswahlerfindung (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0666/89
T 0409/91
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Gegenstand des europäischen Patents EP 2 237 874 B1 sind Mikrokapseln mit einer polymeren Schale und einem Kern, der einen Duft- oder Riechstoff enthält.

II. Anspruch 1 des erteilten Patents, auf den alle weiteren erteilten Ansprüche rückbezogen sind, hat folgenden Wortlaut:

"1. Mikrokapsel, umfassend einen Kern a), der einen Duft- oder Riechstoff enthält, und eine Schale b), wobei b) erhältlich ist durch Polymerisation von

- einem oder mehreren C1-C24-Alkylester/n der Acryl- und/oder Methacrylsäure und

- mindestens zwei verschiedenen bi- oder polyfunktionellen Monomeren."

III. Gegen das Patent wurde Einspruch eingelegt. Der Einspruch stützte sich u.a. auf folgende Dokumente:

D4: WO-A-2009/077 525 A2

D5: DE-A-10 2007 055 813 A1

D6: US-A-5 292 835

D11: US 2006/0 263 518 A1

IV. Die Einspruchsabteilung entschied, dass das Patent in der erteilten Fassung den Erfordernissen der Artikel 83, 54 und 56 EPÜ genüge. Sie kam zu dem Schluss, dass die Ausführbarkeit der beanspruchten Erfindung gegeben sei, da die Herstellung von Duftstoffkapseln und die Auswahl von zwei bi- oder polyfunktionellen Monomeren im Lichte der Offenbarung und insbesondere der Beispiele für den Fachmann kein Problem darstelle.

Nach Ansicht der Einspruchsabteilung war die Priorität des Streitpatents gültig beansprucht und D5 somit kein Stand der Technik nach Artikel 54(1),(2) EPÜ. Die im Streitpatent beanspruchten Gegenstände stellten eine neue Auswahl aus D4 dar. In D6 gebe es keinen Hinweis auf die Verwendung eines Gemischs von Vernetzern.

Zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit gingen die Einspruchsabteilung so wie die Parteien von D6, Beispiel 17, als dem nächstliegenden Stand der Technik aus. Der Einsprechenden zufolge sei das im Patent, Beispiel 3, im Vergleich mit den Beispielen 1 und 2 gezeigte verbesserte Duftfreisetzungsverhalten aus den Kapseln nicht auf die Kombination von mindestens zwei verschiedenen Vernetzern zurückzuführen, sondern vielmehr auf die Optimierung der Vernetzerdichte. Die objektive Aufgabe sei daher die Bereitstellung alternativer Mikrokapseln.

Allerdings sei laut Einspruchsabteilung die Einsprechende den Beweis für ihre diesbezüglichen Behauptungen schuldig geblieben. Die von ihr herangezogene Kombination von D6 und D11 hätte für den Fachmann nicht nahegelegen.

V. Die Einsprechende (im Folgenden: Beschwerdeführerin) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Zurückweisung des Einspruchs gegen das Patent Beschwerde eingelegt. Mit der Beschwerdebegründung reichte sie u.a. folgendes Dokument ein:

D13: Versuchsbericht der Beschwerdeführerin.

VI. Mit ihrer Beschwerdeerwiderung vom 4. Februar 2016 reichte die Patent­inhaberin (Beschwerdegegnerin) sechs Hilfsanträge ein.

VII. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) trug im Wesentlichen wie folgt vor:

Offenbarung

Das Streitpatent enthalte keine vollständige und genügende Darstellung des technischen Konzepts, sodass die beabsichtigte Wirkung nicht ohne unzumutbaren Aufwand über den gesamten beanspruchten Bereich erzielt werden könne.

Neuheit

D4 sei Stand der Technik nach Artikel 54(3) EPÜ und neuheitsschädlich für den Gegenstand von Anspruch 1 des Patents in seiner erteilten Fassung. D5, welches im Prioritätszeitraum veröffentlicht sei, nehme den Gegenstand von Anspruch 1 ebenfalls vorweg und sei neuheitsschädlich, da das dem Streitpatent zugrunde liegende Prioritätsdokument nicht die erste Anmeldung im Sinne von Artikel 87(1) EPÜ sei und somit die in Anspruch genommene Priorität nicht gültig sei.

Erfinderische Tätigkeit

Die Beschwerdeführerin ging von D11 als nächstliegendem Stand der Technik aus, da es dieselbe Aufgabenstellung betreffe und mehr gemeinsame Merkmale mit dem Streitpatent aufweise als D6. Das Unterscheidungs­merkmal sei die Verwendung von (Meth)acryl-alkylestern anstelle von Maleinsäurealkylester. Ein technischer Effekt sei damit aber nicht verbunden und es liege folglich keine erfinderische Tätigkeit vor.

Alternativ ging die Beschwerdeführerin von D6 (Beispiel 17) als nächstliegendem Stand der Technik aus. Anspruch 1 unterscheide sich davon lediglich durch die Verwendung von mindestens zwei verschiedenen bi- oder polyfunktionellen Monomeren (Vernetzern).

Die im Streitpatent behaupteten, damit verbundenen technischen Effekte bzw. Vorteile hinsichtlich der Duftstofffreisetzung seien jedoch nicht nachgewiesen. Die erfindungsgemäßen Proben 3, 6, 7 und 10 aus D13 zeigten keine Vorteile gegenüber den Vergleichs­versuchen 1, 2, 4, 5, 8 und 9. Die Beispiele des Streitpatents stellten keinen Vergleich mit D11 dar. Sie beträfen auch nur eine bestimmte Kombination aus zwei Vernetzern und könnten den Anspruch nicht in seiner ganzen Breite stützen. Die Kritik der Beschwerdegegnerin an der Durchführung der Versuche der Beschwerdeführerin sei nicht gerechtfertigt.

Da mithin ein Effekt nicht belegt sei, sei die Aufgabe als bloße Alternative umzuformulieren.

Die beanspruchte Alternativlösung habe im Hinblick auf D6 alleine oder ausgehend von D6 in Kombination mit D11 nahegelegen.

VIII. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) trug im Wesentlichen wie folgt vor:

Offenbarung

Das Erfordernis der ausreichenden Offenbarung sei erfüllt. Zum einen seien dem Fachmann zahlreiche Methoden zur Herstellung von Mikrokapseln bekannt. Zum anderen würden in der Beschreibung geeignete Einsatzstoffe und Reaktionsbedingungen genannt, die es dem Fachmann erlaubten, die Erfindung auch über die Beispiele hinaus im gesamten beanspruchten Umfang auszuführen.

Neuheit

Der Gegenstand der Ansprüche des Streitpatents sei neu. Um zum Gegenstand von Anspruch 1 zu gelangen, müsste der Fachmann in D4 mehrere Auswahlschritte vornehmen. Entsprechendes gelte für D5.

Erfinderische Tätigkeit

D6 sei als nächstliegender Stand der Technik anzusehen, da dort die gleichen Basismonomere verwendet würden wie im Streitpatent. D11 sei weniger geeignet als nächstliegender Stand der Technik. Die Aufgabe sei gelöst, wie dies durch die im Patent beschriebenen Beispiele belegt sei. D13 könne dies nicht in Frage stellen, insbesondere weil dort nicht bei gleicher Rührgeschwindigkeit gearbeitet worden sei bzw. sich die eingesetzten Vernetzermengen wesentlich von D6 bzw. von den im Streitpatent eingesetzten Mengen unterschieden. Es habe weder im Lichte von D6 allein noch von D11 nahegelegen, zum Gegenstand von Anspruch 1 zu gelangen. Das Erfordernis nach Artikel 56 EPÜ sei daher erfüllt.

IX. Anträge

Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Streit­patents.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragt als Hauptantrag, die Beschwerde zurückzuweisen und das Patent in der erteilten Fassung aufrechtzuerhalten. Hilfsweise beantragt sie die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Form auf der Grundlage der Patentansprüche gemäß Hilfsanträgen 1 bis 6, eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung vom 4. Februar 2016.

Entscheidungsgründe

1. Offenbarung - Artikel 100(b) EPÜ

1.1 Der Vortrag der Beschwerdeführerin hinsichtlich dieses Einspruchsgrunds betrifft im Kern das Argument, dass die insbesondere in Absatz [0007] des Patents erwähnte technische Aufgabe bzw. Verbesserung nicht über den gesamten beanspruchten Bereich gelöst sei bzw. die beanspruchten Mikrokapseln keine verbesserten Eigenschaften gegenüber bekannten Kapseln aufwiesen.

1.2 Zunächst stellt die Kammer fest, dass weder in den Produktansprüchen 1 bis 8 noch in den Verwendungsansprüchen 9 bis 14 des erteilten Patents eine wie von der Beschwerdeführerin angesprochene Verbesserung erwähnt wird. Darüber hinaus besteht kein vernünftiger Zweifel, dass Mikrokapseln, wie in Anspruch 1 beschrieben, vom Fachmann ggf. unter Zuhilfenahme der Gesamtoffenbarung des Streitpatents und des allgemeinen Fachwissens herstellbar sind und wie in einem der Ansprüche 9 bis 14 angegeben verwendet werden können.

1.3 Ob die beanspruchten Kapseln bzw. ihre Verwendung in der Tat zu einer Verbesserung gegenüber vorbekannten Kapseln führen, ist jedoch, wie dies die Einspruchsabteilung richtig festgestellt hat, eine Frage der erfinderischen Tätigkeit und nicht der Ausführbarkeit der Erfindung (siehe insbesondere "Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA", 8. Auflage (im Folgenden "Rechtsprechung"), II.C.2., vorletzter Absatz).

1.4 Die von der Beschwerdeführerin angeführten Passagen aus "Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA", 7. Auflage, englischsprachige Ausgabe, Seiten 264 und 265, betreffen die Erfordernisse nach Artikel 84 EPÜ (vgl. "II.A.5. Claims supported by the description"). Was die Entscheidung T 409/91 betrifft, die in der von der Beschwerdeführerin zitierten Passage auf Seite 326 angeführt ist, so ging es in dem dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Fall um eine funktionelle Definition eines Merkmals (vgl. insbesondere Punkte 3.4 und 3.5 der Entscheidungsgründe). Eine solche funktionelle Definition liegt gegenständlich jedoch nicht vor.

1.5 Aus den genannten Gründen steht der Einspruchsgrund nach Artikel 100b) EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents nicht entgegen.

2. Neuheit (Hauptantrag)

2.1 Dokument D4

2.1.1 Es steht außer Streit, dass D4 unabhängig von der Gültigkeit der in Anspruch genommenen Priorität Stand der Technik nach Artikel 54(3) EPÜ ist.

2.1.2 Auch wenn die Beschwerdeführerin der Ansicht ist, dass die Passage auf Seite 8, Zeilen 22 bis 25 von D4 eine klare technische Lehre für die Verkapselung von Duftstoffen darstelle, so räumt sie doch ein, dass dort Duftstoffe nur in einer Liste von möglichen zu verkapselnden Stoffen aufscheint.

Tatsächlich werden dort eine Anzahl von Stoffen aufgezählt, welche neben Duftstoffen z.B. auch Klebstoffe, Biozide oder Pflanzenschutzmittel umfassen. Um zum Gegenstand von Anspruch 1 zu gelangen, ist es daher notwendig, zumindest Duftstoffe aus der auf Seite 8, Zeilen 22 bis 25, enthaltenen Liste von Stoffen auszuwählen.

2.1.3 Streitig ist, ob weitere Auswahlschritte notwendig sind, um zu den im erteilten Anspruch 1 genannten Alkylestern bzw. bi- oder polyfunktionellen Monomeren zu gelangen.

Nach Ansicht der Beschwerdeführerin seien diese Merkmale von Anspruch 1 in Kombination in D4 offenbart, da sie dort als besonders bevorzugt dargestellt würden.

2.1.4 Was die in Anspruch 1 des Streitpatents genannten Alkylester betrifft, so wird in D4 zwar im ersten Absatz auf Seite 3 gesagt, dass "[g]eeignete Monomere I... iso-Propyl-, iso-Butyl-, sec.-Butyl- und tert.-Butylacrylat und die entsprechenden Methacrylate, sowie besonders bevorzugte Methyl-, Ethyl-, n-Propyl- und n-Butylacrylat und die entsprechenden Methacrylate" seien. Allerdings heißt es im darauf folgenden Satz, dass "[g]enerell... Methacrylate und Methacrylsäure bevorzugt" würden. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin würde sich aus diesen Passagen ergeben, dass zwar Methacrylsäure bevorzugt sei, besonders bevorzugt jedoch die auf Seite 3, Zeilen 4 und 5, erwähnten Alkylester seien.

Dieser Ansicht kann sich die Kammer nicht anschließen, da auch im darauf folgenden Absatz von "Methacrylsäure" als besonders bevorzugter Ausführungsform gesprochen wird (vgl. "[n]ach einer bevorzugten Ausführungsform enthalten die Mikrokapselwände... insbesondere Methacrylsäure..."). Aus diesen Passagen geht somit nicht eindeutig hervor, dass besonders bevorzugte Monomere I lediglich die auf Seite 3, Zeilen 4 und 5 erwähnten Alkylester sind. Vielmehr wird in den genannten Passagen ebenso wenigsten Methacrylsäure als besonders bevorzugt dargestellt. Um zum Gegenstand von Anspruch 1 zu gelangen, müsste der Fachmann daher aus der Liste umfassend die auf Seite 3, Zeilen 4 und 5 erwähnten Alkylester und wenigstens Methacrylsäure zumindest einen dieser Alkylester auswählen. Um zum Gegenstand von Anspruch 1 zu gelangen ist daher wenigsten eine zweifache Auswahl, nämlich hinsichtlich des Duftstoffes (2.1.2 supra) und hinsichtlich der Alkylester, notwendig.

2.1.5 Nach Ansicht der Beschwerdeführerin bestehe die zweite Auswahl nur darin, zwischen Methacrylaten und Methacrylsäure, also zwischen zwei Möglichkeiten auszuwählen, was nicht ausreichend sei, um Neuheit gegenüber D4 herzustellen.

Dieses Argument überzeugt die Kammer nicht, denn als besonders bevorzugt für die Monomere I wird in D4 eine Liste umfassend vier Acrylate, vier Methacrylate und Methacrylsäure gelehrt (Seite 3, Zeilen 6 bis 10). Um zum Gegenstand von Anspruch 1 zu gelangen, müsste der Fachmann daher aus dieser Liste eines der vier genannten Acrylate oder eines der vier genannten Methacrylate auswählen.

2.1.6 Im Übrigen bemerkt die Kammer, dass Dokument D4 keinen Hinweis enthält, die auf Seite 8, Zeile 23 erwähnten Duftstoffe mit den auf Seite 3, Zeilen 3 bis 5 offenbarten Alkylestern zu kombinieren.

2.1.7 Aus diesen Gründen und in Einklang mit der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern (Rechtsprechung, supra, I.C.6.2.1b)) kommt die Kammer zu dem Schluss, dass der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag neu ist gegenüber D4. Es kann daher dahinstehen, ob es hinsichtlich des Merkmals der bi- bzw. poly­funktionellen Monomere in D4 einer weiteren Auswahl bedarf.

2.1.8 Auch die von der Beschwerdeführerin erwähnte Entscheidung T 666/89 steht dieser Schlussfolgerung nicht entgegen, da es dort um die Kombination von zwei Verbindungen ging, die in der Entgegenhaltung jeweils für sich genommen als bevorzugt bzw. besonders wirksam bezeichnet wurden (siehe Punkt 4 der Entscheidungs­gründe, zweiter und dritter Absatz), d.h. in dieser Entscheidung ging es nicht um eine Auswahl aus einer Liste von bevorzugten Verbindungen.

2.2 Dokument D5

2.2.1 Der Offenbarungsgehalt von D5 ist zwar demjenigen der D4 ähnlich, unterscheidet sich davon jedoch in einem wesentlichen Punkt. Hinsichtlich der Monomere II werden zwar bi- oder polyfunktionelle Monomere und insbesondere Divinyl- und Polyvinylmonomere erwähnt (siehe Absatz [0017]), allerdings werden Mischungen von bi- bzw. polyfunktionellen Monomeren (vgl. "mindestens zwei verschiedene bi- oder polyfunktionelle Monomere" in Anspruch 1 des Streitpatents) nur als eine von mehreren bevorzugten Ausführungsformen offenbart (siehe Absatz [0019]: "sowie ihre technischen Mischungen"). Um zum Gegenstand von Anspruch 1 zu gelangen, müsste der Fachmann daher nicht nur Duftstoffe aus der in Absatz [0023] von D5 offenbarten Liste lipophiler Substanzen auswählen, sondern müsste auch aus der in Absatz [0019] angegebenen Liste der Polyvinylmonomere das Element "ihre technischen Mischungen" auswählen.

2.2.2 Der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag ist daher neu gegenüber D5 unabhängig davon, ob D5 zum Stand der Technik nach Artikel 54(1),(2) EPÜ gehört oder nicht.

2.2.3 Der Einspruchsgrund nach Artikel 100a) iVm Artikel 54 (1) bis (3) EPÜ steht daher der Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung nicht entgegen.

3. Erfinderische Tätigkeit (Hauptantrag)

3.1 Die Erfindung betrifft Mikrokapseln, welche in ihrem Kern einen oder mehrere Duft- oder Riechstoffe enthalten (Absatz [0001] des Streitpatents).

3.2 Während beide Parteien sich darin einig sind, dass D6 als nächstliegender Stand der Technik in Frage kommt, trug die Beschwerdeführerin auch vor, dass alternativ D11 als nächstliegender Stand der Technik anzusehen sei.

3.2.1 Zwar betrifft D11 Mikrokapseln, welche u.a. auch einen Duftstoff enthalten können (Absätze [0011] und [0063], Beispiele 9 und 15), allerdings unterscheidet sich der Gegenstand von Anspruch 1 von den in D11 offenbarten Mikrokapseln unstreitig dadurch, dass sie durch die Polymerisation von einem oder mehreren C1-C24-Alkylester/n der Acryl- und/oder Methacrylsäure erhältlich sind. Die Beschwerdeführerin trug vor, dass D11 insofern dem Gegenstand von Anspruch 1 näher sei, als in D11 die Verwendung von Monobutylmaleat besonders bevorzugt sei (Absatz [0052]).

3.2.2 Nun wird zwar in D11 die Verwendung von Monobutylmaleat als besonders bevorzugt dargestellt, was sich insbesondere aus dem Umstand ergibt, dass in allen Beispielen Monobutylmaleat zum Einsatz kommt. Jedoch hat die Beschwerdeführerin keine Beweismittel, insbesondere Vergleichsversuche, eingereicht, die es zweifelhaft erscheinen lassen könnten, dass die beanspruchten Mikrokapseln zu einer Verbesserung des Freisetzungsverhaltens (s.u.) gegenüber jenen von D11 führen. Hierzu ist es nicht ausreichend zu behaupten, dass kein Nachweis einer technischen Wirkung vorliege, da Maleinsäure ebenso wie Alkylester der Acryl- und/oder Methacrylsäure verwendet werden könnten, um Mikrokapseln herzustellen (vgl. Punkt 6.15 der Beschwerdebegründung).

Andererseits werden in D6 Mikrokapseln offenbart, welche als jenen entsprechend angesehen werden können, von denen auch im Streitpatent ausgegangen wird (siehe Vergleichsbeispiel 1 des Streitpatents). Zudem sind die von der Beschwerdeführerin beigebrachten Vergleichsversuche D13, vorbehaltlich einer eingehenden Bewertung (s.u.), grundsätzlich geeignet, das Auftreten der technischen Wirkung über im wesentlichen den gesamten beanspruchten Bereich in Zweifel zu ziehen, da sie einen Vergleich von anspruchsgemäßen Mikrokapseln mit Mikrokapseln, bei denen, wie in D6, nur ein Vernetzer zum Einsatz kommt, zum Gegenstand haben. D6 ist daher als "erfolgversprechendstes Sprungbrett" zur Erfindung anzusehen, welches dem Fachmann zur Verfügung steht (Rechtsprechung, supra, I.D.3.4.2).

3.2.3 Aus den genannten Gründen geht die Kammer von D6 als nächstliegendem Stand der Technik aus.

3.3 Gemäß dem Patent war technische Aufgabe, eine Mikrokapsel bereitzustellen, bei der ein "Burst-Release"-Effekt nach Kapselbruch durch Reibung auch über einen längeren Zeitraum gewährleistet wird (vgl. Absätze [0007], [0008] und [0099]).

3.4 Gemäß Anspruch 1 in der erteilten Fassung wird vorgeschlagen, diese Aufgabe durch eine Mikrokapsel zu lösen, welche einen Kern a), der einen Duft- oder Riechstoff enthält, und eine Schale b) umfasst, wobei b) erhältlich ist durch Polymerisation von einem oder mehreren C1-C24-Alkylester/n der Acryl- und/oder Methacrylsäure und einem bi- oder polyfunktionellen Monomer, wobei die Mirkokapsel dadurch gekennzeichnet ist, dass die Schale b) erhältlich ist durch Polymerisation von mindestens zwei verschiedenen bi- oder polyfunktionellen Monomeren.

3.5 Unter den Parteien war es streitig, ob diese Aufgabe ausgehend von D6 als gelöst angesehen werden kann.

3.5.1 Zunächst ist festzuhalten, dass das Streitpatent Versuche enthält, in denen Mikrokapseln, welche unter Verwendung eines einzigen bi- bzw. polyfunktionellen Vernetzers erhalten wurden, hinsichtlich des "Burst-Release"-Effekts verglichen werden mit anspruchsgemäßen Mikrokapseln, welche unter Verwendung zweier unterschiedlicher bi- bzw. polyfunktioneller Vernetzer erhalten wurden. So wird in Vergleichsbeispiel 1 (Absätze [0085] bis [0088]) als einziger Vernetzer 1,4-Butandioldiacrylat eingesetzt. Auch in Beispiel 17 von D6 kommt Butandioldiacrylat als einziger Vernetzer zum Einsatz. Dies bedeutet, dass das Vergleichsbeispiel 1 des Streitpatents als repräsentativ für den nächstliegenden Stand der Technik, d.h. Beispiel 17 von D6, angesehen werden kann. Im erfindungsgemäßen Beispiel 3 des Streitpatents (Absätze [0091] bis [0094]) werden zwei verschiedene bi- bzw. polyfunktionelle Vernetzer eingesetzt, und zwar 1,4-Butandioldiacrylat und Pentaerythrittetraacrylat. Die Mikrokapseln, welche nach dem erfindungsgemäßen Beispiel 3 erhalten wurden, zeigten nach längeren Lagerungsdauer, d.h. nach 1 bzw. 2 Monaten, ein verbessertes Freisetzungsverhalten nach dem Reibeexperiment (vgl. "Burst-Release"-Effekt) im Vergleich zum Vergleichsbeispiel 1 (siehe die Tabelle in Absatz [0098], wo nach 1 bzw. 2 Monaten ein Wert von jeweils 2 erhalten wurde, gegenüber Werten von "1-2" bzw. "1" für das Vergleichsbeispiel 1).

3.5.2 Im schriftlichen Verfahren wie auch in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer wurde die Frage kontrovers diskutiert, ob die Vergleichsversuche der Beschwerdeführerin (D13) belegen können, dass die Aufgabe nicht gelöst sei.

3.5.3 Nach Ansicht der Beschwerdeführerin seien die Proben 1 bis 3 von D13 durch das Nacharbeiten der im Streitpatent enthaltenen Beispiele erhalten worden und stellten die im Patent erhaltenen Ergebnisse in Frage.

Die Proben 1 bis 3 von D13 wurden erhalten, indem ausweislich D13 die Vergleichsbeispiele 1 und 2 und das Beispiel 3 des Patents nachgearbeitet wurden, und zwar - im Hinblick auf die begrenzte Größe des verwendeten Gefäßes - mit jeweils der Hälfte der vorgegebenen Menge (D13, Seite 1, letzter Absatz). Für Probe 3, welche Beispiel 3 des Patents entspricht, wurde nach 1 bzw. 2 Monaten nach dem Reibeexperiment keine Verbesserung gegenüber der Probe 1, welche Vergleichsbeispiel 1 des Patents entspricht, festgestellt (D13, Tabelle 4 auf Seite 5), sodass diese Versuche dem ersten Anschein nach die im Patent enthaltenen Ergebnisse in Frage stellen können. Allerdings wurden das Vergleichsbeispiel 1 und das Beispiel 3 im Patent bei gleicher Rührgeschwindigkeit von 3500 U/min durchgeführt (Absätze [0087] und [0093]), wohingegen die Probe 1 von D13 bei einer Rührgeschwindigkeit von 3000 U/min und die Probe 3 von D13 bei einer Rührgeschwindigkeit von 2800 U/min erhalten wurden (D13, Seite 4, Tabelle 2). Zwar entspricht diese Verringerung in der Rührgeschwindigkeit einem Unterschied von lediglich ca. 7%, jedoch ist es möglich bzw. nicht auszuschließen, dass bei gleicher Rührgeschwindigkeit in Probe 3 von D13 Partikel erhalten worden wären, die bei der Beurteilung "nach dem Reibeexperiment" eine Verbesserung gegenüber der Probe 1 darstellten. Die Beschwerdeführerin konnte in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer keinen Grund angeben, weshalb die Rührgeschwindigkeit bei der Herstellung der Probe 3 niedriger gewählt wurde als bei Probe 1. Ebenso blieb sie den Nachweis schuldig bzw. konnte nicht darlegen, dass die Verringerung der Rührgeschwindigkeit im vorliegenden Fall keinen wesentlichen Einfluss auf das Freisetzungsverhalten der erhaltenen Mikrokapseln hat.

Die so erhaltenen Mikrokapseln wiesen auch unterschiedliche mittlere Teilchengrößen auf (vgl. Streitpatent, Vergleichsbeispiel 1: 2,179 mym, Beispiel 3: 2,737 mym; D13, Probe 1: 5,14 mym, Probe 3: 4,48 mym). Zwar fallen die in D13 erhaltenen Teilchengrößen, wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen, in den im Patent genannten besonders bevorzugten Bereich (Absatz [0038]). Durch die Unterschiede in der Teilchengröße ist jedoch ein direkter Vergleich zwischen den Proben 1 bis 3 von D13 und den im Patent enthaltenen Vergleichsversuchen nicht möglich.

Die Proben 1 bis 3 von D13 können daher die im Patent enthaltenen Vergleichsversuche nicht in Frage stellen.

3.5.4 Die Beschwerdeführerin trug auch vor, dass die Proben 4 bis 10, von denen die Proben 6, 7 und 10 unstreitig unter den Anspruch 1 des Streitpatents fallen, belegten, dass die Aufgabe nicht über den gesamten beanspruchten Bereich gelöst sei.

Die Kammer kann sich dieser Ansicht aus den folgenden Gründen nicht anschließen. Unter diesen Proben wurde nur die Probe 4 mit dem in D6 verwendeten Vernetzer alleine, d.h. 1,4-Butandioldiacrylat, erhalten. In den Proben 5, 8 und 9, in denen jeweils nur ein Vernetzer verwendet wurde, wurde ein von 1,4-Butandioldiacrylat verschiedener Vernetzer verwendet, sodass diese Proben nicht als für D6 repräsentativ angesehen werden können. Zwar wird in der Probe 4 wie auch in D6 nur Butandioldiacrylat verwendet, allerdings in einer wesentlich geringeren Menge als in D6, nämlich 4,5 Gew.% gegenüber 30 Gew.%. Die Probe 4 ist daher nicht repräsentativ für D6. Folglich lässt auch ein Vergleich der Proben 6, 7 und 10 mit der Probe 4 nicht den Schluss zu, die Aufgabe sei nicht im Wesentlichen über den gesamten beanspruchten Bereich gelöst. Darüber hinaus können die Proben 4, 5, 8 und 9 nicht als für den nächstliegenden Stand der Technik (Beispiel 17 von D6) repräsentativ angesehen werden, da bei ihnen wesentlich geringere Mengen an Vernetzern zum Einsatz kommen bzw. nicht Butandioldiacrylat verwendet wird (Proben 5, 8 und 9).

Daher können auch die Proben 4 bis 10 von D13 weder die im Patent enthaltenen Vergleichsversuche in Frage stellen noch belegen, dass die Aufgabe gegenüber D6 nicht gelöst sei.

3.5.5 Auch das Argument der Beschwerdeführerin, dass die Vergleichsversuche im Streitpatent die Ansprüche nicht über die gesamte Breite stützen könnten, verfängt nicht. Es obliegt nämlich der Beschwerdeführerin nachzuweisen, dass die Aufgabe nicht über den gesamten beanspruchten Bereich gelöst ist. Ein solcher Nachweis liegt jedoch, wie oben gezeigt, nicht vor.

3.5.6 Es ist daher auf der Grundlage des Patents und der in diesem Verfahren vorgetragenen Tatsachen und Beweismittel glaubhaft, dass die gestellte Aufgabe (siehe Punkt 2.5) gelöst wurde. Die Aufgabe ist folglich nicht, wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen, umzuformulieren.

3.6 Hinsichtlich des Naheliegens steht außer Streit, dass sowohl D6 (siehe Spalte 2, Zeilen 1 bis 14) als auch D11 (siehe z.B. Anspruch 1) mehrere bi- bzw. polyfunktionelle Monomere offenbaren. Fraglich ist, ob der vor die genannte Aufgabe gestellte Fachmann, in diesen Dokumenten einen Hinweis dahingehend erhält, in Beispiel 17 von D6 neben Butandioldiacrylat einen weiteren bi- bzw. polyfunktionellen Vernetzer einzusetzen.

Aus D6 selbst ergibt sich ein solcher Hinweis nicht. Das Hauptaugenmerk ist in diesem Dokument auf Farbstoffe enthaltende Mikrokapseln gerichtet (Spalte 1, Zeilen 23 bis 26; Spalte 5, Zeilen 58 bis 66).

Was Dokument D11 betrifft, so wird in Absatz [0014] gelehrt, dass Mikrokapseln mit einer geringeren Permeabilität hergestellt werden können, wenn die enthaltenen Stoffe unter mechanischer Einwirkung durch Brechen der Kapselwand freigesetzt werden sollen. Als zu verkapselnde Stoffe kommt eine Vielzahl von Materialien in Frage, darunter auch Duft- und Riechstoffe (Absatz [0011]). Die Kontrolle der Permeabilität der Mikrokapseln kann durch die Wahl des polymeren Wandmaterials, den Grad der Vernetzung sowie die Dauer, Temperatur und die Art der Initiierung der Vernetzung erfolgen (Absatz [0047]). Allerdings wird in D11 weder eine verbesserte Freisetzung nach einem längeren Lagerungszeitraum gelehrt, noch dass zu diesem Zweck mehrere verschiedene bi- bzw. polyfunktionelle Monomere einzusetzen wären, auch wenn solche an sich in D11 offenbart sind.

Aus den genannten Gründen lag die vorgeschlagene Lösung in Anbetracht des zitierten Stands der Technik nicht nahe, selbst wenn von D11 als nächstliegendem Stand der Technik oder als jedenfalls geeignetem Startpunkt ausgegangen würde.

3.7 Der Gegenstand von Anspruch 1 in der erteilten Fassung beruht daher auf einer erfinderischen Tätigkeit. Dies gilt ebenso für die Ansprüche 2 bis 14, welche auf Anspruch 1 rückbezogen sind.

3.8 Der Einspruchsgrund nach Artikel 100a) iVm Artikel 56 EPÜ steht daher der Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung nicht entgegen.

Ein Eingehen auf die Hilfsanträge erübrigt sich damit.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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